Kaum war Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin nominiert, stellten Kritiker in den sozialen Medien ihre Eignung in Frage: Kann eine zweifache Mutter mit kleinen Kindern den Job im Kanzleramt übernehmen? Für viele ist das Bild der weiblichen Führungsposition noch fremd. Auch mit Blick auf die Geschäftsführung im deutschen Mittelstand sind Frauen immer noch in der Unterzahl.
Nicht nur Baerbock muss sich wegen der Karriere-Kinder-Frage rechtfertigen: „Ich kann es langsam nicht mehr hören“, sagt Antje von Dewitz, Geschäftsführerin beim Outdoorartikelhersteller Vaude Sports, auf dem Gipfeltreffen der Weltmarktführer. Mittlerweile antworte sie nur noch mit der Gegenfrage, ob das auch einem Mann gefragt werde. Die Frage beantwortet sich von selbst. Frauen tragen im Kopf vieler Menschen idealerweise die Hauptverantwortung für die Familie, Männer kümmern sich um ihre Karriere.
Frauenquote: Ja oder nein?
Um das Klischee aufzubrechen, hat der Bundestag gerade erst die Frauenquote zur Mindestbeteiligung weiblicher Führungskräfte in Vorständen beschlossen. Von Dewitz befürwortet dir Frauenquote. Es könne nicht sein, dass Frauen immer noch von Männern regiert werden. Deshalb sei es gut, nun endlich dagegen vorzugehen. Aus Erfahrungen in ihrem eigenen Unternehmen weiß sie auch: „Diverse Teams schaffen bessere Lösungen“. Jede vierte Führungsposition bei Vaude Sports sei von einer Frau besetzt.
Und auch Birgit Felden, Leiterin des Studiengangs Unternehmensgründung und Unternehmensnachfolge an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, findet es wichtig, Frauen den Weg in Führungspositionen zu erleichtern. Aber es sei nicht damit getan, nur Frauenförderungsprogramme zu schaffen. Auch Männer sollten unterstützt werden – damit es für sie selbstverständlicher werde, in Elternzeit zu gehen und den Weg für Frauen in Führungspositionen frei zu machen. Als Ergänzung könne die Frauenquote helfen.
Das Thema Frauenquote regte auf dem Gipfel der Weltmarktführer zu einer heißen Diskussion an. Denn: Martina Nighswonger, geschäftsführende Gesellschafterin des Chemiewerks Gechem, lehnt sie entschieden ab. Auch ohne Gesetze würde sich die Ungleichverteilung regeln – spätestens in der nächsten Generation. „Eine gute Frau setzt sich durch, das habe ich ja auch“, sagt die Geschäftsführerin. Frauen würden die Männer sowieso überholen, aber dann seien es zumindest die, die es wirklich wollen und nicht die, die sich durch die Frauenquote hochgemogelt hätten. Nighswonger ärgert es, dass das Thema Frauen in Führungspositionen immer wieder auftritt. Wenn sie neue Mitarbeiter sucht, wähle sie diese nicht nach Geschlecht aus – sondern nach Qualität.
Karriere mit Kindern – Kinder mit Karriere
Mehr als das Geschlecht sieht Nighswonger den fehlenden Mut für die aktuelle Ungleichverteilung in Führungspersonen verantwortlich. Frauen seien oft überlegter, verkauften sich vorsichtiger und wollten viel Zeit mit der Familie verbringen. Sie habe es an die Spitze von Gechem geschafft, indem ihr Sohn eine Tagesmutter hatte. Man müsse eben Prioritäten setzen.
Und auch von Dewitz bekommt Karriere und Kinder unter einen Hut. „Als Unternehmerin kann man auch viele Kinder haben“. Dafür ist sie selbst das beste Beispiel: Die Geschäftsführerin hat vier Töchter. Das würden nur wenige erkennen. In ihrem Unternehmen erlebe sie oft, dass die Frauen die Verantwortung lieber abgeben, wenn sie Kinder bekommen. Dabei versuche sie ihnen schon so weit wie möglich entgegen zu kommen. Männer seien da experimentierfreudiger. Es habe sogar schon männliche Mitarbeiter gegeben, die drei Jahre in Elternzeit waren. Allerdings gilt: Augen auf bei der Partnerwahl. „Mit dem richtigen Partner kann jede Mutter Karriere machen“, sagt die Professorin Birgit Felden. Der richtige Partner und Selbstbewusstsein seien das Patentrezept für den Weg an die Spitze.
Gründerinnen finden keine Investoren
Auch bei der Gründung mangelt es oft an Selbstbewusstsein. Viele Frauen fänden laut Felden keine Investoren, weil sie sich oft unsicher fühlten und damit schlechter verkaufen. „Wie man in den Wald hereinruft, schallt es auch wieder raus“, sagt die Geschäftsführerin. Stattdessen sei die Nachfolge eine „sichere Variante der Existenzgründung“. Denn: Aus Sicht der Abgabegeneration stehen Töchter genauso neben den Söhnen, wie sie in einer Untersuchung herausgefunden hat. Oft habe die Tochter eine harmonischere Bindung zum Vater als der Sohn. Deshalb sei es sogar vorteilhaft, Töchtern das Familienunternehmen zu überlassen.
Mehr zum Thema: Frauen in Führungspositionen sind immer noch selten, vor allem im Mittelstand. Unternehmen wie Vaude zeigen, wie mehr Vielfalt möglich ist.