Homöopathie „Am Anfang wurde ich massiv angegriffen“

Apothekerin Iris Hundertmark hat Homöopathie aus Ihrem Sortiment verbannt. Quelle: PR

Der Streit um die Homöopathie spitzt sich immer weiter zu. Die Landesvorsitzende der baden-württembergischen Grünen spricht gar von einem „Kreuzzug“. Eine Apothekerin aus Bayern hat schon vor Jahren eine klare Entscheidung getroffen: Sie verzichtet auf homöopathische Mittel im Regal.

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WirtschaftsWoche: Frau Hundertmark, Sie haben im Jahr 2018 sämtliche homöopathischen Mittel aus ihren Apothekenregalen entfernt. Wie fielen die Reaktionen aus?
Iris Hundertmark: Viele Seiten haben damals mit Unverständnis auf meine Entscheidung reagiert, homöopathische Produkte aus meinem Sortiment zu entfernen. Am Anfang wurde ich deswegen massiv angegriffen. Per E-Mail, postalisch und auch persönlich hier in der Apotheke. Ich musste viel diskutieren und mich für meinen naturwissenschaftlichen Weg rechtfertigen. Das Thema Homöopathie hat viel mit Glauben zu tun und setzt bei vielen Befürwortern extreme Emotionen frei. So haben wir das auch bei den sogenannten Querdenkern erlebt, die auch nicht auf Basis wissenschaftlicher Fakten argumentiert haben. Allerdings muss ich sagen, dass sich in den vergangenen Jahren einiges bewegt hat - zum Positiven. Die öffentliche Aufklärung, Information und Kritik an der Homöopathie hat zugenommen. Mit meiner Position, Homöopathie als Pseudomedizin und unwirksam zu bezeichnen, stehe ich inzwischen nicht mehr allein da. 

Was kritisieren Sie an der Homöopathie?
Ich habe viele Jahre Pharmazie studiert und stehe als Apothekerin für eine Medizin, die sich an empirischen Erkenntnissen und an der Wissenschaft orientiert. Ich empfehle meinen Kundinnen und Kunden Arzneimittel, die einen pharmazeutisch nachgewiesenen Nutzen haben. Die Hersteller homöopathischer Mittel sind leider nicht in der Pflicht, Nachweise zur Wirksamkeit ihrer Produkte zu erbringen. Dieser Missstand beruht auf einem veralteten Gesetz aus dem Jahr 1976, das seither nicht reformiert wurde. Daher gelten homöopathische Präparate aus medizinischer Sicht zu Unrecht als Arzneimittel. Sie tragen diesen Status aus rein rechtlichen Gründen. Homöopathika, meist Globuli, sind kleine weiße Zuckerkügelchen in denen kein Wirkstoff enthalten ist. Eine pharmazeutische Wirkung im Körper entbehrt also jeder Logik. Es gibt keine Wirkung, die über den Placeboeffekt hinausgeht.

Zur Person

Und was sagen Sie Kunden, die auf Homöopathie schwören, weil ihnen die Globuli geholfen haben?
Wenn ein Kunde oder eine Kundin von mir etwas Homöopathisches verlangt, erkläre ich, dass es sich hierbei um ein Mittel ohne Wirkstoff handelt und nach Einnahme mit einer Wirkung nicht gerechnet werden kann. Im Gespräch fällt häufig auf, dass Homöopathie oftmals mit pflanzlichen Präparaten verwechselt wird. Hier besteht aber ein himmelweiter Unterschied. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das ist ganz wichtig zu erklären! Die Leute hören mir meist sehr interessiert zu, es ergeben sich gute Gespräche. Dann empfehle ich eine wirksame Alternative, von der ich weiß, dass sie wirkt. Wissen Sie, die Kundinnen und Kunden  kommen ja meist in einer Notlage unter Schmerzen mit Beschwerden in die Apotheke. Sie möchten, dass ich Ihnen professionell helfe und wünschen sich mit Sicherheit kein Placebo von mir.

Haben Sie eigentlich inzwischen Nachahmer gefunden?
Ich weiß von einer Apotheke in Euskirchen im Rheinland, die sich ebenfalls von ihrem homöopathischen Sortiment getrennt hat. Ansonsten kenne ich viele Kollegen, die Homöopathie zwar kritisch sehen, aber die Mittel weiterhin abgeben. Oftmals leider auch ohne den Kunden zu informieren, dass kein Wirkstoff nachweisbar ist und Studien fehlen.

Weil die homöopathischen Mittel für den Umsatz einer Apotheke zu wichtig sind?
Wer sagt, dass eine Apotheke pleitegeht, wenn sie keine Homöopathie im Angebot hat, irrt gewaltig. Im Gegenteil. Ich verzichte zwar auf den Umsatz mit einem bestimmten Sortiment, weiche aber stets auf klassische anerkannte Medizin aus. Ich finde für Kundinnen und Kunden mit  Homöopathie-Wunsch immer eine passende Alternative für Ihre Beschwerden. Das schafft Vertrauen.

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Die meisten Krankenkassen zahlen dennoch  für homöopathische Mittel. Und das Bundesgesundheitsministerium lässt sie gewähren. Gibt Ihnen das zu denken?
Herr Lauterbach hat sich schon immer öffentlich klar gegen Homöopathie positioniert. Die Krankenkassen bezahlen aus Marketinggründen. Der Deutsche Ärztetag hat sich dafür klar gegen Homöopathie ausgesprochen.  Die Landesärztekammern der meisten Bundesländer wollen keine Weiterbildung für Homöopathie mehr anbieten und die entsprechende Zusatzbezeichnung streichen. Insgesamt ist die Homöopathie auf dem Rückzug, die Unterstützung in der Gesellschaft wird geringer. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun. Denn während der Pandemie haben viele Menschen gelernt, der Wissenschaft mehr zu vertrauen als den Arzneitipps in irgendwelchen Frauenzeitschriften beim Friseur.  

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