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Birgit Branczeisz

Dresden erlebt sein "Blaues Wunder"

Dresden. Die Loschwitzer Brücke wird wieder so blau wie sie einmal war - und nicht nur das.

Blau in blau: Dresden erlebt gerade einen historischen Moment - die Loschwitzer Brücke wird wieder zum

Blau in blau: Dresden erlebt gerade einen historischen Moment - die Loschwitzer Brücke wird wieder zum "Blauen Wunder" wie es vor 130 Jahren war.

Bild: Jürgen Männel

Arbeiter tragen Platten und Planen weg. Auf dieser Baustelle bleibt kein Handgriff unbemerkt. Die Hüllen am Blauen Wunder fallen. Zuerst die Einhausungen, dann Hängegerüst, Fassadengerüst und Zugangssteg. Seit vorigem Jahr bekommt die schönste Brücke Dresdens eine umfangreiche Frischekur. Dauern wird die allerdings noch ein ganzes Weilchen - genau bis 2030. Denn die "alte Dame" zählt nicht nur 130 Jahre - sie galt schon zu ihrer Entstehungszeit 1891 bis 1893 als aufwendiges technisches "Wunderwerk", eine genietete Stahlkonstruktion als dreifeldriges Fachwerk ausgeführt.

Sie war zu jener Zeit die erste Metall-Brücke, bei der trotz dieser enormen Spannweite keine Strompfeiler im Wasser standen. Ein großes Erbe in jeder Hinsicht. Und da ist nach weit über 100 Jahren einiges zu tun: Stahlteile müssen ersetzt oder erneuert, Leuchten und Fahrbahnübergänge instandgesetzt werden. Am Markantesten ist allerdings wie schon damals der hellblaue Anstrich, der nun Meter für Meter aufgebracht wird. Übrigens war die Brücke immer hellblau. Aber das nur am Rande.

Die Mitarbeiter der Firma Fuchs aus Hainichen hatten über Monate hinweg auf jeden Fall eine der aufregendsten Baustellen in der Stadt - in einem 700 Quadratmetergroßen Hängegerüst, das gleichzeitig als Arbeitsebene wie als Fangwanne für den anfallenden Strahlschutt diente. Überhaupt den richtigen Farb-Ton zu treffen, war dabei gar nicht so einfach. In Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege konnte der ursprüngliche Farbanstrich der Brücke bestimmt werden. Auf Farbfeldern wurden über Monate hinweg UV-Beständigkeit, die Reaktion mit dem Untergrund und Witterungseinflüsse getestet. Dann ging es los.

Bis ins Jahr 2027 soll die Loschwitzer Brücke ihren Namen "Blaues Wunder" wieder zu Recht tragen. Genauso wichtig, aber vielleicht weniger offensichtlich für die Öffentlichkeit sind die Arbeiten an Bodenplatten und Ankerkammern, die sich nun anschließen werden. Letztere werden nicht nur gegen die Wucht möglicher neue Jahrhunderthochwasser verstärkt, sondern künftig auch klimatisiert. Das klingt zunächst kurios, aber die verbauten Stahlteile lassen sich hier nicht streichen. Eine Klimaanlage soll deshalb die Luft trocken halten, um Rost weitestgehend zu vermeiden. Alle Öffnungen wie Fenster und Türen werden dafür verschlossen.

Um die Belastungen, sprich in diesem Fall das Gewicht für die Brücke zu reduzieren, wurde übrigens im Jahr 1985 der Straßenbahnverkehr eingestellt. Ja, hier fuhr tatsächlich eine Straßenbahn! Doch das Federgelenk in der Brückenmitte hielt dem wachsenden Verkehrsstrom nicht stand und so wurde der Bahnbetrieb eingestellt. Vielleicht fahren hier irgendwann auch keine Autos mehr. Vorerst bleibt es jedoch dabei. Im Inneren der Brücke werden dafür in den nächsten Jahren die historischen Geländer wieder neu hergestellt, auch das ein reizvolles Detail, bevor es bis ins Jahr 2030 hinein noch an die Sanierung der Pfeiler unter der Brücke und der Brückenlager geht. Auch da dürften die Techniker unter den Beobachtern voll auf ihre Kosten kommen.

Zu guter Letzt wird die komplette Fahrbahn erneuert: Statt drei Fahrspuren werden dann zwei Autospuren mit Fahrradwegen von Blasewitz nach Loschwitz führen. Für Fußgänger ändert sich nichts. Und was kostet das alles? Je nach Baukosten-Entwicklung rechnen Experten heute mit Gesamtkosten zwischen 96 und 126 Millionen Euro. Auch dazu gibt es eine historische Episode: Nach dem Bau der Brücke wurde 31 Jahre lang Brückenzoll erhoben, um die Baukosten von damals 2,2 Millionen hereinzubekommen. Bis 1924 war das "Blaue Wunder" bereits zweimal abgezahlt, so viel wurde eingenommen.


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