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Gottesdienst am Sonntag Sexagesimae, 27. Februar ... - Johannes

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<strong>Gottesdienst</strong> <strong>am</strong> <strong>Sonntag</strong> <strong>Sexagesimae</strong>, <strong>27.</strong> <strong>Februar</strong> 2011, Rhodos<br />

Lieder:<br />

Tut mir auf die schöne Pforte...166, 1-4<br />

Ist Gott für mich...351, 1-4+7<br />

Wir pflügen und wir streuen...508, 1-3<br />

Unsern Ausgang segne Gott...163<br />

Psalm 67 (Nr. 730)<br />

Kollektengebet: Herr, für dein Wort...196, 1+2<br />

Lesung: Jesaja 55, 6 - 13<br />

Predigt zu Markus 4, 26-29<br />

Liebe Gemeinde,<br />

omnia sponte fluant,absit violentia rebus.<br />

Auf deutsch:Alles fliesse von selbst, Gewalt sei den Dingen fern.<br />

Das war der Wahlspruch des großen Pädagogen und Bischofs der Böhmischen Brüder<br />

im 17. Jahrhundert, Amos Comenius. Alles fliesse von selbst. Gewalt sei den Dingen<br />

fern.<br />

Der Spruch sagt : Wir sollten alles im Leben wachsen, geschehen, sich entfalten lassen –<br />

und den Dingen nicht mit Gewalt, mit Zwang, Druck und Krieg nachhelfen wollen.<br />

Im Grunde ein wunderbares, tiefsinniges, weises Motto. Es gilt für die Landwirtschaft:<br />

Wer auf den Äckern, Wiesen, Obstplantagen immer mit Kunstdünger und sog.<br />

Pflanzenschutzmitteln powern und dem Wachstum nachhelfen will, der bewirkt<br />

schliesslich das Gegenteil. Es gilt auch für die Kindererziehung (und im Blick darauf hat<br />

Comenius es ja formuliert): Wir sollen der Entwicklung der Kinder oder Enkel Zeit lassen,<br />

sollen als Eltern warten, abwarten, erwarten können. Denn: Die Gaben der Kinder<br />

entfalten sich schon, wenn man ihnen liebevoll Zeit lässt...<br />

Und wie ist es mit dem Glaubenswachstum? Dem Wachstum des Reiches Gottes auf<br />

unserer Erde? Dazu sagt Jesus uns Menschen dieses Gleichnis:<br />

Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch S<strong>am</strong>en aufs Land wirft und<br />

schläft und aufsteht, tagaus, tagein – und der S<strong>am</strong>e geht auf und wächst - er<br />

weiss nicht,wie.<br />

Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, danach<br />

den vollen Weizen in der Ähre.<br />

Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin, denn die<br />

Erntezeit ist da.<br />

Wenn wir in den Evangelien lesen, können wir staunen darüber, wie aufmerks<strong>am</strong> Jesus<br />

die Umwelt,die Natur betrachtet hat; und man muss noch mehr staunen, auf welch<br />

einfache Weise er die tiefsinnigsten Wahrheiten gesagt hat. Hier sagt er uns mit dem Bild<br />

eines Kornfelds: Das Reich Gottes wächst - wie von selbst.


2<br />

I<br />

Ja, sollen wir denn garnichts tun? Doch, natürlich, das uns Menschen Angemessene.<br />

Zweierlei.<br />

Einmal: Wir sollen offen und empfänglich sein für das Wort Gottes, den S<strong>am</strong>en des<br />

Reiches Gottes. Das ist ja auch der Sinn des sog. Kollektengebetes, das wir beten, bevor<br />

wir in der Lesung das erste Mal Gottes Wort im <strong>Gottesdienst</strong> hören - wir beten um innere<br />

S<strong>am</strong>mlung, wir beten darum, dass Gottes Geist uns erleuchte,uns die Ohren und das Herz<br />

öffne,d<strong>am</strong>it wir in den 2000 Jahre alten biblischen Worten die gegenwärtige Stimme<br />

Gottes, den Willen Gottes für uns persönlich hören. Und auch im Eingangslied heute<br />

haben wir ja gesungen: „Mache mich zum guten Lande, wenn dein Saatkorn auf mich<br />

fällt...“ – und wenn wir das bewusst gesungen haben, dann haben wir d<strong>am</strong>it zu Gott<br />

gesagt: Darum bitte ich dich, dass dein Wort heute, in dieser Stunde, in meinem Leben<br />

angeht, aufgeht, Frucht bringt, etwas bewirkt.<br />

Das ist das Eine: Empfänglich sein für Gott und sein Wort. Denn nur wenn ich mich ihm<br />

öffne, erfahre ich auch etwas von Gott und seiner Kraft.<br />

Das andere: Auch jeder von uns – nicht nur wir Prediger – sollen Gottes Wort aussäen;<br />

jeder von uns hat den Auftrag, die Saat des Wortes Gottes auszustreuen. Jeder von uns<br />

hat den Auftrag, so von Gott zu reden, dass seine Worte wie Saatgut in den Herzen von<br />

Menschen sind. Ob sie Frucht bringen und bringen werden – das liegt dann in Gottes<br />

Hand.<br />

II<br />

Das ist ja auch bei dem Menschen in Jesu Gleichnis so, der den S<strong>am</strong>en auf das Land<br />

streut. Der überfordert sich nicht, und der unterfordert sich nicht. Er tut das Seine. Er<br />

streut breitwürfig,wie man das d<strong>am</strong>als machte, das Saatgut aus, er giesst und wässert,<br />

soweit nötig, er düngt in angemessenem Mass, macht Feierabend, ruht sich aus, faulenzt<br />

hoffentlich auch mal zwischendurch, betrachtet das Wachstum, staunt, wie es aufgeht,<br />

wächst und aufblüht, er ärgert sich auch über Misswuchs und Konkurrenten,die mitfressen<br />

und das Wachstum stören wollen - er tut das Seine, aber das Entscheidende kann er<br />

nicht machen.<br />

Ich glaube, Jesus weist uns hier auf den schlimmsten Schaden unserer gegenwärtigen<br />

Lebensweise hin. Denn ich glaube: Wir Menschen in den letzten Jahrzehnten oder gar<br />

Jahrhunderten haben das Verhältnis zwischen Aktivität und Passivität aus dem<br />

Gleichgewicht gebracht, wir tun selber zu viel und lassen zu wenig geschehen. Wir haben<br />

zu wenig Geduld, wir können nicht abwarten, nicht erwarten. Alles soll möglichst schnell<br />

gehen – quick and fast, „I want it, and I want it now“, wie ein beliebter Spruch der US-<br />

Amerikaner lautet, den wir Europäer längst übernommen haben. Alles soll so schnell wie<br />

nur möglich gehen, wo doch in Langs<strong>am</strong>keit soviel mehr Lebensschönheit,<br />

Lebensreichtum, Lebenstiefe liegt.<br />

Um ein Gedicht zu zitieren, eines der Gedichte von Eugen Roth,die er alle überschrieben<br />

hat:: Ein Mensch.


3<br />

Ein Mensch pflegt seines Zimmer Zierde,<br />

ein Rosenstöckchen, mit Begierde.<br />

Giesst's täglich, ohne zu ermatten,<br />

stellt's bald ins Licht, bald in den Schatten,<br />

erfrischt ihm unentwegt die Erde,<br />

vermischt mit nassem Obst der Pferde,<br />

beschneidet sorgs<strong>am</strong> jeden Trieb -<br />

doch schon ist hin, was ihm so lieb.<br />

Leicht ist hier die Moral zu fassen:<br />

Man muss die Dinge wachsen lassen.<br />

Und das gilt eben auch für jede Predigt und Bibelstunde, jede Glaubensvermittlung an<br />

Kinder und Enkel, es gilt für das Glaubenswachstum in dieser Gemeinde, ja für die<br />

ges<strong>am</strong>te Mission der Christenheit: Wir sollen schon das Unsere tun, aber bitte nicht zuviel<br />

– lassen wir Gott das Seine tun, zu seiner Zeit, auf seine Weise.<br />

III<br />

Der Bauer in Jesu Gleichnis tut seine Arbeit, er tut sie hoffentlich mit viel Liebesmüh –<br />

aber eins ist ihm sonnenklar: Dass überhaupt etwas aufgeht, wächst,blüht, gedeiht, das<br />

steht nicht in seiner Macht. Das bewirkt der Schöpfer. Das können wir nur erwarten.<br />

Abwarten und Tee trinken. Gespannt sein, was Gott tun wird.<br />

Ich musste, während ich das Gleichnis bei der Predigtvorbereitung betrachtete, immer<br />

wieder denken: Vielleicht gehören diese Worte mit zu dem Revolutionärsten,<br />

Notwendigsten und Heils<strong>am</strong>sten, was Jesus unserer heutigen Welt zu sagen hat.<br />

Denn was heute alles kaputt macht in der Umwelt und im persönlichen Leben – das ist<br />

genau dies, dass wir Gott nicht das Seine tun lassen, sondern seine Rolle mit übernehmen<br />

wollen.<br />

Etwa in unserer persönlichen Lebensgestaltung: Wir reden viel davon, dass wir alles „im<br />

Griff haben“ und „unter Kontrolle kriegen“ wollen, wir reden von Aktion und Aktivität, von<br />

Lebensplanung und Lebensabschnittsgefährten, wir sehen unsere Aufgaben, unsere<br />

Sorgen um die Gemeinde, wir reden von den riesigen Herausforderungen, vor denen wir<br />

angesichts der Umweltkrise stehen,und sprechen von unserer Verantwortung, die uns<br />

keiner abnehmen kann.Wir planen, den Teufel durch Beelzebub auszutreiben -:<br />

Umweltschutz durch mehr Wirtschaftswachstum! Aber wieviel wichtiger als unser Tun ist<br />

unser Lassen! Und wieviel besser als zu sorgen und zu planen kann es sein, auch einmal<br />

die Hände in den Schoss zu legen (oder – besser noch: zu falten) und geduldig zu warten.<br />

Was man dem Kanzler Kohl hämisch ankreidete, dass er die Dinge einfach „aussitzen“<br />

würde – das kann auch eine sehr lebensdienliche Wahrheit enthalten, nämlich die, die<br />

Paul Gerhardt in die Worte kleidete:<br />

„...hoff und sei unverzagt,<br />

Gott wird dich aus der Höhle,<br />

da dich der Kummer plagt,<br />

mit großen Gnaden rücken,<br />

erwarte nur die Zeit,


4<br />

so wirst du schon erblicken<br />

die Sonn' der schönsten Freud...“ (EG 361, 6).<br />

Er nennt hier die vielleicht schönste Seite und höchste Freiheit des christlichen Glaubens<br />

überhaupt: Mich Gott und seiner Führung überlassen, mich ihr anvertrauen. In Bezug auf<br />

Glauben und Leben genau in der richtigen Mischung von Aktivität und Passivität leben:<br />

Das, scheint mir, ist die höchste Lebenskunst.<br />

Ein gutes Beispiel dafür gibt uns Martin Luther.<br />

Er ist auf der Wartburg bei Eisenach und arbeitet mit Feuereifer und emsigem Fleiss an<br />

der Übersetzung des Neuen Test<strong>am</strong>ents aus dem griechischen Urtext ins Deutsche.<br />

Schläft aber auch genug, und zwischendurch muss er auch schonmal ein Tintenfass<br />

gegen den Widersacher schmeissen. Eines Tages erreichen ihn alarmierende Meldungen<br />

aus Wittenberg. Das Volk, angeführt von ehemaligen Priestern, stürmt in die Kirchen, wirft<br />

allen Schmuck und Prunk, Heiligenfiguren und -bilder, heraus; die Parole lautet:: Nur noch<br />

das reine Wort Gottes soll in den Kirchen gepredigt werden, alles, was das Hören<br />

ablenken könnte, soll verschwinden.<br />

Da reitet Luther unter Lebensgefahr unverzüglich nach Wittenberg und hält in der<br />

Stadtkirche dort die berühmten „Invokavitpredigten“, um die Ruhe wiederherzustellen.<br />

In einer von ihnen sagt er dies:<br />

Predigen will ich's; sagen und schreiben will ich's, aber mit Gewalt zwingen und dringen<br />

will ich niemand, denn der Glaube will willig und ungenötigt angenommen werden. Nehmt<br />

ein Beispiel von mir. Ich bin dem Ablass und allen Papisten entgegen gewesen, aber mit<br />

keiner Gewalt, ich habe nur Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst<br />

habe ich nichts getan. Das Wort Gottes hat,wenn ich geschlafen habe, wenn ich<br />

wittenbergisch Bier mit den Freunden Amsdorf und Melanchthon getrunken habe, soviel<br />

getan, dass das Papsttum so schwach geworden ist, dass ihm noch nie kein Fürst noch<br />

Kaiser so viel abgebrochen hat. Ich habe nichts getan, das Wort hat es alles getan und<br />

ausgerichtet. Wenn ich mit Ungemach hätte daher fahren wollen, so wollte ich<br />

Deutschland in ein großes Blutvergiessen gebracht haben, dass der Kaiser nicht mehr<br />

sicher gewesen wäre. Aber was wäre es? Ein Narrenspiel wäre es gewesen“.<br />

Das Wort Gottes hat alles getan. Ihm und d<strong>am</strong>it Gott selbst sollen wir alles zutrauen. Er<br />

schafft Wachstum, Reife, Frucht.<br />

IV<br />

Und er wird auch einmal die Schnitter schicken und die Ernte einbringen. In dieser<br />

Aussicht, die Jesus uns in seinem Gleichnis <strong>am</strong> Ende vor Augen stellt, liegt noch einmal<br />

etwas Tröstliches, etwas Gelassenheit und Zuversicht Weckendes, nämlich: Alles, was<br />

Gott plant und in Gang setzt, das bringt er auch zum Ziel, es ist nicht aufzuhalten – mag<br />

es auch zwischendurch Wachstumsstörungen oder scheinbaren Stillstand oder gar<br />

Rückschritte geben – dennoch: Das Reich Gottes wächst unaufhalts<strong>am</strong> der Vollendung<br />

entgegen. In manchen Gegenden der Welt kann es Schrumpfungen oder Dürrezeiten<br />

geben – wie möglicherweise derzeit in Europa, in anderen Weltgegenden dafür um so<br />

stärkeres Wachstum wie in China oder den Pfingstkirchen Afrikas. Im Ganzen jedenfalls<br />

wächst das Reich Gottes unaufhalts<strong>am</strong>, es überdauert alle Krisen und Gefährdungen. Es


5<br />

ist so, wie es der alte Napoleon in der Verbannung auf St. Helena gesagt haben soll:Die<br />

Weltreiche kommen und gehen, nur das Reich dieses armen Nazareners überdauert sie<br />

alle.<br />

Es wächst und wächst – bis zur Vollendung. In der ganzen Welt und in deinem<br />

persönlichen Leben, bis zur Ernte. Amen

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