Unterrichtseinheit : Ilse Aichingers ... - Mediaculture online
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<strong>Unterrichtseinheit</strong> : <strong>Ilse</strong> <strong>Aichingers</strong> Fenstertheater<br />
Inhalt, Gestaltung, Schnitte<br />
Auszug aus dem Booklet der Videokassette<br />
„Das Fenstertheater“ nach der gleichnamigen Erzählung von <strong>Ilse</strong> Aichinger<br />
3.30 Minuten, Kurzspielfilm, Farbe BRD 1992 ; Regie, Drehbuch, Produktion: Johannes<br />
Fluhr ; Kamera: Frank W. Barbian.<br />
Kurzcharakteristik :<br />
Das Fenstertheater ist ein Kurzspielfilm, der Einsamkeit und Vertrauen thematisiert. Von<br />
ihrem Wohnzimmerfenster aus beobachtet eine ältere Frau, wie beim gegenüberliegenden<br />
Wohnblock ein etwa gleichaltriger Mann sich "merkwürdig" verhält, und plötzlich<br />
verschwindet. Sie verständigt die Polizei, die die Wohnung des Mannes betritt und<br />
feststellt, dass dieser mit seinem "Theater" einen kleinen Jungen im gegenüberliegenden<br />
Block zum Lachen bringt.<br />
Inhalt :<br />
Nach dem Titelvorspann mit dem Hinweis, dass es sich um einen Film von Johannes<br />
Sylvester Fluhr handelt nach einer Geschichte von <strong>Ilse</strong> Aichinger, zeigt die Kamera einen<br />
Wohnzimmerschrank mit zwei eingebauten Regalen. Während die Kamera langsam von<br />
rechts nach links fährt, sind auf den Regalen zahlreiche Fotografien unterschiedlicher<br />
Größe sowie verschiedene Dekorationsstücke zu sehen. Gleichzeitig ist das Pfeifen eines<br />
Vogels sowie, überlaut, das Ticken einer Uhr zu hören. Eine Art Klatschen kommt hinzu<br />
und gleich darauf tauchen links zwei Hände auf. Diese halten eine kleine Tischuhr, um sie<br />
im nächsten Moment auf ein kleines Beistelltischchen vor dem Wohnzimmerschrank zu<br />
stellen. Nun zeigt die Kamera eine ältere Frau um die Sechzig, wie sie zum geöffneten<br />
Fenster geht, hinausschaut, dann einen prüfenden Blick nach oben wirft. Gerade, als sie<br />
sich abwenden möchte, erregt offenbar etwas ihre Aufmerksamkeit, denn sie hält inne und<br />
sieht geradeaus. Im Fensterglas spiegelt sich die ganze Zeit über die Fassade eines<br />
gegenüberliegenden Wohnblocks.
Es erfolgt ein Schnitt. Zu sehen ist nun (offenkundig weiterhin aus (der Perspektive des<br />
Wohnzimmerfensters der Frau) der gegenüberliegende Wohnblock mit vier Stockwerken.<br />
An einem der Fenster im zweiten Stockwerk werden die Vorhänge beiseitegeschoben und<br />
das Fenster geöffnet.<br />
Schnitt: Zu sehen ist die Frau. Sie schließt das Fenster, tritt ein wenig zurück, bleibt aber<br />
so stehen, dass sie weiterhin das andere Fenster im Blickfeld hat. An diesem erscheint ein<br />
Mann, etwa gleich alt wie die Frau, und lächelt ihr freundlich zu. Der Frau scheint das zu<br />
gefallen: Sie lächelt zaghaft, streicht sich mit der linken Hand über ihr Haar, als wollte sie<br />
es "zurechtrücken".<br />
Es folgt ein weiterer Schnitt. Der Mann trägt über seinem Hemd nun einen hellen<br />
Morgenmantel sowie einen locker über die Schultern geschwungenen Schal und einen<br />
Hut. Diesen abnehmend und wieder aufsetzend grüßt er sie. Um dann aus der linken<br />
Manteltasche unvermittelt ein weißes Tuch zu ziehen. Dieses schwenkt er auf und ab.<br />
Schnitt: Der Frau scheint auch dieser Gruß angenehm zu sein. Plötzlich aber geht sie<br />
etwas näher ans Fenster heran, ihr Blick wird mißtrauisch. Grund ist das Verhalten des<br />
Mannes. Der hat inzwischen das weiße Tuch abgelegt und schwingt statt dessen seinen<br />
Schal durch die Luft. Doch sein Verhalten wird noch merkwürdiger:<br />
Nach einem kurzen Zwischenschnitt auf die nun etwas unsicher klickende Frau sieht<br />
man, wie der Mann seinen Schal zu einer Art Turban auf seinen Kopf bindet und sich<br />
gleich darauf mit verschränkten Armen verbeugt. Damit nicht genug.<br />
Zwischenschnitt auf die Frau: Man sieht lediglich noch die Beine des Mannes in die<br />
Höhe gereckt. Nur Sekunden freilich, dann kippen sie langsam nach hinten weg. Danach<br />
ist zu sehen, wie die Frau einen Telefonhörer auflegt. Gleich darauf zeigt die Kamera -<br />
nach einem kurzen Blick auf das weiterhin leere Fenster des Mannes - von oben, wie ein<br />
Polizeistreifenwagen auf den Innenhof fährt.<br />
Schnitt. Die Frau und zwei Polizisten stehen vor einer Wohnungstür (an der dlas Schild:<br />
"Kehrwoche" hängt). Sie klingeln, doch niemand öffnet. Da schließt einer der beiden<br />
Beamten die Tür mit einem Schlüssel auf (woher er diesen hat, bleibt unbekannt).<br />
Schnitt. Die Kamera zeigt die Rückenansicht des Mannes mit Blick zum Fenster hinaus.<br />
Hinter dem Rücken trägt er ein Tuch und so schwingt er mit dem Oberkörper hin und her.<br />
Jetzt erst ist zu sehen, dass auf der gegenüberliegenden Seite ein Junge an einem<br />
Fenster steht, der dasselbe macht, nur mit einem Kissen auf den Rücken. Und erst jetzt<br />
wird klar, daß die Frau das Verhalten des Mannes irrtümlicherweise auf sich ausgerichtet<br />
verstand, während es tatsächlich dem Kind in ihrer Nachbarschaft galt.<br />
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Hier folgt nun der Abspann. Nachdem dieser vorüber ist, zeigt das Schlußbild nochmals<br />
das lachende Kind.<br />
Gestaltung :<br />
Das Fenstertheater ist ein Kurzspielfilm, der ohne Worte auskommt und sich ganz auf die<br />
Handlung und die sie tragenden Protagonisten ausrichtet. Eine Frau beobachtet einen sich<br />
"merkwürdig" verhaltenden Mann, der im Wohnblock gegenüber wohnt. Die Geschichte<br />
spielt in einer verschachtelten Wohnblocksiedlung, die mit ihren alten, grauen Fassaden<br />
trostloser nicht sein könnte. Trotzdem strahlt der Film diese Trostlosigkeit keine Sekunde<br />
aus. Warum nicht? Zum einen ist dla die Sonne, die alles in ein mildes Licht taucht. Zum<br />
anderen durch dass Verhalten der beiden Protagonisten. Mit sparsamen Bewegungen und<br />
mimischen Signalen ziehen sie die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich, der<br />
sich zusammen mit der Frau über dlas "merkwürdige" Verhalten des Mannes wundert und<br />
dessen Motivation erfahren möchte. Der Zuschauer übernimmt die Perspektive der Frau,<br />
"versteckt" sich. Damit werden beide Personen auf unterschiedlichste Weise vorgestellt:<br />
Die Frau lebt offenkundig in einer Welt der Erinnerungen, symbolisiert durch die mit<br />
Fotografien übersäten Regale des Wohnzimmerschranks. Am Ende des langsamen<br />
Kameraschwenks steht die Uhr, gehalten von der Frau. Dies ist durchaus als ein<br />
beiläufiger Hinweis auf die Lebensuhr, die Lebenszeit zu verstehen. Der Mann hingegen<br />
wird als Handelnder vorgestellt; über seine Vergangenheit erfährt der Zuschauer nichts.<br />
Die Vergangenheit "steht" im übertragenen Sinn in den Regalen, "verharrt" hinter dem<br />
Fenster. Der Mann handelt, ist also aktiv - aktiv als Symbol der Gegenwart.<br />
Als schließlich die Frage nach der Motivation für den Zuschauer endlich aufgelöst wird, es<br />
ist das Kind (steht es für die Zukunft?), setzt die Musik ein. Ohne aufdringlich zu sein,<br />
begleitet sie fröhlich das Spiel des Mannes mit dem Kind. Höhepunkt dieser Fröhlichkeit ist<br />
das lachende Kind im Schlußbild.<br />
Autor : Klaus Schuker<br />
Die Veröffentlichung dieses Auszugs aus dem Booklet der Videokassette erfolgt mit freundlicher<br />
Genehmigung von « Les Films des Mistons », Berlin.<br />
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