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HAT HITLER DAS HAKENKREUZ ERFUNDEN? - Forum

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265 <strong>HAT</strong> <strong>HITLER</strong> <strong>DAS</strong> <strong>HAKENKREUZ</strong> <strong>ERFUNDEN</strong>?<br />

Sektierern in Wien und München seine Umdeutung zum mystischen Kultsymbol militanter<br />

pangermanischer und antisemitischer Zirkel, Gruppierungen, Parteien und<br />

schließlich der von Hitler hysterisierten Massen erfuhr.<br />

Weit verbreitet war das Hakenkreuz als Abzeichen der etwa hundert deutschen Freikorps,<br />

die nach Auflösung der deutschen Armee 1918 auf Betreiben der Obersten<br />

Heeresleitung gebildet wurden. Neben den Farben Schwarz-Weiß-Rot und der<br />

Reichskriegsflagge war das oft am Stahlhelm geführte Hakenkreuz Teil der „Landsknechtmode"<br />

der Freikorps, die sich - infolge ihrer Gegnerschaft zur Weimarer Republik<br />

nicht ganz zu Unrecht - als „verlorene Haufen" fühlten. Die Freikorps übernahmen<br />

aber auch alte Heereszeichen; so wurde etwa das Edelweiß des Alpenkorps<br />

durch das von der Thule-Gesellschaft gegründete oder zumindestens beeinflußte<br />

„Freikorps Oberland" geführt, dem sich 1921 auch der spätere österreichische Heimwehrführer<br />

Ernst Rüdiger Graf Starhemberg anschloß, bevor er 1923 in München zur<br />

Hitlerbewegung stieß. 1<br />

<strong>HAT</strong> <strong>HITLER</strong> <strong>DAS</strong> <strong>HAKENKREUZ</strong> <strong>ERFUNDEN</strong>?<br />

Die Behauptung Adolf Hitlers, er selbst habe die Hakenkreuzfahne entworfen, kann<br />

zur Gänze stimmmen, zum Teil richtig oder aber ganz falsch sein. Hier zunächst der<br />

häufig zitierte Originaltext:<br />

Ich selbst trat immer für die Beibehaltung der alten Farben ein, nicht nur weil sie<br />

mir als Soldat das Heiligste sind, das ich kenne, sondern weil sie auch in ihrer ästhetischen<br />

Wirkung meinem Gefühl weitaus am meisten entsprechen. Dennoch mußte<br />

ich die zahllosen Entwürfe, die damals aus den Kreisen der jungen Bewegung einliefen,<br />

und die meistens das Hakenkreuz in die alte Fahne hineingezeichnet hatten,<br />

ausnahmslos ablehnen. Ich selbst - als Führer - wollte nicht sofort mit meinem eigenen<br />

Entwurf an die Öffentlichkeit treten, da es ja möglich war, daß ein anderer<br />

einen ebenso guten oder vielleicht auch besseren bringen würde. Tatsächlich hat ein<br />

Zahnarzt aus Starnberg auch einen gar nicht schlechten Entwurf geliefert, der übrigens<br />

dem meinen ziemlich nahekam, nur den einen Fehler hatte, daß das Hakenkreuz<br />

mit gebogenen Haken in eine weiße Scheibe hineinkomponiert war. Ich selbst<br />

hatte unterdes nach unzähligen Versuchen eine endgültige<br />

Form niedergelegt: eine Fahne aus rotem Grundtuch mit<br />

einer weißen Scheibe und in deren Mitte ein schwarzes Hakenkreuz.<br />

Nach langen Versuchen fand ich auch ein bestimmtes<br />

Verhältnis zwischen der Größe der Fahne und der<br />

Größe der weißen Scheibe sowie der Form und Stärke des<br />

Hakenkreuzes. Und dabei ist es dann geblieben.<br />

In der Folge schildert Hitler die Entstehung von Armbinde und Parteiabzeichen und<br />

interpretiert noch einmal die ideologische Bedeutung der Fahne:<br />

Als nationale Sozialisten sehen wir in unserer Flagge unser Programm. Im Rot sehen<br />

wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß den nationalistischen, im<br />

Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und<br />

zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst<br />

ewig antisemitisch ist und antisemitisch sein wird. 2<br />

Die für die Entstehung der (NS)DAP sehr wichtige „Thule-Gesellschaft", eine ordensähnliche<br />

Vereinigung pangermanischer und antisemitischer Sektierer, wurde zu<br />

1 Weißmann, a. a. O., 100 f.<br />

2 Adolf Hitler, Mein Kampf. München 1938, 551 ff.


<strong>DAS</strong> AGGRESSIVE <strong>HAKENKREUZ</strong> 266<br />

dieser Zeit vor allem von Professor Karl Haushofer, dessen Schüler Rudolf Heß, dem<br />

Schriftsteller Dietrich Eckart und von Alfred Rosenberg repräsentiert. Heß hatte sich<br />

auf Veranlassung Haushofers nach dem Putschversuch vom 8. 11. 1923 freiwillig den<br />

Behörden gestellt, um Adolf Hitler, den die Mitglieder des innersten Kreises des<br />

Thule-Ordens am 3. Oktober 1919 bei einer DAP- Veranstaltung „entdeckt" und am<br />

29. Juli 1921 zum 1. Vorsitzenden der Partei gemacht hatten, weiter „betreuen" zu<br />

können.<br />

Im Mai 1918 war in Österreich eine „Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei"<br />

gegründet worden. Die am 5. Januar 1914 in München gegründete Deutsche Arbeiterpartei<br />

DAP wurde etwa Anfang März 1920 „in Anlehnung an die verwandten sudetendeutschen<br />

und österreichischen Gruppierungen" in NSDAP umbenannt und<br />

übernahm angeblich gleichzeitig das „Kampfsymbol der Gesinnungsfreunde jenseits<br />

der Grenze, das Hakenkreuz." 1<br />

Im Gegensatz zu dieser verbreiteten Auffassung muß jedoch festgehalten werden, daß<br />

die Pränationalsozialisten bereits seit der Gründung des „Arbeiter-Ringes" durch den<br />

Journalisten Karl Harrer und seinen Thule-Freund Anton Drexler im Oktober 1918<br />

und nach dessen Weiterentwicklung zur „Deutschen Arbeiter-Partei" im Frühjahr<br />

1919 unter dem Hakenkreuz der Thule-Gesellschaft auftraten -ja mehr noch, unter<br />

eben jener Fahne, hinter der bald die ersten SA-Verbände marschieren sollten.<br />

E. R. Carmin bemerkt dazu:<br />

Folgende Episode hat zweifellos mehr als anekdotischen Charakter: Während der<br />

Trauerloge um die von den Münchner Räterepublikanern (April 1919 - Anm. d.<br />

Verf.) erschossenen Brüder und Schwestern von Thule - also geraume Zeit vor der<br />

Gründung der NSDAP - war der Tisch des Meisters mit einer erbeuteten roten<br />

Fahne bedeckt, von der man die gelben Zeichen Hammer und Sichel entfernte<br />

und an deren Stelle ein kreisrundes, weißes Tuch aufsteckte, auf dem das Hakenkreuz<br />

dargestellt war.<br />

In der Parteilegende für die profanen Mitläufer würde es dann später freilich heißen,<br />

Hitler habe nicht nur die NSDAP erfunden, sondern auch die Idee gehabt, es<br />

müsse eine Parteifahne geschaffen werden, „die mit dem flammendroten Banner<br />

der Kommunisten in Wettstreit treten könne". Das war nicht mehr notwendig. 2<br />

Der Gründer der Thule-Gesellschaft, Rudolf Freiherr von Sebottendorf, faßte das<br />

„Urheberrecht" seines „Ordens" an den wichtigsten NS-Symbolen wie<br />

folgt zusammen:<br />

Das „Heil und Sieg", den Gruß der Thule-Leute, machte Hitler zum<br />

„Sieg-Heil", die Thule-Zeitung machte der Führer zum „Völkischen<br />

Beobachter", zum Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung<br />

Großdeutschlands. Unser Thule-Zeichen, das germanische Hakenkreuz,<br />

übernahm Hitler in dieser Form als Symbol der siegenden<br />

NSDAP. 3<br />

Für die Glaubwürdigkeit dieser These spricht auch die Abbildung eines<br />

Briefkopfes der Thule-Gesellschaft auf einem Schreiben derselben an<br />

den „verehrlichen Magistrat der Landeshauptstadt", datiert mit 25. Juni<br />

Das Zeichen<br />

der Thule-<br />

Gesellschaft<br />

1919, der nicht nur das Signet der Thule (Schwert mit Sonnenrad und Eichenlaub),<br />

sondern auch zwei Hakenkreuze in eben der später von Hitler<br />

um 45 Grad nach rechts gedrehten Form enthält. 4<br />

1 Joachim C. Fest, Hitler. Frankfurt 1973, 183<br />

2 E. R. Carmin: „Guru" Hitler. Zürich 1985, 120<br />

3 Carmin, a. a. O., 76<br />

4 München, „Hauptstadt der Bewegung". Ausstellungskatalog. Münchner Stadtmuseum 1993, 55


267 „RITTER JÖRG" - LANZ VON LIEBENFELS<br />

„RITTER JÖRG" - LANZ VON LIEBENFELS<br />

Das Hakenkreuz als praktisch verwendetes politisches Symbol der arisch-pangermanischen,<br />

antisemitischen Weltanschauung wurde in den völkischen Zirkeln Österreichs<br />

und Deutschlands ungefähr zur selben Zeit ausgegraben und als Vereinsabzeichen<br />

eingesetzt. Nach Wilfried Daim 1 könnte es sein, daß Österreich in diesem Fall sogar<br />

eine traurige Vorreiterrolle zukommt. Daher steht sein Buch auch unter einem Ausspruch<br />

von August Maria Knoll, dem österreichischen Soziologen und linkskatholischen<br />

Sozialreformer:<br />

Der Nationalsozialismus ist jene Bewegung, die das preußische Schwert der österreichischen<br />

Narretei zur Verfügung gestellt hat.<br />

Wer war der „Mann, der Hitler die Ideen gab"?<br />

Geboren als Sohn eines Lehrers am 19. Juli 1874 in Wien-Penzing, steht sein Name<br />

im Taufbuch als Adolf Josef Lanz. Bekannt unter dem von ihm selbst „verbesserten"<br />

Namen Jörg Lanz von Liebenfels (ein Großvater war vermutlich jüdischer Herkunft,<br />

wie dessen Name und Beruf- Abraham Hoffenreich, Handelsmann in der Slowakei -<br />

vermuten läßt), war Lanz seit frühester Jugend darauf versessen, „Tempelritter" zu<br />

werden und eine „Templerburg" zu besitzen. Zunächst trat er neunzehnjährig nach<br />

bestandener Matura in den Zisterzienserorden im Stift Heiligenkreuz bei Wien ein.<br />

Eine in Stein gehauene Abbildung einer Männergestalt mit nimbiertem Haupt, die<br />

auf einem affenähnlichen Tier steht (für Lanz das „böse Prinzip"), beeinflußte ihn offenbar<br />

nachhaltig. Ein Traumgesicht habe ihm gesagt, daß es sich bei der Gestalt um<br />

einen Tempelritter handle. Dies bestärkte ihn in seiner Absicht, Templer zu werden.<br />

(Der begüterte Templerorden existierte von 1119 bis 1312 und verfolgte das Ziel, die<br />

Ungläubigen zu bekämpfen und das Heilige Grab zu schützen.) Für Lanz war die<br />

Skulptur von Lilienfeld (nach seinen Worten „eine der ältesten Südostdeutschlands")<br />

Ausgangspunkt seiner „ariosophischen Forschungen". Zu allem Überfluß war auch<br />

sein Novizenmeister, Nivard Schlögl, ein kämpferischer Antisemit.<br />

1899 trat Lanz - vermutlich einer Liebesgeschichte wegen und weniger aufgrund von<br />

ikonographischen Streitigkeiten - aus dem Kloster aus, behielt aber zeitlebens seinen<br />

Ordensnamen - den des Drachentöters Georg (Jörg) - bei. Vielleicht hat Lanz dabei<br />

an Georg Ritter von Schönerer gedacht. 2<br />

Der Ordensaustritt von Lanz trug Züge einer „Los-von-Rom-Bewegung": er ging hin,<br />

seine eigene „christliche" Kirche zu gründen - „ein ariosophisches Institut für sakrale<br />

heroische Rassenzucht", als Gegenbild zum „verjudeten" Christentum. Daher verwendete<br />

Lanz auch später für „Jesus" den aus der gotischen Ulfila- Bibel stammenden,<br />

offenbar genügend germanisch klingenden Namen „Frauja". Das Programm seines<br />

„Ordens des Neuen Tempels" (1907 !) begann mit folgendem Satz:<br />

Die Staaten werden im Interesse ihres Bestandes der Kultur zur planmäßigen<br />

Zucht der Staats- und kulturerhaltenden Menschen arischer Rasse kommen müssen.<br />

Der neue Orden übernahm Elemente sowohl des Templerordens als auch des Zisterzienserordens<br />

(weißes Habit mit Kruckenkreuz). Man hielt Gralsfeiern ab, für die<br />

Tausende Seiten selbstverfaßter liturgischer Literatur zur Verfügung standen. Assoziationen<br />

mit dem Ku-Klux-Klan drängen sich auf. Zentrum des Ordens war die auf<br />

einem Felsen im Strudengau gelegene Burg Werfenstein, die Lanz seit 1896 kaufen<br />

1 Wilfried Daim, Der Mann, der Hitler die Ideen gab. 2. Auflage, Wien 1985<br />

2 Vgl. hiezu: Wilfried Daim, Name und Politik. In: Der Psychologe, Heft 4, Band XIII, 1961<br />

Jetzt auch noch auf Jörg Haider zu verweisen, hieße ein ganzes Kapitel Daimscher Namensdeutung<br />

zu eröffnen.


<strong>DAS</strong> AGGRESSIVE <strong>HAKENKREUZ</strong> 268<br />

wollte, aber erst 1907 vertraglich als sein Eigentum erwerben konnte. Daneben besaß<br />

der Neutemplerorden noch mehrere Burgen in Deutschland und Ungarn.<br />

Im Rahmen einer Kulthandlung wurde zu Weihnachten 1907 zum erstenmal eine Hakenkreuzfahne<br />

auf Burg Werfenstein gehißt. Ein Nachbar von Lanz, Franz Herndl,<br />

beschreibt diesen Vorgang in seinem autobiographischen Roman: 1<br />

Die eine Flagge, auf den Trümmern des einstmaligen „Palas" an einem neu errichteten<br />

Maste befestigt, zeigte einen silbernen Adlerflügel auf rotem Grunde,<br />

während die andere, die auf dem noch erhaltenen Turm aufgezogen war, auf goldenem<br />

Grunde vier blaue Lilien um ein rotes Hakenkreuz darstellte.<br />

Die erste Flagge enthielt das von Lanz in der Schweizer Stadt Zuzgen im Aargau aufgefundene<br />

Wappen der Familie Lanz von Liebenfels. Seine heraldischen Elemente<br />

„rot" und „Adlerflug" paßten sehr gut zur radikalen Weltanschauung des Wiener<br />

Weltverbesserers. Die zweite Flagge deutet Wilfried Daim wie folgt:<br />

Der goldene Grund als Symbol der Ewigkeit, die Lilien als Symbol der (Rassen-)<br />

Reinheit und das rote Hakenkreuz als Symbol des aufsteigenden Arioheroischen.<br />

Blau und gelb finden wir auch an anderer Stelle als germanische „Edelfarben"<br />

(vgl. S. 397).<br />

In Deutschland dürfte der Münchner Alfred Schuler der erste moderne Hakenkreuztheoretiker<br />

gewesen sein. Schon 1895 wollte er über das Hakenkreuz dissertieren, da<br />

er in der Swastika „das mittelpünktliche Symbol der vorgeschichtlichen Menschheit<br />

entdeckt zu haben glaubte und bis zuletzt an den Aufschlüssen festhielt, die ihm darüber<br />

durch Schulung dessen, was er ,innere Wahrnehmung' nannte, zu eigen wurden".<br />

2<br />

Wilfried Daim konnte zwar keine Verbindung zwischen dem Kreis um Alfred Schuler<br />

(dem auch Stefan George und Rainer Maria Rilke angehörten) in München und jenem<br />

um Lanz bzw. Guido von List in Wien nachweisen; wie wir aber durch E. R.<br />

Carmin 3 erfahren haben, waren die beiden letzteren prominente Mitglieder der Thule-<br />

Gesellschaft! Es ist daher anzunehmen, daß sehr wohl Kontakte zwischen den genannten<br />

Pränationalsozialisten bestanden haben, zumindest war man gegenseitig<br />

über das Schrifttum informiert.<br />

Nach Guido von List 4 ist das linksflügelige Hakenkreuz eine „Ur-Glyphe", die<br />

„Fyrfos" (Feuerzeugung) bedeutet und als heiliges Geheimzeichen der Armanen, der<br />

geistigen Führer der Arier, auch Hakenkreuz oder Swastika heißt. Neben der Ableitung<br />

aus dem Sanskrit (svasti = Glück) stellt Guido von List<br />

eine Beziehung zwischen „thu" und „ask" („tue wachsen")<br />

Vom Hakenkreuz zum<br />

Kruckenkreuz<br />

und dem germanischen Gottesnamen „Tuisk-fo" her. Das<br />

rechtsflügelige Hakenkreuz soll hingegen das Feuer der Empörung<br />

gegen die Behinderung neuer Ideen symbolisieren. Als<br />

solches soll es als „Pflugrad" (in einen Kreis gestellt, die Haken gerundet) auf den<br />

Fahnen der Bauernkriege geführt worden sein, wovon sich der Begriff „Rädelsführer"<br />

ableite. (Alle diese wohl vorwiegend assoziativen Deutungen passen sehr schön zu<br />

den frühen Nationalsozialisten!) Wenn man nun beide „Glyphen" übereinanderlege,<br />

entstehe das „Redende Haupt", das „heiligste Sigill des Armanentums" -, eine dem<br />

Malteserkreuz, Lilienkreuz oder Kruckenkreuz ähnliche Form, die - in gnostischer<br />

Weltsicht - als die Verdichtung des Geistes zum Stoffe = Tod (linksflügelig), vereinigt<br />

mit der Entdichtung des Stoffes zum Geiste = Leben (rechtsflügelig), interpretiert<br />

1 Zit. nach Daim, a. a. O, 81<br />

2 Zit. nach Daim, a. a. O. 84, Lit. 315<br />

3 a.a.O., 71<br />

4 Die Bilderschrift der Ariogermanen. Leipzig 1910


269 DER SIEGESZUG DES <strong>HAKENKREUZ</strong>ES IM DEUTSCHEN REICH<br />

werden könne. Das linksflügelige Hakenkreuz findet sich folgerichtig auf einem Grabstein,<br />

den ein Neutempler 1914 seiner verstorbenen Frau setzte 1 , während das rechtsflügelige<br />

sowohl auf der Schrift Lists „Das Geheimnis der Runen" (1908) als auch in<br />

einer Beilage zu einem „Ostara"-Heft von Lanz (1909) vorkommt. 2 Hitler hat in seiner<br />

Wiener Zeit mit größter Wahrscheinlichkeit „Ostara"-Hefte gelesen.<br />

Erfunden hat Hitler das Hakenkreuz aber ebensowenig wie die NSDAP und deren<br />

Ideologie. Was von ihm stammt, ist die Entwicklung eines auf ein Zentralsymbol aufbauenden,<br />

geschlossenen propagandistischen Konzepts.<br />

Millionenfach wirksam geworden als mystisch einigendes und den Kampf befehlendes<br />

Symbol ist das Hakenkreuz - stärker als ähnliche faschistische Symbole in ganz<br />

Europa - durch seine physische Vervielfältigung als Abzeichen und Bild, auf Raggen<br />

und Fahnen, aber vor allem auch durch das in der NS-Zeit erstmals eingesetzte audiovisuelle<br />

Medium Film.<br />

DER SIEGESZUG DES <strong>HAKENKREUZ</strong>ES IM DEUTSCHEN REICH<br />

Beim „Reichsparteitag der Freiheit", am 15. September 1935, wurden vom Deutschen<br />

Reichstag einstimmig die berüchtigten „Nürnberger Gesetze" beschlossen:<br />

- das Reichsflaggengesetz,<br />

- das Reichsbürgergesetz und<br />

- das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre.<br />

Für das erste der drei Gesetze, das durch eine Reihe von Verordnungen und Erlässen<br />

mit deutscher Gründlichkeit genau konkretisiert wurde, fand Reichstagspräsident<br />

Hermann Göring folgende einführende Worte:<br />

Die alte Flagge ist in Ehren eingerollt, sie gehört einem vergangenen Deutschland<br />

der Ehre an. Aber unter den alten Farben mit einem neuen Symbol begann der<br />

Kampf um die Freiheit... Zwei Flaggen waren es, die letzten Endes in Deutschland<br />

um die Freiheit rangen: ein blutrotes Tuch, in dem einen der Sowjetstern,<br />

in dem anderen aber leuchtend das Sonnenzeichen des Hakenkreuzes. Hätte<br />

jene rote Flagge mit dem Sowjetstern gesiegt, dann wäre Deutschland untergegangen<br />

im Blutrausch des Bolschewismus. Danken wir Gott und der Vorsehung, daß<br />

unser Feldzeichen siegte, denn damit ging für Deutschland das Wunder auf der<br />

Volkswerdung und damit seiner Rettung für alle Zeiten.<br />

Die ersten drei der fünf Artikel des Reichsflaggengesetzes vom 15. September 1935<br />

lauteten wie folgt:<br />

Artikel 1. Die Reichsfarben sind schwarz-weiß-rot.<br />

Artikel 2. Reichs- und Nationalflagge ist die Hakenkreuzflagge. Sie ist zugleich<br />

Handelsflagge.<br />

Artikel 3. Der Führer und Reichskanzler bestimmt die Form der Reichskriegsflagge<br />

und der Reichsdienstflagge.<br />

1 Photo bei Daim, a. a. O. 48<br />

2 Daim, a. a. O. Abb. 80, 95<br />

Eisernen Kreuz


<strong>DAS</strong> AGGRESSIVE <strong>HAKENKREUZ</strong> 270<br />

Die Abbildung auf S. 269 zeigt die vier Spezialnormen der Hakenkreuzflagge. Für sie<br />

wurde das Format 3:5 vorgeschrieben, während für die Nationalflagge mit dem Hakenkreuz<br />

keine Formatvorschrift bestand.<br />

Am 7. März 1936 wurde auch die genaue Gestaltung des Hoheitszeichens des Reiches<br />

durch Verordnung bekanntgemacht:<br />

Das Hoheitszeichen des Reichs zeigt das Hakenkreuz, von einem Eichenkranz<br />

umgeben, auf dem Eichenkranz einen Adler mit geöffneten Flügeln. Der Kopf des<br />

Adlers ist nach rechts gewendet...<br />

In einen Kreis mit Umschrift gesetzt, entstand aus diesem Zeichen jener runde „Farbdruckstempel",<br />

mit dem Millionen großteils verbrecherischer Erlässe, Bescheide und<br />

Befehle des Dritten Reiches versehen waren. Diese Gesetze und Verordnungen blieben<br />

im Deutschen Reich nicht nur bürokratische Vorschriften, sondern wurden durch<br />

die reiche Propagandatätigkeit, die dort entfaltet wurde, weit über die Grenzen sichtbarer<br />

Ausdruck der neuen Machthaber und ihrer Ideologie. Insbesondere trug der<br />

deutsche Tonfilm zur Verbreitung der nationalsozialistischen Symbole bei. Sie sollten<br />

wenige Jahre später, durch Verordnung vom 14. Januar 1939, geltendes Recht in der<br />

in das Deutsche Reich eingegliederten „Ostmark" werden.<br />

<strong>DAS</strong> <strong>HAKENKREUZ</strong> IN ÖSTERREICH<br />

Wie wir gesehen haben, brauchte das Hakenkreuz gar nicht nach Österreich importiert<br />

zu werden, um als Abzeichen für nationalsozialistische Vereine und Gruppierungen<br />

gewählt zu werden. Es war hier spätestens seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts<br />

bekannt, als es der antisemitische „Deutsche Turnerbund" (gegründet 1889<br />

in Deutschböhmen) als Abzeichen führte. Die Nachfolgeorganisation, der „Deutsche<br />

Turnerbund mit Sitz in Wien, war eine der Kerntruppen des Nationalsozialismus<br />

und als solche maßgeblich am Putschversuch 1934 beteiligt. Dennoch ist anzunehmen,<br />

daß erst der massive propagandistische Einsatz des Hakenkreuzes und der<br />

Hakenkreuzfahne im „Altreich" dieses Zeichen<br />

auch breiteren Schichten der Bevölkerung in<br />

Österreich bekanntmachte.<br />

Für deutschnational gesinnte Kreise in der sogenannten<br />

„Ostmark" war das Hakenkreuz jedenfalls<br />

schon sehr früh Zeichen einer tief empfundenen<br />

Hoffnung, wie der hymnische Lobpreis<br />

Ottokar Kernstocks beweist (vgl. das Kapitel<br />

über die Hymnen, S. 140).<br />

Das Hakenkreuz erfüllte die ihm zugedachte<br />

Funktion in der legalen wie in der (seit 19. Juni<br />

1933) illegalen Zeit der nationalsozialistischen<br />

Bewegung in Österreich. Was Karl Kraus ein<br />

„Gezücht von Hakenkreuzottern" nannte,<br />

nannte der Volkmund „Hakenkreuzler". Diese<br />

verwendeten ihr Symbol als einigendes Zeichen<br />

und als Mittel der Provokation. Es tauchte in<br />

den verschiedensten Formen überall und immer<br />

wieder auf: in Form von auf Berghängen entzündeten<br />

Feuern oder in Melonen geschnitzt, an<br />

Im Kampf gegen den Ständestaat:<br />

Hakenkreuz und drei Pfeile<br />

den Zylinder gesteckt, zwischen den Türmen der<br />

Wiener Votivkirche aufgespannt oder als eine


271 <strong>DAS</strong> <strong>HAKENKREUZ</strong> IN ÖSTERREICH<br />

sich selbst entzündende Holzkonstruktion in einem auf den Grazer Jakominiplatz gestellten<br />

Paket. Das Hakenkreuz spukte aber auch in den Köpfen der Intelligenz. Nur<br />

wenigen Germanisten ist der Umstand bekannt, daß Josef Weinheber (1892-1945) zu<br />

Hitlers 50. Geburtstag am 20. 4. 1939 ein Hörspiel verfaßt hat. In dessen überaus<br />

schwülstiger erster Version erklärt er die Swastika (wie vor ihm Wilhelm Reich in seiner<br />

„Massenpsychologie des Faschismus") zum Abbild der Vereinigung von Mann<br />

und Frau. Als „Flammenzeichen lichtgläubigen Volks" bilde das Hakenkreuz die<br />

Apotheose der Reichskleinodien und sei damit ein Hort der Treue zum „von Gott gesandten<br />

Führer".<br />

Den Weg des Hakenkreuzes in Wien mögen zwei Photos illustrieren. Das erste<br />

(S. 270) zeigt ein Wohnhaus, auf dem unter der Hakenkreuzfahne die drei Pfeile der<br />

Sozialdemokratie angebracht sind; Symbolik des Kampfes der zwei oppositionellen<br />

Bewegungen der Ersten Republik gegen die konservative Regierung aber auch gegeneinander.<br />

Das Hakenkreuz war in Mode. Tausende aus Blech gestanzte Hakenkreuze wanderten<br />

von der Hinterseite des Rockaufschlages auf die Vorderseite: die „Märzveilchen"<br />

blühten (Bezeichnung für bisher illegale Nazis, die sich nunmehr zu erkennen gaben).<br />

Viele Österreicher, die nichts mit den Nazis gemein hatten,<br />

steckten sie einfach an, um in Ruhe gelassen zu<br />

werden. Der verstorbene General Emil Spannocchi,<br />

1938 Offiziersanwärter im österreichischen Bundesheer,<br />

berichtete, daß eine Freundin - offenbar eine attraktive<br />

„Nazisse" - beim ersten Rendezvous verschämt das von<br />

ihr getragene Hakenkreuz wieder hinter dem Revers<br />

ihres Mantels verschwinden ließ, da sie annahm, es<br />

würde einen angehenden österreichischen Offizier stören.<br />

Doch dieser wurde bald auf den Heldenplatz kommandiert,<br />

leistete den Eid auf Hitler und trug den „Hoheitsvogel"<br />

auf der Uniform. 1<br />

In den Tagen des „Anschlusses" traten massiv Hakenkreuzarmbinden<br />

auf, nicht nur bei SA-Angehörigen<br />

oder Ordnern, sondern auch bei vielen Wiener Polizisten,<br />

die sie als Illegale wohl schon wochenlang in der<br />

Uniformtasche mitgeführt hatten.<br />

Das zweite Bild (rechts) zeigt die Reichskriegsflagge bei<br />

der Vereidigung der Rekruten auf dem Wiener Heldenplatz.<br />

Sie war zum Entsetzen der reichsdeutschen Stellen<br />

seitenverkehrt aufgehängt worden - zunächst vielleicht<br />

nur Ausdruck „ostmärkischer Schlamperei" bei<br />

der Behandlung von Staatssymbolen, aber vielleicht<br />

schon ein erstes Anzeichen dafür, daß die Verbindung<br />

zwischen dem Träger des österreichischen „Schnürschuhs"<br />

und des preußischen „Knobelbechers" nicht<br />

ewig dauern würde.<br />

Die Jugend im Deutschen Reich wurde in Jungvolk,<br />

Hitlerjugend (HJ) und in den Bund Deutscher Mädel<br />

(BDM) eingegliedert, die alle anderen Jugendorganisationen<br />

ersetzten. Das Abzeichen des Jungvolks war<br />

(auch schon vor 1933) die weiße Sig-Rune auf schwar-<br />

1 Chorherr, 1938, a. a. O., 197 f.<br />

KONNTE AUCH NUR IN WIEN PAS­<br />

SIEREN: Di« reldasdentichen Stellen<br />

wäre« enUetxt, als de diese» Bild<br />

sahen, das ein Wiener Fresselotogral<br />

geknipst hatte. Bei der Vereidigung<br />

der Beitraten anl dem HeWenpUt* war<br />

die Relchskrlegsflagge mit rerkehrteBi<br />

Hakenkrem gehlBtl


<strong>DAS</strong> AGGRESSIVE <strong>HAKENKREUZ</strong> 272<br />

zem Grund. Die Hitlerjugend führte das Hakenkreuz auf rot-weiß-rotem Grund. Es<br />

konnten bisher keine Hinweise darauf gefunden werden, daß in dieser Farbkombination<br />

in irgendeiner Weise - vielleicht auch nur unbewußt - ein Hinweis auf die österreichische<br />

Herkunft Adolf Hitlers zu erblicken ist. Jedenfalls marschierten „Austro-<br />

Nazis" mit rot-weiß-roten Fahnen, die das Hakenkreuz zeigten, 1931 über den Wiener<br />

Heldenplatz. 1<br />

Wie in der Einleitung erwähnt, ist in der Überflutung Österreichs mit Hakenkreuzflaggen,<br />

Hitlerbildern und sonstigen NS-Symbolen - besonders in der ersten Zeit<br />

nach dem „Anschluß" - eine der wesentlichsten Ursachen für die starke Zurückhaltung<br />

zu erblicken, mit welcher man heutzutage den Staatssymbolen in Österreich gegenübertritt.<br />

Da diese Einstellung in der innerfamiliären und schulischen Sozialisation<br />

gewissermaßen „sozialbiologisch" weitergegeben und vererbt wird, wird dieses<br />

Phänomen trotz dem stark gewachsenen österreichischen Nationalbewußtsein wohl<br />

noch für Generationen anhalten.<br />

Mancher Leser wird sich fragen, warum wir uns an mehreren Stellen des Buches so<br />

ausführlich mit verschiedenen Phänomenen der ständestaatlichen oder der NS-Zeit<br />

beschäftigen. Sollte über diese Dinge nicht endlich Gras wachsen? Die Antwort ist ein<br />

klares Nein. Dieses Nein liegt in dem Umstand begründet, daß bis auf den heutigen<br />

Tag viele Dinge ungeklärt sind, unter den Teppich gekehrt werden, verdrängt werden.<br />

Vieles wurde den jungen Österreichern auch nie mitgeteilt - die Eltern wollten nicht,<br />

die Schulen durften nicht. Umgekehrt aber wirken manche dieser ins Unterbewußtsein<br />

verschobenen Phänomene bis heute nach. Man kann dabei an die immer wieder<br />

auftretenden Hakenkreuz-Schmieraktionen (vgl. das Motto dieses Kapitels) oder an<br />

manches Wirtshausgespräch denken. Fast ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende<br />

darf für das neue Kfz-Kennzeichen für den Bezirk Neusiedl/See nicht „NS", sondern<br />

muß „ND" gewählt werden, weil Abkürzungen wie „HJ", „NS", „SA", „SS" oder<br />

auch „VF" auch heute noch Signal- oder Symbolwert haben. Es ist eines der Anliegen<br />

dieses Buches, möglichst viele jener Symbole, Zeichen und Signale zu analysieren, die<br />

das Verhältnis des Österreichers zu seinem Land, zu seiner Republik und damit zu<br />

sich selbst betreffen.<br />

1 Zeitgeist wider den Zeitgeist. Hochschule für angewandte Kunst, Wien 1988, 262


<strong>DAS</strong> DEFENSIVE KRUCKENKREUZ<br />

Neben der in Österreich gebräuchlichen Schreibweise existieren auch<br />

noch die Formen „Krukenkreuz" und „Krückenkreuz".<br />

Wie viele Kreuzformen kommt auch das Kruckenkreuz als Ornament<br />

bei zahlreichen frühzeitlichen Völkerschaften vor. Auf einer aus dem 7.<br />

vorchristlichen Jahrhundert stammenden Kanne von der Insel Rhodos<br />

ist es deutlich sichtbarer Teil der Zierleiste. Auch im lateinamerikanischen<br />

Raum ist das Kruckenkreuz nachzuweisen, so etwa auf einem brasilianischen Teppich<br />

des 19. Jahrhunderts, wo es übrigens zusammen mit dem Hakenkreuz vorkommt.<br />

Konrad Josef Heilig, der als Deutscher (!) das Traditionsreferat der Vaterländischen<br />

Front bekleidete und im Zweiten Weltkrieg fiel, wies in seiner grundlegenden Monographie<br />

„Österreichs neues Symbol" darauf hin, daß sich das Hakenkreuz, dem ja das<br />

ständestaatliche Kruckenkreuz in den dreißiger Jahren bewußt gegenübergestellt<br />

wurde, nicht von der Kreuzform, sondern von der Form des Wirbels oder der Haspel<br />

ableite. 1 Aus dieser Ableitung - wie auch aus der üblichen Interpretation des Hakenkreuzes<br />

als eines Sonnenrades - geht hervor, daß das Hakenkreuz einen dynamischen,<br />

das Kruckenkreuz hingegen einen statischen Symbolgehalt hat. Unwillkürlich<br />

denkt man beim Kampf dieser beiden Symbole um das Österreich der Zwischenkriegszeit<br />

an die Auseinandersetzung zwischen der offensiven Marseillaise und dem<br />

defensiven „Gott erhalte" in den napoleonischen Kriegen.<br />

Auf dem berühmten Prunkornat aus dem steirischen Nonnenkloster Göß aus der Zeit<br />

um 1230 - der Periode der Entstehung des rot-weiß-roten Bindenschildes - kommen<br />

Hakenkreuz und Kruckenkreuz ebenfalls gemeinsam vor. Wenn es einen kunstgeschichtlichen<br />

Zusammenhang beider Zeichen gegeben hat - was Experten freilich<br />

eher ausschließen -, so dominierte in vorchristlicher Zeit das Hakenkreuz, in nachchristlicher<br />

das Kruckenkreuz.<br />

Eindeutige Kreuzesdarstellungen finden sich erst im 4. Jahrhundert, da die römischen<br />

Christen vor dem Mailänder Edikt Kaiser Konstantins im Jahre 313 das typische<br />

„Schandzeichen" kaum einsetzten und das Zeichen der Fische oder das Chi bevorzugten.<br />

Nach Heilig läßt sich das Kruckenkreuz zum ersten Mal auf Münzen nachweisen,<br />

die unter dem in der Nähe Wiens um 454 geborenen Ostgotenkönig Theoderich im<br />

Mittelmeerraum geprägt wurden. Die Behauptung, daß der „alte germanische Recke"<br />

Theoderich, der die Römer bei Tulln geschlagen haben soll und sich dann als erster<br />

christlicher Germanenkönig mit der Gründung eines Reiches befaßte, das Kruckenkreuz<br />

verwendete, war natürlich Wasser auf die Mühlen der Protagonisten eines<br />

„christlich-deutschen" Österreich.<br />

1 Konrad Josef Heilig, Österreichs neues Symbol. Geschichte, Entwicklung und Bedeutung des Kruk­<br />

kenkreuzes. 2. Aufl., Wien 1936, 11


<strong>DAS</strong> DEFENSIVE KRUCKENKREUZ 274<br />

Während der Nationalsozialismus dem Hakenkreuz eine tragende Rolle im germanischen<br />

Bereich zuschrieb, fand Heilig, das Kruckenkreuz sei das „erste wirklich gemeingermanische<br />

Symbol geworden":<br />

Christlicher Glaube, gemeinsame christliche Kultur waren die historischen Voraussetzungen<br />

des Werdens des großen deutschen Volkes. Diese Einheit verkörpert<br />

sich im Kruckenkreuz, dem christlichen Zeichen germanischer Art, das auf den<br />

Fahnen des christlich-deutschen Österreichs erstrahlt. 1<br />

Von den Ostgoten und Vandalen übernahmen die siegreichen Byzantiner das Krukkenkreuz.<br />

In verschiedenen Formen, darunter als Hantelkreuz, überlebte es auf oströmischen<br />

Münzen bis um 930. Deutlich sichtbar ist es auf langobardischen Münzen, so<br />

unter Rothari (615-652), und im merowingischen Kulturkreis. Die fränkischen Kaiser<br />

ersetzten es auf den Münzen durch das Eiserne Kreuz.<br />

Nach der Jahrtausendwende soll sich nach Heilig die Form des Kruckenkreuzes dadurch<br />

erneuert haben, daß in den Darstellungen der Kreuzigung nach Johannes 19,19<br />

eine Inschrift-Tafel am oberen und nach Psalm 99,5 („Werft euch am Schemel seiner<br />

Füße nieder!") das „Suppedaneum" am unteren Kreuzende angebracht wurden. Heilig<br />

verweist auch auf das in der Wiener Schatzkammer aufbewahrte Reichskreuz, das<br />

mit seinen zur Aufnahme von kleineren Reliquien angebrachten Balkenschlüssen tatsächlich<br />

die Form eines Kruckenkreuzes hat. Von besonderer Bedeutung scheint ihm<br />

jedoch der Umstand, daß Herzog Rudolf IV. (1358-1365) das Kruckenkreuz manchmal<br />

zusammen mit seiner Unterschrift verwendete. Im blumigen Stil der Ständestaat-<br />

Ideologie liest sich das wie folgt:<br />

Er, der das Wort prägte, daß Österreich Herz und Schild des Reiches sei, der in<br />

Hausverträgen die spätere große Donaumonarchie anbahnte, auf den das Wappen<br />

Niederösterreichs, der Titel Erzherzog zurückgeht, der die Wiener Universität<br />

als Bollwerk des Geistes, den Dom zu St. Stephan als Staatsheiligtum errichtete,<br />

dieser Fürst, auf dem der Staat Österreich viele Jahrhunderte ruhte, hat mit jenem<br />

Zeichen seine eigenhändige Unterschrift beglaubigt, zu dem das neue Österreich<br />

seine Zuflucht genommen hat. 2<br />

Auch hier begegnen wir wieder einer für den defensiven Kern der Dollfuß-<br />

Schuschnigg-Staatsdoktrin charakteristischen Sprachfigur: das Zeichen, „zu dem das<br />

neue Österreich seine Zuflucht genommen hat". Innerlich war man sich wohl darüber<br />

klar, daß gegen die deutsche Übermacht nur mit übernatürlicher Hilfe anzukommen<br />

war. „Gott schütze Österreich" - das waren ja auch Schuschniggs letzte Worte in gleichem<br />

Sinne.<br />

Bezog das Kruckenkreuz zunächst seine ideelle Kraft aus einer eher kontemplativen<br />

Auffassung des Kreuzes Christi („Wundmalkreuz"), so wurde es mit den Kreuzzügen<br />

zum feudalen und missionarischen Symbol - zwei wichtige Elemente in der gesamten<br />

ständestaatlichen Ideologie, die ja, im Hinblick auf ihre zum Teil (klein-)adligen Führerpersönlichkeiten,<br />

durch die Annahme sekundärfeudalen Gehabes und den Gedanken<br />

einer historischen Mission der von ihr entdeckten „Ostmark" geprägt ist.<br />

Das Kruckenkreuz, wurde als Symbol des Königtums Jerusalem und Symbol des<br />

Deutschen Ritterordens „zum Kreuzfahrerzeichen schlechthin". 3 In Anlehnung an Johannes<br />

19,34 symbolisiert das von vier Eckkreuzlein umgebene Kruckenkreuz als „Jerusalemkreuz"<br />

die fünf Wundmale Christi. Entsprechend dem alten roten Kreuzfahrerzeichen<br />

zunächst rot, nahmen die Kreuze ab dem 13. Jahrhundert die Farbe Gold<br />

in silbernem Feld an - wie wir aus der Heraldik wissen, eine Ausnahme von der klas-<br />

1 Heilig, a. a. O., 16<br />

2 Heilig, a. a. O., 25 f.<br />

3 Heilig, a. a. O., 31


275 <strong>DAS</strong> DEFENSIVE KRUCKENKREUZ<br />

sischen Farbregel, die offiziell nur dem päpstlichen und dem jerusalemitanischen<br />

Wappen zugebilligt wurde. Das letztere war ja ein päpstliches Lehen, wie auch das<br />

goldene Kreuz auf silbernem Grund Wilhelms des Eroberers - dargestellt im berühmten<br />

Teppich von Bayeux - auf eine direkte Verleihung durch Papst Alexander II. zurückgeht.<br />

1 Dazu tritt noch die Wappensage, die besagt, daß man für Gottfried von<br />

Bouillon, den „Erfinder" der Kreuzzüge, bewußt ein regelwidriges Wappen (in Silber<br />

ein goldenes Kruckenkreuz bewinkelt von vier goldenen Kreuzchen) entworfen habe,<br />

um spätere Generationen speziell auf das Besondere der ruhmreichen Feldzüge in<br />

das Heilige Land hinzuweisen. 2<br />

Das rote Jerusalemkreuz (hierosolymitanisches Kreuz) ist heute noch das Symbol des<br />

wahrscheinlich von Papst Alexander VI. um 1496 gegründeten Ordens des Heiligen<br />

Grabes zu Jerusalem, dessen Großmeister der Patriarch von Jerusalem ist.<br />

Kaiser Friedrich II. „erheiratete" das Jerusalemkreuz, das dadurch in das Wappen des<br />

Königreichs beider Sizilien gelangte. Später gelangte auch Venedig durch die Übernahme<br />

der Herrschaft von Zypern in seinen Besitz. Sizilien kam über Karl von Anjou<br />

an Pedro III. von Aragonien, von wo das Jerusalemkreuz über Ferdinand von Aragonien<br />

an Karl V. und damit an die Habsburger fiel. Karl VI., der Vater Maria Theresias,<br />

legte nach dem verlorenen Spanischen Erbfolgekrieg das spanische Wappen und<br />

damit auch das Jerusalemkreuz ab; dieses gelangte jedoch auf mancherlei Umwegen<br />

wieder in den Besitz der Habsburger, da es Franz Stephan von Lothringen als Erinnerungswappen<br />

in seine Ehe mit Maria Theresia einbrachte. Das Jerusalemkreuz findet<br />

sich aber auch im Wappen Prinz Eugens (Savoyenkapelle im Stephansdom) und in<br />

zahlreichen Familienwappen.<br />

Um 1504 ließ Ferdinand der Katholische (1479-1516) Goldmünzen (sogenannte<br />

„Pistolen") prägen, die ein perfektes Kruckenkreuz zeigten - die Ähnlichkeit mit der<br />

Rückseite der Zwei- und Fünfgroschenstücke der Ersten Republik ist frappierend.<br />

Diese Münze existierte stellenweise, so in Burgund, bis 1820.<br />

In der Phantasie des Mittelalters wurde das rote Kruckenkreuz in Silber als allgemeines<br />

Symbol des Kreuzrittertums, ja des Rittertums schlechthin angesehen, sodaß es<br />

sogar mit König Artus, seiner Tafelrunde und der Gralssage in Zusammenhang gebracht<br />

wurde. Diese ritterliche Bedeutung veranlaßte Heilig zu folgender zusammenfassender<br />

Würdigung:<br />

Das Kruckenkreuz hat wirklich keinen Vergleich zu scheuen mit dem anderen Zeichen,<br />

das zum Symbol eines deutschen Staates wurde, dem Hakenkreuz. Zwar beginnen<br />

beide Zeichen gleich; in grauer Vorzeit tauchen sie auf. Anders aber und<br />

grundverschieden entwickeln sie sich, da sie historisch greifbar werden .. . 3<br />

Der Unterschied lag für Heilig darin, daß das Hakenkreuz als allgemeines Sonnensymbol<br />

und Glückszeichen praktisch nichts mit dem Christentum zu tun habe. Seine<br />

Funktion im Germanentum müsse „seit hundert Jahren" durch „geistreiches, aber unsicheres<br />

Vermuten und Deuteln" erschlossen werden. Das Kruckenkreuz hingegen sei<br />

bei Schriftstellern, auf zahllosen Münzen und Wappen bezeugt. Es sei durch den<br />

„Sohn des späteren Österreichs" Dietrich von Bern (der mit Theoderich identischen<br />

literarischen Gestalt) zum „Zeichen christlicher, germanischer, universaler Art" erhoben<br />

worden, es stelle die „arteigene, spezifisch germanische Ausdrucksweise des<br />

höchsten christlichen Zeichens" dar. Von Gottfried von Bouillon bis Kaiser Otto reiche<br />

die verbürgte Tradition des Jerusalemkreuzes, wodurch das Kruckenkreuz „wahrhaftig<br />

eine ruhmreiche Geschichte" habe, „voll inniger Beziehungen zum Christen-<br />

1 Alfred Anthony von Siegenfeld, Das Landeswappen der Steiermark. Graz 1900, 28 ff.<br />

2 Abbildung bei D. L. Galbreath/Leon Jequier, Handbuch der Heraldik. München 1989, 164<br />

3 Heilig, a. a. O., 54


<strong>DAS</strong> DEFENSIVE KRUCKENKREUZ 276<br />

tum, zum Deutschtum, zu Österreich, Beziehungen, wie sie das Hakenkreuz aber auch<br />

nicht in einem Belange aufweisen kann".<br />

Im Klartext: das Kruckenkreuz symbolisiert das christliche Germanentum, das Hakenkreuz<br />

das heidnische. In diesem Zeichen wollte der VF-Staat gegen den NS-Staat<br />

bestehen.<br />

Auch Karl Kraus konnte dem Versuch, dem Hakenkreuz das Kruckenkreuz als „einfaches<br />

Kreuz" entgegenzustellen, seine Anerkennung nicht versagen. 1<br />

Eine etwas banalere Interpretation teilte der verstorbene Prof. Carry Hauser dem Verfasser<br />

brieflich mit:<br />

Wir verlängerten in nächtlichen Aktionen die Halbbalken des allenthalben sichtbaren<br />

Hakenkreuzes und erzeugten so das Kruckenkreuz.<br />

Das Kruckenkreuz wurde aber nicht nur als Kampfsymbol gegen den Nationalsozialismus<br />

eingesetzt. Wie die Verhüllung der drei Büsten des Republikdenkmals an der<br />

Wiener Ringstraße durch Kruckenkreuzfahnen im Februar 1934 zeigt (s. Photo S. 99),<br />

diente es auch zur mystischen „Austreibung" eines dämonischen Sozialismus.<br />

Wichtig ist noch der Umstand, daß das Kruckenkreuz keineswegs erst mit der ständischen<br />

Verfassung vom 1. Mai 1934 offiziell verwendet wurde. Auch darüber gibt Heilig<br />

in seinem Schlußkapitel Auskunft:<br />

Auf Bundeskanzler Ignaz Seipels Anregung wurde für das Große Ehrenzeichen der<br />

Ersten Republik die Kruckenkreuzform gewählt. Heilig vermutete, daß es die Kreuzrittersymbolik<br />

war, die Seipel dabei im Auge hatte. Es war Seipel, der anregte, die<br />

Zwei- und Fünfgroschenmünze (ab 1924 bzw. 1931) mit dem Kruckenkreuz zu versehen.<br />

Im Motivenbericht zur Schaffung der Münze wurde jedenfalls auf die Funktion<br />

des Kruckenkreuzes als Ordenszeichen hingewiesen (Näheres im Kapitel „Münzen",<br />

S. 227 ff.).<br />

Das Kruckenkreuz war in den Münzbildern massiv und gedrungen - fast könnte man<br />

es als die Zusammenfügung von vier Hämmern deuten, was ja eine (un-)bewußte<br />

Konzession an die Arbeiterschaft sein hätte können. In der nach dem Tod Seipels verwendeten<br />

Form erscheint es weiß mit roten Konturen und damit zweifellos eleganter.<br />

Dadurch wurde es vom semiotischen Standpunkt aus aber wieder geschwächt: Das<br />

zarte, rot-weiß-rote, statische Kruckenkreuz war symbolpublizistisch im Nachteil gegenüber<br />

dem massiven, schwarzen, dynamischen Hakenkreuz.<br />

Am 1. September 1933 berichtete die „Wiener Zeitung", daß das Kruckenkreuz zum<br />

Symbol der Vaterländischen Front erwählt worden sei. Seine Publikation erfolgte am<br />

11. September 1933 anläßlich der „Trabrennplatz-Rede" von Bundeskanzler Dollfuß,<br />

in der dieser gutgläubig zwei symbolische Anleihen machte, die uns heute eher gespenstisch<br />

vorkommen: Nach dem Vorbild Hitlers verwendete er die Phrase „Österreich<br />

erwache" und unter wörtlicher Bezugnahme auf die Kreuzzüge die Formel<br />

„Gott will es". (Unter dem Slogan „Deus vult" wateten die „christlichen" Kreuzritter<br />

bis zu den Knöcheln im Blut der Sarazenen.)<br />

War das Kruckenkreuz für Seipel vermutlich mehr Ausdruck seiner Forderung nach<br />

„Sanierung der Seelen", so heftete es Dollfuß als Gegenstück zum Hakenkreuz auf<br />

seine „Führerstandarte". Dort verblieb es, wurde vorangetragen und schmückte manche<br />

Stirnwand, bis sich Schuschnigg entschloß, entgegen seinem Aufruf „Rot-Weiß-<br />

Rot bis in den Tod" (24. 2. 1938) „der Gewalt zu weichen", sich „ohne wesentlichen<br />

Widerstand, ohne Widerstand" zurückzuziehen und das vor der Okkupation stehende<br />

Österreich „mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch" dem Schutz Gottes<br />

zu empfehlen.<br />

2 Karl Kraus, Die Dritte Walpurgisnacht. München 1952, 224


277 DIE SYMBOLE DER BERUFSSTÄNDE<br />

DIE SYMBOLE DER BERUFSSTÄNDE<br />

Neben dem nimbierten Doppeladler als dem Symbol des Bundesstaates Österreich<br />

und dem Kruckenkreuz (der Kruckenkreuzflagge) als dem Symbol der Vaterländischen<br />

Front gab sich der Ständestaat noch eine Reihe weiterer Symbole, nämlich acht<br />

Ständeabzeichen.<br />

Die Verfassung vom 1. Mai 1934 hatte der eigentlichen Gesetzgebung des Bundes<br />

insgesamt vier beratende Gremien vorgeordnet: den Staatsrat, den Bundeskulturrat,<br />

den Bundeswirtschaftsrat und den Länderrat. In Art. 48 Abs. 4 wurde bestimmt, daß<br />

die Rekrutierung der siebzig bis achtzig Mitglieder des Bundeswirtschaftsrates aus sieben<br />

„berufsständischen Hauptgruppen" zu erfolgen habe. Diese Hauptgruppen und<br />

ihre Vertreter waren nach dem Verfassungsübergangsgesetz 1934:<br />

Land- und Forstwirtschaft (29 Vertreter)<br />

Industrie und Bergbau (15)<br />

Gewerbe (12)<br />

Handel und Verkehr (9)<br />

Geld-, Kredit-und Versicherungswesen (5)<br />

Freie Berufe (5)<br />

Öffentlicher Dienst (7)<br />

Das ergibt 82 Vertreter, also zwei mehr als achtzig, was aber offenbar niemanden<br />

störte.<br />

Der Architekt Clemens Holzmeister<br />

- neben Rudolf Henz und<br />

Guido Zernatto einer der führenden<br />

Vertreter des Geisteslebens im<br />

Ständestaat - schuf für jeden der<br />

sieben Berufsstände und für die<br />

„kulturellen Gemeinschaften" eine<br />

Art modernes „Zunftzeichen".<br />

Diese Symbole aus der Hand des<br />

berühmten Baukünstlers, die viel<br />

über die Ideologie des „christlichdeutschen<br />

Ständestaates", seine<br />

Wirtschafts- und Kulturauffassung<br />

aussagen, sollen im folgenden<br />

kurz analysiert werden:<br />

Öffentlicher<br />

Dienst<br />

Handel und<br />

Verkehr<br />

Freie Berufe<br />

Kulturelles<br />

Schaffen<br />

Geld-, KreditundVersicherungswesen <br />

Landwirtschaft<br />

Die Landwirtschaß wird durch einen stilisierten grünen Spaten auf schwarzem Grund<br />

dargestellt. Dieser Berufsstand war damals nicht nur als sozioökonomische Gruppe<br />

bedeutend, sondern auch aus politisch-ideologischen Gründen so stark vertreten. Das<br />

Grün steht für Natur und Heimat, das Schwarz symbolisiert Ackererde und den klerikalen<br />

Gedanken.<br />

Industrie und Bergbau wird durch ein in ein schwarzes Zahnrad gesetztes schwarzes<br />

Dreibein („Triquetra") auf goldenem Grunde symbolisiert. Hier signalisiert das<br />

Schwarz Eisen, Kohle und Ruß, das Gold die Bergschätze und die Finanzkraft der Industrie.<br />

Wenn man weiß, daß die Deutsche Arbeitsfront (DAF), die am 10. 5. 1933<br />

gegründete Organisation „der schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust", ein<br />

schwarzes Hakenkreuz in einem goldenen Zahnrad auf rotem Grund führte, könnte<br />

man auf den Gedanken kommen, hier eine Verbindung herzustellen, obwohl Holzmeister<br />

alles andere als ein Sympathisant der NSDAP war. Auch die immer noch in<br />

Gebrauch befindliche Flagge der rechtsextremen Südafrikanischen Burenbewegung<br />

Gewerbe<br />

Industrie<br />

und Bergbau


<strong>DAS</strong> DEFENSIVE KRUCKENKREUZ 278<br />

drängt sich zum Vergleich auf. Vermutlich hat Holzmeister das alte heraldische Zeichen<br />

des Dreibeins (es kommt im Wappen der Insel Man und in jenem des Königreiches<br />

Sizilien vor) als ein Symbol für die menschliche Inititative im Gegensatz zur Maschine<br />

verstanden.<br />

Das Gewerbe wird durch ein rotes Richtscheit (Richtscheit und Dreieck?) auf silbernem<br />

Grund dargestellt. Das Handwerk hat also nur mehr im Sprichwort goldenen<br />

Boden. Rot mag auf die Esse des Schmiedes oder auf den Färberberuf hinweisen.<br />

Handel und Verkehr erhalten von Staatskünstler Holzmeister das traditionelle Merkur-Zeichen<br />

in Blau auf Silber. Merkur ist schließlich nicht nur der Gott des Handels,<br />

sondern auch das Symbol des Quecksilbers. Blau steht für Handel und Wandel - importiert<br />

nicht der Kaufmann blaues Tuch aus einem Land weit über dem Meer?<br />

Das Geld-, Kredit- und Versicherungswesen dürfte der Architekt nicht besonders tief<br />

in sein christlichsoziales Herz geschlossen haben. Wie sonst ist zu erklären, daß er das<br />

chemische Zeichen für das seltsame Mineral Auripigment (Rauschgold), eine giftige<br />

Arsenverbindung (As2S3), in Gold auf Grün wählte? Auripigment wurde schon in der<br />

Antike als Goldfarbe und als Enthaarungsmittel verwendet. Die Alchimisten forderte<br />

es wie kein anderes Mineral zur Goldgewinnung heraus.<br />

Bei den freien Berufen galt es, Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte usw. in einem Symbol<br />

zu vereinen - keine leichte Aufgabe. Holzmeister versuchte sie durch das Zeichen<br />

für die Stadt (Mauer mit Zinnen und Stadttor), die Schale mit der Äskulapnatter und<br />

die Waage zu lösen. Als Farben wählte er das vornehme Gold auf schwarzem Grund.<br />

Dieses Symbol wurde in der Praxis weiter vereinfacht.<br />

Einfach und eindeutig ist die Darstellung des Öffentlichen Dienstes: das silberne<br />

Richtschwert auf grünem Grund. Da kam dem Stahl des Schwertes die Farbe der Polizeiuniform<br />

zu Hilfe.<br />

Nun stellte sich der Meister noch die Aufgabe, das gesamte kulturelle Schaffen Österreichs<br />

unter einen symbolischen Hut zu bringen, wobei auch die Religion nicht vergessen<br />

werden durfte. Das Ergebnis war in Rot ein goldenes Dreieck mit Kreuz, das<br />

die Kirche darstellt, darunter als Symbol für Wissenschaft und Kunst eine „Weltscheibe".<br />

Diese läßt sich durch den über die horizontale Linie gesetzten Punkt auch<br />

als die Stilisierung der berühmten Skizze der Proportionen des Menschen im Kreis<br />

durch Leonardo da Vinci deuten. Die Farben Gold und Purpur sprechen für sich -<br />

Holzmeister war schließlich Präsident des Katholikentages 1933. 1<br />

Den acht „berufsständischen Zeichen" kam in der Praxis eine hauptsächlich zeremonielle<br />

Wirkung zu. Sie wurden bei Umzügen mitgeführt und auf Wandteppichen dargestellt.<br />

Ein nachhaltiges Echo im Volk dürften sie nicht hervorgerufen haben.<br />

Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur. Ausstellungskatalog. Baden 1994, 139


DER DAVIDSTERN -<br />

EIN SYMBOL<br />

AUS DEM ALTEN ÖSTERREICH<br />

Der aus zwei gleichseitigen Dreiecken gebildete Davidstern hat als gelb-schwarzer Judenstern<br />

in der Symbolgeschichte Europas tragische Bedeutung erlangt. Verfolgen wir<br />

zunächst die Wurzeln der reinen geometrischen Form.<br />

Der sechszackige Stern, manchmal auch als „Zionsstern" bezeichnet, kommt sowohl<br />

im Judentum als auch im Christentum und im Islam vor. Seine geometrische Urform<br />

liegt auch dem hinduistischen Meditationsszeichen „Yantra", einem Symbol für die<br />

göttliche Kraft, zugrunde. Das Hexagramm wird aus dem männlich/feurigen Dreieck<br />

(Spitze nach oben) und dem weiblich/wäßrigen Dreieck (Spitze nach unten) gebildet,<br />

um so ein harmonisches Dualsystem zu formen.<br />

Ursprünglich als „Schild Davids" („Magen Davids") oder „Siegel Salomons" bezeichnet,<br />

wurde das Hexagramm insbesondere im arabischen Kulturkreis als Siegelabdruck<br />

zur Vertreibung böser Geister und Dämonen verwendet. In der mittelalterlichen Alchimie<br />

stellte es die Vereinigung aller Gegensätze dar, da es die Zeichen für die vier<br />

Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde in sich trägt. Die Durchdringung der beiden<br />

Dreiecke symbolisiert die Verschmelzung der sichtbaren mit der unsichtbaren Welt,<br />

die Vereinigung von „oben" und „unten".<br />

Wie das Hexagramm als „Schild Davids" zum Symbol des Judentums und des Staates<br />

Israel wurde, beschreibt Gershom Scholem in einem 1948 hebräisch verfaßten und im<br />

Almanach des „Haarez" (Tel Aviv) erschienenen Aufsatz. In umgearbeiteter Form<br />

wurde dieser Aufsatz auch auf deutsch publiziert. 1<br />

Nach Gershom Scholem steht das Hexagramm in keinem ursächlichen Zusammenhang<br />

mit der jüdischen Religion. Wie in vielen anderen Kulturen war es auch im jüdischen<br />

Kulturkreis zunächst nichts als ein geometrisches Ornament. Es trat auf jüdischen<br />

Altertümern nur sehr selten auf. Ironischerweise findet es sich auf einem Fries<br />

der Synagoge von Kapharnaum (2. bis 3. Jahrhundert) zusammen mit einer Art Hakenkreuzornament.<br />

Lange bevor das Hexagramm in den Synagogen erschien, trat es<br />

als Heilszeichen in frühmittelalterlichen Kirchen auf. Demgegenüber war das eigentliche<br />

religiöse Symbol des Judentums der siebenarmige Leuchter, die Menorah. Diese<br />

bildet ja heute auch das offizielle Wappen Israels.<br />

Als „Siegel Salomons" wurde das Hexagramm fälschlich auf die im 16. Jahrhundert<br />

entstandenen kabbalistischen Schriften des Isaak Luria zurückgeführt. In Wahrheit<br />

fand sich das Hexagramm in zahlreichen jüdischen, christlichen und auch arabischen<br />

magischen Texten als ein gegen böse Geister wirkendes Symbol. Als solches wird es<br />

im Mittelalter dem Text der Mesusa (am Türpfosten des jüdischen Hauses angebrachte<br />

Schriftkapsel) hinzugefügt. Als Talisman gegen die Dämonen erhielten sich<br />

Hexagramm und Pentagramm bis in die Neuzeit, wobei beide als „Siegel Salomons"<br />

Gershom Scholem, Das Davidschild - Geschichte eines Symbols. Judaica 2, Frankfurt/Main 1963


DER DAVIDSTERN - EIN SYMBOL AUS DEM ALTEN ÖSTERREICH 280<br />

bezeichnet wurden. Beide Zeichen fanden natürlich auch Eingang in die Symbolsprache<br />

der Alchimisten.<br />

Der offizielle Gebrauch des Hexagramms als Symbol für eine jüdische Gemeinschaft<br />

geht erst auf das mittelalterliche Prag zurück: Unter Karl IV. erhielten die Prager Juden<br />

1357 das Recht, eine eigene Fahne zu führen. Schon 1527 wurde Kaiser Ferdinand<br />

I. bei seinem Einzug in Prag von der jüdischen Gemeinde mit einer Fahne begrüßt,<br />

die das Davidschild enthielt. Ein Duplikat dieser Fahne, 1716 angefertigt, befindet<br />

sich in der Prager „Altneusynagoge". Demgegenüber wurde Matthias Corvinus<br />

bei seinem Einzug in Budapest 1476 von der dortigen jüdischen Gemeinde mit einer<br />

roten Fahne begrüßt, die einen „fünfeckigen Drudenfuß und unter ihm zwei goldene<br />

Sterne über einem Judenhut" zeigte. 1<br />

In Prag setzte sich jedenfalls das Hexagramm gegen das Pentagramm als offizielles<br />

Zeichen der jüdischen Gemeinde auf Siegeln und auf Gebäuden durch. Von dort aus<br />

verbreitete es sich ab dem 17. Jahrhundert über die gesamte Monarchie.<br />

In Wien erschien das Hexagramm zuerst in einer Urkunde von 1655. Aus dem Jahr<br />

1656 hat sich ein Grenzstein zwischen der Judenstadt von Wien und der Christenstadt<br />

erhalten, auf dem Davidschild und Kreuz in gleicher Größe eingemeißelt sind.<br />

Er befindet sich heute im neuen Jüdischen Museum der Stadt Wien.<br />

Die 1670 aus Wien vertriebenen Juden nahmen ihr Zeichen mit<br />

über Mähren bis nach Preußen. Die aschkenasische Gemeinde<br />

Amsterdams führte ab dem 18. Jahrhundert den Davidstern in<br />

der Prager Form (mit einem schiefstehenden Judenhut, der<br />

dort freilich als „Schwedenhut" bezeichnet wurde).<br />

Immer mehr wurde das Hexagramm zum identitätsstiftenden<br />

Symbol, das von den Juden dem ihnen überall begegnenden<br />

christlichen Kreuz gegenübergestellt wurde. Viele nichtjüdische<br />

Architekten integrierten es im 19. Jahrhundert als selbstverständliches<br />

religiöses Kennzeichen in die von ihnen entworfenen<br />

Synagogenbauten.<br />

Das Hexagramm hatte seinen überlieferten Amulettcharakter<br />

nie verloren und gelangte so - unwidersprochen durch Rabbiner<br />

und Schriftgelehrte - auch auf viele jüdische Kultgegenstände.<br />

Gershom Scholem bemerkt hiezu bitter:<br />

Gerade in den Tagen seiner größten Verbreitung im 19.<br />

Jahrhundert diente das Davidschild als sinnleeres Symbol<br />

eines Judentums, das selber mehr und mehr der Sinnlosig­<br />

Grenzstein zwischen<br />

dem Ghetto und der<br />

Christenstadt in Wien<br />

(1656)<br />

keit verfiel. Die Sermone der Prediger waren nicht ausreichend,<br />

um dem Zeichen Leben einzuhauchen. Die glanzvolle<br />

und leere Karriere des „Magen David" im 19. Jahrhundert<br />

ist selber ein Zeichen jüdischen Verfalls. 2<br />

Interessant ist, daß der Davidstern noch um die Mitte des<br />

19. Jahrhunderts auch als Zunftzeichen der Gastwirte und Beherberger diente (Dekkenschmuck<br />

im Gemeinderatssitzungssaal des Alten Rathauses in Wien).<br />

Mit dem Auftreten der zionistischen Bewegung in den neunziger Jahren des vorigen<br />

Jahrhunderts trat das Hexagramm in eine neue, bedeutende Phase. Am 4. 6. 1897 erschien<br />

die erste Nummer der von Theodor Herzl herausgegebenen Zeitschrift „Welt",<br />

versehen mit dem Davidstern. Im gleichen Jahr wählte der Basler Kongreß das Hexagramm<br />

zum offiziellen Emblem der zionistischen Bewegung. Gleichzeitig aber wurde<br />

' Scholem, a. a. O., 109<br />

2 Scholem, a.a.O., 116


281 DER JUDENSTERN IN ÖSTERREICH<br />

das von den Juden nunmehr als Symbol ihrer Sehnsucht nach einem eigenen Staat gewählte<br />

Zeichen immer stärker auch zum antisemitischen Kürzel, das auf judenfeindlichen<br />

Flugblättern und Schriften allenthalben auftrat. Schon in den zwanziger Jahren<br />

wurde der Davidstern auf Synagogen und jüdische Geschäfte geschmiert. Und auch<br />

heute kommt es vor, daß nicht nur Hakenkreuze, sondern auch Hexagramme als<br />

Graffiti an Wände, Mauern oder Grabsteine gelangen.<br />

DER JUDENSTERN IN ÖSTERREICH<br />

Nichts symbolisiert die ungebrochene Tradition des österreichischen Antisemitismus<br />

besser als ein kleines Relief am Wiener Judenplatz. Der Judenplatz hatte unter dem<br />

Namen „Schulhof" den Mittelpunkt der einstigen Judenstadt gebildet, die sich direkt<br />

neben dem Herzogshof erstreckte. Hier befanden sich Schule, Badestube, Synagoge<br />

und das Haus des Rabbis. Die Judenschule war eine der bedeutendsten des deutschen<br />

Sprachraums. Die Wiener Judenstadt war bis zur ersten großen Judenverfolgung<br />

durch vier Tore von der übrigen Stadt abgeschlossen. Nach 1421 wurde die Synagoge<br />

abgetragen, das Baumaterial wurde zur Errichtung des Universitätsgebäudes mitverwendet.<br />

Auf dem Judenplatz wurde 1935 ein Standbild für Gotthold Ephraim Lessing (1729-<br />

1781) errichtet, der mit seiner Ringparabel in „Nathan der Weise" der interkonfessionellen<br />

Toleranz ein bleibendes literarisches Denkmal gesetzt hat. Die von Siegfried<br />

Charoux geschaffene Statue wurde 1938 von den Nazis entfernt und eingeschmolzen.<br />

1968 entstand sie neu und kam zunächst auf den Morzinplatz, übersiedelte aber 1982<br />

an ihren „alten" Aufstellungsort am Judenplatz.<br />

Von dem eindrucksvollen Standbild des Aufklärers Lessing wendet sich der Blick des<br />

Beschauers auf die Fassade des „Jordanhauses", wo in lateinischer Sprache zu lesen<br />

steht:<br />

Durch den Jordanfluß wird der Leib von Krankheit und Übel gereinigt, da weicht<br />

selbst verborgene Sündhaftigkeit. So rast die Flamme sich erhebend durch die<br />

ganze Stadt im Jahr 1421 und sühnt die grausamen Verbrechen der jüdischen<br />

Hunde. Die Welt wurde einst durch die Deukalionische Flut gereinigt, doch diesmal<br />

wurde die Schuld in den Flammen gebüßt.<br />

Diese Darstellung der Taufe Jesu im Jordan wurde zur Erinnerung an die 1421 auf<br />

der Gänseweide (Hinrichtungsstätte, etwa am Beginn der heutigen Weißgerberlände)<br />

erfolgte Judenverbrennung vom ersten Besitzer des Hauses, Jörg Jordan, 1497 angebracht.<br />

Nachdem das Haus zeitweilig dem Jesuitenorden gehört hatte, befindet es sich<br />

seit 1684 in Privatbesitz. Als willkommene Entschuldigung für das Fehlen jeder erklärenden<br />

Inschrift dient die Befürchtung des Hauseigentümers, eine solche Tafel würde<br />

zu antisemitischen Schmieraktionen führen. Vielleicht gemildert durch die der Mehrheit<br />

der Österreicher unverständliche Sprache, aber jedenfalls durch keine Zusatztafel<br />

kommentiert, perpetuiert das Relief die traditionelle Judenfeindschaft, die aus dem<br />

Mittelalter über Schönerer und Lueger zu Hitler und Eichmann, nach Dachau und<br />

Auschwitz geführt hat:<br />

- eine Tradition, die noch heute deutschnationale, fremdenfeindliche Inschriften<br />

auf Hausfassaden kommentarlos duldet (Haus des Ersten Wiener Turnvereins in<br />

Wien 6., Schleifmühlgasse 23 mit der Inschrift: „Dem Deutschen kann nur durch<br />

Deutsche geholfen werden. Fremde Helfer bringen uns immer tiefer ins Verderben.");<br />

- eine Tradition, die bis zum heutigen Tag auch empirisch nachweisbar ist: In der


DER DAVIDSTERN - EIN SYMBOL AUS DEM ALTEN ÖSTERREICH 282<br />

vom ORF seit der Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust" 1980 jährlich weitergeführten<br />

Langzeitstudie bezeichnen immer noch rund 7 Prozent der Österreicher<br />

über 14 Jahre den millionenfachen Mord an den Juden während der NS-<br />

Zeit als „historisch nicht erwiesen".<br />

DER DAVIDSTERN ALS SYMBOL VON AUSGRENZUNG, VERTREIBUNG UND<br />

VERNICHTUNG DER ÖSTERREICHISCHEN JUDEN<br />

Gerhard Botz und Erika Weinzierl haben in zwei einander ergänzenden Aufsätzen<br />

einen Überblick über die tragischen Jahre gegeben, in denen das jüdische Leben in<br />

Österreich praktisch ausgelöscht wurde: 1<br />

Eingangs sei bemerkt, daß die Mitwirkung von Österreichern an den Judenverfolgungen<br />

der Nazis zwar jedermann bekannt war und ist, dieser Umstand aber im öffentlichen<br />

Bewußtsein nie richtig verarbeitet, sondern in gut österreichischer Tradition verdrängt<br />

wurde. Es sollte bis zum Jahr 1991 dauern, bis ein österreichischer Bundeskanzler<br />

offiziell die Verstrickung des österreichischen Volkes in die Greuel der Nazizeit<br />

erklärt und zugegeben hat:<br />

Dennoch haben auch viele Österreicher den Anschluß begrüßt, haben das nationalsozialistische<br />

Regime gestützt, haben es auf vielen Ebenen der Hierarchie mitgetragen.<br />

Viele Österreicher waren an den Unterdrückungsmaßnahmen und Verfolgungen<br />

des Dritten Reichs beteiligt, zum Teil an prominenter Stelle. Über eine<br />

moralische Mitverantwortung für Taten unserer Bürger können wir uns auch<br />

heute nicht hinwegsetzen .. ²<br />

Der folgende Überblick über die progressive Ausgliederung der österreichischen Juden<br />

aus der Gesellschaft in den Jahren 1938 - 1943 anhand der von Gerhard Botz<br />

herausgearbeiteten acht Phasen, die in der Kennzeichnung mit dem Judenstern und<br />

der Deportation vieler österreichischer Juden gipfelten, geht teilweise ins Detail, damit<br />

auch dem jungen Leser vor Augen geführt wird, was der Judenstern an der Brust<br />

österreichischer Mitbürger - manche von ihnen waren Offiziere in der k. u. k. Armee<br />

gewesen - in der Praxis wirklich bedeutete.<br />

1. SPONTANE PRIVATPOGROME UND ERNIEDRIGUNGSRITUALE<br />

Unmittelbar nach dem „Anschluß" am 12. März 1938 wurden jüdische Mitbürger<br />

durch uniformierten und nicht uniformierten Mob zu „Putzkolonnen" und „Reibpartien"<br />

gezwungen, bei denen sie unter Spott und Mißhandlungen Straßen und Wände<br />

von den Wahlparolen Schuschniggs und den Kruckenkreuzen der Vaterländischen<br />

Front reinigen mußten. Hier ein Auszug aus dem Augenzeugenbericht eines britischen<br />

Journalisten:<br />

Jetzt aber wurden tagtäglich Juden, Frauen und Männer von der SA aus Geschäften,<br />

Büros und Wohnungen geholt und gezwungen, inmitten einer sich drängenden,<br />

stichelnden und lachenden Menge von „goldenen Wiener Herzen" mit Ausreibbürsten,<br />

auf allen vieren kriechend, stundenlang die Gehsteige zu reiben, in<br />

dem hoffnungslosen Versuch, die Spuren der Schuschnigg-Propaganda zu besei-<br />

1 Gerhard Botz, Stufen der Ausgliederung der Juden aus der Gesellschaft. Die österreichischen Juden<br />

vom „Anschluß" zum „Holocaust". In: Zeitgeschichte 9/10, 1987, 359 ff.<br />

Erika Weinzierl, Schuld durch Gleichgültigkeit. In: Anton Pelinka/Erika Weinzierl, Das große<br />

Tabu. Wien 1987, 174 ff.<br />

2 Bundeskanzler Franz Vranitzky im Nationalrat am 8. Juli 1991. Sten. Prot. XVIII. GP, 35. Sitzung,<br />

3282 f.


283 ERZWUNGENE EMIGRATION<br />

tigert. (Wo es keine Krückenkreuze wegzuwaschen gab, malten sie die Nazi selbst<br />

auf den Gehsteig, um den Juden so eine Arbeit zu schaffen.) 1<br />

Durch die NSDAP „legalisierte" und nicht legalisierte Privatraubzüge und andere<br />

Gewalttaten trieben über 200 Juden in den Selbstmord. Rund 2000 jüdische Bürger<br />

wurden verhaftet und nach Dachau deportiert. Nach Friedrich Heer drangen die<br />

Nazi-Stürmer mit dem Ruf „Hep, hep, hep!" in jüdische Geschäfte ein: dieser Ruf<br />

geht auf die Kreuzfahrer zurück, die unter der Parole „H/ierosolima e/st p/erduta"<br />

bei der ersten Eroberung Jerusalems die ganze jüdische Gemeinde massakrierten. 2<br />

2. LEGISTISCHE AUSGRENZUNG<br />

Die sogenannten Nürnberger Gesetze („Reichsflaggengesetz", „Reichsbürgergesetz"<br />

und „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" aus dem<br />

September 1935) wurden in der „Ostmark" am 20. Mai 1938 eingeführt. Danach<br />

konnte den „Ariernachweis" nur erbringen, wer vier nichtjüdische Großeltern hatte.<br />

„Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten<br />

Blutes" waren ebenso verboten wie „außerehelicher Verkehr zwischen Juden<br />

und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes". Die mit 23. Juli 1938<br />

eingeführten „Kennkarten" und die Reisepässe wurden im Falle jüdischer Bürger auf<br />

der ersten Seite mit einem großen roten „J" gestempelt. . Das „J" - übrigens eine<br />

Schweizer „Erfindung" - fand sich bald auch auf den in Geltung tretenden Lebensmittelkarten.<br />

Ab 7. Februar 1939 wurden alle Juden dazu gezwungen, die Vornamen „Israel" bzw.<br />

„Sara" anzunehmen. Die Juden wurden aus dem Schul- und Hochschulwesen sowie<br />

aus den freien Berufen ausgeschlossen.<br />

3. WIRTSCHAFTLICHE ZWANGSMASSNAHMEN<br />

Von den rund 200.000 Juden der „Ostmark" lebten 90 Prozent in Wien. Im Gegensatz<br />

zum „Altreich" wurde die „Entjudung" in Österreich durch zunächst „wilde Arisierungen"<br />

stark beschleunigt. Massenentlassungen von Juden und Enteignungen begannen<br />

das wirtschaftliche Leben stark zu beeinträchtigen. 25.000 „kommissarische<br />

Verwalter" (meist Nazifunktionäre und Mitläufer) hatten - oft ohne hinreichende<br />

Sachkenntnis - von jüdischen Geschäften Besitz ergriffen. Das österreichische „Arisierungsverfahren"<br />

wurde zum Vorbild für Regelungen in den übrigen Teilen des<br />

„Großdeutschen Reiches". (Hier und an anderer Stelle wird man immer wieder an<br />

das Wort von Karl Kraus von der „österreichischen Versuchsstation des Weltunterganges"<br />

3 - erinnert.)<br />

Die Pauperisierung großer Teile der Juden Wiens kommt u. a. in der öffentlichen<br />

Ausspeisung von täglich bis zu 40.000 Juden durch die „Notausspeisungszentrale"<br />

der zur Mitwirkung (!) an den Verfolgungsmaßnahmen am 2. Mai 1938 wiedereröffneten<br />

Wiener Israelitischen Kultusgemeinde zum Ausdruck.<br />

4. ERZWUNGENE EMIGRATION<br />

Unter Mithilfe der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien" wurden bis<br />

Ende 1939 an die 130.000 österreichische Juden gezwungen, das Land zu verlassen.<br />

1 E. R. Gedye, Als die Bastionen fielen. Wien 1981, 294 f. (Das Buch wurde unter dem unmittelbaren<br />

Eindruck der erlebten Ereignisse geschrieben und erschien zum ersten Mal im Februar 1939 in<br />

London. Die erste deutschsprachige Ausgabe kam 1947 im Wiener Verlag Danubius heraus.)<br />

2 Heer, a. a. O., 548<br />

3 Die Fackel Nr. 400-403/Juli 1914


DER DAVIDSTERN - EIN SYMBOL AUS DEM ALTEN ÖSTERREICH 284<br />

5. MORD UND BRAND AUF BREITER BASIS:<br />

DIE „REICHSKRISTALLNACHT"<br />

In Wien hatte die Radikalisierung schon vor den wegen der vielen zu Bruch gegangenen<br />

Fensterscheiben zynisch als „Reichskristallnacht" bezeichneten Ausschreitungen<br />

eingesetzt. So war auch das von höchster Stelle angeordnete Großpogrom, das SA<br />

und SS in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Zivil durchführten, in<br />

Wien heftiger als im „Altreich": Neben der Verwüstung Tausender jüdischer Geschäfte<br />

und Wohnungen wurden 42 Synagogen - meist durch Brand - vollkommen<br />

zerstört. Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde hinterließen zahlreiche Opfer.<br />

6. RÄUMLICHE AUSGRENZUNG (GHETTOISIERUNG)<br />

Etwa 10 Prozent des Gesamtbestandes an Wohnungen in Wien - rund 70.000 - waren<br />

1938 in jüdischem Besitz. Hand in Hand mit den Wohnungsarisierungen wurden<br />

immer mehr jüdische Einwohner Wiens in den Bezirken entlang des Donaukanals angesiedelt.<br />

Das führte zu Protesten der NS-Dienststellen der betroffenen Stadtviertel,<br />

worauf die Wiener Stadtverwaltung unter Gauleiter Bürckel die Errichtung zweier Arbeitslager<br />

für je 6.000 Insassen bei Gänserndorf ins Auge faßte. Bei den verbliebenen<br />

50.000 Juden im Oktober 1939 wurde offensichtlich bereits damals mit den letalen<br />

Folgen von Zwangsarbeit und Überbelegung spekuliert. Die rasche Eroberung Polens<br />

führte zur Aufgabe dieser Pläne, da die Deportation der Juden aus Wien für Hitler<br />

aus seiner bekannten persönlichen Sicht Priorität hatte. 1<br />

7. STEREOTYPISIERUNG DES „SCHMUTZIGEN JUDEN"<br />

Die Pauperisierung und Ghettoisierung der Juden in der „Ostmark" und im „Reich"<br />

machte aus der langjährigen Diffamierung dieser Bevölkerungsgruppe als „heruntergekommen",<br />

„schmutzig", „egoistisch" eine „self-fulfilling prophecy": Je mehr man<br />

sie knechtete und ausgrenzte, umso mehr näherten sich die bedauernswerten Opfer<br />

der nationalsozialistischen Ausrottungspolitik dem in Julius Streichers „Stürmer" (seit<br />

1923) und in anderen antisemitischen Hetzschriften erzeugten Stereotyp des „Ostjuden".<br />

Mit einer Ausgangssperre belegt, spätestens ab September 1939 vom Besuch der Bäder,<br />

vom Betreten des Praters und der übrigen Parkanlagen, vom Radioempfang und<br />

der Telephonbenützung ausgeschlossen, durften jüdische Mitbürger schließlich nicht<br />

einmal mehr die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.<br />

8. STIGMATISIERUNG, ABTRANSPORT, TODESLAGER<br />

Es ist nicht möglich, an dieser Stelle alle Restriktionen, Schikanen und Quälereien -<br />

durch mehr als 250 antijüdische Verordnungen legistisch verbrämt - aufzuzählen, denen<br />

die bis 1941 noch im Herrschaftsbereich des Nationalsozialismus verbliebenen<br />

Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung ausgesetzt waren. Man<br />

darf aber nie übersehen, daß der Nationalsozialismus - gerade im katholischen Österreich<br />

- auf eine jahrhundertelange Tradition der blutigen Verfolgung und vielfachen<br />

Diskriminierung - darunter auch schon die äußerliche Kenntlichmachung der Juden -<br />

zurückgreifen konnte: Bereits im Jahre 1215 wurde den Juden vom 4. Laterankonzil<br />

das Tragen hoher, kegelförmiger Hüte vorgeschrieben. Später wurde ein gelber Kreis-<br />

Vgl. die immer wieder faszinierend zu lesenden Assoziationen Friedrich Heers zu den Wurzeln von<br />

Hitlers Antisemitismus, u.a. in: Gottes erste Liebe. Esslingen 1967/München 1981 (Lizenzausgabe),<br />

386 ff.


285 STIGMATISIERUNG, ABTRANSPORT, TODESLAGER<br />

ring bzw. Tuchlappen erdacht, der von den Juden zu tragen war. 1452 setzte sich der<br />

deutsche Kirchenrechtler und Philosoph Nikolaus von Kues (1401—1464) für eine Erneuerung<br />

dieser Vorschrift ein, die von Kaiser Ferdinand I. 1551 für die österreichischen<br />

Erblande bekräftigt wurde.<br />

Der Gipfelpunkt der gesellschaftlichen Diskriminierung wurde jedenfalls mit der Polizeiverordnung<br />

vom 1. September 1941 über die Kennzeichnung der Juden erreicht.<br />

Diese Vorschrift - zuerst 1939 im Warthegau und im „Generalgouvernement" (Restgebiet<br />

Polens um Krakau) mit einer ,judengelben" Armbinde bzw. einem blauen<br />

Zionsstern auf weißer Armbinde ausprobiert - sah folgendes vor: Ab Mitte September<br />

1941 mußten alle über sechs Jahre alten Juden auf ihrer Kleidung den Davidstern<br />

tragen. In zynischer Raffinesse kehrte man dabei das traditionelle Symbol des Judentums<br />

wider die Juden selbst, wobei man außerdem das Wort „Jude", das der schwarz<br />

gerandete gelbe Stern enthielt, in einer an das Hebräische erinnernden Schreibweise<br />

gestaltete. So suchte man die vorhandenen, uralten antisemitischen Tendenzen zu verstärken.<br />

Dem gleichen Ziel hatten ja Propagandausstellungen wie jene in der Wiener<br />

Nordwestbahnhalle („Der Ewige Jude", 1938) gedient, wo auch ein Judenkleid mit<br />

gelbem Judenring gezeigt wurde, oder Propagandafilme wie „Jud Süß", der mit einem<br />

Davidstern begann. Und schon im Juni 1941 war vom kroatischen Ustascha-Regime<br />

verfügt worden, daß jüdische Geschäftslokale mit einem gelben Stern zu kennzeichnen<br />

seien. Die Betroffenen hatten bei der Verteilung der Judensterne<br />

wieder selbst mitzuwirken. Dabei wurde wie folgt<br />

vorgegangen: Am 8. September 1941 wurde Dr. Josef Löwenherz<br />

als Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde Wien im<br />

Reichssicherheitshauptamt in Berlin von zwei Gestapo-Offizieren<br />

mitgeteilt, daß am 17. September 1941 zunächst ein Stern<br />

pro Person zur Verfügung gestellt werden würde. Pünktlich<br />

zum Inkrafttreten der Verordnung am 19. September 1941<br />

seien alle Juden ausnahmslos zu kennzeichnen. Als Bezugspreis<br />

habe die Gemeinde drei Reichspfennige zu entrichten,<br />

der Stern sei um zehn Reichspfennige weiterzugeben.<br />

Mit der Ausgabe der gelben Judensterne wurde ein erneuter antisemitischer Feldzug<br />

verbunden, der jeden Umgang mit den „Sternträgern" untersagte. Von den Juden<br />

selbst ist der Stern als quälendes Brandzeichen, als weithin sichtbares Symbol ihrer<br />

sozialen Degradierung empfunden worden. Insbesondere die Kinder traf dies schwer.<br />

Am 15. April 1942 wurden übrigens die noch im Land verbliebenen Juden verpflichtet,<br />

auch an ihrer Wohnungstür einen schwarzen Judenstern auf weißem Papier anzubringen.<br />

Neben dem „Judenstern" gab es im Dritten Reich auch noch den „Polenstern" mit<br />

ähnlich diskriminierendem Charakter, der ebenfalls schon durch die Farbe Gelb zum<br />

Ausdruck kam. Der Polenstern war ein gelber Ricken mit einem großen violetten „P"<br />

in der Mitte eines auf der Spitze stehenden Quadrats mit violettem Rand. Er wurde<br />

den polnischen Zwangsarbeitern auf die Jacke genäht.<br />

Des weiteren erfanden die Nationalsozialisten auch eine Kennzeichnung aller jener<br />

Nationen, die Zwangsarbeiter im Dritten Reich stellen mußten: für die Ukrainer den<br />

Dreizack („Trysub", altes ukrainisches Symbol für Autorität, seit 19. 2. 1991 wieder<br />

Staatswappen) und die Farben Blau-Gelb, für die Russen das Andreaskreuz (Farben<br />

Blau-Rot), für die Weißrussen Ähre und Zahnrad (Farben Weiß-Rot).<br />

Über die verschiedenen KZ-Abzeichen und ihre Farben berichtet der ehemalige Nationalratspräsident<br />

Dr. Alfred Maleta aus Dachau:<br />

Es gab dort sogenannte „Politische", die ein rotes Dreieck auf ihrer Jacke trugen,<br />

dann die sogenannten „Kriminellen" mit einem grünen Dreieck, die im Augen-


DER DAVIDSTERN - EIN SYMBOL AUS DEM ALTEN ÖSTERREICH 286<br />

blick ihrer Entlassung aus der Straßhaft - als sie glücklich glaubten, wieder die<br />

Luft der Freiheit atmen zu können - von der Gestapo am Gefängnisausgang geschnappt<br />

und in das KZ eingeliefert worden waren. Dann gab es die sogenannten<br />

„Homosexuellen" mit einem rosaroten Winkel, die aber bei weitem nicht alle homosexuell<br />

waren. Man wollte ganz einfach unbequeme Leute in ihrer Heimat moralisch<br />

diffamieren. Die letzte Gruppe waren die sogenannten „Arbeitsscheuen",<br />

wobei innerhalb dieser Gruppe noch einmal fein säuberlich unterschieden wurde,<br />

was durch schwarze und braune Dreiecke erkennbar war... Juden aller Farbschattierungen<br />

trugen außerdem noch den Davidstern. 1<br />

Nicht erwähnt hat Maleta die „Bibelforscher", die durch ein lila Dreieck, und die<br />

Emigranten, die durch ein blaues Dreieck gekennzeichnet wurden.<br />

Die noch während des Krieges in England und den USA aufgekommene Behauptung,<br />

König Christian X. von Dänemark habe sich einer deutschen Forderung nach<br />

antijüdischer Gesetzgebung durch die Drohung widersetzt, selbst aus Protest einen<br />

Judenstern zu tragen, entspricht nicht den Tatsachen. Der dänische König hatte allerdings<br />

dem Rabbiner Marcus Melchior brieflich sein Mitgefühl ausgedrückt, als im<br />

Dezember 1941 ein Brandanschlag auf die Synagoge von Kopenhagen verübt wurde.<br />

Im übrigen wurden die Juden in Dänemark niemals zum Tragen des Judensternes<br />

verpflichtet.<br />

Im besiegten Holland wurde die Aktion Judenstern - unter der umsichtigen Leitung<br />

des katholischen Wiener Rechtsanwalts und Reichsstatthalters Dr. Arthur Seyss-<br />

Inquart - ab April 1942 voll durchgezogen.<br />

AUF DEM WEG ZUR „ENDLÖSUNG"<br />

Trotz gelegentlicher Solidarisierung mit den Gebrandmarkten, von denen auch einige<br />

hundert versteckt wurden und so den Krieg überlebten, gab es in Österreich „zu wenige<br />

Gerechte" (Erika Weinzierl), und so nahm die „Endlösung" der „Judenfrage"<br />

ihren furchtbaren Lauf: Wegen geringfügiger „Delikte" (z. B. unbeabsichtigtes Verdecken<br />

des Judensterns, Besitz eines Zigarettenstummels ) verhaftet oder in der Nacht<br />

planmäßig „ausgehoben", wurden Tausende Juden zunächst in Sammellager gebracht.<br />

Mit maximal 50 Kilogramm Gepäck erfolgte darauf in Güter- oder Viehwaggons<br />

der Abtransport nach Polen. So wurden bis Ende 1944 an die 40.000 Juden deportiert.<br />

Nur 5.700 Juden überlebten das „Dritte Reich" in Wien; rund 65.000 österreichische<br />

Juden fanden den Tod durch die Schergen des NS-Regimes, unter welchen<br />

sich viele und prominente Österreicher befanden.<br />

Die Schändung jüdischer Friedhöfe blieb nicht auf die Nazizeit beschränkt, sondern<br />

hat sich auch in der Zweiten Republik ereignet.<br />

1 Alfred Maleta, Bewältigte Vergangenheit. Österreich 1932-1945. Graz 1981, 204 f. - Eine Homosexuellen-Initiative<br />

„Vote Pink" trat Ende September 1994 mit einem dem Bundeswappen aufgelegten<br />

rosa Dreieck auf- unkommentiert von einer wenig symbol- und geschichtsbewußten Öffentlichkeit.


287 WIE DER DAVIDSTERN IN DIE ISRAELISCHE FLAGGE KAM<br />

WIE DER DAVIDSTERN IN DIE ISRAELISCHE FLAGGE KAM<br />

Seit 28. 10. 1948 ziert der blaue Davidsstern<br />

die weiße Flagge Israels. In Anlehnung<br />

an den Tallit, den jüdischen Gebetsschal,<br />

wird er von zwei breiten<br />

blauen Streifen eingesäumt. Ursprünglich<br />

lichtblau, wurde die Farbe später aus<br />

praktischen Gründen etwas dunkler gemacht.<br />

Das Staatswappen zeigt in Blau<br />

eine weiße Menorah, den siebenarmigen<br />

Leuchter (das eigentliche religiöse Symbol<br />

Israels), die vom Landesnamen und<br />

zwei weißen Olivenzweigen eingerahmt<br />

wird.<br />

Theodor Herzl entwarf urspünglich eine<br />

weiße Flagge, auf der ein Davidstern mit<br />

sechs kleinen Davidsternen in seinen Ekken<br />

und dem Löwen von Juda in seinem<br />

Mittelfeld die sieben Arbeitsstunden symbolisieren sollte, auf deren Einführung im<br />

Judenstaat man hoffte. 1 Vor der britischen königlichen Kommission für Einwanderung,<br />

1902, führte Herzl aus: „Wenn ein Mensch siedeln will, braucht er eine Flagge<br />

und eine Idee. Man kann ein solches Siedlungsprojekt nur mit viel Geld durchführen.<br />

Ohne Flagge kann es keinen Erfolg haben.. ." 2 Der<br />

Wiener Arzt und Schriftsteller Ludwig August Frankl<br />

beschrieb bereits 1864 in einem Gedicht die Farben Israels<br />

als ein „glänzendes weißes Kleid, eingefaßt durch<br />

breite lichtblaue Streifen". 3 Mit „Blau-Weiß" wurde die<br />

erste jüdische Jugendbewegung der Welt in Wien gegründet.<br />

1933 wurde die Flagge mit dem Davidstern vom Zionistischen<br />

Weltkongreß offiziell angenommen.<br />

1 W. Günther Plaut, The Magen David. How the six-pointed star became an emblem for the Jewish<br />

people. Washington, D. C. 1991<br />

2 Zitiert nach: David Ben Gurion, Ein Visionär und ein politischer Führer. In: Das jüdische Echo 43,<br />

Wien, Oktober 1994, 146<br />

3 Yitzhak Yoresh, The Flag of Israel. Jerusalem 1988


NUR WENIGE GERECHTE<br />

SYMBOLE DES WIDERSTANDES<br />

„05" FÜR „OESTERREICH"<br />

Das Zeichen „05" besteht aus dem Buchstaben „O"<br />

und der Ziffer „5". Die letztere steht für den Buchstaben<br />

„E", den 5. Buchstaben des Alphabets. „05" war<br />

somit der verschlüsselte Anfangsbuchstabe des Wortes<br />

„Österreich", das in der Zeit der nationalsozialistischen<br />

Besetzung 1938-1945 verboten und durch den Begriff<br />

„Ostmark" ersetzt worden war.<br />

Die Bezeichnung „05" stammt von Dr. Jörg Untereiner,<br />

damals Medizinstudent, nach dem Krieg Professor<br />

für Orthopädie an der Universität Gijon in Asturien,<br />

Spanien. Jörg Untereiner wuchs in der Steiermark auf<br />

und studierte in Graz. 1944 zur Wehrmacht eingezogen,<br />

kam er in die Mediziner- und Studentenkompanie nach Wien, wo er sich der Widerstandsgruppe<br />

Dr. Hans (von) Becker und Major Alfons (Freiherr von) Stillfried anschloß.<br />

Untereiner gründete in den verschiedenen Studentenkompanien (Wien, Graz,<br />

Leoben, Innsbruck und Salzburg) Widerstandsgruppen.<br />

Im Frühherbst 1944 forderten Becker und Stillfried Untereiner auf, eine Schmieraktion<br />

in möglichst vielen Städten Österreichs durchzuführen, und zwar sollte er den<br />

Slogan „Freiheit für Österreich" an die Wände malen. Untereiner meinte, dieser lange<br />

Slogan benötige zu viel Platz, und man würde auch zu lange brauchen, was die Gefahr<br />

der Entdeckung vergrößere. Statt dessen schlug er das Zeichen „05" vor, was sofort<br />

Anklang fand. Einige Tage später wurde die erste Aktion in Wien durchgeführt, zunächst<br />

in drei, später in weiteren vier Wiener Bezirken. Untereiner selbst begann die<br />

Aktion am Stephansplatz in Wien, wo heute noch, liebevoll erneuert, am Dom neben<br />

dem Riesentor das Zeichen „05" zu sehen ist. Als er mit zwei Gehilfen am Gebäude<br />

der neuen Universität ebenfalls das „05" anbringen wollte, wurden die drei von einer<br />

Wehrmachtsstreife entdeckt, sie konnten aber nach einer Schießerei flüchten und entkommen.<br />

Untereiner selbst fiel Ende Februar 1945, einige Tage nach dem historischen<br />

Treffen der Spitzenleute von „05" und „POEN" („Provisorisches österreichisches<br />

Nationalkomitee") beim Bauunternehmen Spitz auf der Heiligenstädter Lände<br />

und dann bei Major Stillfried auf dem Saarplatz, in die Hände der Gestapo. Er wurde<br />

beim Betreten des Cafe Herrenhof verhaftet und in das KZ Mauthausen gebracht.<br />

Dort war er mit Dr. Becker zusammen. Beide wurden am 7. Mai 1945 von amerikanischen<br />

Truppen befreit. 1<br />

05 am Wiener Stephansdom<br />

1 Briefliche Mitteilung von Fritz P. Molden vom 8. 4. 1991 an den Autor


NUR WENIGE GERECHTE 290<br />

Dr. Hans (von) Becker, vor dem Zweiten Weltkrieg Propagandareferent der „Vaterländischen<br />

Front", nach dem Krieg österreichischer Geschäftsträger in Chile, wo er<br />

im Dezember 1948 ermordet wurde, war einer der Organisatoren des zivilen österreichischen<br />

Widerstandes. Nach seiner 1946 verfaßten Schrift „Österreichs Freiheitskampf<br />

kam es zwischen der Niederlage der deutschen Wehrmacht bei Stalingrad und<br />

den ersten Monaten des Jahres 1944 zu einer Konsolidierung der Widerstandskräfte.<br />

Man hatte Mittel und Wege gefunden, Kontakt zu den Alliierten aufzunehmen und so<br />

mit Hilfe von „Feindsendern" Informationen in die „Ostmark" zu leiten. Bei der Aufstellung<br />

des Volkssturms gelang es, viele Widerstandskämpfer einzuschleusen.<br />

Nun mußten auch die Straßenaktionen im großen Maßstab durchgeführt werden.<br />

Es war notwendig, ein Zeichen zu erfinden, das kurz und einprägsam ist. Die Anfangsbuchstaben<br />

des Wortes Österreich ergaben O 5 (e = 5. Buchstabe des Alphabets).<br />

Eine Nacht später waren die Straßen dreier Wiener Bezirke mit dem Zeichen<br />

verschmiert. Die nächste Nacht tauchte es in allen Bezirken auf und einige<br />

Tage später gab es bereits eine Sonderabteilung für O 5 in der Gestapo-Leitstelle. 1<br />

Durch Spitzel in den Reihen der Widerstandsbewegung wurde ein umfassender<br />

Schlag der Gestapo möglich, der die Wiener Organisation empfindlich schwächte und<br />

dem auch Becker selbst zum Opfer fiel.<br />

Ein für den 6. April 1945 vorgesehener Plan, durch Inhaftierung der militärischen<br />

und zivilen Spitzen des Regimes die sofortige Kapitulation Wiens herbeizuführen und<br />

einen Aufruf an die Bevölkerung durch die 05 zu erlassen, konnte nicht verwirklicht<br />

werden. Folgendes aber konnte erreicht werden:<br />

- Mit den Sowjets konnte vereinbart werden, daß die Wasserleitungen nicht angegriffen<br />

und die Versorgungsbetriebe intakt bleiben würden.<br />

- Ende März berichteten die alliierten Sender über die 05.<br />

- Es gelang Oberfeldwebel Ferdinand Käs, sich zu Marschall Tolbuchin durchzuschlagen<br />

und Absprachen über die Besetzung der Stadt zu treffen. In der Folge<br />

wurde der Volkssturm aufgelöst, Widerstandsleute nahmen ihre Waffen mit.<br />

- Eine Kampfgruppe der Studentenorganisation besetzte am 6. April das Gelände<br />

des Allgemeinen Krankenhauses.<br />

- In der Nacht zum 7. April konnten Panzerverstärkungen, die unter den Decknamen<br />

„Bernstein" und „Diamant" mit der Nordbahn nach Wien gebracht werden<br />

sollten, durch eine manipulierte Haltverfügung gestoppt werden.<br />

- Die Sprengung der Reichsbrücke und einer Donaukanalbrücke durch die SS<br />

konnte verhindert werden. Mit Ausnahme der hinter der Donaukanallinie verschanzten<br />

SS trafen die zum Teil in die Stadt hereingeführten russischen Einheiten<br />

kaum auf nennenswerten Widerstand.<br />

Der Ortskommandant von Wien, General von Bühnau, kabelte am 7. April nach Berlin,<br />

daß „die Wiener Bevölkerung stärkeres Feuer gegen die deutschen Truppen richte<br />

als der Feind". Das letzte Telegramm, das Hitler aus dem Führerbunker in seine ehemalige<br />

Heimat sandte, lautete: „Vorgehet mit brutalsten Mitteln gegen die Rebellen<br />

von Wien". 2<br />

In den Bundesländern hatten sich ebenfalls Widerstandsgruppen gebildet, die jedoch<br />

aus Sicherheitsgründen weitgehend autonom operierten. Zahllose Sabotageakte wurden<br />

verübt, für die viele Hunderte Patrioten ihr Leben gaben. In letzter Minute<br />

konnte die Sprengung der im Salzbergwerk von Altaussee versteckten Kunstschätze<br />

(darunter die rudolfinische Kaiserkrone!) und der Salzachbrücken in der Landeshauptstadt<br />

Salzburg verhindert werden.<br />

1 Hans Becker, Österreichs Freiheitskampf. Wien 1946, 20.<br />

2 Gordon Shepherd, Die österreichische Odyssee. Wien 1958, 176


291 „05" FÜR „ÖSTERREICH"<br />

Die Widerstandsgruppen in Westösterreich, vor allem in Tirol, versuchten noch in<br />

den letzten Wochen des Krieges, aktiv in das Kampfgeschehen einzugreifen. 1<br />

Die 05 löste sich etwa zehn Tage nach Kriegsende auf. Sie wirkte in dieser kurzen<br />

Zeitspanne noch bei der Wiedereinsetzung der Beamtenschaft aus der Zeit vor 1938<br />

mit und half durch eine aus dem Boden gestampfte Ärzteorganisation, einen sanitären<br />

Zusammenbruch zu verhindern. Als politische Kraft wollte sie nicht auftreten,<br />

sondern überließ dieses Feld den traditionellen Parteien.<br />

Gordon Shepherd sieht die letzten Tage der 05 freilich etwas weniger ruhmvoll, wenn<br />

er schreibt:<br />

Eine Schar erregter Österreicher, vom ehemaligen Heimwehrmann bis zum Kommunisten,<br />

was das politische Bekenntnis anlangt, auf der sozialen Seite vom Fürsten<br />

bis zum Briefträger herab in einem Wiener Palais verbarrikadiert, und zwar<br />

gegen einen Feind, der anderes zu tun hatte als sie anzugreifen. Auf dem Dache<br />

hißte man die rot-weiß-rote Flagge und holte sie wieder ein, je nachdem wie die<br />

Kämpfe um das Stadtzentrum zwischen den Panzern der SS und der Roten Armee<br />

hin- und herschwankten. 2<br />

Insgesamt litt der österreichische Widerstand weniger an schlechter Organisation als<br />

an folgenden Umständen:<br />

- Seit dem Zerfall der Donaumonarchie hatte das deutschsprachige Restösterreich<br />

an seiner wirtschaftlichen Lebensfähigkeit gezweifelt.<br />

- Maßgebliche Politiker der Ersten Republik aus allen Lagern traten von Beginn<br />

an für den Anschluß an Deutschland ein. (Die Sozialdemokraten strichen erst<br />

, knapp vor der Illegalität beim Parteitag im Oktober 1933 den Anschlußparagraphen<br />

aus dem Parteiprogramm.)<br />

- Selbst als sich der Ständestaat nach der Ermordung von Bundeskanzler Dollfuß<br />

am 25. Juli 1934 auf einen österreichisch-nationalen, auf Eigenstaatlichkeit und<br />

Unabhängigkeit bedachten Kurs begab, lag diesem die Vorstellung zugrunde,<br />

daß der Österreicher in seinem Wesen nichts anderes als ein „Deutscher mit<br />

Sondermission" sei. Schuschnigg hat in vielen seiner Reden verschiedene Bilder<br />

dafür gebraucht, so z. B. am 29. Mai 1935: „Österreich hat nie einen Zweifel darüber<br />

gelassen, und wird es, solange wir leben, auch in aller Zukunft nicht tun,<br />

daß es sich als deutscher Staat bekennt."<br />

- Millionen Österreicher hatten am 10. April 1938 für den Anschluß gestimmmt:<br />

bei einer Beteiligung von über 99 Prozent der 4,484.000 Stimmberechtigten votierten<br />

99,73 Prozent mit „Ja". 5.776 Zettel waren ungültig, nur 11.929 Österreicher<br />

hatten es über sich gebracht, mit „Nein" zu stimmen.<br />

- Hunderttausende hatten einen Beamten- oder Soldateneid auf Adolf Hitler abgelegt.<br />

- Es existierte keine anerkannte österreichische Exilregierung im Ausland.<br />

- Es gab keinen organisierten militärischen Widerstand, obwohl es seit 1937 einen<br />

von Feldmarschalleutnant Alfred Jansa ausgearbeiteten Verteidigungsplan gegen<br />

den deutschen Einmarsch gegeben hatte. Dieser hätte in heutiger Sicht die Okkupation<br />

zwar nicht verhindert, aber doch entscheidend verzögert. Die Westmächte<br />

hätten es weitaus schwerer gehabt, dem erzwungenen Anschluß Österreichs<br />

tatenlos zuzusehen. Und Österreich wäre nach Ende des Weltkrieges ein<br />

1 Otto Molden, Der Ruf des Gewissens. Wien 1958<br />

2 Shepherd, a. a. O. Hugo Portisch weist auf die großen Organisationsmängel der 05 unmittelbar<br />

nach Einstellung der Kampfhandlungen hin (Österreich II, a. a. O., 143 ff.). Siehe auch Gerhard<br />

Jagschitz, Der österreichische Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime. In: P. Schneck/<br />

K. Sretenovic (Hg.), Zeitgeschichte als Auftrag politischer Bildung. Wien 1979, 65 ff.


NUR WENIGE GERECHTE 292<br />

respektierter Staat wie die Niederlande gewesen. Jansa mußte jedoch schon im<br />

Jänner 1938 auf Druck Schuschniggs zurücktreten.<br />

- Die Gestapo war in der Ostmark infolge der gleichen Sprache ungleich erfolgreicher<br />

als in anderen von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten - und auch deshalb,<br />

weil es mehr Denunzianten gab als anderswo. Außerdem hatte die Gestapo<br />

fast eineinhalb Friedensjahre Zeit gehabt, alle mißliebigen Personen zu entfernen,<br />

da ihr ja auch alle Polizeikarteien in die Hände gefallen waren.<br />

Die Zahl der Opfer, die der österreichische Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft kostete,<br />

war dennoch höher, als man heute vielleicht anzunehmen geneigt ist. Insgesamt<br />

dürften über 35.000 Österreicher ihr Leben im Kampf gegen den Nationalsozialismus<br />

verloren haben, die Hälfte davon in den Konzentrationslagern, an die 10.000 in Gestapogefängnissen.<br />

2700 Österreicher wurden bei Gerichtsverhandlungen als aktive<br />

Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt und hingerichtet. 65.000 österreichische Juden<br />

wurden ermordet. Und schließlich fielen nicht weniger als 380.000 Österreicher<br />

als Angehörige der deutschen Wehrmacht in einem Krieg, der in Wahrheit nicht der<br />

ihre war.<br />

Den höchsten Blutzoll im Verhältnis zu ihrer Stärke leisteten die österreichischen<br />

Kommunisten, die als einzige Partei am Tag vor dem deutschen Einmarsch dazu aufgerufen<br />

hatten, die Unabhängigkeit Österreichs wieder herzustellen. 1<br />

Das Zeichen 05 wurde am Höhepunkt des Kampfes um Wien von Oberstleutnant<br />

Mühlfeit heimlich rechts vom Riesentor des Wiener Stephansdoms angebracht. 1965<br />

wurde es in den Stein geschnitten, zum Gedächtnis an die im Widerstand umgekommenen<br />

Österreicher, aber auch als Protest dagegen, daß man sich um die Opfer des<br />

Widerstandskampfes in der Zweiten Republik herzlich wenig gekümmert hat. Völlig<br />

verblaßt, nur mehr zu ahnen, kann man es am südlichen Pfeiler der Ostbahnbrücke<br />

über die Prater Hauptallee ausmachen. Es wäre vielleicht nicht schlecht, 05 auch dort<br />

als "Mahnmal" nachzuzeichnen. Aber wen kümmern schon alte Aufschriften auf alten<br />

Bauten? Wie gäbe es sonst heute noch die Aufschrift am Arenberg-Bunker: „Eintritt<br />

nur für Wehrmacht in Uniform"?<br />

Erika Weinzierl, Der österreichische Widerstand. In: Österreich - die Zweite Republik. Hg. von<br />

Erika Weinzierl und Kurt Skalnik, Graz 1972, 109 ff.<br />

Oliver Rathkolb, Raoul Bumballa, ein politischer Nonkonformist 1945. In: Unterdrückung und<br />

Emanzipation. Festschrift für Erika Weinzierl, Wien 1985. 295 ff.<br />

Herbert Steiner, Widerstand und Verfolgung im Dritten Reich. In: Leopold Rettinger u. a. (Hg.),<br />

Zeitgeschichte. Beiträge zur Lehrerfortbildung, Band 22. Wien 1982, 165 ff.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER<br />

„Du JÜNGSTES KIND VON ÖSTERREICH"<br />

DIE SYMBOLE BURGENLANDS<br />

GESCHICHTE BURGENLANDS<br />

Der Name „Burgenland" leitet sich von den Endsilben der deutschen Namen der vier<br />

früheren westungarischen Komitate Preßburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg<br />

ab (ursprünglicher Vorschlag: „Vierburgenland").<br />

Der Landstrich an der frühgeschichtlichen Bernsteinstraße, die von den Römern zu<br />

einer Kunststraße Carnuntum - Aquileia ausgebaut wurde, gehörte zur römischen<br />

Provinz Pannonien. Die Besiedlung in der Zeit der Völkerwanderung erfolgte durch<br />

germanische, awarische und slawische Stämme. Seit dem Sieg der Magyaren über die<br />

Baiern (Schlacht bei Preßburg am 4. Juli 907, Ende der Karolingischen Ostmark) gehörte<br />

das Land zu Ungarn. Leitha und Lafnitz - heute Grenzflüsse mit den Bundesländern<br />

Niederösterreich und Steiermark - bildeten seit dem 11. Jahrhundert die<br />

Grenze zwischen Österreich und Ungarn. Mächtige Grafengeschlechter - die aus Aragonien<br />

stammenden Mattersdorfer-Forchtensteiner im Norden, die Athinai im mittleren<br />

Teil und die Grafen von Güssing-Bernstein im Süden - beherrschten das Land.<br />

Der widersehende Adler und das von Rot und Kürsch gespaltene Schild im burgenländischen<br />

Wappen erinnern ebenso an die Forchtensteiner und Güssinger Geschlechter<br />

wie ihre bis heute hochaufragenden Burgen. Im 16. und 17. Jahrhundert<br />

wurden Kroaten, Salzburger und Schwaben in den oft von Türken und ungarischen<br />

Aufständischen verwüsteten Landstrichen angesiedelt.<br />

Eine bis heute spürbare Prägung erfuhr das Land um den Neusiedlersee mit seinem<br />

besonderen Klima und seiner eigentümlichen pannonischen Flora und Fauna durch<br />

das ungarische Grafengeschlecht der Esterhäzy, die Eisenstadt zu einem überregional<br />

bedeutsamen Musik- und Kulturzentrum machten.<br />

Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 resultierte in einer intensiven<br />

Mayarisierungspolitik im deutschsprachigen Westungarn, die besonders in Ödenburg/Sopron<br />

erfolgreich war. Der das Land kontrollierende Adel widersetzte sich<br />

länger als anderswo wirtschaftlichen und rechtlichen Reformen.<br />

Seit Jahrhunderten war das westliche Grenzgebiet Ungarns durch die Sprache, aber<br />

auch durch intensive wirtschaftliche Verflechtungen mit dem benachbarten österreichischen<br />

Gebiet verbunden. Die Bauern hatten hier den Markt für ihre Produkte,<br />

viele Tausende Wanderarbeiter ihre Arbeitsplätze. Der Zerfall der Donaumonarchie


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 294<br />

in völlig getrennte Nationalstaaten hätte für viele Menschen dieses Raumes katastrophale<br />

Folgen gehabt, sodaß im Herbst 1918 auf breiter Basis die Forderung eines Anschlusses<br />

„Deutsch-Westungarns" an Österreich entstand. Die Siegermächte des Ersten<br />

Weltkrieges trugen dem Rechnung. Im Friedensvertrag von St. Germain wurde<br />

Ödenburg zur Hauptstadt bestimmt, doch konnte Österreich das Territorium infolge<br />

des Widerstandes ungarischer Freischärler erst 1921/22 übernehmen.<br />

Unter italienischem Druck und unter italienischer Aufsicht wurde am 14. 12. 1921<br />

eine - im Friedensvertrag gar nicht vorgesehene - Volksabstimmung im Raum Ödenburg<br />

abgehalten. Während das Umland für Österreich votierte, wurde das Plebiszit<br />

durch die Stimmen in der Stadt selbst entschieden (64 Prozent für Ungarn).<br />

Nachdem die neue Landesregierung kurzfristig in Sauerbrunn getagt hatte, wurde<br />

1925 Eisenstadt zur Landeshauptstadt erkoren.<br />

Überraschend schnell wurden aus den früheren „Heanzen" im Süden und den „Heidbauern"<br />

im Norden landesbewußte Burgenländer, obwohl das Land zu Beginn noch<br />

einige Elemente der ungarischen Rechtsordnung beibehielt. Das jüngste Bundesland<br />

Österreichs wuchs immer mehr zusammen, woran auch die Aufteilung auf den „Gau<br />

Niederdonau" und den „Gau Steiermark" während der nationalsozialistischen Zeit<br />

1938-1945 und die den wirtschaftlichen Aufholprozeß stark bremsende sowjetische<br />

Besetzung 1945-1955 nichts ändern konnten. Aus eigener Kraft und mit Hilfe des<br />

Bundes erfolgte in der Zweiten Republik die verkehrsmäßige Erschließung und der<br />

Ausbau der übrigen Infrastruktur.<br />

Der Schutz und die Integration der größeren kroatischen und der kleineren magyarischen<br />

Minderheit ist besonders in kultureller Hinsicht vorbildlich. Das Burgenland<br />

hat als Erbe seiner ungarischen Geschichte auch einen relativ hohen Anteil an protestantischen<br />

Christen. Trotz allem soll nicht verhehlt werden, daß die jahrhundertelange<br />

Feudalstruktur und Grenzlage, der Mangel an Bodenschätzen und größeren Industrien<br />

sowie das Fehlen größerer städtischer Siedlungsschwerpunkte Ursachen dafür<br />

sind, daß das östlichste Bundesland Österreichs auch heute noch in mancher Hinsicht<br />

einen Nachholbedarf gegenüber anderen Teilen Österreichs hat.<br />

DEMOGRAPHISCHE DATEN<br />

Fläche: 3.966 km 2<br />

Wohnbevölkerung (Volkszählung 1991): 263.092<br />

Einwohner Eisenstadt: 10.349 = 3,9 Prozent<br />

Ausländeranteil: 7.788 = 2,9 Prozent<br />

Agrarquote: 6,0 Prozent<br />

Prozente Landtagswahl 1991: SPÖ 48, ÖVP 38, FPÖ 10, GAL 3<br />

LANDES-VERFASSUNGSGESETZ 1981; ARTIKEL 8<br />

1. Die Farben des Burgenlandes sind rot-gold.<br />

2. Das Landeswappen des Burgenlandes ist in goldenem Schild ein roter, golden<br />

gekrönter und bewehrter, rot bezungter widersehender Adler mit ausgebreiteten<br />

Schwingen, der auf einem schwarzen Felsen steht, in den Oberecken von zwei<br />

schwarzen, breitendigen Kreuzchen begleitet wird und dessen Brust mit einem<br />

dreimal von rot und kürsch gespaltenen und golden eingefaßten Schildchen belegt<br />

ist.<br />

3. Das Landessiegel des Burgenlandes weist das in Absatz 2 beschriebene Landeswappen<br />

mit der Umschrift „Land Burgenland" auf.<br />

4. Die Landeshymne des Burgenlandes ist das Lied „Mein Heimatvolk, mein Heimatland".


295 BURGENLAND<br />

5. Nähere Bestimmungen über die burgenländischen Landessymbole und deren<br />

Verwendung sind durch Landesgesetz zu treffen.<br />

LANDESWAPPEN UND LANDESFARBEN<br />

Das Landeswappen des Burgenlandes ist in goldenem Schild ein roter, golden gekrönter<br />

und bewehrter, rot bezungter, widersehender Adler mit ausgebreiteten<br />

Schwingen, auf einem schwarzen Felsen stehend, die Brust mit einem dreimal von<br />

Rot und Kursen gespaltenen, golden eingefaßten Schildchen belegt, in den Oberekken<br />

von zwei schwarzen, breitendigen Kreuzchen begleitet (vgl. Farbabbildung<br />

S. XVI).<br />

Das Wappen verbindet heraldische Elemente der beiden mächtigsten, im 15. Jahrhundert<br />

ausgestorbenen Adelsgeschlechter Burgenlands, der Mattersburger-Forchtensteiner<br />

und der Grafen von Güssing-Bernstein: Mattersburg-Forchtenstein - in Silber ein<br />

schwarzer, widersehender Adler auf rotem Felsen, begleitet von zwei roten Kreuzchen<br />

und Güssing-Bernstein - dreimal gespalten von Rot und Kürsch (Pelzwerk).<br />

Die Landesfarben des Burgenlandes sind Rot und Gold. Sie könnten auf das von der<br />

Sage überlieferte Wappen der Vandalen zurückgehen: in Rot ein goldener Drache.<br />

(Der germanische Stamm der Vandalen war bis ins 4. Jahrhundert in Südwestungarn<br />

seßhaft.) Da es international üblich ist, die Landesfarben im Wappen zu reproduzieren,<br />

beschloß die burgenländische Landesregierung am 17. 10. 1922, die oben genannten<br />

Hauptfarben des Adlerwappens zu modifizieren. So wurde aus dem schwarzen<br />

Adler ein roter, aus dem roten Felsen ein schwarzer und aus dem silbernen (nach<br />

heraldischen Gepflogenheiten auch weißen) Schildgrund ein goldener (gelber).<br />

In einem Aufsatz aus dem Jahr 1947 stellt Wilhelm Gerlich eine interessante, wohl<br />

aber spekulative Theorie über die Verwandtschaft des burgenländischen Wappens mit<br />

der Symbolik des Templerordens auf. 1 Nach Gerlichs Theorie läßt sich die Gründung<br />

von Mattersburg-Forchtenstein auf den ungarischen König Emmerich (1196-1204)<br />

zurückführen, dessen Gemahlin die aragonische Prinzessin Konstanze, die Tochter<br />

Alfons' IL, war (auf sie geht nach Ansicht mancher Heraldiker das altungarische<br />

Wappen zurück; vgl. das Kapitel über die hl. Stephanskrone, S. 175 ff.). Durch<br />

Schenkung hätten Gefolgsleute der Prinzessin, nämlich die schöne Tota sowie die<br />

„Brüder" ( = Tempelritter) Simon und Bertrant, Grund und Boden im Raum Mattersburg<br />

erhalten. An einem Wegkreuz auf der Straße von Mattersburg nach März sowie<br />

im Verlies der Burg Forchtenstein gebe es Hinweise darauf, daß das Mattersburger<br />

Wappen Ähnlichkeiten mit dem Wappen des Templerordens (ein Adler auf einem<br />

Felsen, darüber zwei Sterne und ein Jerusalemer Kreuz) aufweise. Dies gründe darauf,<br />

daß die Könige von Aragonien Protektoren des Templerordens waren. Das<br />

Templerwappen selbst stellte nach Gerlich die Kombination von „Ecclesia" (Felsen<br />

Petri und Kreuz) und „Imperium" (Adler) dar. Damit symbolisiere es das universalistische<br />

Ideal des Mittelalters.<br />

Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Zusammenhänge als eine etwas weit hergeholte<br />

Hypothese bezeichnet, da es keinen historischen Anlaß dafür gibt, die verheirateten<br />

„Stammväter" von Mattersburg und Forchtenstein, Simon und Bertrant, nicht<br />

als Brüder (im Sinn von „Verwandten") anzuerkennen und stattdessen in (zölibatäre)<br />

Tempelritter zu verwandeln. 2<br />

1<br />

Wilhelm Gerlich, Der Templerorden im Burgenland. In: Burgenländische Heimatblätter, 9. Jahrgang,<br />

Heft 3-4/1947, 131 ff.<br />

2<br />

Hofrat Dr. Gerald Schlag in einem Brief an den Autor, mitgeteilt durch das Büro des Landeshaupt­<br />

manns am 2. 3. 1994


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 296<br />

Mit dem Gesetz vom 15. November 1990 über die burgenländischen Landessymbole,<br />

LGB1. 36/1991, zu dessen Vorbereitung der Verfasser einen bescheidenen Beitrag leisten<br />

durfte, besitzt das Burgenland das zur Zeit modernste Symbolgesetz der Republik,<br />

das Farben, Flagge, Wappen, Siegel und Hymne nicht nur regelt und schützt,<br />

sondern auch dazu ermutigt, die Landesymbole in würdiger Form einzusetzen.<br />

LANDESHYMNE<br />

In den frühen dreißiger Jahren besaßen bereits zwei Bundesländer eine offizielle Landeshymne:<br />

Salzburg (1928) und Steiermark (1929). In Kärnten, Oberösterreich und<br />

Tirol wurden die heutigen Landeshymnen bereits inoffiziell als solche gesungen. Die<br />

Republik hatte sich 1929 zum zweiten Mal eine Bundeshymne gegeben (den Kernstock-Text<br />

„Sei gesegnet ohne Ende, Heimaterde wunderhold" zur Melodie des<br />

„Gott erhalte" von Joseph Haydn, s. S. 138 f).<br />

Es verwundert nicht, daß es der im Kampf gegen Hitlerdeutschland auf Tradition und<br />

Patriotismus bedachte Ständestaat als Mangel betrachtete, daß das jüngste Bundesland<br />

noch über kein Heimatlied verfügte. So veranlaßte die Landesleitung der Vaterländischen<br />

Front des Burgenlandes einen Wettbewerb, der am 12. 10. 1935 in ihrer<br />

eigenen Zeitung, dem „Burgenländischen Volksblatt", mit den Worten ausgeschrieben<br />

wurde:<br />

Immer wieder wird bei festlichen Anlässen eine geeignete burgenländische Landeshymne<br />

vermißt, die die burgenländische Einheit würdig zum Ausdruck zu bringen<br />

vermag.<br />

Inhaltlich regte die Ausschreibung folgendes an:<br />

Die Hymne soll etwa Freude und Stolz auf die burgenländische Heimat und die<br />

Zugehörigkeit zum burgenländischen Volk sowie die Verbundenheit mit dem großen<br />

österreichischen Vaterland zum Ausdruck bringen.1<br />

Aus 105 Einsendungen wurde der Vorschlag des burgenländischen Volksbildners und<br />

Lehrers an der katholischen Lehrerinnenbildungsanstalt in Steinberg/Burgenland,<br />

Dr. Ernst Görlich, ausgesucht.<br />

Analysiert man den Text, so findet man die Ausschreibungserfordernisse erfüllt, insbesondere<br />

was die Verbundenheit mit dem übrigen Österreich betrifft, die in der ersten<br />

und dritten Strophe angesprochen wird. Historisch ein wenig schief ist die Symbolik<br />

„Rot war der heißen Herzen Spruch, die für die Heimat starben", da im ersten<br />

Weltkrieg Burgenland noch nicht existierte und die Angliederung „Deutsch-Westungarns"<br />

an Österreich an sich ein unblutiger völkerrechtlicher Akt war, der allerdings<br />

einige Zusammenstöße der österreichischen Exekutive mit ungarischen Freischärlern<br />

auslöste.<br />

„An Kraft und Treue allen gleich, Du jüngstes Kind von Österreich" - mit dieser<br />

Wendung wird die Ebenbürtigkeit im Staatsverband mit Österreich trotz „Geschichtsdefizits"<br />

festgestellt und postuliert. Gleichzeitig wird gerade durch diesen Hinweis die<br />

„Benjaminrolle" Burgenlands aber auch perpetuiert. Auf die ethnischen Minderheiten<br />

oder sonstige Eigenheiten des Landes wird nicht eingegangen.<br />

Insgesamt handelt es sich beim Text der burgenländischen Landeshymne um ein dreifaches,<br />

an den Landesfarben und an der Verbindung mit der Republik festgemachtes<br />

Gelöbnis, dem Land die Treue zu halten - im Hinblick auf die Auswandererströme<br />

der Zwischenkriegszeit und die auch heute noch sehr hohe Mobilität der Burgenländer<br />

eine durchaus stimmige und weitsichtige Textstrategie.<br />

' Gerhard J. Winkler, Das verordnete Landesbewußtsein - am Beispiel der Burgenländischen Landeshymne<br />

(1935/36). In: IWK-Mitteilungen, 2/1988, 52 ff.


297 BURGENLAND<br />

Wenn wir in diesem Zusammenhang auf das dreißig Jahre früher entstandene, aber<br />

erst 1949 zur Landeshymne bestimmte Vorarlberger Heimatlied „Du Ländle, meine<br />

teure Heimat" hinweisen, so bezweckt dies weniger, die Möglichkeit seiner Vorbildfunktion<br />

anzudeuten, als vielmehr die doch interessanten geistigen Parallelen aufzuzeigen,<br />

die die beiden kleinen Bundesländer am Ost- und am Westrand Österreichs<br />

trotz ihrer grundlegenden Verschiedenheit aufzuweisen scheinen.<br />

Was die Melodie betrifft, so ist zunächst<br />

festzuhalten, daß bei der<br />

Ausschreibung des diesbezüglichen<br />

Wettbewerbs 1 nur gefordert<br />

wurde, die Melodie solle „künstlerisch<br />

wertvoll, leicht sangbar und<br />

volkstümlich" sein und eine Dezime<br />

nicht überschreiten.<br />

Sieger des Wettbewerbs war der<br />

1886 als Sohn einer Pöttschinger<br />

Bauernfamilie geborene Peter<br />

Zauner, Primgeiger bei Carl Michael<br />

Ziehrer und später Kapellmeister.<br />

Ohne die Kaiserhymne zu<br />

zitieren, ist die Melodie dem<br />

„Gott erhalte" nachempfunden,<br />

was insbesondere durch die Oberoktave<br />

am Beginn des letzten Viertakters<br />

zum Ausdruck kommt, der<br />

- auch von der Dynamik her<br />

(forte!) - freilich nur mit dem Text<br />

der dritten Strophe voll zusammenstimmt.<br />

Die vierteilige Melodie der burgenländischen<br />

Landeshymne ähnelt<br />

eher einem fröhlichen<br />

Marschlied als einer getragenen<br />

Hymne. Dieser vielleicht aus dem<br />

Geist seiner Entstehungszeit erklärbare<br />

Charakter wird durch das<br />

schwungvolle Tempo, den punktierten<br />

Rhythmus im 4/4-Takt und die häufigen Intervallsprünge noch zusätzlich unterstrichen.<br />

Es ist erfreulich, daß die Landeshymne mit Gesetz vom 27. 6. 1947 ohne jede Änderung<br />

wieder eingeführt werden konnte; sie enthielt trotz ihres eigentlich hochpolitischen<br />

Ursprungs im autoritären Ständestaat keine mit „demokratischen Tendenzen<br />

unvereinbare Tendenz".<br />

Außer der burgenländischen ist nur die oberösterreichische Landeshymne in der Landesverfassung<br />

verankert. Das Gesetz über die burgenländischen Landessymbole, das<br />

in § 4 die Landeshymne regelt, bestimmt in § 12:<br />

Die Kenntnisse des Textes und der Melodie der Landeshymne sollen in der Bevölkerung<br />

verbreitet, ihr Singen und Spielen in würdiger Form gefördert werden.<br />

1 Burgenländisches Volksblatt, 8. 2. 1936


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 298<br />

LANDESPATRON UND LANDESFEIERTAG<br />

Martin von Tours, der Landespatron des Burgenlandes, ist eine der populärsten Heiligengestalten<br />

Österreichs. Obwohl sein Leben durch die Aufzeichnungen von Sulpicius<br />

Severus (363-420) gut dokumentiert ist, ranken sich um Martin viele Legenden<br />

und Volksbräuche, deren Ursprung oft tief im Heidentum zu suchen ist.<br />

Martin wurde um das Jahr 316 in Savaria, dem heutigen Szombathely (Steinamanger),<br />

unweit der burgenländischen Landesgrenze als Sohn eines römischen Militärtribuns<br />

aus Pavia geboren. Savaria war die Hauptstadt der römischen Provinz Pannonien, die<br />

die Oststeiermark, das Burgenland und Ungarn bis zur Donau umfaßte. Martinus<br />

(„der dem Mars Geweihte") wuchs in Oberitalien auf und wurde schon mit fünfzehn<br />

Jahren in die römische Armee eingegliedert.<br />

Mit achtzehn Jahren empfing er die Taufe und wurde Christ. Bereits als junger Mann<br />

zeigte er heiligmäßige Tugenden, als er nach der Legende einem frierenden Bettler<br />

vor den Toren der nordfranzösischen Stadt Amiens die Hälfte seines Soldatenmantels<br />

überließ. In der folgenden Nacht sei ihm Jesus im Traum erschienen, bekleidet mit<br />

dem Mantelstück, und habe ihm sein Tun mit der Rede vom Weltgericht gedeutet:<br />

„Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Matthäus<br />

25,40). Bis heute gehen die meisten künstlerischen Darstellungen des Heiligen<br />

auf diese Szene zurück: der stolze römische Offizier auf dem weißen Pferd, der Barmherzigkeit<br />

übt. In Wirklichkeit aber verdankt Martin seine Heiligsprechung nicht seinem<br />

Mitgefühl für einen Bettler, sondern seinem mutigen Bekenntnis zu einem sehr<br />

radikal gelebten christlichen Glauben. Während eines Feldzuges gegen die Alamannen<br />

356, in der Nähe von Worms, trat Martin vor Kaiser Julian. Statt eine Gratifikation<br />

anzunehmen, bat er militärisch knapp um seinen Abschied vom Militär: „Bis<br />

heute habe ich dir gedient; gestatte nun, daß ich jetzt Gott diene. Dein Geschenk mag<br />

in Empfang nehmen, wer in die Schlacht ziehen will. Ich bin ein Soldat Christi; es ist<br />

mir nicht erlaubt zu kämpfen!" 1<br />

Der hl. Martin war, schlicht gesagt, ein Wehrdienstverweigerer aus Glaubensgründen.<br />

Die Eisenstädter Martins-Kaserne, die östlichste Österreichs, ist nach ihm benannt -<br />

ein weiteres Beispiel dafür, daß Symbole in Österreich oft erhebliche Unstimmigkeiten<br />

aufweisen. Den Namen des hl. Martin trägt übrigens auch der westlichste Turm<br />

Österreichs, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts errichtete Martinsturm in der Stadtmauer<br />

von Bregenz.<br />

In seiner Heimat von Arianern verfolgt, ging Martin zuerst nach Italien und dann<br />

nach Frankreich. Dort wurde Martin Schüler des heiligen Bischofs Hilarius von Poitiers,<br />

der ihm auch die vier niederen Weihen spendete. Nach einem fünfjährigen Aufenthalt<br />

als Einsiedler auf der Insel Gallinaria im Golf von Genua gründete Martin um<br />

360 in der Nähe der westfranzösischen Stadt Poitiers die erste gallische Mönchsgemeinschaft<br />

und damit das erste große Kloster des Abendlands. Er kehrte auf einige<br />

Zeit nach Pannonien zurück, bekehrte seine Mutter und missionierte an der Donau.<br />

Als Martin im Jahre 371 zum Bischof von Tours an der Loire gewählt wurde, soll er<br />

sich in einem Gänsestall versteckt haben, um dem Amt zu entgehen. Das Geschnatter<br />

der Gänse habe ihn jedoch verraten - ein willkommener Vorwand für das volkstümliche<br />

„Ganslessen" zu Martini.<br />

Als Bischof weiterhin einer asketischen Lebensweise verpflichtet, trat Martin mutig<br />

gegen den Plan des Kaisers Maximus und einiger Mitbischöfe auf, einen theologischen<br />

Streit mit Bischof Priszillian vermittels der Todesstrafe zu beenden.<br />

1 Alfred Läpple, Das Hausbuch der Heiligen und Namenspatrone. München 1992, 240 ff.<br />

Heinrich Schnuderl, Einer der volkstümlichsten Heiligen Europas - Martin von Tours. In: Entschluß,<br />

12/1987, 30 ff.


299 BURGENLAND<br />

Martin starb am 8. November 397 auf einer Visitationsreise in eine seiner Pfarreien an<br />

der Loire. Er ist einer der ersten Heiligen, die die Ehre der Altäre nicht ihrem Martyrium<br />

verdanken. Das Grab des Heiligen in der Kathedrale von Tours wurde bald zum<br />

fränkischen Nationalheiligtum. Die fränkischen Könige erklärten in der Folge den legendär<br />

gewordenen Mantel zu ihrem Feldzeichen und ließen ihn bei ihren Schlachten<br />

als glückbringendes Reichskleinod mitführen - im Grunde eine Verhöhnung der<br />

eigentlichen Lebensziele seines heiligen Trägers. Übrigens: den Raum, in dem der<br />

Mantel - lateinisch „capa" - aufbewahrt wurde, nannte man „capella". Von dieser<br />

Wortwurzel leitet sich die uns geläufige „Kapelle" ab. 1<br />

Martin ist trotz seines vorwiegend auf Frankreich bezogenen Wirkens gerade in den<br />

Alpenländern zu einem der großen Volksheiligen geworden. Sein Festtag ist der<br />

11. November, seine Attribute sind Schimmel, Bettler, Mantel und Gans. Der 11. November<br />

- im Rheinland Beginn der Karnevalsvorbereitungen - gilt im Österreichischen<br />

als Lostag. Nach altem Volksglauben leitet Martini den Winter ein: „Kommt<br />

Martin auf dem Schimmel geritten, braucht man im Winter um Schnee nicht zu bitten."<br />

Der Martinstag war aber auch - so wie Mariä Lichtmeß am Ausgang des Winters<br />

(2. Februar) - ein üblicher Termin für den Dienstbotenwechsel. Mit ihm wurde<br />

die Ableistung des Zehents und die Eröffnung der Spinnstuben verbunden.<br />

Der hl. Martin gilt als Patron der Hirten und des Viehs. Nach vorchristlichem Brauch<br />

wurden die Tiere noch im vorigen Jahrhundert mit der „Martinsrute" berührt, ehe sie<br />

in die Winterstallungen eingelassen wurden. Heute empfangen die Viehhalter den<br />

Martinssegen. In Bregenz etwa gibt es einen Martinsritt, verbunden mit einer Messe<br />

in der Martinskapelle und einem Platzkonzert auf dem Martinsplatz - ein nach den<br />

Ersten Weltkrieg aus Augsburg importierter Brauch.<br />

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es sich in den österreichischen Kindergärten eingebürgert,<br />

den Martinsabend mit einem Laternenfest zu feiern.<br />

Der bekannteste Volksbrauch Mitte November ist freilich das „Martinilobn", das<br />

gastliche Verspeisen des „Martinigansls", das zwar auf die zitierte Legende über die<br />

Bischofswahl verweisen kann, im Grunde aber eher ein Fruchtbarkeitsritus am Ende<br />

der Mastzeit ist, zu welchem Termin der Bauer gemästete Gänse an den Gutsherrn<br />

oder das zuständige Kloster abzuliefern hatte. Mit dem Festessen verbindet sich auch<br />

eine Wetterregel: Ist das zurückgebliebene Brustbein der Gans schön weiß, kommt<br />

ein schneereicher Winter.<br />

Bekanntheit des burgenländischen Landespatrons 1993<br />

hl. Martin andere weiß nicht<br />

bis 29 80 10 10<br />

bis 49 89 11 0<br />

ab 50 65 18 18<br />

Total 75 14 11<br />

Quelle: Integral-Telephonumfrage Jänner 1993, n = 36<br />

SONSTIGE SYMBOLE DES BURGENLANDES<br />

Wie wir aus der Integral-Umfrage „Symbole für Österreich" (1993, n= 1.000) wissen,<br />

ist der Symbolwert der Landschaft um den Neusiedlersee (31 Prozent Nennungen)<br />

für das Burgenland sehr groß. Es überrascht uns auch nicht, wenn wir erfahren, daß<br />

1 Paul Kaufmann, Brauchtum in Österreich. Wien- Hamburg 1982, 309


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 300<br />

ebenfalls rund ein Drittel der befragten Burgenländer den Wein als ein wichtiges Landessymbol<br />

bezeichnen - ex aequo mit den Schlössern und Burgen, denen das Land<br />

zwar, wie wir wissen, nicht seinen Namen verdankt, die aber offenbar doch eine große<br />

identitätsstiftende Funktion haben. Von den Klischees des Burgenlandes sind die<br />

Störche und die Tradition der Tamburizzamusik zu erwähnen.<br />

DIE SYMBOLE KÄRNTENS<br />

GESCHICHTE KÄRNTENS<br />

„Bis ZUR KARAWANKEN FELSENWAND"<br />

Die glanzvolle Frühgeschichte Kärntens spiegelt sich in zahlreichen Ausgrabungen im<br />

südlichsten Bundesland Österreichs. Besiedelt seit der jüngeren Steinzeit, wurde<br />

Kärnten in der Bronzezeit von den illyrischen Venetern bewohnt. Die um 400 v. Chr.<br />

eingewanderten Kelten wurden „Taurisker" genannt; der Begriff „Tauern" ( = Übergänge)<br />

erinnert heute noch daran.<br />

Die Hauptstadt des nach einem Keltenstamm benannten Königreiches Noricum befand<br />

sich auf dem Magdalensberg. Die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg berichten<br />

über diese kulturell und wirtschaftlich bedeutsame Periode, in der auch Villach<br />

gegründet wurde.<br />

In der Römerzeit gehörte Kärnten zur Provinz Noricum. Ihre Hauptstadt war das im<br />

Zollfeld gelegene Virunum. Während der vom Patriarchat Aquileia ausgehenden ersten<br />

Christianisierungswelle wurden Virunum und das in Oberkärnten gelegene römische<br />

Teurnia Bischofssitze.<br />

Ab 591 zogen Alpenslawen in das breite Kärntner Becken. Das Land stellte sich zunächst<br />

unter den Schutz der Baiern, wurde ab 765 zum zweiten Mal und endgültig<br />

christianisiert (Maria Saal) und schließlich 976 zum selbständigen Herzogtum erhoben<br />

- das älteste auf österreichischem Boden und eines der ältesten im Reich. An die<br />

Einsetzung der frühen Kärntner Herzöge erinnern „Fürstenstein" und „Herzogsstuhl".<br />

Wir haben beide für die Rechtsgeschichte von Kärnten so wichtige Objekte im<br />

Kapitel Denkmäler (S. 196) genauer beschrieben.<br />

Das mittelalterliche „Karantanien" war übrigens bis zur Unabhängigkeitserklärung<br />

Sloweniens am 26. Juni 1991 das einzige selbständige slowenische Staatsgebilde in<br />

der Geschichte. Deshalb sehen die Slowenen bis heute den Fürstenstein als ein mythologisches<br />

Symbol ihrer Eigenstaatlichkeit an. So kam der Fürstenstein auch auf das<br />

Partisanengeld der Jahre 1944/45 und auf das slowenische Übergangsgeld 1992, was<br />

in Kärnten als deplaciert angesehen wurde. 1<br />

Das frühe Kärnten stand unter der Herrschaft verschiedener Geschlechter und umfaßte<br />

lange Zeit auch die Steiermark (bis 1122), das oberösterreichische Ennstal sowie<br />

die Mark Verona mit Friaul, Krain und Istrien. Den Eppensteinern folgten die Span-<br />

1 Alfred Ogris, Die historisch sensiblen Zwillinge des Schicksals. In: Die Presse, 7. März 1992<br />

Manfred Scheuch, Zankapfel Fürstenstein. In: Der Standard, Historischer Weltatlas 84


301 KÄRNTEN<br />

heimer, von denen Pfemysl Ottokar 1269 das Land erbte. Mächtige Feudalherren in<br />

Kärnten waren auch die Erzbischöfe von Salzburg (mit Friesach) und Bamberg (in<br />

Villach und Wolfsberg). Im 13. Jahrhundert hatte sich in Oberkärnten bereits die<br />

deutsche Sprache durchgesetzt: das Land wurde von den Meinhardinern regiert, einer<br />

Linie der Grafen von Tirol. Nach deren Aussterben 1335 belehnte Kaiser Ludwig IV.<br />

die Habsburger mit Kärnten, das mit der Steiermark (und vordem Krain) seither im<br />

österreichischen Staatsverband verblieben ist. Landeshauptstadt war bis 1518 St. Veit<br />

an der Glan. In diesem Jahr schenkte Kaiser Maximilian I. den Kärntner Ständen die<br />

Stadt Klagenfurt, die vorher bis auf die Grundmauern abgebrannt war. Die neue Landeshauptstadt<br />

wurde gegen die Türkengefahr zu einem der stärksten Bollwerke des<br />

Reiches ausgebaut und im Stil der Renaissance erweitert. 1590 schuf der Bildhauer<br />

Ulrich Vogelsang den Lindwurm, das Wahrzeichen Klagenfurts. Aus dem 16. Jahrhundert<br />

stammen auch das Renaissanceschloß Porcia in Spittal an der Drau und die<br />

Burg Hochosterwitz.<br />

Seit ca. 1525 drang das Gedankengut der Reformation in Kärnten, vor allem in die<br />

Städte, ein. Fast ganz Kärnten wurde protestantisch; während und nach der Gegenreformation<br />

mußten zahlreiche Kärntner ihrem Glauben abschwören oder das Land<br />

verlassen.<br />

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Kärnten dem „Illyrischen Königreich"<br />

Napoleons (seit 1816) mit der Hauptstadt Laibach unterstellt, ähnlich wie Vorarlberg<br />

von Innsbruck aus verwaltet wurde. 1849 wurde Kärnten mit den Stimmen der Slowenenvertreter<br />

im ersten konstitutionellen Landtag wieder selbständiges Kronland.<br />

1918/19, im Kärntner Abwehrkampf, gelang es den Kärntnern, die jugoslawischen<br />

Truppen, die Südkärnten besetzt hatten, zur Räumung des Territoriums zu zwingen.<br />

Die Kärntner Volksabstimmung vom 10. 10. 1920 erbrachte eine Mehrheit von 59,04<br />

Prozent für den Verbleib des gemischtsprachigen Gebietes (laut Volkszählung 1910<br />

wohnten in der südlichen Abstimmungszone A 70 Prozent slowenischsprachige<br />

Kärntner) bei Österreich. In der Folge mußten nur das Mießtal und Unterdrauburg<br />

an Jugoslawien und das Kanaltal an Italien abgegeben werden.<br />

In der Zeit der deutschen Besetzung 1938-1945 wurden Osttirol und (ab 1941) Teile<br />

Sloweniens (das Mießtal mit Unterdrauburg sowie Oberkrain) Kärnten zugeschlagen.<br />

Das letztere führte zu jugoslawischen Gebietsforderungen nach Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges, die in Verhandlungen bis 1949 zurückgewiesen wurden.<br />

Von 1945 bis 1955 stand das Land Kärnten unter britischer Besatzung. Die volle Erfüllung<br />

der Bestimmungen des Artikels 7 des österreichischen Staatsvertrags über die<br />

Minderheitenrechte der Kärntner Slowenen läßt bis heute auf sich warten, wenn sich<br />

auch das früher von „Urangst" geprägte politische Klima aufgrund der geopolitischen<br />

Veränderungen weitgehend entspannt hat.<br />

DEMOGRAPHISCHE DATEN<br />

Fläche: 9.533 km 2<br />

Wohnbevölkerung (Volkszählung 1991): 530.726<br />

Ausländeranteil: 17.072 = 3,1 Prozent<br />

Einwohner Klagenfurt: 89.415 = 16,8 Prozent<br />

Agrarquote: 5,4 Prozent<br />

Prozente Landtagswahl 1994: SPÖ 37, ÖVP 24, FPÖ 33,<br />

GAL 2, Liberales <strong>Forum</strong> 3


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 302<br />

LANDESVERFASSUNG FÜR <strong>DAS</strong> LAND KÄRNTEN; ARTIKEL 5:<br />

1. Die Farben des Landes Kärnten sind gelb-rot-weiß.<br />

2. Das Land Kärnten fuhrt als Landeswappen das historische Wappen. Der Schild<br />

des Landeswappens ist von Gold und Rot gespalten; vorn sind drei schwarze,<br />

rotbezungte und gewaffnete Löwen übereinander, hinten ein silberner Balken.<br />

Der gekrönte Turnierhelm mit rotgoldenen Decken trägt zwei goldene Büffelhörner,<br />

die außen mit je fünf goldenen Stäbchen besteckt sind, von denen rechts je<br />

drei schwarze, links je drei rote Lindenblätter herabhängen. Die bildliche Darstellung<br />

des Landeswappens ist im Landesgesetzblatt kundzumachen.<br />

3. Das Recht zur Führung des Landeswappens steht den Behörden, Ämtern und<br />

Anstalten des Landes Kärnten zu. Wer sonst berechtigt ist, das Landeswappen<br />

oder den Wappenschild zu führen, wird durch Landesgesetz bestimmt.<br />

4. Die Landesflagge besteht aus drei waagrechten, gleich breiten Streifen von Gelb-<br />

Rot-Weiß; der oberste Streifen ist der gelbe.<br />

5. Das Landessiegel weist das Landeswappen mit der Umschrift „Land Kärnten"<br />

auf.<br />

LANDESWAPPEN UND LANDESFARBEN<br />

Das historische Wappen Kärntens ist das einzige unter den Wappen der österreichischen<br />

Bundesländer, das im Landesgesetzblatt mit Helm, Helmzier und Helmdecken<br />

dargestellt wird: in von Gold und Rot gespaltenem Schild vorne drei übereinander gestellte,<br />

schwarze, rot bezungte und rot bewehrte schreitende Löwen, hinten ein silberner<br />

Balken; auf den Schild ist ein golden gekrönter Turnierhelm mit rot-goldenen<br />

Helmdecken gestellt, der zwei goldene Büffelhörner trägt, die außen mit je fünf goldenen<br />

Stäbchen besteckt sind, von denen rechts je drei schwarze, links je drei rote Lindenblätter<br />

herabhängen. Im allgemeinen wird aber als Kärntner Wappen nur der<br />

Wappenschild geführt, da der Helm mit Decken und Helmzier die Proportionen der<br />

Darstellung zusammen mit anderen Wappen in der Regel sprengt.<br />

Das ursprüngliche Kärntner Wappen, wie es die Spanheimer in ihrem Herzogssiegel<br />

führten, war ein schwarzer heraldischer Panther in Silber beziehungsweise aus Zobelpelz<br />

auf Hermelin.<br />

Über den genauen historischen Werdegang des Kärntner Wappens existieren verschiedene<br />

Auffassungen. Eine quasi „offizielle" Version der Entstehung findet sich in<br />

den Erläuterungen zum Kärntner Wappengesetz 1985 in Form eines vom ehemaligen<br />

Direktor des Kärntner Landesarchivs, wirkl. Hofrat Dr. H. Wiessner, verfaßten Abrisses,<br />

der auch schon im Entwurf des Gesetzes zum Schutz des Kärntner Landeswappens<br />

aus dem Jahr 1955 (LGB1. Nr. 1/1956) enthalten war. Wiessner schreibt (Z. ZI.<br />

Verf.-148/1/1985):<br />

Herzog Ulrich III. bediente sich, um seinen Ansprüchen auf das durch den Tod<br />

Friedrichs des Streitbaren 1246 freigewordene babenbergische Erbe schon äußerlich<br />

Ausdruck zu verleihen - sein Vater, Herzog Bernhard, war der Sohn der Babenbergerin<br />

Agnes, der Tochter Heinrich IL von Österreich und Schwester Herzog<br />

Heinrichs I. von Mödling, Herzog Ulrich III. selbst war in erster Ehe mit Agnes,<br />

der Witwe des letzten Babenbergers, in zweiter Ehe mit Agnes, der Großnichte<br />

Friedrich des Streitbaren vermählt - seit 1246 nicht mehr des alten Kärntner<br />

Pantherwappens (schwarzer Panther auf weißem Hintergrund), sondern eines<br />

kombinierten Wappens, das auf der vorderen Hälfte (vom Beschauer links) das<br />

Wappen der in Mödling seßhaften babenbergischen Secundogenitur - die babenbergischen<br />

Löwen in Dreizahl - auf der hinteren Hälfte (vom Beschauer rechts)<br />

den halben Schild von Österreich, den Bindenschild, aufwies.


303 KÄRNTEN<br />

Als nach dem Tode Ulrichs III. am 27. Oktober 1269 sich König Ottokar II. von<br />

Böhmen auf Grund des Podiebrader Vertrages vom 4. Dezember 1268 auch Kärntens<br />

bemächtigte, bewog ihn die alte Gleichheit des kärntnerischen und steirischen<br />

Wappens - nämlich des Pantherwappens -, dieses völlig aufzugeben und den<br />

Schild mit den drei Löwen und der Binde als Kärntner Landeswappen zu designieren.<br />

Der aus dem gekrönten Helm hervorwachsende Pfauenstoß des damaligen Wappens<br />

ging auf das österreichische Vorbild zurück. Herzog Meinhard mußte im<br />

Kärntner Wappen den gekrönten Helm abtun, da er nicht Rechtsnachfolger der<br />

Babenberger war und damit Successor des unter Friedrich dem Streitbaren projektierten<br />

Königreiches Österreich-Steier. Er ersetzte den gekrönten Helm durch<br />

den Herzogshut, dessen Krempe mit Lindenblättern behangen war.<br />

Nach dem Anfall Kärntens an die Habsburger - 1335 - und damit im Spätmittelalter<br />

den österreichischen Ländern der Habsburger zugehörig („Herrschaft zu<br />

Österreich") trat an die Stelle des Herzoghutes wieder der gekrönte Turnierhelm.<br />

Weil dadurch die Wappenkleinode Tirols und Kärntens gleich waren, erwies es<br />

sich 1363 durch den Anfall Tirols an Österreich als notwendig, für Kärnten einen<br />

neuen Helmschmuck zu schaffen, und so wies man nun dem Kärntner Wappen die<br />

goldenen Büffelhörner zu, außen mit je fünf goldenen Stäbchen besteckt, deren jedes<br />

mit drei rechts schwarzen, links roten Lindenblättern behängt erscheinen. Dabei<br />

verschwand auch der vom österreichischen Wappen übernommene Pfauenfederstoß,<br />

der aus dem Helm hervorwuchs. In dieser Form ist das Kärntner Wappen<br />

bis auf den heutigen Tag auf uns gekommen. Die Kärntner Landesfarben - gelb,<br />

rot, weiß - sind dem Wappen entnommen.<br />

Ulrichs III. Bruder Philipp, erwählter Erzbischof von Salzburg, führte den ursprünglichen<br />

Spanheimer Panther als Anspruchswappen weiter. Mit seiner Niederlage gegen<br />

Ottokar und seinem Tod im Exil erlosch jedoch das Pantherwappen endgültig. 1<br />

Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern haben die Landesfarben Kärntens als<br />

Dreifarb in der heutigen Reihenfolge eine relativ kurze Tradition. 1608, anläßlich<br />

eines Schießwettbewerbs in Klagenfurt, kann zum ersten Mal eine rot-weiße Fahne<br />

nachgewiesen werden. Noch in der Landesverfassung vom 14. März 1924 wurden im<br />

1. Hauptstück, § 12, Abs. 3, die Kärntner Landesfarben mit Rot-Weiß festgeschrieben.<br />

Nach dem Kärntner Abwehrkampf wurde am 4. 12. 1919 von der Landesregierung<br />

ein sogenanntes „Kärntner Kreuz" gestiftet. Es wurde an einem Band getragen,<br />

das neben Rot-Weiß auch das Gold des Landeswappens enthielt. Ebenso begannen<br />

damals dreifarbige Fahnen aufzutreten. Da es den heraldischen Gepflogenheiten entspricht,<br />

die Tinkturen des Wappens zur Grundlage der Landesfarben zu machen und<br />

sich überdies dadurch die Kärntner Farben von jenen anderer Bundesländer besser<br />

abhoben, wurden am 4. 6. 1930 die Farben Gelb-Rot-Weiß als Bestandteile der Landesflagge<br />

in die Verfassung Kärntens aufgenommen. Wie man am Text des oben zitierten<br />

Artikels 5 der Landesverfassung sieht, werden in Kärnten Landesfarben und<br />

Landesflagge in getrennten Absätzen geregelt.<br />

Genaue Abbildungen des historischen Kärntner Wappens in Schwarzweiß und in<br />

Farbe finden sich als Anlagen zum Gesetz vom 19. Juni 1985 zum Schutz des Kärntner<br />

Landeswappens und anderer Hoheitszeichen des Landes Kärnten (Kärntner<br />

Wappengesetz), LGBl. 69/1985. Dieses Gesetz regelt Führung, Verwendung und<br />

1<br />

Anthony von Siegenfeld, Kärnten. In: Das Landeswappen der Steiermark, a. a. O., Graz 1900,<br />

244 ff.<br />

H. Appelt, Zur Frage der Entstehung des Kärntner Landeswappens. In: Zeitschrift des Historischen<br />

Vereins für Steiermark (Pirchegger Festschrift) 46/1955, 50-56


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 304<br />

Schutz von Wappen und Siegel in der im Gefolge des Wappengesetzes 1984 etwas<br />

liberaleren Art (vgl. Farbabbildung S. XIV).<br />

DIE KÄRNTNER LANDESHYMNE<br />

Die 1966 offiziell eingeführte Kärntner Landeshymne „Dort wo Tirol an Salzburg<br />

grenzt" geht in Text und Melodie auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück.<br />

Nach einem Artikel in der Nummer 7 der Zeitung „Draupost" vom 21. Jänner 1864<br />

verdankt die Melodie ihr Entstehen einer fröhlichen Abendgesellschaft, die sich im<br />

Jänner 1835 auf Schloß Waidenstein an der Packstraße zusammengefunden hatte.<br />

J. M. Offner, der Besitzer des Schlosses, bat einen seiner Gäste, den als sehr musikalisch<br />

bekannten Josef Rainer von Harbach, einen in Wolfsberg ansässigen Wiener, mit<br />

ihm in der Bibliothek des Schlosses einen Text zu suchen, der sich zur Vertonung eignen<br />

würde. Tatsächlich fand man in der Literaturzeitschrift „Carinthia" (Nummer 44<br />

vom 2. 11. 1822) das Gedicht „Des Kärntners Vaterland" von Johann Thaurer von<br />

Gallenstein. Von Harbach vertonte den ursprünglich schon im Jahre 1817 geschriebenen<br />

Text noch am gleichen Abend. Von Wolfsberg aus verbreitete sich die Komposition<br />

über das ganze Land. Die Weise wurde erst 1849 richtig zu Papier gebracht und<br />

veränderte sich gegenüber der ursprünglichen Version im Laufe der Jahre etwas. Anfänglich<br />

viel gesungen, sank die Popularität des Liedes jedoch gegen Ende des 19.<br />

Jahrhunderts. Erst im Frühjahr 1911 beschloß die „Kärntner Landsmannschaft", das<br />

Lied wieder aus der Schublade zu holen, neu zu instrumentieren und als Kärntner<br />

Hymne zu propagieren. Zweite „Uraufführung" war beim Kärntner Trachtenfestzug<br />

anläßlich der Handwerkerausstellung im August 1911 in Klagenfurt.<br />

Josef Rainer von Harbach, der Komponist, hatte sich im Lavanttal der Landwirtschaft<br />

verschrieben und war ein in Kärnten geachteter und wohlhabender Gutsbesitzer geworden.<br />

Wenn er etwas komponierte, so geschah dies aus der Inspiration heraus und<br />

meist ohne sorgfältige schriftliche Aufzeichnung.<br />

Der Text der Hymne stammt aus der Feder von Johann Thaurer von Gallenstein, geboren<br />

am 11.9. 1779 in Judenburg/Steiermark. Er studierte in Graz Jus und war seit<br />

1813 Gutsbesitzer und Landadvokat in Wolfsberg. Thaurer schrieb juristische und<br />

heimatkundliche Abhandlungen, aber auch Romane und Balladen. 1820 übersiedelte<br />

er als ständischer Beamter nach Klagenfurt. Von 1821 bis 1822 war Thaurer provisorischer<br />

Bürgermeister der Landeshauptstadt, wo er am 22. 11. 1840 starb und auf dem<br />

alten Friedhof in St. Ruprecht begraben wurde. Seinen literarischen Werken war freilich<br />

kein großer Ruhm beschieden - mit Ausnahme des Textes der Kärntner Hymne,<br />

der übrigens ursprünglich mit einer das österreichische Kaiserhaus verherrlichenden<br />

vierten Strophe endete:<br />

Und breitet über Österreichs Haus<br />

Der Kaiseraar die Schwingen aus;<br />

Dann auch von Feinden ungeneckt<br />

Sein Flügelpaar Carinthia deckt,<br />

Und segnend strecket Franzens Hand<br />

Sich über dich, mein Heimatland.<br />

1930 - anläßlich des zehnten Jahrestages der Kärntner Volksabstimmung - wollte die<br />

Landesregierung das Lied zur Landeshymne erklären, konnte sich aber nicht mit der<br />

im Umlauf befindlichen vierten Strophe anfreunden. So beauftragte sie die „Kärntner<br />

Landsmannschaft", eine neue vierte Strophe vorzulegen. Im Mai 1930 wurde hiezu<br />

ein Preisausschreiben mit der Auflage veranstaltet, einen Text mit Bezugnahme auf<br />

den erfolgreichen Kärntner Abwehrkampf zu verfassen. Unter über 250 Einsendungen<br />

gefiel der Entwurf der Kärntnerin Agnes Millonig am besten, die als Lehrerin in


305 __ KÄRNTEN<br />

Neumarkt in der Steiermark tätig<br />

war. Nach geringfügigen Änderungen<br />

wurde ihr Text offiziell anerkannt.<br />

1<br />

Warum es bis zum Jahre 1966<br />

dauerte, bis sich die Kärntner<br />

Landesregierung entschloß, das<br />

Lied offiziell zur Landeshymne zu<br />

erklären, hängt wohl mit jenem<br />

Selbstfindungsprozeß zusammen,<br />

den Österreich und seine Länder<br />

durchzumachen hatten und der bis<br />

auf den heutigen Tag nicht abgeschlossen<br />

ist. Am 29. Juni 1966 jedenfalls<br />

beschloß der Kärntner<br />

Landtag das folgende, aus einem<br />

einzigen Satz bestehende Landesgesetz<br />

(LGB1. 46/1966):<br />

Das Kärntner Heimatlied<br />

„Dort wo Tirol an Salzburg<br />

grenzt", Weise von Josef Rainer<br />

von Harbach, Gedicht<br />

von Johann Thauerer von<br />

Gallenstein, 4. Strophe von<br />

Agnes Millonig, ist in der aus<br />

der Anlage ersichtlichen Fassung<br />

die Kärntner Landeshymne.<br />

Die Kärntner Landeshymne ist durch eine volksliedähnliche Dreiklangsmelodik gekennzeichnet.<br />

Dadurch und durch die Terz- und Sextparallele eignet sich die Hymne<br />

sowohl für mehrstimmigen Gesang als auch für den Instrumentalvortrag. Der feierliches<br />

Charakter des Liedes wird durch ruhig fließende Achtelbewegung, Triolen und<br />

Wiederholungen betont.<br />

LANDESPATRON UND LANDESFEIERTAG<br />

In einer freundlichen Stellungnahme des Amtes der Kärntner Landesregierung vom<br />

28. 10. 1986 an den Verfasser heißt es:<br />

Anstelle eines offiziellen Landesfeiertages gibt es in Kärnten deren zwei halboffizielle:<br />

zunächst den Patroziniumstag des Hl. Josef Nährvater, Kärntner Landespatron,<br />

am 19. 3., sowie der 10. Oktober als Gedenktag an die für die Landeseinheit<br />

entscheidende Kärntner Volksabstimung des Jahres 1920.<br />

Aus den regional verehrten Heiligen wuchs seit dem 17. Jahrhundert der Kirchengründer<br />

Domitian unter kräftiger Propaganda der Jesuiten, in deren Herrschaft<br />

Millstatt sich das Zentrum seines Kultes befand und der sich ins jesuitische Ideologiekonzept<br />

einfügte, zu einem Quasi-Landespatron.<br />

1 Grasberger, a. a. O., 168 ff.<br />

F. Wlatnigg, Hundert Jahre Kärntner Heimatlied. In: Neues Kärntner Jahrbuch, Klagenfurt 1935,<br />

40 ff.<br />

W. Deuer, Der Wettbewerb zur vierten Strophe des Kärntner Heimatliedes 1930. In: Die Kärntner<br />

Landsmannschaft Nr. 10/Oktober 1985, 92-94


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 306<br />

Der von den Habsburgern seit dem 17. Jahrhundert zentralistisch geförderte, ja<br />

fast verordnete Josefs-Kult, der in Kärnten keine tieferen historischen Wurzeln hat,<br />

führte zu einer längeren „Zweigleisigkeit": hier die sich auf die Landestradition<br />

berufenden Stände mit Domitian, dort der habsburgische Landesfurst mit Josef<br />

Da die Kanonisierung Domitians nach der Aufhebung der Jesuiten scheiterte und<br />

die Josefsverehrung im 19. Jahrhundert allgemein einen Höhepunkt erreichte, finden<br />

wir etwa seit dem späten 18. Jahrhundert den Hl. Josef Nährvater bis zur Gegenwart<br />

als Landespatron.<br />

Die kirchliche Josefsverehrung in Kärnten konzentriert sich heute auf zwei Kultstätten:<br />

St. Josef im Lavanttal, erbaut 1687 auf dem 700 Meter hohen Josefsberg südlich<br />

von St. Paul, wo jährlich eine Bergwallfahrt stattfindet, und St. Josef auf der Tratten<br />

bei Bodensdorf am Ossiachersee. Nicht eben üppig für einen offiziellen Landespatron<br />

- oder eben ein Zeichen dafür, daß der Josefskult von den Kärntnern doch als von<br />

Wien aus oktroyiert empfunden wurde.<br />

Welche Bewandtnis es mit Josef dem Nährvater als Schutzheiligen von Kärnten hat,<br />

wissen wir also. Wer aber war jener von den Jesuiten so geförderte Domitian? Das<br />

„Österreich-Lexikon" (Wien 1969) nennt Domitian einen „legendären Slawen-Herzog<br />

von Kärnten aus dem 9. Jahrhundert, dem die Gründung des Klosters Millstatt<br />

zugeschrieben wurde". Das Fest des „Heiligen" sei der 5. Februar. Mehr erfahren wir<br />

aus dem Kunstführer Kärnten: 1 Eine von drei Etymologien des Wortes „Millstatt" -<br />

die historisch unwahrscheinlichste, aber attraktivste - lautet „mille statuae" und bezieht<br />

sich auf einen heidnischen Herzog namens Domitian, der nach seiner Bekehrung<br />

zum Christentum einen Tempel mit tausend Statuen, also Götzenbildern, zerstören<br />

habe lassen. Die Sage wird im Wappen von Millstatt durch drei mit Tierköpfen<br />

bekrönte Säulen wachgehalten. Ob dieser Herzog mit jenem Domitian identisch ist,<br />

der am Hof des Salzburger Bischofs Virgil erzogen wurde, wird sich wohl nie klären<br />

lassen. Jedenfalls kam den Benediktinermönchen diese Gestalt als Kirchengründer<br />

sehr zupaß, da sie mit den Nachfolgern des tatsächlichen Klostergründers Aribo, den<br />

Görzer Grafen und Vögten Millstatts, immer wieder Schwierigkeiten hatten.<br />

Alle drei in Millstatt tätigen Orden, Benediktiner, Georgsritter und Jesuiten, versuchten,<br />

dem von ihnen verehrten Stifter die Würde eines Heiligen zu verschaffen. Wenn<br />

sie dies auch - trotz der Mitwirkung von Kaiserin Maria Theresia - nicht zuwege<br />

brachten, so birgt dennoch der Altar der Domitianskapelle in der wegen ihrer romanischen<br />

Bauplastik berühmten Millstätter Kirche einen Glasschrein mit den Reliquien<br />

des Herzogs und seiner Gemahlin sowie weitere künstlerische Darstellungen des<br />

„Quasiheiligen" und „Quasilandespatrons".<br />

Neben den genannten beiden männlichen Fürbittern verfügt Kärnten jedoch auch<br />

über eine „geistliche Landesmutter", die hl. Hemma von Gurk. Man wird wohl nicht<br />

fehlgehen, wenn man annimmt, daß sie im Volksglauben stärker verankert ist als ihre<br />

beiden „Kollegen".<br />

Geboren um 980 und gestorben am 29. Juni 1045, war die hl. Hemma von Gurk eine<br />

geborene Gräfin von Friesach-Zeltschach. Sie war wahrscheinlich sogar mit Kaiser<br />

Heinrich II. (1002-1024) verwandt. Verheiratet war sie mit dem untersteirischen Grafen<br />

Wilhelm von der Sann. Der glücklichen Ehe entstammten zwei Söhne, die jedoch<br />

beide einen frühen Tod von der Hand aufrührerischer Bergknappen fanden. Hemma<br />

verlor 1036 auch ihren Gemahl, der im Kampf gegen Rebellen fiel, die sich gegen seinen<br />

kaiserlichen Verwandten erhoben hatten. Verwitwet und ohne Erben, stiftete<br />

Hemma ihr gesamtes Vermögen der Kirche, indem sie die Stifte Admont und Gurk<br />

errichtete. Admont wurde von den Benediktinern, Gurk von Benediktinerinnen vom<br />

1 Marianne Mehling (Hg.), Knaurs Kulturführer in Farbe. Kärnten. München 1984, 140 ff.


307 KÄRNTEN<br />

Salzburger Nonnberg 1043 besiedelt. Da sich das Kloster in Gurk nicht so recht entwickeln<br />

wollte, löste es Erzbischof Gebhard von Salzburg 1072 auf und weihte Gunther<br />

von Krappfeld zum ersten Bischof in Gurk. 1787 wurde der Bischofssitz nach<br />

Klagenfurt verlegt.<br />

Der Dombau geht auf die kraftvolle Persönlichkeit von Bischof Roman (1131-1167)<br />

zurück. Der Dom von Gurk, das bedeutendste romanische Bauwerk Österreichs,<br />

wurde um 1140 begonnen und um 1180 vollendet. 1174 wurden die Gebeine Hemmas<br />

in die von genau hundert Säulen getragene, 400 Quadratmeter große Krypta,<br />

einen den Besucher in seiner Würde überwältigenden Sakralbau, transferiert. Sie ruhen<br />

in einem romanischen Steinsarg auf seltsam fremdartigen Köpfen. Aufgrund<br />

zahlreicher wunderbarer Erscheinungen wurde Hemmas Grab schon sehr früh zum<br />

beliebten Wallfahrtsziel. Gläubigen Frauen galt das Durchkriechen unter dem Sarkophag<br />

als ein Mittel für Kindersegen und eine gute Geburt. Von dem aus Grünschiefer<br />

bestehenden „Hemmastein" soll die Klostergründerin den Baufortgang überwacht haben.<br />

Der gläubige Pilger, der sich auf diesem Stein niederläßt, darf hoffen, daß ihm<br />

ein Wunsch in Erfüllung geht. Mit dem „Hemmaring", der aus dem Besitz der Heiligen<br />

stammen soll, wird am Hemmatag vom Abt von Admont der Augensegen gespendet,<br />

ein Brauch, der auch in anderen Orten Österreichs durchaus üblich ist.<br />

Die Verehrung der heiligmäßigen Gräfin strahlte über Admont und Gurk bis nach<br />

Slowenien und Kroatien aus. Hemma von Gurk wurde 1287 seliggesprochen. Der<br />

Heiligsprechungsprozeß wurde zwar 1466 begonnen, aber erst fast ein halbes Jahrtausend<br />

später abgeschlossen: zu Beginn eines für unser Vaterland schicksalsschweren<br />

Jahres, am 5. Jänner 1938, erhob Rom die „Kärntner Landesmutter" offiziell zur Ehre<br />

der Altäre.<br />

Der Festtag der hl. Hemma von Gurk ist der 27. Juni. Ihre Attribute sind Kopftuch<br />

und eine doppeltürmige Kirche (Dom zu Gurk). Obwohl sie eigentlich Patronin der<br />

Augenleidenden und werdenden Mütter ist, haben nach dem Zweiten Weltkrieg auch<br />

viele Kriegerwitwen, die sich des persönlichen Schicksals der Heiligen entsannen,<br />

Trost und Hilfe bei ihr gesucht.<br />

Mit dem Ring der hl. Hemma wird jedes Jahr im Juni auch in der Wiener Pfarre Mariahilf<br />

der Augensegen gespendet<br />

Bekanntheit des Kärntner Landespatrons 1993<br />

hl. Josef andere weiß nicht<br />

bis 29 29 24 48<br />

bis 49 32 41 27<br />

ab 50 59 U 30<br />

Total 41 24 34<br />

Quelle: Integral-Telephonumfrage Jänner 1993, n = 70<br />

DER 10. OKTOBER ALS LANDESFEIERTAG KÄRNTENS<br />

Im Herbst 1992 lösten die Kärntner Zeitungen mit Unterschriftenaktionen eine breit<br />

angelegte Kampagne zur Einführung eines arbeitsfreien Landesfeiertages am 10. Oktober<br />

aus. Alle politischen Gruppierungen sprachen sich dafür aus. Am 1. Oktober<br />

1992 verabschiedete der Kärntner Landtag eine einstimmige Resolution an das Parlament,<br />

den 10. Oktober in Kärnten zum gesetzlichen Feiertag zu erklären.<br />

Der Jahrestag der Volksabstimmung war seit 1945 inoffizieller Gedenk- und Feiertag,<br />

an dem die Schulen geschlossen blieben. In der Zeit des Ständestaates bis hinein in


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 308<br />

den Zweiten Weltkrieg war dieser Tag sogar offiziell arbeitsfrei. Erst die Kriegswirtschaft<br />

machte seine Abschaffung notwendig. Wirtschaftliche Erwägungen sind es auch<br />

heute, die gegen die Einführung eines weiteren arbeitsfreien Tages sprechen. Auf<br />

Bundesebene kommt dann noch eine gewisse ideologisch-politische Zurückhaltung<br />

dazu.<br />

Nach einer Umfrage des Instituts OGM im Dezember 1993 (n = 501) befürworteten<br />

67 Prozent der Kärntner einen arbeitsfreien Feiertag am 10. Oktober, wobei sich vor<br />

allem Anhänger von SPÖ und FPÖ dafür aussprachen. 26 Prozent der Kärntner lehnten<br />

den Feiertag aus wirtschaftlichen Erwägungen ab. Besonders stark war die Gegnerschaft<br />

in der Bevölkerungsgruppe mit der höchsten formalen Bildung (53 Prozent).<br />

1<br />

SONSTIGE SYMBOLE KÄRNTENS<br />

Neben der als besonders harmonisch empfundenen Landschaft, der Schönheit der<br />

Seen und Berge, wird von den Kärntnern auch die eigene Lebensart als besonders<br />

charakteristisch für das südlichste der österreichischen Bundesländer bezeichnet.<br />

Das eindrucksvolle, büffelhorngeschmückte Dreilöwenwappen ist mit 10 Prozent<br />

(gleicher Wert wie der Tiroler Adler bei den Tirolern) relativ stark im Bewußtsein der<br />

Kärntner verankert. Das hängt mit dem Selbstbewußtsein Kärntens als altem Herzogtum<br />

und vielleicht auch mit den beiden Wappensälen im Landhaus zusammen, die<br />

mitsammen nicht weniger als 963 Wappendarstellungen aufweisen.<br />

Daneben nimmt das Klagenfurter Lindwurmdenkmal mit 20 Prozent einen Spitzenwert<br />

unter den sonstigen Landessymbolen Österreichs ein - vergleichbar nur mit dem<br />

Wert von 20 Prozent für Mariazeil (Integral-Umfrage „Symbole für Österreich", 1993,<br />

n = 1.000).<br />

„O HEIMAT, DICH ZU LIEBEN"<br />

DIE SYMBOLE NIEDERÖSTERREICHS<br />

GESCHICHTE NIEDERÖSTERREICHS<br />

Niederösterreich gilt als das historische Kernland Österreichs. Seine Besiedlung geht<br />

bis auf die Altsteinzeit zurück, wie Funde am Manhartsberg und in der Wachau beweisen<br />

(Venus von Willendorf, 11 Zentimeter hohe Kalksteinplastik, rund 25.000<br />

Jahre alt). Von der keltischen Bevölkerung künden Ausgrabungen im Bereich des<br />

Thebener Kogels bei Hainburg, im Weinviertel (Leiser Berge) und im Kamptal (Umlaufberg).<br />

Die Römer besetzten das Gebiet südlich der Donau und teilten es in die<br />

Provinzen Noricum und Pannonien, die sie gegen die germanischen Stämme im Norden<br />

befestigten. Nach der Völkerwanderung betraten Langobarden, vor allem aber<br />

Bajuwaren den Boden Niederösterreichs. Mit den Awaren kamen Slawen aus dem<br />

Osten, sodaß Bajuwaren und Slawen nebeneinander lebten. Um die Mitte des 7. Jahrhunderts<br />

bildete der wahrscheinlich fränkische Kaufmann Samo ein slawisches Reich,<br />

das jedoch nach seinem Tod zerfiel. Erst Karl der Große konnte die bis an die Traun<br />

1 Der Standard, 13. 1. 1994, 6


309 NIEDERÖSTERREICH<br />

vorgerückten Awaren endgültig besiegen. Er errichtete 799 die beiden Karolingischen<br />

Marken: im Norden die Awarische Mark - von der Enns bis zum Wienerwald - und<br />

im Süden die Karantanische Mark - bis an die Adria und nach Istrien. Eine kurze Periode<br />

ungarischer Herrschaft wurde 955 durch Otto I. beendet. Nach seinem Sieg auf<br />

dem Lechfeld bei Augsburg gründete er die Ottonische Mark, die 976 an die Babenberger<br />

fiel. Dieses erste österreichische Herrschergeschlecht konnte bis Mitte des 11.<br />

Jahrhunderts sein Herrschaftsgebiet bis an Thaya, March und Leitha ausdehnen. Auf<br />

Jahrhunderte hinaus sollten diese Flüsse natürliche Grenzen Niederösterreichs bleiben;<br />

im Norden und Osten bildeten sie bis in unsere Tage die Trennlinie zwischen<br />

dem freien Westeuropa und dem kommunistischen Osteuropa.<br />

1156 wurde die Markgrafschaft - im wesentlichen das Gebiet des heutigen Niederösterreich<br />

und kleinere Teile von Oberösterreich - durch Kaiser Friedrich Barbarossa<br />

auf einem Reichstag zu Regensburg zum Herzogtum erhoben („Privilegium minus").<br />

Das Gebiet fiel jedoch einige Jahre nach dem Tod des letzten Babenbergers, Friedrichs<br />

IL, des Streitbaren, 1251 an Ottokar II. von Böhmen. Der Sieg Rudolfs von<br />

Habsburg über Ottokar bei Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278 führte<br />

zur Belehnung der Habsburger mit dem Land unter der Enns (1282). In der Zeit der<br />

Bauernkriege (16. Jahrhundert) wurden große Landesteile protestantisch. Ihre Rekatholisierung<br />

wurde von den Habsburgern mit Nachdruck betrieben. Die über 150<br />

Jahre währenden Türkenkriege brachten dem Land schwere Prüfungen. Auch die<br />

Auseinandersetzungen mit den Schweden, Kuruzzen, Bayern, Franzosen (1805/1809)<br />

und Preußen (1866) machten Österreich unter der Enns immer wieder zum Kriegsschauplatz.<br />

Schließlich wurde im Zweiten Weltkrieg besonders der Osten Niederösterreichs<br />

in Mitleidenschaft gezogen, als im Endkampf an der Donau 1945 sowjetische<br />

Verbände die deutschen Truppen zurückdrängten. Niederösterreich hatte 60.000<br />

Gefallene zu beklagen, 70 Prozent aller Fabriken waren zerstört. Ein Drittel aller<br />

Schäden, die der Zweite Weltkrieg auf dem Boden der heutigen Republik Österreich<br />

verursachte, fiel auf das schwergeprüfte, unter der Naziherrschaft als „Reichsgau Niederdonau"<br />

bezeichnete Land.<br />

Die Zeit der sowjetischen Besatzung beraubte das eben in der Industrialisierung begriffene<br />

Bundesland vieler Ressourcen, besonders durch die Erdöllieferungen an die<br />

UdSSR. Erst 1955 konnte das bis dahin noch stark agrarisch strukturierte Bundesland<br />

im Osten der Republik darangehen, mit den westlichen Bundesländern wirtschaftlich<br />

gleichzuziehen. Die Namen des österreichischen Außenministers Leopold Figl und<br />

des Staatsvertragskanzlers Julius Raab - beide Söhne des Landes - sind untrennbar<br />

mit dem Schicksal Niederösterreichs verbunden.<br />

1920 wurde Wien, seit den Babenbergern die Hauptstadt des Landes unter der Enns,<br />

als selbständiges Bundesland abgetrennt. Es sollte mehr als ein halbes Jahrhundert<br />

dauern, bis der niederösterreichische Landtag nach Abhaltung einer Volksbefragung<br />

am 10. Juli 1986 den Beschluß faßte, die zentral gelegene Industriestadt St. Pölten,<br />

seit Joseph IL (1785) Bischofssitz, zur neuen Landeshauptstadt zu bestimmen.<br />

DEMOGRAPHISCHE DATEN<br />

Räche: 19.174 km 2<br />

Wohnbevölkerung (Volkszählung 1991): 1,406.294<br />

Ausländeranteil: 67.519 = 4,6 Prozent<br />

Einwohner St. Pölten: 50.026 = 3,6 Prozent<br />

Agrarquote: 8,2 Prozent<br />

Prozente Landtagswahl 1993: SPÖ 34, ÖVP 44, FPÖ 12,<br />

GABL3


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 310<br />

NIEDERÖSTERREICHISCHE LANDESVERFASSUNG; ARTIKEL 7:<br />

(1) Das Landeswappen besteht aus einem blauen Schild, der eine goldene Mauerkrone<br />

mit drei sichtbaren Zinnen trägt und in welchem sich fünf goldene Adler,<br />

je zwei gegeneinander und einer nach links gewendet, befinden.<br />

(2) Die Landesfarben sind blau-gelb.<br />

(3) Durch Gesetz ist eine Landeshymne zu bestimmen.<br />

(4) Das Landessiegel weist das Landeswappen mit der Umschrift „Land Niederösterreich"<br />

auf.<br />

(5) Durch Gesetz sind die näheren Bestimmungen über die Verwendung des Landeswappens,<br />

der Landesfarben und des Landessiegels zu treffen.<br />

LANDESWAPPEN UND LANDESFARBEN<br />

Das geltende niederösterreichische Landeswappen enthält in einem blauen Schild<br />

fünf goldene Adler, zwei und zwei zusammensehend über einem einzelnen. Der<br />

Schild trägt eine goldene Mauerkrone mit drei Zinnen (vgl. Farbabbildung S. XV).<br />

Nach den Forschungen des Augustiner-Chorherren Floridus Röhrig erscheint das<br />

Fünfadlerwappen zum ersten Mal 1330/35 auf Glasscheiben, die für den Kreuzgang<br />

des Stiftes Klosterneuburg angefertigt wurden und jetzt im Kapitelsaal bzw. in der<br />

Leopoldskapelle eingebaut sind. 1 Die Durchsetzung des Fünfadlerwappens erfolgte<br />

aber erst in der Zeit Herzog Rudolfs IV., des Stifters, (1358-1365).<br />

Nach der ausführlichen Abhandlung Andreas Kusternigs 2 findet sich die erste Darstellung<br />

auf einem herzoglichen Siegel vom 9. Juli 1359. Für das Fünfadlerwappen<br />

bürgerte sich in der Folge der Begriff „Alt-Österreich" ein, während der (eigentlich ältere)<br />

Bindenschild „Neu-Österreich" genannt wurde.<br />

Doch zurück zum Aussehen dieses Wappens bei seinem ersten Auftreten: Herzog<br />

Heinrich II. „Jasomirgott" wird in einem dieser Klosterneuburger Glasfenster flankiert<br />

von einem Fünfadlerwappen, vom österreichischen Bindenschild und von einem<br />

Sechsadlerwappen, wobei die Adler beide Male in gelb auf schwarz dargestellt sind.<br />

Steht also weder die Grundfarbe noch die Fünfzahl von vornherein fest? Offenbar<br />

gibt es kein festes Muster für die Anordnung bzw. Blickrichtung der Adler - sind es<br />

überhaupt Adler und nicht Lerchen ? Derlei Fragen sollten bis in unsere Zeit hinein<br />

die Gemüter erregen.<br />

Für uns steht fest, daß der Ursprung des niederösterreichischen Landeswappens in<br />

einem mit goldenen Adlern bestreuten blauen Wappenschild liegt, der Leopold dem<br />

Heiligen zugeschrieben wurde. Auf den Glasfenstern in der Leopoldskapelle von Klosterneuburg<br />

ist der Untergrund nur deshalb nicht blau, weil die Glasfläche dort sehr<br />

klein ist und somit Schwarzlot auf gelbem Glas verwendet werden mußte. Der bekannte<br />

österreichische Schriftsteller und spätere Rundfunkdirektor Rudolf Henz<br />

(1897-1987), der eine Ausbildung als Glasmaler hatte, untersuchte die Fenster anläßlich<br />

ihrer Bergung in der Kriegszeit 1942. Bei größeren Darstellungen, wie etwa auf<br />

einem Chorfenster in St. Stephan, war die blaue Grundfarbe dann kein Problem<br />

mehr. Auch die dem Wappenschild angemessenste Anordnung der Adler (2-2-1) findet<br />

sich an diesem etwa zehn Jahre jüngeren Glasfenster.<br />

Für die Farbkombination blau-gelb und die Verbindung der fünf Adler mit Leopold<br />

dem Heiligen sprechen auch insgesamt dreizehn Stoffstücke von einem Ornat, die im<br />

1<br />

Floridus Röhrig, Das niederösterreichische Landeswappen - seine Entstehung und Bedeutung.<br />

St. Pölten 1980<br />

2<br />

In: Andreas Kusternig (Hg.): Adler und Rot-Weiß-Rot. Symbole aus Niederösterreich. Katalog des<br />

Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge Nr. 174, Wien 1986, 55 fT.


311 NIEDERÖSTERREICH<br />

Stift Klosterneuburg aufbewahrt werden. Sie werden um 1260 datiert und zeigen u. a.<br />

goldene, stark gefiederte Vögel, gestickt auf blauen Seidenrips. Bis Anfang unseres<br />

Jahrhunderts bildeten sie den sogenannten „Markgrafen-Ornat", in dem der Landesfürst<br />

empfangen wurde, wenn er Klosterneuburg einen Besuch abstattete. Aus diesem<br />

Stoffmuster schloß man auf den Waffenrock bzw. den Schild Leopolds des Heiligen.<br />

Und so entstand in Klosterneuburg das niederösterreichische Landeswappen, ähnlich<br />

wie das französische Lilienwappen aus einem mit Lilien bestreuten mittelalterlichen<br />

Stoff entstanden ist. Entgegen früherer Auffassung könnte es sich bei den erwähnten<br />

Stoffresten aber nicht um ein französisches, sondern um ein sizilianisches Erzeugnis<br />

handeln.<br />

Wird man bei dieser Beschreibung nicht unwillkürlich an den Krönungsmantel der<br />

römisch-deutschen Kaiser aus der Wiener Schatzkammer erinnert? An jenes erhabene,<br />

über drei Meter breite, rotbraune Pluviale, hergestellt 1133 in der königlichen<br />

Werkstatt von Palermo von arabischen Künstlern, wie seine kufische Inschrift (= arabische<br />

„Blockbuchstaben") beweist? Wird es sich vielleicht irgend einmal herausstellen,<br />

daß der 1220 bei der Kaiserkrönung Friedrichs II. in Rom erstmals verwendete,<br />

innen mit „Vogelstoff' gefütterte Krönungsmantel und die bescheidenen, ebenfalls<br />

mit Vögeln und Palmen besetzten Brokatstücke aus dem Stiftschatz Klosterneuburgs<br />

aus der gleichen Schule arabischen Kunstgewerbes stammen? Christlicher Kaiser und<br />

Kreuzfahrer, frommer Markgraf und Kreuzzugverweigerer, beide gehüllt in sarazenische<br />

Seide: eine interessante Spekulation, jedenfalls aber ein Anreiz dazu, sich stärker<br />

auf den arabischen Einfluß auf unsere Kultur zu besinnen. 1<br />

Floridus Röhrig faßt seine Nachforschungen mit der Feststellung zusammen, daß der<br />

Fünfadlerschild in Klosterneuburg höchstwahrscheinlich als apokryphes Wappen<br />

(Phantasiewappen) des hl. Leopold geschaffen wurde.<br />

Das Wappen tritt im 15. Jahrhundert öfter auf: Aus dem ersten Jahrzehnt stammt<br />

seine Darstellung am Südturm von St. Stephan, zusammen mit dem Bindenschild sowie<br />

den Wappen von Steiermark und Oberösterreich. Auch am aufwendig gestalteten<br />

Hochgrab Friedrichs III. im Apostelchor des Domes, errichtet 1463 bis 1513, findet<br />

sich eine Darstellung des hl. Leopold mit dem Fünfadlerschild. Auf der Grabplatte,<br />

die den Leichnam des 1493 verstorbenen Herrschers deckt, ist das Wappen „Alt-<br />

Österreichs" in vollendeter Form dargestellt: zur Linken des Kaisers, seinem Herzen<br />

am nächsten und gespiegelt zum Doppeladler des Reiches, trägt der Fünfadlerschild<br />

die Erzherzogskrone. Die Helmzier bildet ein gekrönter Adler mit Adlerflug, der das<br />

Motto Friedrichs „AEIOU" auf einem Schriftband im Schnabel hält.<br />

Die um 1500 aufgekommene Theorie, die Wappenvögel Alt-Österreichs seien Lerchen<br />

und leiteten sich von der römischen Lerchen-Legion (Legio X allaudarum) her,<br />

führte insbesondere im Barock zu zahlreichen mißverständlichen Darstellungen. Der<br />

niederösterreichische Historiker Karl Lechner führte schließlich 1942 endgültig den<br />

Beweis, daß es sich bei den Wappentieren um Adler handelt. 2<br />

Unter Friedrich III., der die Heiligsprechung Leopolds im Jahre 1485 durchsetzte,<br />

begegnen wir dem Fünfadlerwappen mehrmals. Wunderschön erhalten ist es 1446 in<br />

der berühmten „Handregistratur" des Kaisers, mit dem oberösterreichischen Wappen<br />

den Bindenschild flankierend, die alte Helmzier unter der geheimnisvollen Devise<br />

„AEIOU". Auf dieser Darstellung blicken alle fünf Adler nach rechts (vgl. Farbabbildung<br />

S. IV).<br />

Jener Anordnung der Adler, in welcher diese einander anblicken, begegnen wir ein<br />

1 Vgl hiezu: Sigrid Hunke, Allahs Sonne über dem Abendland, a. a. O.<br />

2 Karl Lechner, Wappen und Farben des Gaues Niederdonau in seiner historischen Entwicklung.<br />

Gaupresseamt Niederdonau der NSDAP, Heft 68-70. St. Pölten 1942


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 312<br />

Jahr davor im „Wappenbuch der österreichischen Herzöge" von 1445. Mit der Bezeichnung<br />

„Alt-Österreich" hatte das blau-goldene Leopoldswappen zu eben dieser<br />

Zeit eindeutig schon den Charakter eines Landeswappens. Dies läßt sich u. a. auch<br />

durch den von Bindenschild und Fünfadlerwappen gespaltenen und noch heute erhaltenen<br />

Siegelstempel der Stadt Zwettl (1443) nachweisen.<br />

Auf der eindrucksvollen Wappenwand der St. Georgskirche zu Wiener Neustadt finden<br />

sich die fünf Adler ebenso wie auf einem Totenschild für Friedrichs Bruder Albrecht<br />

(1463, im Historischen Museum der Stadt Wien) oder am Fuß der 1470 an der<br />

Klosterneuburger Kirche errichteten lebensgroßen Statue Leopolds des Heiligen.<br />

Nach Stiftung des berühmten Erzherzogshutes von Klosterneuburg im Jahre 1616<br />

wurde die frühere Schildbekrönung (Adlerkopf und Adlerflug) durch die heraldische<br />

Darstellung des Erzherzogshutes ersetzt, doch kam der Erzherzogshut auch schon davor<br />

ab und zu als Bekrönung vor.<br />

Am 11. August 1804, als Franz II. den Titel eines „Kaisers von Österreich" annahm<br />

und der einfache Bindenschild zum „nunmehrigen Wapen des Allerdurchlauchtigsten<br />

Hauses Oesterreich" erhoben wurde, wurde auch das Fünfadlerwappen für das Erzherzogtum<br />

unter der Enns wie folgt blasoniert: „fünf güldene Adler, im blauen Feld,<br />

zu zwei und zwei zusammensehend, der unterste Adler ist rechtsgekehrt". Nach dieser<br />

Beschreibung wurde 1805 auch ein neues Siegel der niederösterreichischen Stände geschaffen,<br />

das als Bekrönung eine siebenzackige, einbügelige Krone aufwies. 1836, im<br />

Jahr nach der Thronbesteigung durch Ferdinand I., erfolgte wieder eine Neuregelung<br />

des österreichischen Wappens. Auf dessen „Nebenmittelschild" oberhalb des österreichischen<br />

Hauswappens erhielt das Fünfadlerwappen eine bevorzugte zentrale Stellung.<br />

Es bildete „einen blauen Mittelschild, welcher den Erzherzogshut trägt und<br />

worin fünf goldene Adler (irrig Lerchen genannt) je zwey gegeneinander gewendet<br />

und einer gestellt sind (Österreich unter der Enns)".<br />

Diese Form blieb bis zum Ende der Monarchie bestehen.<br />

Mit der Schaffung einer neuen Landesverfassung am 30. 11. 1920 wurde der Erzherzogshut<br />

durch das Zeichen des republikanischen Bürgertums, die Stadtmauerkrone,<br />

die ja auch im Bundeswappen enthalten ist, ersetzt. (Für Karl Lechner übrigens eine<br />

völlig widersinnige Vorgangsweise, „da ein Land nicht mit einer Mauer umgeben sein<br />

kann".) 1<br />

Die diesbezügliche Bestimmung der Landesverfassung im Artikel 9 lautete:<br />

Das Wappen des Landes Niederösterreich-Land besteht aus einem blauen<br />

Schilde, welcher eine goldene Mauerkrone mit drei sichtbaren Zinnen trägt und<br />

worin fünf goldene Adler, je zwei gegeneinander gewendet und einer nach links<br />

gestellt, sind.<br />

Die Farben des Landes Niederösterreich-Land sind gelb-blau.<br />

Das Landessiegel weist das Landeswappen mit der Umschrift „Niederösterreich-<br />

Land" auf.<br />

Bei der Wiederverlautbarung der Landesverfassung im Jahre 1930 wurde der Begriff<br />

„Niederösterreich-Land" durch die Bezeichnung „Niederösterreich" ersetzt, sonst<br />

blieb die Beschreibung des Wappens und der Landesfarben unverändert.<br />

Der Ständestaat promulgierte am 31. Oktober 1934 eine neue Landesverfassung, die<br />

mit nachstehender Anrufung des niederösterreichischen Landespatrons eingeleitet<br />

wurde:<br />

Heiliger Leopold, Schutzpatron, bitte bei Gott dem Allmächtigen um Segen und<br />

Wohlfahrt für das Land Niederösterreich und seine Bewohnerschaft, die hiemit<br />

durch ihre Vertreter folgende Landesverfassung erhält.<br />

1 a. a. O., 48


313 NIEDERÖSTERREICH<br />

Der neue Artikel 9 lautete wie folgt:<br />

(1) Das Wappen des Landes Niederösterreich besteht aus einem blauen Schilde,<br />

welcher eine goldene Mauerkrone mit drei sichtbaren Zinnen trägt und worin fiinf<br />

goldene Adler, je zwei gegeneinander und einer nach rechts gewendet, sind.<br />

(2) Die Farben des Landes Niederösterreich sind blau-gelb.<br />

(3) Das Landessiegel weist das Landeswappen mit der Unterschrift „Niederösterreich"<br />

auf.<br />

(4) Der Festtag des Hl. Leopold, 15. November, ist Landesfeiertag.<br />

Wir bemerken vier Modifikationen gegenüber der Heraldik der Ersten Republik:<br />

1. Der „fünfte Adler" wird als „nach rechts gewendet" beschrieben.<br />

2. Die Reihenfolge der Landesfarben wurde umgedreht (siehe unten).<br />

3. Im Siegel wurde aus der „Umschrift" eine „Unterschrift".<br />

4. Der „Leopolditag" wurde verfassungsgesetzlicher Landesfeiertag.<br />

Lechner weist darauf hin, daß nach der Ersten Durchführungsverordnung zum Ostmarkgesetz<br />

(1939) auch in der Zeit des „Großdeutschen Reiches" die Reichsgaue als<br />

Selbstverwaltungskörperschaften dazu berechtigt waren, eigene Wappen zu führen. 1<br />

Seine Ausführungen sollten letztlich die wissenschaftliche Grundlage für die Schaffung<br />

dieses „Reichsgauwappens" bilden, wozu es aber nicht mehr gekommen sein<br />

dürfte. Durch die vorläufige Verfassung und das Verfassungsüberleitungsgesetz wurde<br />

1945 die Landesverfassung von 1930 wieder in Kraft gesetzt, damit auch die Beschreibung<br />

des Landeswappens und der Landesfarben von 1930. Damit schien der hl. Leopold<br />

nicht mehr in der Verfassung auf, in die ihn der „christlich-deutsche Ständestaat"<br />

doppelt Einzug halten hatte lassen, und die Landesfarben wurden wieder einmal<br />

umgedreht. 1954 kam es zu einer symbolpublizistisch sehr interessanten gesetzgeberischen<br />

Initiative: Auf Antrag des Abgeordneten Stangler u. a. wurde der Text des<br />

Absatzes 2 in Artikel 9 der 1945 wieder eingeführten niederösterreichischen Landesverfassung<br />

von 1930 geändert in:<br />

Die Farben des Landes Niederösterreich sind blau-gelb.<br />

Endlich hatte man sich die Mühe gemacht nachzuforschen, ob Blau-Gelb oder Gelb-<br />

Blau die richtige Reihenfolge sei. Bei Karl Lechner 2 fanden sich die notwendigen<br />

Hinweise: Bis in die Biedermeierzeit hinein gab es keine brauchbaren Angaben. Erst<br />

1844, auf der Basis des schon erwähnten Hofkanzleidekrets vom 22. August 1836,<br />

fand sich im „Austria-Kalender" eine Tafel mit den Farben aller kaiserlichen Provinzen.<br />

Für Niederösterreich wurde Blau-Gelb angegeben, und das blieb auch die Reihenfolge<br />

bis 1902. Im Jahr 1903 wurden die Farben Niederösterreichs wie auch jene<br />

anderer Kronländer plötzlich vertauscht - ein zunächst unerklärlicher Vorgang. Ein<br />

Blick in das Werk Karl Lechners hilft, das Rätsel zu lösen. Bei der Erstellung des<br />

Amtskalenders hatte man zu Beginn des Jahrhunderts an der richtigen Reihenfolge<br />

der Farben gezweifelt und eine Anfrage an das Ministerium des Inneren gerichtet.<br />

Nach Stellungnahmen des Adelsarchivs und der anderen Statthaltereien konzipierte<br />

das Ministerium eine Antwort an die niederösterreichischen Anfragesteller, nach welcher<br />

die Landesfarben „usuell blau-gold" seien. Doch am 29. August 1902 führte ein<br />

Promemoria des damaligen Wappenzensors im Ministerium, Heinrich Seydl, zu einer<br />

gegenteiligen Entscheidung. Nach Seydls heraldischer Auffassung war die Farbe des<br />

Wappentiers wichtiger als die Farbe des Schildes. Er dachte hiebei wohl an die kaiserliche<br />

Farbkombination Schwarz-Gelb, die sich ja vom schwarzen Reichsadler in Gold<br />

ableitet, oder auch an das Weiß-Grün der Steiermark, deren Farben ihre Reihenfolge<br />

offenbar dem silbernen Panther im grünen Feld verdanken. Demgemäß wurde das<br />

1 a. a. O., 45<br />

1 a. a. O., 45 f.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 314<br />

Land Niederösterreich mündlich darüber informiert, daß Gold/Gelb die vornehmere<br />

Farbe sei und die Farben des Landes daher Gold-Blau zu sein hätten.<br />

Unser Gewährsmann Karl Lechner schließt die Darstellung dieses Vorganges mit der<br />

Bemerkung ab, daß es nirgendwo in der wissenschaftlichen Heraldik eine derartige<br />

Regel gegeben habe. Im Grunde sei die Farbe des Schildes die weithin sichtbare<br />

Farbe und daher die führende. Das niederösterreichische Wappen ist das einzige<br />

österreichische Landeswappen, in dem Blau vorkommt. Es ist natürlich zu weit hergeholt,<br />

im Blau des Landeswappens ein Symbol für das Blau der Donau zu sehen, die<br />

Niederösterreich von der Westgrenze bis zur Ostgrenze durchfließt. Denken wir an<br />

die zweite Wappenfarbe, das Gold bzw. Gelb, so mag uns Grillparzer einfallen, der<br />

im dritten Akt von „König Ottokars Glück und Ende" Ottokar von Horneck schwärmen<br />

läßt von jenem „guten Land":<br />

Mit hellem Wiesengrün und Saatengold,<br />

Von Lein und Safran gelb und blau gestickt,<br />

Von Blumen süß durchwürzt und edlem Kraut,<br />

Schweift es in breitgestreckten Tälern hin -<br />

Ein voller Blumenstrauß, soweit es reicht,<br />

Vom Silberband der Donau rings umwunden -<br />

Hebt sich 's empor zu Hügeln voller Wein,<br />

Wo auf und auf die goldne Traube hängt,<br />

Und schwellend reift in Gottes Sonnenglanze;<br />

Der dunkle Wald voll Jagdlust krönt das Ganze.<br />

(Ob die Donau überhaupt und wenn ja, wann, blau ist, ist eine alte Streitfrage. Alfred<br />

Polgar, der 1873 in Wien geborene Essayist und Theaterkritiker, der u. a. in Berlin<br />

wirkte, 1938 zur Emigration gezwungen wurde und 1955 in Zürich starb, löste sie mit<br />

folgendem Bonmot: „Die Österreicher sind so deutsch, wie die Donau blau ist.")<br />

Der weiter oben erwähnte Antrag des Abgeordneten Stangler wurde als Dritte Landesverfassungsnovelle<br />

am 13. Juli 1954 angenommen.<br />

Nach viermaligem Wechsel der Reihenfolge innerhalb eines halben Jahrhunderts (!)<br />

gibt es nun keinen Zweifel mehr: Die Farben Niederösterreichs sind Blau-Gelb.<br />

Die Flagge Niederösterreichs ist somit in ihrem oberen Streifen blau. Wird sie vertikal<br />

(als sogenannte „Sportplatz-" oder „Bannerfahne") angebracht, so ist der vom Beschauer<br />

aus gesehen linke Streifen der blaue. Bei den pflegeleichten, ebenfalls vertikal<br />

angebrachten „Knatterfahnen" ist blau mastseitig anzuordnen. Wird eine „Hausfahne"<br />

aus der Dachluke gesteckt, so gehört jedoch das Blau an die Straßenseite, weil<br />

es gewissermaßen der von der Stange her gesehen obere und damit für vornehmer gehaltene<br />

Streifen ist.<br />

Aber es wäre nicht Österreich, würde das alles im Endeffekt hundertprozentig stimmen.<br />

Die geltende „Landesverfassung 1979" stammt aus dem Oktober 1978 und wurde am<br />

7. Dezember 1978 kundgemacht. Wie weiter oben im Volltext dargestellt, enthält der<br />

Artikel 7 folgenden Absatz 1:<br />

Das Landeswappen besteht aus einem blauen Schild, der eine goldene Mauerkrone<br />

mit drei sichtbaren Zinnen trägt und in welchem sich fünf goldene Adler, je<br />

zwei gegeneinander und einer nach links gewendet, befinden.<br />

Es fällt auf, daß der fünfte Adler, der im Ständestaat noch „nach rechts gewendet"<br />

war, nun „nach links gewendet" ist. Sollte sich da eine Verschiebung der politischen<br />

Machtverhältnisse im Land manifestieren? Nach Kusternig 1 ist alles halb so schlimm:<br />

Wenn in der Verfassung 1934 der einsame fünfte Adler „nach rechts gewendet" zu<br />

1 a. a. O., 70


315 NIEDERÖSTERREICH<br />

sein hat, so ist dies nichts anderes als „heraldische Kunstsprache". Der sich volkstümlich<br />

ausdrückende niederösterreichische Verfassungsgesetzgeber von 1978 meint genau<br />

dasselbe, wenn er „nach links gewendet" sagt. Kusternig hat sich in unnachahmlicher<br />

Ironie mit dieser Frage beschäftigt, indem er das Wappen auf der vierten Umschlagseite<br />

seiner schönen Broschüre seitenverkehrt anbringen ließ. So stimmt es (heraldisch)<br />

und stimmt doch nicht (wirklich). Mittlerweile verfügt die Landesregierung übrigens<br />

über eine hieb- und stichfeste offizielle Farbzeichnung, in der Adler Nr. fünf ungerührt<br />

von derlei Unklarheiten nach heraldisch rechts (= volkstümlich nach links) blickt.<br />

LANDESHYMNE<br />

Ähnlich wie bei Wappen und Farben war es gar nicht so einfach, eine für das Land<br />

Niederösterreich passende und unbestrittene Hymne zu finden. Schon vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg, seit dem Jahr 1932, gab es Bemühungen, eine Landeshymne einzuführen.<br />

Bei einem Preisausschreiben schnitt eine Komposition des Prämonstratenser<br />

Chorherrn P. Milo H. Offenberger aus Geras noch am besten ab. Zu dieser und zu<br />

einem „Niederösterreichischen Hoamatlied" von Paul Herzbach hatte Monsignore<br />

Josef Wagner aus St. Pölten Texte geliefert. Aber weder das eine noch das andere<br />

Lied konnte sich durchsetzen. 1<br />

Nach dem Krieg ersuchte P. Milo den aus altösterreichischer Militärtradition kommenden<br />

spätromantischen Lyriker Franz Karl Ginzkey (1871-1963) um einen Text<br />

für seine Melodie. Der Dichter schrieb den dreistrophigen Text „O Heimat, dich zu<br />

lieben", doch auch damit war der Komposition kein Erfolg beschieden. Es sollte bis<br />

Ende 1961 dauern, bis der Landesschulrat an Landeshauptmann Johann Steinböck<br />

mit der Bitte um Schaffung einer Landeshymne herantrat. Der Tod des langjährigen<br />

Landesvaters verzögerte die Angelegenheit wieder um fast ein Jahr, bis die Landesregierung<br />

unter Leopold Figl am 16. Oktober 1962 endlich den Beschluß faßte, Landesschulrat<br />

und Kulturreferat mit der Erarbeitung einer Landeshymne zu betrauen. Da<br />

man sich von einem Preisausschreiben nicht viel versprach, beschloß man, die Werke<br />

heimischer Klassiker ebenso zu durchforschen wie das Volksliedgut Niederösterreichs.<br />

Unter Mitwirkung zahlreicher Wissenschaftler und Kulturpreisträger wurden<br />

drei Vorschläge erstellt, die der Landesregierung vom Tonband vorgespielt wurden:<br />

1. „Weil der Tag nun fanget an" (Volksweise, 18. Jahrhundert),<br />

2. „Neujahrslied" (niederösterreichisches Volkslied),<br />

3. Melodie aus einer Kantate von Ludwig van Beethoven.<br />

Am 2. April 1963 entschied sich die Landesregierung für die Beethoven-Kantate und<br />

gab Auftrag, nach einem geeigneten Text Ausschau zu halten. Das war gar nicht so<br />

leicht. Nach Prüfung einiger Vorschläge kam ein neuerlich eingesetzter Fachausschuß<br />

zu der Überzeugung, daß der Text von Franz Karl Ginzkey doch am geeignetsten sei.<br />

Aber - der Leser weiß es bereits - Staatssymbole zu kreieren, ist in Österreich keine<br />

einfache Sache; es gab noch eine letzte Verzögerung. In der Begründung zum Antrag<br />

der Landesregierung betreffend ein Gesetz über die niederösterreichische Landeshymne<br />

heißt es:<br />

Aus Anlaß einer Regierungssitzung am 12. Mai 1964 wurde Melodie und Text der<br />

Landesregierung vorgetragen und es wurden mangels entsprechender Zeit die<br />

Landesräte Kunter und Hilgarth beauftragt, die Sache der Landeshymne weiter<br />

zu verfolgen.<br />

Die beiden Landesräte ließen zunächst am 9. Juni 1965 eine gut singbare Rundfunkaufnahme<br />

anfertigen. Dann wurde wieder der Landesregierung berichtet; das Projekt<br />

1 Grasberger, a. a. O., 171


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 316<br />

lief mittlerweile schon unter dem dritten Landeshauptmann, Eduard Hartmann.<br />

Dieser regte an, in der jährlichen Festsitzung nach dem Pontifikalamt in Klosterneuburg<br />

am 15. November 1965 eine endgültige Entscheidung zu treffen. Es hatte also<br />

noch eineinhalb Jahre gedauert, bis der niederösterreichische Landtag - genau<br />

zwanzig Jahre nach der Wiedererrichtung eines demokratischen Österreich - am 12.<br />

Dezember 1965 beschließen<br />

konnte:<br />

Die Weise von Ludwig van<br />

Beethoven mit dem Text „O<br />

Heimat, dich zu lieben" von<br />

Franz Karl Ginzkey ist in der<br />

aus der Anlage ersichtlichen<br />

Fassung die niederösterreichische<br />

Landeshymne.<br />

Kundgemacht wurde die Hymne<br />

im Landesgesetzblatt 137/1966<br />

am 4. März 1966, also mehr als<br />

dreißig Jahre nach der ersten diesbezüglichen<br />

Initiative. Gut Ding<br />

braucht eben Weile. Dafür haben<br />

die Niederösterreicher jetzt eine in<br />

der Landesverfassung verankerte,<br />

auf dieser Grundlage landesgesetzlich<br />

beschlossene und ordentlich<br />

kundgemachte Landeshymne<br />

- was man von der Republik und<br />

ihrer Hymne ja nicht behaupten<br />

kann.<br />

Die für Ludwig van Beethoven<br />

kennzeichnende gleichmäßige<br />

Viertelbewegung verleiht der Melodie<br />

Würde und Feierlichkeit.<br />

Durch den relativ geringen Tonumfang<br />

(nur eine Oktave) eignet<br />

sich das Lied gut zum vokalen<br />

Vortrag.<br />

LANDESPATRON UND LANDESFEIERTAG<br />

... Demnach Wir wahrgenommen/das/daß Fest des Heiligen LEOPOLDI, in<br />

Unserem Land Under der Ennß nur an etlichen Orthen/in Ober Oesterreich aber<br />

gar nicht/feyerlich gehalten würdet. Und nun es sich in allweeg gebühren will/<br />

daß der Heilige LEOPOLDUS, alß ein Patronus und Schutz-Herr Unseres gantzen<br />

Lands Oesterreich in demselben durchgehend mit sonderbahrer Andacht geehret/<br />

und dessen Fest von allen und jeden Innwohnern und Underthanen Hochfeyerlich<br />

gehalten werde. Also seynd Wir auß sonderbahren gegen dem Heiligen<br />

LEOPOLDO tragenden Eyffer und Andacht bewogen worden/die Ewige und offentliche<br />

Feyrung dieses Fests/an allen und jeden Orthen/Unsers ErtzHertzogthumbs<br />

Oesterreich Under- und Ob der Ennß einzuführen/dergestalten/daß von<br />

nun an hinführo zu Ewigen Zeiten der benennte JahrsTag deß Heiligen LEO­<br />

POLDI, allenthalben ordentlich und völlig gefeyret werden solle. ..


317 NIEDERÖSTERREICH<br />

Mit diesem kaiserlichen Patent vom 19. Oktober 1663 wurde dem Landespatron der<br />

alten österreichischen Kernlande Niederösterreich (mit Wien) und Oberösterreich,<br />

dem hl. Leopold, ein kirchlicher Feiertag gewidmet, der 15. November, der Todestag<br />

des Heiligen.<br />

Floridus Röhrig, der Archivar und Historiograph des Stiftes Klosterneuburg, gibt über<br />

den Landesheiligen Auskunft - ohne klerikale Behübschung, ohne Betonung der vielen<br />

Legenden um den Landesheiligen. 1<br />

Leopold der Heilige, dritter Markgraf aus dem Geschlecht der Babenberger (Luitpoldinger),<br />

wurde um das Jahr 1075 - höchstwahrscheinlich in Melk - geboren. Er dürfte<br />

jedoch seine Jugend in Gars am Kamp verlebt haben. Sein Vater, Leopold IL, hatte<br />

schwer um das noch kleine österreichische Territorium zu kämpfen, da er sich im Investiturstreit<br />

auf die Seite des Papstes gestellt hatte und damit in Gegensatz zu Kaiser<br />

Heinrich IV. geraten war.<br />

Leopold übernahm die Herrschaft nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1095. Er war<br />

damals etwa zwanzig Jahre alt. Im Gegensatz zu vielen anderen Landesfürsten vor<br />

und nach ihm lag ihm nichts an Eroberungsfeldzügen. Er weigerte sich, an Kreuzzügen<br />

teilzunehmen, da ihm die Sorge für sein Land als die wichtigste Pflicht erschien.<br />

Leopold, der oft sehr hart und zielstrebig - also nicht eben heiligmäßig - seine Landeshoheit<br />

durchsetzte, schreckte auch vor Verrat nicht zurück, wenn es ihm politisch<br />

nützte: Durch den Rückzug seiner Truppen in einem Streit zwischen Kaiser Heinrich<br />

IV. und dessen Sohn Heinrich V. am Ruß Regen 1105 gewann er die Hand der salischen<br />

Kaisertochter Agnes - eine für die weitere Entwicklung Österreichs entscheidende<br />

Hochzeit. Die bereits verwitwete Agnes (ihr Sohn war der spätere König Konrad<br />

III.) brachte nicht nur eine ansehnliche Mitgift ein, sondern ließ den Markgrafen<br />

aus Ostarrichi auch als Stiefvater der Staufer unter die ersten Fürsten des Reiches aufrücken.<br />

Agnes wird aus diesem Grund gerne mit dem Reichsadler dargestellt, so über<br />

dem Südeingang der Stiftskirche in Klosterneuburg.<br />

Die Babenberger hatten in dieser Zeit ihren Hauptsitz immer mehr nach Osten verschoben,<br />

von Melk über Gars nach Tulln. Leopold III. errichtete eine großzügige<br />

Burganlage in Klosterneuburg, nicht etwa auf dem Leopoldsberg, wie die Legende<br />

berichtet, sondern vielmehr in der Gegend der heutigen Albrechtsbergergasse, wo im<br />

Haus Nr. 4 noch Überreste davon zu finden sind. Der Bau der Residenz konnte wahrscheinlich<br />

an ein von den Römern angelegtes Kastell anschließen.<br />

1114 legte Leopold den Grundstein zur Stiftskirche von Klosterneuburg. Die romanische<br />

Basilika war damals eine der größten Kirchen des Landes. Sie wurde schließlich<br />

am 29. September 1136, wenige Wochen vor dem Tod des Markgrafen, feierlich eingeweiht.<br />

All die Jahrhunderte danach wurde an ihr weitergebaut, und erst 1887 erhielten<br />

die beiden Westtürme durch Friedrich Schmidt, den Rathausbaumeister von<br />

Wien, ihre heutige, neugotische Gestalt.<br />

1133 berief Leopold Augustiner-Chorherren nach Klosterneuburg. Zur gleichen Zeit<br />

gründete er das Zisterzienserstift Heiligenkreuz und dotierte es reichlich.<br />

Als erster wirklicher Vertreter eines Landesfürstentums („principatus terrae") hat<br />

Leopold wesentlich zur Ausbildung österreichischer Identität und österreichischen<br />

Landesbewußtseins beigetragen. Leopold III. ist deshalb keineswegs nur als religiöse<br />

Figur zu sehen. Er suchte in typisch österreichischer Art zwischen verfeindeten Fürsten<br />

zu vermitteln und half mit, den Investiturstreit im Wormser Konkordat 1122, das<br />

1 Floridus Röhrig/Gottfried Stangler u. a., Der Heilige Leopold - Landesfürst und Staatssymbol. Katalog<br />

der niederösterreichischen Landesausstellung, Stift Klosterneuburg 1985<br />

Floridus Röhrig, Stift Klosterneuburg und seine Kunstschätze. St. Pölten-Wien 1984<br />

V. O. Ludwig, Der heilige Leopold, Innsbruck 1936


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 318<br />

er mit unterzeichnete, zu beenden. Die ihm angetragene Königswürde lehnte er jedoch<br />

in weiser Einsicht in die tatsächliche Stärke seiner Herrschaft ab.<br />

Der großgewachsene Landesfürst hatte nicht weniger als achtzehn Kinder, die sich<br />

freilich nicht immer gut verstanden.<br />

Leopold III. starb am 15. November 1136, im Alter von etwa 61 Jahren, wahrscheinlich<br />

an den Folgen eines Jagdunfalls. Die Vermutung des bekannten Landeshistorikers<br />

Karl Gutkas, daß Leopold „keines natürlichen Todes gestorben sei", wird von<br />

Floridus Röhrig als „absurd" bezeichnet. 1936 wurde an der Schädelreliquie ein<br />

Bruch des Unterkiefers festgestellt. 1<br />

Mit der Jagd zu tun hat auch die berühmte Gründungslegende Klosterneuburgs, die<br />

seit 1371 überliefert ist, aber laut Röhrig „nicht im mindesten der historischen Wahrheit<br />

entspricht". 2 Nach dieser Legende habe ein Windstoß den Schleier der frisch angetrauten<br />

Agnes auf dem Söller der Burg am Kahlenberg (!) erfaßt und verweht. Neun<br />

Jahre später hätten ihn die Jagdhunde in den Donauauen an einem Holunderstrauch<br />

entdeckt. Dem Markgrafen sei sodann die Gottesmutter erschienen und habe ihm befohlen,<br />

an dieser Stelle ihr zu Ehren ein Kloster zu errichten.<br />

Man erinnert sich gerne an diese Legende, wenn man den heute im Brunnenhaus des<br />

Stiftes aufgestellten, in Verona aus Bronze gegossenen siebenarmigen Leuchter bewundert,<br />

der aus der Gründungszeit der Kirche stammt und schon im Mittelalter<br />

„Holunderbaum" (Sambucus) genannt wurde. Von diesem Leuchter wird auch erzählt,<br />

daß er Holzstücke von jenem Holunderstrauch enthalte, an dem der Markgraf<br />

den Schleier seiner Gattin aufgefunden habe. In der Tat enthielt der Leuchter einen<br />

Kern aus blau bemaltem Holunderholz. Dieser wurde aber erst im 17. Jahrhundert<br />

eingesetzt, um als Kontrast für die durchbrochene Bronzearbeit zu dienen. Die legendenhafte<br />

Beschreibung dürfte vor allem auf die baumartige Form des übermannshohen<br />

Leuchters zurückgehen. Wie Floridus Röhrig 3 ausführt, handelt es sich bei der<br />

Baumform des Leuchters wohl um die theologische Umdeutung der jüdischen Menorah<br />

im Sinne von Jesaja 11 („Wurzel Jesse").<br />

Gleichfalls aus der Zeit um 1100 stammen zwei je etwa eine Elle lange Stücke orientalischen<br />

Seidenschleiers, die in einem aus Alabasterfragmenten zusammengesetzten<br />

Altärchen (ursprünglich 14. Jahrhundert) im Stiftsmuseum aufbewahrt werden. In den<br />

„Klosterneuburger Tafeln" werden sie als Teil vom Gewand der Gottesmutter beschrieben,<br />

andererseits gelten sie als Teil des berühmten Schleiers der Gattin Leopolds<br />

HL, Agnes. 4<br />

Im Anschluß an die Überlegungen von Heide Dienst, die im Aussehen des blühenden<br />

Holunderbaumes selbst den Ursprung der Schleierlegende sieht, sei ein kurzer Exkurs<br />

über die Symbolkraft des Holunders, dieses bescheidenen, in unserer Heimat weit<br />

verbreiteten Strauch- oder baumartigen Gewächses gestattet. Er soll zeigen, daß die<br />

für (Nieder-)Österreich nicht unwichtige Legende von der Gründung Klosterneuburgs<br />

unbewußt auf ein altes Sinnbild, ein von Aberglauben umranktes Ursymbol, zurückgreift.<br />

Schon in der Antike als Heilpflanze gebraucht, galt das Berühren des Holunders<br />

als Möglichkeit, eine Krankheit loszuwerden. Da der „Holler" als Mittel gegen<br />

Hexen und Zauberer angesehen wurde, durfte der Baum nicht gefällt werden. Umgekehrt<br />

war aber der „Hollerbusch" dem guten Christen auch nicht ganz geheuer, da<br />

sich angeblich Judas an einem Holunderbaum erhängt hat. Nach manchen Versionen<br />

1 Karl Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich. 5. Aufl., St. Pölten 1974, 54<br />

Röhrig/Stangler, a. a. O., 18.<br />

2 Floridus Röhrig, in: Erläuterungen zur Sonderpostmarke „Markgraf Leopold der Heilige". Österreichische<br />

Post- und Telegraphendirektion., Wien, 1967<br />

3 Röhrig, Stift Klosterneuburg, 59<br />

4 Vgl. hiezu Heide Dienst, Agnes: Herzogin, Gräfin, Landesmutter. In: Röhrig/Stangler, a. a. O., 24 f.


319 NIEDERÖSTERREICH<br />

der Legende soll auch der hl. Koloman an einem Holunderbaum gehängt worden<br />

sein.<br />

Bezeichnend für die jahrhundertealte antijüdische Tradition des katholischen Österreich<br />

war die im hohen Mittelalter verbreitete Ansicht, der wie ein Schleier blühende<br />

Holunderbaum sei ein Symbol für die aus dem gleichen Stamme kommenden Christen<br />

und Juden, da seine Blüten süß dufteten (Christen) und seine Blätter bitter<br />

schmeckten (Juden). Ein ziemlicher „Holler", der hier über den Holunder verzapft<br />

wurde...<br />

An die Markgräfin Agnes erinnert übrigens auch das Agnesbrünnl, 200 Meter nördlich<br />

des Hermannskogels, der höchsten Erhebung von Wien (542 Meter), gelegen. In<br />

vorchristlicher Zeit angeblich der zauberkundigen Urmutter Freia geweiht, war es von<br />

mancherlei Legenden über eine Waldfee umrankt. Bei Aufkommen des Zahlenlottos<br />

im Jahre 1752 wurde die Quelle zu einer besonderen Art von „Wallfahrtsort": Vor allem<br />

am Tag der hl. Agnes (21. Jänner) vermeinte man, auf dem Grund der Quelle die<br />

Glückszahlen zu lesen. Nachdem der Quelle noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

wundertätige Kräfte zugeschrieben worden waren, wurde sie 1817 zugeschüttet. 1941<br />

wurde sie schließlich in ein Brunnenhäuschen gefaßt. Zur Zeit wird sie durch den Verschönerungsverein<br />

Klosterneuburg restauriert.<br />

Zurück zu Leopold III., zurück in die Zeit, als er (noch) kein Heiliger war. Die Verehrung<br />

des „milden Markgrafen" nach seinem Tod entwickelte sich zunächst aus der<br />

Frömmigkeit des einfachen Volkes. Doch Rudolf IV., der Stifter, der zusätzlich zu seinen<br />

politisch-historischen Bemühungen um Gleichstellung mit den führenden Kräften<br />

des Reiches nach einem „Nationalheiligen" zur „überirdischen" Legitimation seiner<br />

Herrschaft suchte, betrieb die Kanonisierung seines markgräflichen „Urahnen"<br />

auf systematische Weise. Der 1358 eröffnete Prozeß wurde allerdings erst unter einem<br />

weiteren „Österreich-Ideologen", nämlich unter Friedrich III., 1465 weitergeführt<br />

und durch die feierliche Erhebung Leopolds zur Ehre der Altäre am 6. Jänner 1485<br />

durch Papst Innozenz VIII. abgeschlossen. (Die Wahl des Dreikönigstages sollte andeuten,<br />

daß Leopold ebenfalls im Rang eines Königs stand.) Die Heiligsprechungs-<br />

Feierlichkeiten in Rom sind uns übrigens bis ins kleinste Detail überliefert, genauso<br />

wie die 14 Buchseiten umfassende Rede, das „Defensorium canonisationis sancti<br />

Leopoldi" des Johannes Franz von Pavinis, die der Advokat am 20. November 1484<br />

vor dem römischen Konsistorium hielt. 1 Die Freigebigkeit gegenüber den Armen, die<br />

Gründung von Klöstern sowie die Friedensliebe und Friedenspolitik des Markgrafen<br />

wurden als Hauptmotive für die Heiligsprechung ins Treffen geführt.<br />

Die Überreste des ursprünglich in einer Gruft unter dem Kapitelsaal zusammen mit<br />

seiner Frau Agnes und seinem ältesten Sohn Adalbert zur letzten Ruhe gebetteten<br />

Heiligen wurden in der Folge als Reliquien exhumiert. Die „Translation" oder „Erhebung"<br />

des Heiligen wurde im Rahmen eines großartigen Festes am 16. Februar 1506<br />

im Beisein von Kaiser Maximilian I. gefeiert. Dieser war in Erzherzogskleidung erschienen,<br />

mit dem „Erzherzogshuetel" auf dem Kopf, in der Hand ein rot-weiß-rotes<br />

Windlicht. Damit wollte er sich eindeutig als Nachfolger des hl. Leopold deklarieren.<br />

Die Reliquien des Heiligen wurden zum größten Teil in einem Silbersarg geborgen,<br />

der allerdings schon 1526 als Beitrag zur Finanzierung der Türkenkriege eingeschmolzen<br />

werden mußte. Ein neuer Silberschrein erlitt 1810 ein ähnliches Schicksal.<br />

Heute befinden sich die sterblichen Überreste des Heiligen in einem kleinen, vergoldeten<br />

Silberschrein aus dem Jahre 1936, vorne verziert mit dem bekannten Standbild<br />

Leopolds: die Fahne seines Landes in der Rechten, ein Modell der Stiftskirche in der<br />

Linken haltend. Das Stift hatte die Umbettung aus Anlaß der 800-Jahr-Feier der Kir-<br />

1 Röhrig/Stangler, a. a. O., 56 ff.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 320<br />

che (29. September) veranlaßt, weil die Gebeine Leopolds damals nur in einem Holzsarg<br />

ruhten. Der neue Reliquienschrein wurde am 13. November 1936 eingeweiht. Er<br />

steht - wie schon der Holzsarg zuvor - auf dem weltberühmten „Verduner Altar",<br />

dem kostbarsten Schatz des Stiftes Klosterneuburg. Der Rügelaltar gilt als das besterhaltene<br />

Kunstwerk des europäischen Mittelalters. Seine 51 goldenen Bildtafeln<br />

(Gruben- und Zellschmelz auf vergoldetem Kupfer) wurden 1181 (in Klosterneuburg!)<br />

durch Nikolaus von Verdun nach rund zehnjähriger Arbeit vollendet. Der Altar,<br />

der in seinen geistigen Wurzeln bis in die Zeit des Klostergründers zurückreicht,<br />

teilt die dargestellten biblischen Szenen in Zeitzonen (waagrecht) und typologische<br />

Gruppen (senkrecht). Die obere Schädelpartie des Heiligen ruht hingegen in der<br />

Schatzkammer des Stiftes in einer kostbaren Einfassung aus Stoff, durch welche allein<br />

das Stirnbein sichtbar ist. Sie wird von einer Nachbildung des Erzherzogshutes, ebenfalls<br />

aus Stoff, gekrönt.<br />

Wie wir einleitend zitiert haben, proklamierte Kaiser Leopold I. (1658-1705) ein Jahr<br />

vor seinem Sieg über die Türken bei Mogersdorf (1664) seinen Namenspatron, Leopold<br />

den Heiligen, zum offiziellen österreichischen Schutzheiligen. Dieser Sieg und<br />

die Befreiung Wiens 1683 wurden auf die Fürbitten des neuen Landespatrons zurückgeführt,<br />

was dessen Verehrung enorm förderte. Auch Joseph IL, der später nicht nur<br />

Klöster, sondern auch Feiertage aufhob, tastete „den Tag des heiligen Leopold als<br />

sonderbar zu verehrenden österreichischen Landespatron" nicht an.<br />

Leopold III. trat damit an die Stelle des hl. Koloman, eines aus keltischem Geblüt<br />

stammenden irischen Pilgers, der um 1012 bei Stockerau „wegen seiner fremdartigen<br />

Kleidung" (Floridus Röhrig) und seiner mangelnden Sprachkenntnisse für einen<br />

(böhmischen) Spion gehalten und getötet worden war, indem man ihm beide Beine<br />

absägte und ihn an einem dürren Holunderbaum (!) aufhängte - ein früher Fall österreichischer<br />

Fremdenfeindlichkeit der brutalen Art. Da der Baum aber sogleich ergrünte,<br />

erkannte man den fatalen Irrtum und bestattete den so grausam an seiner<br />

Reise ins Heilige Land gehinderten Fremdling in allen Ehren. An Kolomans Grab<br />

sollen sich weitere Wunder ereignet haben, worauf seine Gebeine nach Melk übergeführt<br />

wurden, wo sich ein jahrhundertelanger Koloman-Kult entwickelte. Rudolf IV.,<br />

der 1365 das Hochgrab des hl. Koloman in Melk stiftete, ließ den Stein, der angeblich<br />

mit dem Blut des Märtyrers bespritzt worden war, nach Wien bringen und in das Türgewände<br />

des nördlichen Seitentors von St. Stephan (Braut- oder Bischofstor) einmauern.<br />

Dieser „Kolomani-Stein" wurde als Steinreliquie durch Berühren verehrt, ein auf<br />

alte magische Vorstellungen zurückgehender Kult und der einzige Beleg für die Verehrung<br />

einer Steinreliquie in Wien (vgl. Farbabbildung S. LX). 1<br />

Die Wiener Universität wählte lange Zeit ihre Rektoren am 13. Oktober, dem Festtag<br />

des hl. Koloman, bis sie im 17. Jahrhundert zum Leopoldskult überging und die Rektorswahl<br />

ab da am 15. November vornahm. In der heutigen Zeit gilt der hl. Koloman<br />

(Attribute: Pilgerhut, Strick, Marterwerkzeug) als Wetter- und Bauernheiliger, zu dessen<br />

Ehren Umritte und Pferdesegnungen veranstaltet werden. Vergleicht man jedoch<br />

Kolomans Vita mit der sich etwa ein Jahrhundert später entfaltenden Leopolds III.,<br />

so ist verständlich, daß dieser der Vorstellung von einem Nationalheiligen eher entspricht<br />

als jener.<br />

Sehr passend dazu ist die älteste noch vorhandene bildliche Darstellung des Markgrafen,<br />

ein wunderschönes Glasgemälde aus den Fenstern des Brunnenhauses im Stift<br />

Heiligenkreuz, das von Leopold III. gestiftet wurde. Die Glasmalerei zeigt den Markgrafen<br />

in fürstlichem Gewand, gestützt auf Schwert und Bindenschild.<br />

1 Elisabeth Kovacs, Der Heilige Leopold und die Staatsmystik der Habsburger. In: Röhrig/Stangler,<br />

a. a. O., 73


321 NIEDERÖSTERREICH<br />

Als Landespatron von Wien, Niederösterreich und Oberösterreich wird der hl. Leopold<br />

auch heute noch verehrt; daher auch der beliebte Vorname Leopold(ine), verkleinert<br />

zu Poldi und Poldl und besonders durch den berühmten Sohn des Landes<br />

Leopold Figl popularisiert.<br />

Der 15. November ist als Landesfeiertag zwar nicht mehr generell arbeitsfrei, doch<br />

haben Schüler und Landesbeamte in Niederösterreich frei (Niederösterreichisches<br />

Schulzeitgesetz 1978, Dienstpragmatik der Landesbeamten 1955). Auch in Wien ist<br />

schulfrei. Am Landesfeiertag kommen auch die Wiener gerne zum „Fasselrutschen"<br />

nach Klosterneuburg, wobei sie in der Stiftsbinderei über die Wölbung des Tausendeimerfasses<br />

( = 56.000 Liter) aus dem Jahre 1704 hinabgleiten - ein alter Brauch, der<br />

auf die Ablieferung des Zehentweines zurückgehen soll: Nach dem Eingießen der<br />

flüssigen Steuerleistung sollen die tributpflichtigen Weinbauern die Höhe des Fasses<br />

auf ihrem Hintern herunterrutschend wieder verlassen haben.<br />

Die Darstellungen Leopolds III. in der Kunst sind überaus zahlreich: Tafelbilder,<br />

Deckengemälde, Miniaturen (sie alle sind im oben angeführten Katalog dokumentiert).<br />

Sie gehen in der Regel von der ältesten, zweieieinhalb Meter hohen Sandsteinfigur<br />

des Heiligen (1470, heute im Stiftsmuseum Klosterneuburg) mit der „klassischen"<br />

Darstellungsweise (als alter, bärtiger Mann mit Erzherzogshut und Kirchenmodell)<br />

bzw. einer ähnlichen Plastik in Bronze aus, die Leopold unter die Mächtigen der Welt<br />

einreiht (1520, Innsbruck, Hofkirche).<br />

Kaiser Leopold I. errichtete 1671 im Judenviertel Wiens an der Stelle einer Synagoge<br />

eine seinem Namenspatron geweihte Kirche, die der Leopoldstadt ihren Namen gab.<br />

Auch die Kirche auf dem Leopoldsberg stammt aus dieser Zeit. Noch vor ihrer endgültigen<br />

Fertigstellung hat dort Marco d'Aviano vor der Entsatzschlacht um Wien am<br />

12. September 1683 die Messe gelesen, bei der ihm der Polenkönig Jan Sobieski ministrierte.<br />

Die Kirche wurde erst 1693 zu Ende gebaut und dem hl. Leopold geweiht;<br />

gleichzeitig erhielt dieser Teil des Kahlengebirges seinen heutigen Namen „Leopoldsberg".<br />

Bekannt sind auch die beiden Brunnen neben der Pestsäule auf dem Graben in Wien,<br />

dem hl. Josef und dem hl. Leopold gewidmet, 1804 von Johann Martin Fischer<br />

schwungvoll gestaltet. An der Ecke Herrengasse - Leopold-Figl-Gasse befindet sich<br />

ein Mosaik des Heiligen, geschaffen von Leopold Schmid im Jahre 1936.<br />

Weniger bekannt ist der Umstand, daß die nach Plänen von Otto Wagner 1907 geweihte<br />

bedeutende Jugendstilkirche am Steinhof Leopold dem Heiligen geweiht ist<br />

und diesen und den hl. Severin auf den Fassadentürmchen zeigt.<br />

Bekanntheit des niederösterreichischen Landespatrons 1993<br />

hl. Leopold hl. Koloman andere weiß nicht<br />

bis 29 44 2 27 31<br />

bis 49 75 0 15 10<br />

ab 50 77 0 12 12<br />

Total 67 1 17 17<br />

Quelle: Integral-Telephonumfrage Jänner 1993, n = 189<br />

SONSTIGE SYMBOLE NIEDERÖSTERREICHS<br />

Die Integral-Umfrage „Symbole für Österreich", in welcher mittels offener Fragestellung<br />

nach den Symbolen aller Bundesländer geforscht wurde, ergab im Falle Niederösterreichs<br />

zunächst eine relativ hohe Nennungshäufigkeit für das Landeswappen


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 322<br />

(10 Prozent - Steiermark 19 Prozent, Tirol 12 Prozent). Wie auch in den meisten anderen<br />

Bundesländern sind es die landschaftlichen Schönheiten, die mit 37 Prozent<br />

einen Spitzenplatz einnehmen. Was in den westlichen und südlichen Bundesländern<br />

die Berge sind, ist in Niederösterreich jedoch die Donau, die von 12 Prozent als Landessymbol<br />

genannt wird (Wien 9 Prozent, Oberösterreich 7 Prozent). Die neue Landeshauptstadt<br />

St. Pölten bringt es immerhin auf 11 Prozent Nennungen. Der Wein<br />

spielt mit 6 Prozent (Burgenland: 31 Prozent !) nicht jene Rolle, die man vielleicht erwarten<br />

würde, wenn man an die Wachau und an das Motiv der Goldhaube denkt, die<br />

das 10-Schilling-Stück schmückt. Erwähnt seien schließlich die großen Klostergründungen<br />

(Melk, Göttweig, Klosterneuburg, Heiligenkreuz, Lilienfeld, Zwettl), derer wir<br />

uns heute vielleicht nicht mehr so stark bewußt sind, deren Rolle für die Entwicklung<br />

des Landes Niederösterreich und des gesamten österreichischen Volkes aber nicht<br />

hoch genug eingeschätzt werden kann und deren Symbolfunktion weit über ihren religiösen<br />

und kunstgeschichtlichen Beitrag hinausgeht.<br />

„HOAMATLAND, HOAMATLAND"<br />

DIE SYMBOLE OBERÖSTERREICHS<br />

GESCHICHTE OBERÖSTERREICHS<br />

Das Besondere am „Land ob der Enns" ist seine geographische Vielfalt. Durch seine<br />

Ausdehnung vom Böhmerwald bis zum Dachstein und vom Inn bis zur Enns umschließt<br />

Oberösterreich Donau- und Alpenregionen und wird so zum „Land der<br />

Mitte", d. h. zu einem „Österreich im kleinen". Die meisten statistischen Durchschnittswerte<br />

Österreichs - vom Klima bis zur Sozialstruktur - finden sich in Ober-<br />

Österreich wieder. Auch die Aufteilung in Besatzungszonen 1945-1955 spiegelte ein<br />

wenig diese Mitteposition: Das Mühlviertel, der Landesteil nördlich der Donau, war<br />

sowjetisch besetzt, der Rest gehörte zur amerikanischen Zone. Westlich der Enns<br />

konnte also schon früher als in Niederösterreich und Wien mit dem Wiederaufbau<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen werden.<br />

Oberösterreich ist altes Kulturland. Reiche Funde aus der Mondsee- und Hallstattkultur<br />

zeugen von Besiedlung in der Bronze- bzw. in der Eisenzeit (2000 bzw. 800 vor<br />

Christus). Unter der römischen Besatzung wurde Wels/Ovilava Zentrum des nördlichen<br />

Teils der Provinz Noricum. Die dort schon vor 700 n. Chr. angesiedelten Baiern<br />

mußten sich zuerst gegen die aus dem Osten einfallenden Awaren und später gegen<br />

die Ungarn (bis 955) zur Wehr setzen.<br />

Wohl noch im 10. Jahrhundert übernahmen die Babenberger zunächst Teile des unteren<br />

Mühlviertels und in der Folge immer weitere Gebiete Oberösterreichs. In der<br />

zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bildete sich die Kernzelle des Landes ob der<br />

Enns zwischen Enns und Hausruck. Im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts vergrößerte<br />

und verfestigte sich das neue Land, das damit auch immer mehr Selbständigkeit<br />

gegenüber Österreich (unter der Enns) gewann. 1490 ist Linz unter Kaiser Friedrich<br />

III. als Landeshauptstadt bezeugt, der dort auch 1493 starb. 1506 erwarb Kaiser Maximilian<br />

I. das Mondsee- und St. Wolfgangland.


323 OBERÖSTERREICH<br />

Oberösterreich hatte wie Niederösterreich die Bauernkriege, die Gegenreformation<br />

und die Franzosenkriege zu überstehen. 1779 gelangte das fruchtbare Innviertel von<br />

Bayern an Österreich. Während der napoleonischen Kriege kehrte es kurzfristig<br />

(1809-1816) wieder dorthin zurück - seither ist es eine wichtige Brücke zwischen<br />

Österreich und seinem westlichen Nachbarn geblieben. Als Erzherzogtum erhielt<br />

„Österreich ober der Enns" 1861 seinen ersten gewählten Landtag.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg als eines der neun neuen österreichischen Bundesländer<br />

konstituiert, wurde Oberösterreich nach 1938 in „Oberdonau" umbenannt und um<br />

das steirische Salzkammergut (Gerichtsbezirk Bad Aussee) sowie einen südböhmischen<br />

Grenzstreifen vergrößert. Das Ausseerland wurde erst 1948 wieder in die<br />

Steiermark rückgegliedert.<br />

Die Zeit der NS-Besatzung hat in Oberösterreich, dem „Heimatgau" des in Braunau<br />

geborenen und in Linz aufgewachsenen „Führers", wirtschaftliche Spuren hinterlassen.<br />

Die großen verstaatlichten Eisen- und Stahlwerke in Linz gehen auf die 1938 gegründeten<br />

„Reichswerke Hermann Göring" zurück, die im Krieg allerdings teilweise<br />

zerstört wurden.<br />

Oberösterreich entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum Zentrum der modernen<br />

chemischen Industrie Österreichs, zu der auch noch die Aluminiumerzeugung<br />

trat. Die einstmals Weltruf genießenden „Schornsteinindustrien" des Landes sind in<br />

der Gegenwart einem tiefgreifenden Umstrukturierungsprozeß unterworfen, um überleben<br />

zu können.<br />

DEMOGRAPHISCHE DATEN<br />

Fläche: 11.980 km 2<br />

Wohnbevölkerung (Volkszählung 1991): 1,262.221<br />

Einwohner Linz: 203.044 = 16,1 Prozent<br />

Ausländeranteil: 71.259 = 5,3 Prozent<br />

Agrarquote: 6,6 Prozent<br />

Prozente Landtagswahl 1991: SPÖ 31, ÖVP 45, FPÖ 18,<br />

GAL 3, VGÖ 3<br />

OBERÖSTERREICHISCHES LANDES-VERFASSUNGSGESETZ 1991;<br />

ARTIKEL 15:<br />

(1) Die Farben des Landes Oberösterreich sind weiß-rot.<br />

(2) Das Land Oberösterreich führt als Landeswappen das historische Wappen; es<br />

besteht aus einem mit dem Herzogshut gekrönten, gespaltenen Schild, der rechts<br />

einen goldenen Adler im schwarzen Feld trägt, links von silber und rot dreimal<br />

gespalten wird. Die bildliche Darstellung des Wappens des Landes Oberösterreich<br />

ist im Landesgesetzblatt kundzumachen.<br />

(3) Das Recht zur Führung des Landeswappens steht den Behörden, Ämtern und<br />

Anstalten des Landes Oberösterreich zu. Inwieweit anderen physischen oder juristischen<br />

Personen die Führung oder eine sonstige Verwendung des Landeswappens<br />

zusteht oder bewilligt werden kann und inwieweit die Verwendung des Landeswappens<br />

verboten ist, ist durch Landesgesetz zu regeln.<br />

(4) Das Landessiegel weist das Landeswappen mit der Umschrift „Land Oberösterreich"<br />

auf.<br />

(5) Die Landeshymne des Landes Oberösterreich ist das Lied „Hoamatgsang",<br />

Worte: Franz Stelzhamer, Weise: Hans Schnopfhagen.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 324<br />

LANDESWAPPEN UND LANDESFARBEN<br />

Das Wappen des Landes Oberösterreich besteht aus einem gespaltenen Schild, der<br />

vorne in Schwarz einen goldenen, rotbezungten und rotbewehrten Adler zeigt und<br />

hinten dreimal von Silber und Rot gespalten wird. Der Schild trägt den österreichischen<br />

Erzherzogshut (vgl. Farbabbildung S. XV).<br />

Die älteste bekannte Abbildung des oberösterreichischen Landeswappens findet sich<br />

auf zwei Miniaturen aus der Zeit zwischen 1384 und 1395. Sie sind in der deutschen<br />

Übersetzung eines Liturgiehandbuches enthalten, die Herzog Albrecht III. (1365-<br />

1395) vermutlich in Wien anfertigen ließ. 1 Schon in der Barockzeit fiel dem Geschichtsschreiber<br />

Marquard Herrgott auf, daß dieses Wappen jenem entsprach, welches<br />

das bereits im 12. Jahrhundert ausgestorbene Adelsgeschlecht der Herren von<br />

Machland (Aulandschaft am linken Donauufer zwischen Mauthausen und Grein, tiefliegender,<br />

fruchtbarster Teil des Mühlviertels mit dem Hauptort Perg) geführt haben<br />

soll. In einem Urbar (Güter- und Abgabenverzeichnis) des Klosters Baumgartenberg<br />

am Nordostrand des Machlandes aus der Zeit um 1335 findet sich - ebenfalls auf<br />

zwei Miniaturen - ein Wappen, das dem oberösterreichischen sehr ähnlich ist. Es<br />

zeigt vorne einen silbernen Adler auf rotem Grund und hat hinten einen dritten silbernen<br />

Pfahl. Das Wappen steht in Verbindung mit dem Stifterehepaar Otto und<br />

Jutta von Machland. Das Wappen von Machland wurde nach Ansicht der Historiker<br />

deshalb für ein geeignetes Vorbild gehalten, weil das Machland schon seit altersher<br />

einen integrierenden Bestandteil des Herrschaftsgebietes der Babenberger gebildet<br />

hatte und dies wohl auch gegenüber den Ansprüchen der bayrischen Nachbarn im<br />

Westen demonstriert werden sollte. 2<br />

Es paßt durchaus in das Bild der zahlreichen staatspolitischen Fälschungen, die unter<br />

Rudolf IV. vorgenommen wurden, daß dessen Bruder und Nachfolger Albrecht III.<br />

ein bereits vorhandenes Wappen zum „regionalen" Symbol eines neu entstandenen<br />

Landes erhob und es „austrifizierte": hiezu wurde der Adler von Silber zu Gold „aufgewertet"<br />

und damit näher zum Fünfadlerwappen „Alt-Österreich" gerückt, außerdem<br />

wurde die Zahl der silbernen Pfähle um eins reduziert, was die hintere Schildhälfte<br />

vielleicht etwas stärker in die Nähe des Bindenschildes „Neu-Österreich"<br />

brachte - fürwahr ein symbolpolitisch klug überlegtes „Redesigning".<br />

Zum erstenmal im Siegel geführt wurde das Wappen durch Herzog Ernst den Eisernen<br />

im Jahre 1418. Es findet sich am Grabmal Friedrichs III. im Apostelchor des<br />

Wiener Stephansdoms ebenso wie außen an der Sohlbank des Südturmes. Auf Münzen<br />

erscheint das Landeswappen in nicht immer einheitlicher Form bis Joseph IL<br />

Seit Mitte des 15. Jahrhunderts wurde der von Rudolf IV. erfundene Erzherzogshut<br />

als Wappenbekrönung üblich. Davor war das Wappen manchmal auch mit einer<br />

Helmzier dargestellt worden, bei welcher der aus einer Helmkrone wachsende Adler<br />

eine Waage im Schnabel hielt. Die letztere könnte man - sicher nur spekulativ - als<br />

ein schönes Symbol für die Ausgewogenheit oder den Gerechtigkeitssinn des „Landes<br />

der Mitte" ansehen. Sie ist gut erkennbar an der Wappenwand der St. Georgskirche<br />

in Wiener Neustadt und in der berühmten Handregistratur Friedrichs III. aus dem<br />

Jahr 1446, wo der Bindenschild (mit Pfauenfedern) vom Fünfadlerwappen (mit Adlerflug)<br />

zur Rechten und vom oberösterreichischen Wappen (mit Adler und Waage)<br />

zur Linken flankiert wird (vgl. Farbabbildung S. IV).<br />

1 Siegfried Haider, Das oberösterreichische Landeswappen. In: Tausend Jahre Oberösterreich. Das<br />

Werden eines Landes. Katalog zur Landesausstellung, Wels 1983, Band 2, 185 ff.<br />

2 Alfred Hoffmann, Das Wappen des Landes Oberösterreich als Sinnbild seiner staatsrechtlichen Entwicklungsgeschichte.<br />

Linz 1947<br />

Alfred Hoffmann, Österreich und das Land ob der Enns. Wien 1981


325 OBERÖSTERREICH<br />

Seine erste amtliche Beschreibung erfuhr das oberösterreichische Wappen in einem<br />

Zirkularerlaß des Landeshauptmannes vom 21. September 1904, in welchem auch die<br />

Landesfarben Weiß-Rot zum ersten Mal bestimmt wurden. Dabei war die weiße<br />

Farbe der Fahnenspitze zunächst zu setzen, war also die ranghöhere. Die Landesfarben<br />

dürften sich erst im 19. Jahrhundert herausgebildet haben. So lassen sich auf<br />

einem Linzer Stich aus dem Jahre 1833, der ein Pferderennen zeigt, zweifarbige<br />

Fähnchen erkennen. Die Bugflagge des ersten Donaudampfschiffs „Maria Anna"<br />

zeigte im Jahre 1837 die weiß-roten Farben. 1<br />

Aufbauend auf Artikel 9 der Landesverfassung vom 17. Juni 1930, in dem Wappen<br />

und Farben des Bundeslandes Oberösterreich bereits hinreichend beschrieben sind,<br />

bestimmte die in der Zeit des Ständestaates „Im Namen des Allmächtigen Gottes"<br />

vom Landtag beschlossene Verfassung vom 9. Juli 1935 , ebenfalls in Artikel 9:<br />

(1) Die Farben des Landes Oberösterreich sind weiß-rot.<br />

(2) Das Land Oberösterreich führt als Landeswappen das geschichtlich übernommene<br />

Wappen; es besteht aus einem mit dem Herzogshut gekrönten, gespaltenen<br />

Schilde, der rechts einen goldenen Adler im schwarzen Felde trägt, links von Silber<br />

und Rot dreimal gespalten wird. Der Gebrauch des Landeswappens ist gesetzlich<br />

geschützt.<br />

(3) Das Landessiegel weist das Landeswappen mit der Umschrift „Land Oberösterreich"<br />

auf<br />

(4) Der Hl. Leopold ist der Schutzherr des Landes Oberösterreich. Sein Festtag,<br />

der 15. November, ist Landesfeiertag.<br />

Der schriftlichen Verfassungsbestimmung über Landesfarben und Landeswappen<br />

folgte am 17. Juli 1936 eine Kundmachung der Landesregierung betreffend die bildliche<br />

Darstellung des Wappens des Landes Oberösterreich, in schwarz-weiß und in<br />

Farbe mit detaillierten Angaben über die praktische Ausführung des Wappens. Das<br />

ist bemerkenswert, denn bis in die jüngste Zeit gab es noch ein, zwei Bundesländer,<br />

die über keine offizielle Farbdarstellung ihres Landessymbols verfügten.<br />

In der geltenden Landesverfassung haben sich demgegenüber wieder einige Kleinigkeiten<br />

geändert. Abgesehen von der Kleinschreibung der Farben im Wappen wird<br />

nunmehr auf die Veröffentlichung im Landesgesetzblatt hingewiesen. Diese erfolgte<br />

in Nr. 19/1949 in heraldisch vorbildlicher Form.<br />

Weiters wird das Recht zur Führung des Landeswappens umschrieben und ein diesbezügliches<br />

Landesgesetz statuiert. Ein solches ist bereits am 26. Februar 1948 beschlossen<br />

und im Jahre 1956 ergänzt worden. Danach kann das Landeswappen auch<br />

zu Schmuckzwecken verliehen werden.<br />

LANDESHYMNE<br />

Die oberösterreichische Landeshymne, das über das Land hinaus bekannte volkstümliche<br />

Lied „Hoamatgsang", geht auf ein Gedicht eines der bedeutendsten Mundartdichter<br />

des bayerisch-oberösterreichischen Raumes, Franz Stelzhamer, zurück. Er<br />

wurde am 29. 11. 1802 in Groß-Piesenham bei Ried im Innkreis geboren und starb<br />

am 14. 7. 1874 in Henndorf (Salzburg).<br />

Nach diversen Studien, darunter an der juridischen Fakultät in Graz und an der Wiener<br />

Kunstakademie, begann Franz Stelzhamer ein unstetes Leben als Wanderschauspieler,<br />

das von seiner ersten Ehe auf elf Jahre unterbrochen wurde. Erst mit seiner<br />

zweiten Frau ließ er sich im salzburgischen Henndorf auf Dauer nieder.<br />

1841 veröffentlichte Stelzhamer seinen zweiten Gedichtband unter dem Titel „Neue<br />

1 Hoffmann (1947), a. a. O, 57 f.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 326<br />

Gesänge in obderenns'scher Volksmundart". Der Band enthielt das Gedicht „Hoamatgsang",<br />

dessen achte Strophe „Dahoam is dahoam" gesperrt gedruckt war. Ursprünglich<br />

hatte der Titel im Innviertler Dialekt noch „s 'Haimatg'sang" gelautet. Der<br />

musikbegeisterte Lehrer Hans Schnopfhagen aus der Gegend von Oberneukirchen<br />

brachte am 27. Dezember 1884 seinem Freund Dr. Hans Zötl eine Melodie für das<br />

Gedicht „Da gehat Schuasta". Landesgerichtsrat Zötl, der gerade mit der Herausgabe<br />

der Gedichte Stelzhamers beschäftigt war, veranlaßte Schnopfhagen, die am 20. September<br />

1884 in St. Veit entstandene Melodie einem anderen Gedicht, nämlich dem<br />

„Hoamatgsang", zu unterlegen. Auch mehrere andere Komponisten schufen Melodien<br />

für eben dieses Gedicht. Aber nur Schnopfhagens Weise konnte sich im Endeffekt<br />

durchsetzen.<br />

Das Lied gewann schnell an Popularität, indem es vor allem bei Heimatveranstaltungen<br />

immer wieder als Schlußgesang verwendet wurde. So hieß es etwa bei einem Vortragsabend,<br />

der am 5. April 1936 in Urfahr zu Ehren Stelzhamers gegeben wurde,<br />

beim letzten Programmpunkt: „Hoamatgsang - oberösterreichische Volkshymne, stehend<br />

gesungen von der ganzen Versammlung".<br />

Die oberösterreichische Landeshymne ist somit ein wirklich aus dem Volk entstandenes<br />

Landessymbol; daß es lange dauern würde, bis das auch der Gesetzgeber zur<br />

Kenntnis nahm, wundert den Leser sicher nicht mehr. Aber immerhin:<br />

Am 3. November 1952 beantragte die oberösterreichische Landesregierung aus Anlaß<br />

der 150. Wiederkehr des Geburtstages des oberösterreichischen Mundartdichters<br />

Franz Stelzhamer, den „Hoamatgsang" durch Landesgesetz zur Landeshymne zu bestimmen.<br />

Als Begründung wurde angegeben, das Lied sei längst zum Volkslied geworden,<br />

das bei feierlichen Anlässen als Ausdruck der Verbundenheit der Bevölkerung<br />

mit dem Land Oberösterreich gesungen werde. Aus allen Kreisen der Bevölkerung<br />

komme der Wunsch, das<br />

Lied offiziell zur Landeshymne zu<br />

erklären. Und so geschah es auch<br />

durch Landtagsbeschluß vom 28.<br />

November 1952. Die Publikation<br />

dauerte dann zwar noch fast ein<br />

Jahr (!); sie erfolgte im Landesgesetzblatt<br />

für Oberösterreich 1953,<br />

Nr. 36 vom 15. Oktober 1953.<br />

Aber damals - drei Jahre vor dem<br />

Staatsvertrag - hatte man sicher<br />

andere, wichtigere Probleme. 1<br />

Die oberösterreichische Landeshymne<br />

läßt sich musikalisch als<br />

einfache Weise mit besinnlichem<br />

Volksliedcharakter beschreiben,<br />

die durch einfache Dreiklangsmelodik<br />

und punktierten Rhythmus<br />

bestimmt wird. Durch das Terz-<br />

Sext-Parallel eignet sich die<br />

Hymne sehr gut zum zweistimmigen<br />

Singen.<br />

1 Grasberger, a. a. O., 175 f.<br />

Eichinger, Wilhelm, Zur Geschichte der oberösterreichischen Landeshymne. In: Mühlviertier Heimatblätter,<br />

5/1965, 133-140


327 OBERÖSTERREICH<br />

LANDESPATRON(E) UND LANDESFEIERTAG<br />

Trotz eindeutiger historischer Willensakte staatlicher Autoritäten (Kaiserliches Patent<br />

vom 19. Oktober 1663, siehe S. 316 und Art. 9 der Oberösterreichischen Landesverfassung<br />

1935, siehe oben S. 325) mit welchen der hl. Leopold zum Schutzheiligen<br />

Oberösterreichs proklamiert wurde, findet dieser Heilige als Landespatron keinen ungeteilten<br />

Widerhall in der Bevölkerung, bei den Vertretern der Amtskirche und bei jenen<br />

Politikern, die für solche - in der heutigen Zeit natürlich eher periphere - Fragen<br />

Verständnis aufbringen. Volksfrömmigkeit, aber auch Klerus neigten seit jeher auch<br />

dem hl. Florian, dem einzigen christlichen Märtyrer Österreichs, als Schutzheiligen<br />

zu. So hat etwa eine informelle Umfrage, die im Jahr 1974 vor allem unter Lehrern<br />

durchgeführt wurde, ein Verhältnis von 60:30 für Rorian als Landespatron erbracht. 1<br />

Wie sich aus der am Ende dieses Kapitels genau zitierten Integral-Umfrage ergibt,<br />

sind heutzutage 38 Prozent der Oberösterreicher der Meinung, der hl. Leopold sei<br />

der Landespatron, und 10 Prozent halten den hl. Rorian für den Schutzheiligen des<br />

Landes. Die hohe Zahl der Nennungen für andere Heilige (15 Prozent) und die Zahl<br />

von 39 Prozent „weiß nicht" läßt auf einen hohen Säkularisierungsgrad Oberösterreichs<br />

schließen.<br />

Oberösterreich besitzt insgesamt nur drei dem hl. Leopold geweihte Kirchen - ein<br />

deutliches Zeichen dafür, daß der Schutzheilige im Bewußtsein des Landes nicht voll<br />

verankert ist. Hingegen war die Verehrung des hl. Rorian früher weit verbreitet. Es<br />

sollte freilich bis 1971 (!) dauern, bis dieser Märtyrer zum Schutzpatron der bereits<br />

1783 errichteten Diözese Linz erhoben wurde. Es war der Amtskirche offensichtlich<br />

nicht leicht gefallen, sich aus einem gefühlsmäßigen Gehorsam gegenüber der kaiserlichen<br />

Willenskundgebung aus dem Jahr 1663 zu lösen. Angeblich aufgrund neuerer<br />

Nachforschungen über die geschichtliche Existenz und das Martyrium des hl. Rorian<br />

- in Wirklichkeit wohl aber, um die Eigenständigkeit der Linzer Kirche zu betonen -<br />

wurde der „Landespatron Nr. 2" offizieller Patron des Bistums.<br />

Wer war nun dieser Rorian - oder Rorianus - wirklich? Der ehemalige Stadtpfarrer<br />

von St. Laurenz in Enns, Eberhard Marckhgott, stellt uns den „prominentesten Christen<br />

in der Provinz Ufernorikum" 2 vor.<br />

Rorian war nach den neuesten Erkenntnissen der Geschichtsforschung nicht römischer<br />

Offizier, sondern so etwas wie der „Landesamtsdirektor" von Ufernoricum. Kaiser<br />

Diocletian (284-305) versuchte den Bestand des römischen Imperiums nicht nur<br />

durch zentralistische Verwaltung, sondern auch im Wege einer einheitlichen Staatsreligion<br />

durchzusetzen. Dies richtete sich vor allem gegen das junge Christentum. Die<br />

Christen in der Donauprovinz zwischen Ovilava/Wels und Cetium/St. Pölten wußten<br />

sehr wohl, daß Rorian, der wichtigste Beamte unter Statthalter Aquilinus, ihr Glaubensgenosse<br />

war. Rorian wurde trotz - oder gerade wegen - seines hohen Amtes vor<br />

die Alternative gestellt, dem neuen Glauben abzuschwören oder ins Exil zu gehen.<br />

Wie der aus Westungarn stammende Martin fünfzig Jahre nach ihm entschied sich<br />

auch Rorian für das Christentum und gegen den heidnischen Dienst am römischen<br />

Kaiser. Er ging nach St. Pölten in die Verbannung. Als Rorian jedoch von der brutalen<br />

Verfolgung seiner Glaubensgenossen in Lauriacum/Lorch erfuhr, kehrte er aus<br />

dem Exil zurück. Doch seine Intervention half nichts, im Gegenteil, er wurde selbst<br />

erneut aufgefordert, dem Christentum abzuschwören und den römischen Göttern zu<br />

opfern. Selbst als man ihm die Schulterblätter zerbrach, fügte er sich nicht. Sein ehemaliger<br />

Vorgesetzter verurteilte ihn zum Tod. Von der römischen Straßenbrücke über<br />

1 Dietmar Assmann, Die Schutzheiligen des Landes Oberösterreich. In: Tausend Jahre Oberösterreich.<br />

Katalog zur Landesausstellung. Linz 1983, 307 ff.<br />

2 In: Entschluß 12/1987


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 328<br />

die Enns stürzte man ihn am 4. Mai 304 in den Fluß, nachdem man ihm einen Stein<br />

an den Hals gebunden hatte. Auch die übrigen Christen aus der Region starben den<br />

Märtyrertod. Ihre Überreste, 78 Gebeine, sollen sich in einem am 12. Oktober 1900<br />

am Hauptaltar der Lorcher Basilika entdeckten Steinsarg befinden.<br />

Nach Eberhard Marckhgott ist dies alles nicht Legende, sondern durch das Märtyrerverzeichnis<br />

des Hieronymus und den „Berner Codex" erwiesenes historisches Faktum.<br />

Nur bis ins 5. Jahrhundert bekannte geographische Bezeichnungen und archäologische<br />

Grabungen erhärten die „Passio Floriani et sociorum" in Lauriacum.<br />

Das Grab des Heiligen selbst soll zunächst dort gewesen sein, wo sich heute das Stift<br />

St. Florian befindet. Die Reliquie soll jedoch von den sich 488 nach Rom zurückziehenden<br />

christlichen Romanen mitgeführt worden sein. So soll der Heilige seine nächste<br />

Ruhestätte in der Kirche St. Laurenz vor den Mauern Roms erhalten haben. Im<br />

Jahre 1183 soll der Polenfürst Kasimir die Gebeine mit Zustimmung des Papstes Lucius<br />

III. nach Krakau übergeführt haben, wo sie in der alten Florianskirche ruhen.<br />

Eine kleine Teilreliquie davon wurde schließlich vom heutigen Papst, dem damaligen<br />

Kardinal Karol Wojtyla, nach Wien und von dort nach Lorch überbracht, wo sie am<br />

31. 10. 1968 bei der feierlichen Konsekration des Hauptaltars durch Diözesanbischof<br />

Franz Zauner in den Altarblock eingemauert wurde. Auf diese Weise ist der Heilige<br />

nach langer Abwesenheit symbolisch zu seinen Glaubensgenossen und Mitmärtyrern<br />

heimgekehrt. 1<br />

Trotz historischer Beweisführung ranken sich viele Halbwahrheiten und Legenden um<br />

die meist in Rüstung dargestellte Gestalt Florians, dessen Heiligenattribute die<br />

Fahne, der Mühlstein, der Wassereimer und das brennende Haus sind. 2 Danach war<br />

der heutige „Feuerwehrheilige", der meist beim Löschen eines Brandes dargestellt<br />

wird und so unzählige Feuerwehreinrichtungen, Wohnhäuser und Kirchen schmückt,<br />

um sie vor Unheil zu bewahren, ursprünglich ein in Zeiselmauer geborener Kelte. Der<br />

Mann, der ihn in die Enns stieß, soll sofort darauf erblindet sein. Als Florians Leichnam<br />

vom Fluß an einen Felsen gespült wurde, soll ein Adler schützende Totenwacht<br />

gehalten haben. Wie sogenannte „Florianibründl" bezeugen, galt der Heilige ursprünglich<br />

gar nicht als Brandschützer, sondern vielmehr als Schützer des Wassers<br />

und der Quellen: ein Frühlingsheiliger mit deutlichen Anleihen an einen altheidnischen<br />

Wasser- und Regenkult. So war der hl. Florian eigentlich der Urvater des Umweltschutzes.<br />

Erst viel später, gegen Ende des Mittelalters „wurde das Bachwasser<br />

zum Löschwasser und der Wasserheilige zum Feuerpatron". Aus der häufigen Darstellung<br />

als römischer Beamter oder Offizier mag das Symbol des Helmes stammen,<br />

das zusammen mit dem Wasserschaff den Gedanken des Brandschutzes ergeben haben<br />

mag. So wurde der hl. Florian nicht nur Schutzheiliger der Feuerwehren, sondern<br />

auch der Schmiede, Hafner und Rauchfangkehrer.<br />

St. Florian gehört zu den populärsten Heiligen Österreichs. Sein Bild ist in allen Landesteilen<br />

zu finden. Die berühmte Wendung „O heiliger Sankt Florian/Schütz' unser<br />

Haus, zünd' andere an!" ist freilich wenig schmeichelhaft für unser Volk.<br />

Jedenfalls ist der hl. Florian so etwas wie ein „geheimer Landespatron" von Oberösterreich.<br />

Alljährlich findet am Samstag vor dem Fest des Heiligen am 4. Mai eine<br />

Wallfahrt zu den Gedenkstätten in Lorch und St. Florian statt.<br />

Nach einer Meldung der „Presse" vom 25. 3. 1987 gab es in Oberösterreich eine Diskussion<br />

darüber, ob der hl. Florian (zweiter) Landespatron werden soll oder nicht.<br />

Landesvater Dr. Josef Ratzenböck war dafür, die beiden anderen Landesparteien<br />

1 Karl Rehberger, Zur Verehrung des Hl. Florian im Stift St. Florian. In: Mitteilungen des Oberösterreichischen<br />

Landesarchivs, 11/1974, 85 ff.<br />

2 Paul Kaufmann, Brauchtum in Österreich, a. a. O., 284 f.


329 OBERÖSTERREICH<br />

zeigten ihm aber die kalte Schulter: für die FPÖ stand der ökumenische Gedanke auf<br />

dem Spiel, die SPÖ hielt das Problem nicht für relevant.<br />

Bekanntheit des oberösterreichischen Landespatrons 1993<br />

hl. Leopold hl. Florian andere weiß nicht<br />

bis 29 23 7 13 57<br />

bis 49 49 16 16 22<br />

ab 50 42 7 18 37<br />

Total 38 10 15 39<br />

Quelle: Integral-Telephonumfrage Jänner 1993, n = 168<br />

LANDESFEIERTAG<br />

Der 15. November ist in Oberösterreich nicht allgemein arbeitsfrei, jedoch haben die<br />

Schüler keinen Unterricht.<br />

SONSTIGE SYMBOLE OBERÖSTERREICHS<br />

Wie in Niederösterreich stehen auch in Oberösterreich die landschaftlichen Schönheiten<br />

an der Spitze, wenn man nach den Landessymbolen fragt (Integral-Umfrage<br />

„Symbole für Österreich", 1993, n = 1.000). Das Landeswappen ist mit 9 Prozent im<br />

Bewußtsein der Oberösterreicher verankert. Eine wichtige Rolle spielt die Landeshauptstadt<br />

(17 Prozent), die insbesondere für die Jugend einen großen Symbolwert<br />

besitzt.<br />

Aus der Frühzeit des Landes stammt der berühmte Tassilokelch, den der Baiernherzog<br />

Tassilo III. (742-788) dem von ihm 777 gegründeten Benediktinerkloster Kremsmünster<br />

gestiftet hat. Der Legende nach hat er das Kloster an jener Stelle gegründet,<br />

an der sein Sohn Gunther auf der Jagd von einem Eber getötet wurde. In der Schatzkammer<br />

wird der Tassilokelch aufbewahrt, ein vergoldetes Kupfergefäß, entstanden<br />

769-788, das in Niello-Technik (eingegrabene Abbildungen werden durch Bleimasse<br />

und Gold hervorgehoben) den segnenden Weltheiland zwischen dem Alpha und<br />

Omega sowie die vier Evangelisten und ihre Symbole zeigt. Wahrscheinlich als Hochzeitskelch<br />

für den tapferen Tassilo und seine aus langobardischem Königsgeschlecht<br />

stammende Braut Liutpirg angefertigt, hat der Kelch auch eine politische Bedeutung<br />

- eine Spitze gegen die neuen Frankenkönige und deren Oberhoheit über Bayern. Als<br />

ursprünglich liturgisches Gefäß wird der Tassilokelch heute wieder bei feierlichen Anlässen<br />

als Abendmahlskelch verwendet.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 330<br />

DIE SYMBOLE SALZBURGS<br />

GESCHICHTE SALZBURGS<br />

„LAND UNS'RER VÄTER"<br />

Die Urbevölkerung Salzburgs kann bis in die jüngere Steinzeit (ca. 4.000 v. Chr.)<br />

nachgewiesen werden. Illyrer und Kelten entwickelten den Salzabbau, besonders am<br />

Dürrnberg bei Hallein. Neben dem Salz machten Kupfer- und Goldvorkommen Salzburg<br />

schon in frühgeschichtlicher Zeit zu einem Zentrum regen Handels, der vor<br />

allem über die Rußfolge Salzach - Inn - Donau abgewickelt wurde.<br />

15 v. Chr. besetzten die Römer das Territorium, das einen Teil der Provinz Noricum<br />

bildete. Das ursprünglich keltische Iuvavum wurde Handels- und Verwaltungszentrum.<br />

Die römische Stadt reichte ungefähr vom Sigmundsplatz bis zum Kajetanerplatz.<br />

Ende des 2. Jahrhunderts begann das Christentum in Salzburg Fuß zu fassen.<br />

470 gab es in Iuvavum bereits eine christliche Basilika. Zwischen 500 und 600 standen<br />

Teile des heutigen Landes Salzburg unter slawischer Dominanz (an die „Wenden" erinnern<br />

Ortsnamen wie Göriach, Granitzl etc.). Es folgte die bairische Besiedlung<br />

(Ortsnamen auf -ing, -ham etc.) und eine Durchmischung mit der romanisierten Bevölkerung<br />

(Welsche oder „Walchen"; vgl. die Siedlungsnamen Wals, Straßwalchen<br />

etc.). Um 690 gründete der hl. Rupert, ein Rheinfranke, auf den Ruinen des römischen<br />

Iuvavum das Kloster St. Peter und das Frauenkloster auf dem Nonnberg. 739<br />

erhob der hl. Bonifatius, ein angelsächsischer Benediktiner, der zum „Apostel<br />

Deutschlands" werden sollte, die junge christliche Siedlung zum Bistum. Im selben<br />

Jahr wurde auch Passau durch ihn zum Bischofssitz gemacht. Die erste urkundliche<br />

Erwähnung des Namens Salzburg geht auf das Jahr 755 zurück. Bereits 798 wurde<br />

Salzburg Erzbistum. Es entwickelte sich zu einem der wichtigsten religiösen Zentren<br />

Europas, dem Diözesen wie Regensburg, Passau und Brixen unterstanden und dessen<br />

Missionstätigkeit sich bis nach Südtirol, Kärnten und Ungarn erstreckte.<br />

Der aus Irland stammende hl. Virgil, Bischof von Salzburg zwischen 746/47 und 784,<br />

erbaute den ersten Salzburger Dom, mit Maßen von 33x66 Meter der größte Kirchenbau<br />

nördlich der Alpen. Virgil gründete auch das erste Bildungsinstitut auf österreichischem<br />

Boden: die Domschule von Salzburg, die mit 150 Bänden einen für damalige<br />

Verhältnisse unvorstellbar großen Wissensschatz angesammelt hatte. In der Folge<br />

geriet Virgil mit Bonifatius über Fragen der Kirchendisziplin in Konflikt. Bonifatius,<br />

der für eine enge Bindung an Rom eintrat, klagte Virgil, den für etwas mehr Unabhängigkeit<br />

plädierenden Iro-Schotten, in Rom eines schweren Vergehens an: Virgil<br />

vertrete die Meinung, daß die Erde eine Kugelgestalt habe und daß deshalb auch auf<br />

der anderen Seite des Globus Menschen lebten. Wahrhaftig eine Häresie - noch dazu<br />

800 Jahre vor Kopernikus!<br />

Im Jahre 996 wurde dem Erzbischof von Salzburg das Markt- und Münzrecht verliehen.<br />

Salzburg kann daher mit Fug und Recht als älteste Stadt Österreichs bezeichnet<br />

werden. Um die Dom- und Klosterstadt entstand die Kaufmannssiedlung „Porta",<br />

aus der sich später die heutige Bürgerstadt entwickelte. Eine geschlossene Landeshoheit<br />

bildete sich jedoch erst unter dem aus Schwaben stammenden Erzbischof Eberhard<br />

II. (1200- 1246) heraus, als dieser eine Reihe von Grafschaften hinzuerwarb. Der<br />

Salzabbau am Dürrnberg bei Hallein wurde Ende des 12. Jahrhunderts wieder aufgenommen.<br />

Anfang des 14. Jahrhunderts wurde Salzburg selbständiges Reichsfürstentum. Den


331 SALZBURG<br />

Fürsterzbischöfen gelang es, sich so weit wie möglich aus den zahlreichen Fehden des<br />

Mittelalters herauszuhalten, was zu langen Friedenszeiten und hoher kultureller Blüte<br />

führte. Salzburg wurde auf diese Weise Umschlagplatz zwischen dem europäischen<br />

Westen und Venedig, vor allem für den Tuchhandel. Der Bergbau bildete lange Zeit<br />

die eigentliche Grundlage des Reichtums und der Selbständigkeit der geistlichen Landesherren,<br />

die freilich mit aufständischen Bauern und Bergknappen, den Folgen der<br />

Reformation und dazwischen immer wieder mit bayerischen Usurpationsbestrebungen<br />

zu kämpfen hatten.<br />

Die barocke Macht- und Prachtentfaltung Salzburgs ist untrennbar mit den Namen<br />

dreier Erzbischöfe verbunden: mit Wolf Dietrich von Raitenau (1587-1612), Marcus<br />

Sitticus von Hohenems (1612-1619) und Paris Lodron (1619-1653). Wolf Dietrich<br />

legte den Grundstein zum barocken Dom, zur Residenz und zum Schloß Mirabell;<br />

Marcus Sitticus vollendete beide Werke und erbaute Hellbrunn; Paris Lodron<br />

schließlich gründete die Universität, befestigte die Festung Hohensalzburg und hielt<br />

das Land durch seine kluge Politik aus dem Dreißigjährigen Krieg heraus.<br />

Jahrzehnte gewaltsamer Rekatholisierung gipfelten im Protestantenpatent 1732, das<br />

mehr als 20.000 Bergleute und Bauern („Exulanten") zur Auswanderung zwang -<br />

nach Ostpreußen, Holland und bis Amerika wurden Salzburger Protestanten verstreut.<br />

Rund 2000 herrenlose Bauernhöfe und wirtschaftliche Einbußen waren die<br />

Folge.<br />

Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 teilte alle geistlichen Fürstentümer auf.<br />

Damit verlor auch Erzbischof Colloredo die Herrschaft über Salzburg. Das Land<br />

wurde dem Habsburger Erzherzog Ferdinand von Toskana als Entschädigung für den<br />

Verlust seines Territoriums zugespielt; dieser wiederum trat Salzburg 1805 im Tausch<br />

gegen Würzburg an Österreich ab.<br />

Zwischen 1810 und 1816 gehörte Salzburg zu Bayern, wonach der Rupertiwinkel,<br />

Berchtesgaden und Mühldorf am Inn nicht mehr an Österreich zurückgelangten. Am<br />

1. Mai 1816 wurde Salzburg endgültig Österreich zugeschlagen, hörte damit aber auf,<br />

ein selbständiges Land zu sein. Es wurde als fünfter Kreis des Landes Österreich ob<br />

der Enns verwaltet. Mit kaiserlichem Patent vom 30. Dezember 1849 erhielt das Herzogtum<br />

Salzburg jedoch eine eigene Landesverfassung, wodurch es 1850 endlich selbständiges<br />

Kronland, seit 1861 mit eigenem Landtag, wurde.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Salzburg Bundesland der Republik Österreich. Es<br />

nahm bis zum Ende der Ersten Republik einen starken wirtschaftlichen und kulturellen<br />

Aufschwung (Großglockner-Hochalpenstraße, Salzburger Festspiele). Wie die<br />

meisten anderen Bundesländer war es in der nationalsozialistischen Zeit „Reichsgau"<br />

mit einem Minimum an Selbstverwaltung. 1945 bis 1955 war Salzburg Teil der amerikanischen<br />

Zone, was einen frühzeitigen Aufschwung von Industrie und Fremdenverkehr<br />

mit sich brachte.<br />

In kultureller Hinsicht ist Salzburg seit dem Mittelalter ein bedeutendes Zentrum geblieben.<br />

Viele Landpfarrkirchen konnten ihren gotischen Charakter bewahren. In der<br />

Landeshauptstadt entfalteten sich neben der erwähnten Baukunst vor allem Theater<br />

und Musik. So wurde 1618 in Salzburg die erste italienische Oper in Mitteleuropa<br />

aufgeführt. In die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fällt die Salzburger Schaffensperiode<br />

von Wolfgang Amadeus Mozart. 1818 entstand in Oberndorf das Weihnachtslied<br />

„Stille Nacht". Mit der Hochschule für Musik (dem „Mozarteum", gegründet<br />

1870) und den Salzburger Festspielen (1920) besitzt Salzburg zwei der bedeutendsten<br />

Stätten der Musikpflege und Theaterkunst Österreichs. 1962 wurde die 1810 unter der<br />

Herrschaft Bayerns aufgehobene Universität Salzburg wiederbegründet. Salzburg<br />

zählt zu den Bundesländern mit der ältesten und intensivsten Brauchtumspflege.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 332<br />

DEMOGRAPHISCHE DATEN<br />

Räche: 7.154 km 2<br />

Wohnbevölkerung (Volkszählung 1991): 444.373<br />

Einwohner Stadt Salzburg: 143.978 = 32,4 Prozent<br />

Ausländeranteil: 37.992 = 7,9 Prozent<br />

Agrarquote: 4,5 Prozent<br />

Prozente Landtagswahl 1994: SPÖ 27, ÖVP 39, FPÖ 20,<br />

Liberales <strong>Forum</strong> 6, Bürgerliste 7<br />

LANDES-VERFASSUNGSGESETZ 1945; ARTIKEL 10:<br />

(1) Das Wappen des Landes Salzburg ist das historische Wappen. Es besteht aus<br />

einem gekrönten gespaltenen Schild: rechts in Gold ein aufrechter, nach rechts<br />

gewendeter schwarzer Löwe, links in Rot ein silberner Balken.<br />

(2) Die Farben des Landes Salzburg sind rot-weiß.<br />

(3) Das Landessiegel weist das Landeswappen mit der Umschrift „Land Salzburg"<br />

auf.<br />

LANDESWAPPEN UND LANDESFARBEN<br />

Das Wappen des Landes Salzburg zeigt in einem von Gold und Rot gespaltenen<br />

Schild vorne einen aufgerichteten schwarzen, rotbezungten und -bewehrten Löwen,<br />

hinten einen silbernen Balken. Auf dem Schild ruht der Fürstenhut mit fünflappigem<br />

- die beiden äußeren nur je zur Hälfte - Hermelinstulp samt voller purpurner Haube,<br />

darauf sichtbar drei perlenbesetzte goldene Spangen, inmitten oben der goldene<br />

Reichsapfel. (Vgl. Farbabbildung S. XVI). Der Fürstenhut stellt den Bezug zum Kurfürsten<br />

Ferdinand von Toskana (1803-1805) bzw. zum Herzogtum Salzburg (1806-<br />

1808, 1850-1918) her. Außerdem führte auch schon der eine oder andere Erzbischof<br />

den Fürstenhut, so etwa Sigismund von Schrattenbach (1753-1771), dargestellt auf<br />

der Mariensäule am Domplatz.<br />

Das Wappen ist auf einem Friesacher Pfennig des Erzbischofs Rudolf von Hohenegg<br />

(1284-1290) erstmals nachgewiesen, stand aber erst im 14. Jahrhundert in regelmäßigem<br />

Gebrauch. Entgegen einer seit fast hundert Jahren gängigen Hypothese, die das<br />

Salzburger Wappen vom persönlichen Siegel Herzog Philipps von Kärnten (1246-<br />

1256 Erzbischof von Salzburg) ableitet, geht die Direktorin des Salzburger Landesarchivs,<br />

Dr. Friederike Zaisberger, davon aus, daß der Ursprung des Landeswappens<br />

nicht in den drei Löwen der Kärntner Herzöge Ulrich und Philipp zu suchen ist, sondern<br />

im rotbewehrten schwarzen Löwen in Gold der Staufer. Dieser ist in umgekehrter<br />

Farbgebung ja auch der Urahne des bayerischen Wappenlöwen, da der staufischschwäbische<br />

Löwe 1228 über das Pfalzgrafenamt an die Witteisbacher kam. Dabei ist<br />

von Bedeutung, daß die Staufer höchstwahrscheinlich nicht aus der Schwäbischen<br />

Alb, sondern vielmehr aus dem Gebiet des heutigen Salzburg stammen. Aus einer<br />

Reihe von historischen und topographischen Zusammenhängen und Parallelen läßt<br />

sich nämlich erkennen, daß das Geschlecht der Sieghardinger im 9. Jahrhundert aus<br />

der Gegend am untersten Neckar zunächst in den Wiener Raum gelangt war, sich<br />

aber nach dem Ungarnsturm 906 in das Salzburger Becken zurückgezogen hatte. Auf<br />

zwei Sieghardinger Grafen, Sieghard und Friedrich, die 987 nach Schwaben heirateten,<br />

geht nach diesen Quellen das Geschlecht der Staufer zurück. In der Folge sollten<br />

zwischen Staufern und Babenbergern enge verwandtschaftliche Beziehungen entstehen:<br />

Wie wir wissen, war Agnes, die Gattin Leopolds III., des Heiligen, die Tochter


333 SALZBURG<br />

Kaiser Heinrichs IV. Einer ihrer Söhne war Erzbischof Konrad von Salzburg (1164-<br />

1168). Der deutsche Staufer-Forscher Hansmartin Decker-Hauff vermutet, daß sich<br />

Staufer und Babenberger im 12. Jahrhundert „nahezu als Mitglieder eines Hauses betrachteten".<br />

Es liegt somit der Schluß nahe, daß aus dieser Gedankenwelt das Salzburger<br />

Wappen entstanden ist: die Kombination des schwarzen staufischen Löwen in<br />

Gold (als Erbe der Sieghardinger) mit dem rot-weiß-roten Bindenschild der Babenberger.<br />

Eine vollständige Gewißheit über die Tingierung (Farbgebung) der frühesten<br />

Wappen wird es jedoch kaum je geben können, da bis zum Ende des 13. Jahrhunderts<br />

alle Wappendarstellungen nur durch einfarbige Siegel oder Münzen überliefert sind. 1<br />

Die erste farbige Abbildung des Salzburger Wappens, die uns überliefert ist, findet<br />

sich in der um 1340 entstandenen Züricher Wappenrolle. Nach den Bannern der Kurfürsten<br />

von Köln, Mainz und Trier steht an vierter Stelle die Fahne des militärischen<br />

Aufgebots, das der Salzburger Erzbischof als Reichsfürst für das Reichsheer zu stellen<br />

hatte. Im Botenbuch der Bruderschaft St. Christoph auf dem Arlberg (um 1400) wird<br />

der Salzburger Löwe zum ersten Mal nach rechts steigend und rotbewehrt dargestellt.<br />

Zunächst wurde das Wappen der Salzburger Erzbischöfe mit einer bischöflichen<br />

Mitra bekrönt. Unter dem in Salzburg bewußt gepflegten italienischen Einfluß trat zu<br />

Beginn der Neuzeit der Kardinalshut bzw. Legatenhut an die Stelle der Mitra. Darin<br />

drückt sich auch der Übergang vom religiös bestimmten Denken des Mittelalters zu<br />

den stärker weltlich bestimmten Anschauungen der neuzeitlichen Kirchenfiirsten<br />

Salzburgs aus. Um 1700 trat schließlich der bis heute übliche Fürstenhut als Schildbekrönung<br />

auf, nicht selten in Kombination mit dem Legatenhut neben Bischofsstab<br />

und Schwert, den Symbolen geistlicher und weltlicher Macht.<br />

Die wechselnden Besitzverhältnisse und staatsrechtlichen Beziehungen Salzburgs zu<br />

Österreich und Bayern im Verlauf des 19. Jahrhunderts fanden natürlich auch ihren<br />

heraldischen Niederschlag, auf den hier im einzelnen nicht eingegangen werden soll.<br />

Die Entwicklung zum selbständigen Kronland (und später Bundesland) wurde in heraldischer<br />

Hinsicht durch Artikel I § 4 der Landesverfassung von 1849/50 dokumentiert,<br />

wo es lakonisch heißt:<br />

Das Herzogthum Salzburg behält sein bisheriges Wappen und die Landesfarben.<br />

Das Wappen Salzburgs als eines Bundeslandes der Republik Österreich wurde durch<br />

das Landesverfassungsgesetz vom 16.2. 1921, LGB1. Nr. 58/1921 dekretiert, seine<br />

Führung durch ein Gesetz vom 4. Dezember 1923 geregelt. Salzburg hat schon sehr<br />

früh neben der hoheitlichen „Führung" des Landeswappens die allgemeine „Verwendung"<br />

desselben in würdiger Form für Zwecke der Heimatkunde oder der Kennzeichnung<br />

von für Stadt und Land Salzburg typischen Waren gestattet.<br />

Eine in heraldischer Hinsicht etwas kuriose Phase war die Zeit von 1943 bis 1945, in<br />

welcher Salzburg ein Gau „Großdeutschlands" war. Wie in den anderen damals als<br />

„Reichsgaue" bezeichneten Bundesländern bestand auch in Salzburg die Bestrebung,<br />

für die Gauselbstverwaltung das traditionelle Landeswappen - wenn auch ohne Bekrönung<br />

- weiterzuführen. Daneben gab es aber Tendenzen, dem Wappen entweder<br />

den auf die erstmals im 18. Jahrhundert auftretende Spottgeschichte vom „Salzburger<br />

Stierwaschen" zurückgehenden Stier oder den nationalsozialistischen Reichsadler<br />

oder auch ein von Lorbeer umgebenes Reichsschwert als Zier aufzusetzen. Wie schon<br />

öfters im österreichischen Wappenwesen (man denke an die Pläne Karl Renners,<br />

1918 je zwei goldene Ähren und rote Hämmer über einem schwarzen Turm als Wap-<br />

1 Friederike Zaisberger, Das Salzburger Landeswappen. Vom geistlichen Fürstentum zum österreichischen<br />

Bundesland. In: Bericht über den XVIII. Internationalen Kongreß für Genealogie und Heraldik,<br />

Innsbruck, 5.-9. September 1988, 511 ff.<br />

Friederike Zaisberger/Nikolaus Pfeiffer, Salzburger Gemeindewappen. Salzburg 1985, 14


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 334<br />

pen Deutschösterreichs einzuführen) setzte sich die heraldische Tradition durch: Der<br />

„Reichsgau" Salzburg erhielt am 24. Juni 1942 ein Wappen, das sich nur in kleinen<br />

Details der von Rudolf Klement geschaffenen Darstellung des Löwen vom bis dahin<br />

verwendeten Landeswappen unterschied: das Löwenantjitz war „wehrhafter" gestaltet,<br />

mit deutlich sichtbaren Zähnen und einem angriffslustig blickenden Auge - kein<br />

Wunder, die Blüte der Jugend Salzburgs stand mitten im Zweiten Weltkrieg; im Februar<br />

war der deutsche Vormarsch in Nordafrika bei Tobruk ins Stocken gekommen,<br />

im Osten kündigte sich die Sommeroffensive gegen Stalingrad an.<br />

Mit dem Landesverfassungsgesetz 1945, LGB1. 1947 Nr. 1, wurde das Landeswappen<br />

in der Form des Jahres 1921 wieder eingeführt. Dem entspricht die Blasonierung des<br />

Wappens in Artikel 10 der geltenden Salzburger Landesverfassung.<br />

Obwohl der Schutz des Landeswappens durch eine eigene Rechtsvorschrift (Landeswappengesetz<br />

1954, LGB1. 49) schon vor dem Staatsvertrag gewährleistet war, fehlte<br />

doch jahrzehntelang eine verbindliche Abbildung, insbesondere über das Aussehen<br />

des Fürstenhutes, da in der Verfassung ja nur von einem „gekrönten" Schild die Rede<br />

ist. Es ist das Verdienst von Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer, daß durch das<br />

Salzburger Landeswappengesetz vom 7. 7. 1989 (LGB1. 1989/89) nicht nur Führung<br />

und Verwendung, Verleihung und Schutz des Wappens genau geregelt wurden, sondern<br />

erstmals auch verbindliche bildliche Darstellungen geschaffen wurden. Die heraldisch<br />

perfekte schwarzweiße und farbige Abbildung im Landesgesetzblatt stützt<br />

sich auf die Arbeiten Friederike Zaisbergers und des Restaurators Nikolaus Pfeiffer,<br />

aus dessen Hand die farbige Wappenzeichnung stammt.<br />

Das genannte Gesetz regelt die offizielle Praxis der Wappenführung, liberalisiert aber<br />

auch seine Verwendung zur Hebung des Landesbewußtseins weiter, zum Beispiel in<br />

Form von Abzeichen oder Erinnerungsgegenständen. Mißbrauch wird unter Strafe<br />

gestellt. Neben den Dienststellen des Landes, verschiedenen Landeskammern und<br />

Landesverbänden wurden u. a. die Tourismus Ges. m. b.H, der Nationalpark Hohe<br />

Tauern und der Salzburger Landesfeuerwehrverband ermächtigt, das Landeswappen<br />

zu führen.<br />

Für „hervorragende, im besonderen Interesse des Landes gelegene Leistungen" kann<br />

das Landeswappen physischen oder juristischen Personen als Auszeichnung verliehen<br />

werden.<br />

Offizielle Drucksorten, Stempel und Siegel waren bis zum 31. Dezember 1991 auf das<br />

neue Wappenbild umzustellen. Damit erhielt Salzburg spät aber doch ein sehr modernes<br />

Wappenrecht. Die Landespresse begrüßte dies; sie qualifizierte den Übergang<br />

von der vordem gebräuchlichen barockisierend-geschwungenen Schildausführung auf<br />

die einfache Wappenform als Ausdruck von „Geradlinigkeit", während ihr der Löwe<br />

nunmehr „sichtlich bissiger" vorkam. 1<br />

LANDESFARBEN<br />

Die Farben des Landes Salzburg sind Rot-Weiß.<br />

Von Problemen bei der Anordnung der beiden Farben ist dem Verfasser nichts bekannt<br />

geworden. Hingegen verweist Friederike Zaisberger auf eine Publikation aus<br />

dem Jahre 1935, in welcher die Landesflagge mit „rot-weiß, von schwarz-gelben<br />

Halbrauten eingesäumt" umschrieben wird. Die heutige Praxis weiß davon nichts,<br />

vielmehr verwenden die Salzburger Landesbehörden als Dienstflagge die Farben Rot-<br />

Weiß im Format 2:3, wobei das Landeswappen harmonisch im Mittelfeld angeordnet<br />

ist.<br />

Salzburger Nachrichten, 6. 10. 1989, 21


335 SALZBURG<br />

LANDESHYMNE<br />

Die Einführung der Salzburger Landeshymne „Land uns'rer Väter" geht auf einen<br />

Beschluß des Landtages vom 24. Mai 1928 zurück. Zehn Jahre nach Gründung der<br />

Republik gab sich das Bundesland Salzburg - so wie später Burgenland und Niederösterreich<br />

- eine von Fachleuten ausgewählte Hymne. Als ihr Initiator gilt der christlichsoziale<br />

Politiker Franz Rehrl (1890-1947). Der Jurist Dr. Franz Rehrl war Landeshauptmann<br />

von Salzburg in den Jahren 1922-1938, also während des größten<br />

Teils der Ersten Republik und des Ständestaates.<br />

Der Text stammt aus der Feder des Religionslehrers und Dichters Kanonikus Anton<br />

Pichler (1874-1943) aus Salzburg, die Melodie schuf der Dirigent der Salzburger Liedertafel,<br />

Ernst Sompek (1876-1954), ein bekannter Salzburger Komponist, der hauptsächlich<br />

durch heitere Kompositionen und Werke für Männerchor hervorgetreten ist.<br />

Der Entwurf zur Hymne wurde am 15. Mai 1928 dem Landeshauptmann und den<br />

Mitgliedern des Salzburger Landtags in der Knabenschule St. Andrä vorgestellt. Die<br />

Hymne wurde vom Schülerchor unter der Leitung des Schuldirektors Laimböck gesungen,<br />

der Vortrag wurde durch den Komponisten am Klavier begleitet. Anschließend<br />

spielte die Musikkapelle der Alpenjäger, die im Hof Aufstellung genommen<br />

hatte, unter der Leitung von Kapellmeister Hüttisch eine Instrumentalversion. Danach<br />

wurde die Hymne noch einmal vom Schülerchor gesungen. Der Vorführung war<br />

ein durchschlagender Erfolg beschieden: die Abgeordneten gratulierten den Schöpfern<br />

des Liedes zu ihrem Werk.<br />

Zwei Wochen später nahm der Landtag folgenden Antrag des Verwaltungsausschusses<br />

einstimmig an:<br />

1. Die von den Herren Bürgerschuldirektoren Pichler und Sompek in Text gesetzte<br />

und vertonte Hymne wird als Salzburger Landeshymne erklärt.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 336<br />

2. Den genannten Herren wird der Dank des Landtages für ihre Bemühungen<br />

ausgesprochen.<br />

3. Die Landesregierung wird beauftragt, diesen Herren den Dank schriftlich zu<br />

übermitteln, weiter dafür Sorge zu tragen, daß die Hymne in den Schulen im<br />

Lande geübt und bei allen feierlichen Anlässen, die das Land betreffen, vorgetragen<br />

werde. Auch ist dafür zu sorgen, daß die Hymne in den weitesten Kreisen der<br />

Bevölkerung Eingang finde.1 Der Text der Hymne enthält eine topographisch und sozial ausgeglichen<br />

schreibung, wie sie auch die geltende Bundeshymne „Land der Berge, Land am<br />

Strome" unternimmt. Sie versäumt nicht, auf die Strahlkraft der Landeshauptstadt<br />

und ihres größten Sohnes Wolfgang Amadeus Mozart einzugehen. Die ihr Pathos<br />

dennoch nicht übertreibende Landeshymne beendet ihre dritte und letzte Strophe mit<br />

einer theistisch gefärbten Bitte um den Schutz Gottes für das Land, die allen Ländern<br />

der Welt überlegene Scholle der Väter.<br />

Das Lied im langsamen 4/4-Takt mit dem feierlich punktierten Rhythmus und den<br />

häufigen Wiederholungen eignet sich durch seinen großen Tonumfang (a-d") und die<br />

eher schwer singbare chromatische Verzierung in der letzten Zeile mehr zum instrumentalen<br />

als zum vokalen Vortrag.<br />

LANDESPATRON UND LANDESFEIERTAG<br />

Landespatron Salzburgs ist der hl. Rupert (auch Hruodpert und Ruodpert, „der<br />

Ruhmglänzende"). Rupert wurde um 650 in der Gegend um Worms am Rhein wahrscheinlich<br />

als Sproß eines begüterten fränkischen Adelsgeschlechts geboren. Nach anderer<br />

Auffassung war er ein iro-schottischer Missionar wie viele vor und nach ihm. Er<br />

starb vermutlich am Ostersonntag, dem 27. März 718, in Worms. Seine Gebeine wurden<br />

später nach Salzburg zurückgebracht.<br />

Ob Rupert bereits Bischof von Worms war, ehe er aufbrach, die Alpenländer zu missionieren,<br />

ist nicht verbürgt. Er kam Ende des 7. Jahrhunderts nach Salzburg; vielleicht<br />

folgte er einem Ruf des Bayernherzogs Theoto II. (696-718). Nach ehrenvoller<br />

Aufnahme in Regensburg und Missionsarbeit bei den teilweise noch heidnischen Baiern<br />

versuchte Rupert, die Awaren zu bekehren. Dabei fuhr er auf der Donau bis<br />

Lorch, kehrte jedoch bald nach Seekirchen am Wallersee zurück. 696 gründete er auf<br />

den Resten der weitgehend zerstörten Römersiedlung Iuvavum das Kloster St. Peter,<br />

das älteste Österreichs, nach der Regel des Benedikt von Nursia (529, Monte Cassino).<br />

Erste Äbtissin des ebenfalls von Rupert begründeten Frauenklosters auf dem<br />

Nonnberg - das erste Frauenkloster in den Alpen - wurde seine Nichte Ehrentrudis<br />

(Ehrentraud), die um 718 in Salzburg starb. Das Fest der Heiligen wird am 30. Juni<br />

gefeiert.<br />

Vom genannten Bayernherzog erhielt Rupert das Privileg der Salzgewinnung in<br />

„Hala", dem „reichen Hall", also im heutigen Bad Reichenhall. Der Transport des<br />

Salzes erfolgte zumeist auf dem Wasserweg, eine Erklärung dafür, daß sich der frühere<br />

Flußname „Ivarus" zu „Salzach" änderte. Deshalb wird auch der hl. Rupert zumeist<br />

mit einem Salzkübel („Salzkufe") dargestellt. Er gilt auch als Schutzheiliger der<br />

Salinenarbeiter.<br />

Am 24. September 784, anläßlich der Weihe des von seinem Nachfolger Virgil erbauten<br />

Domes, wurden Ruperts Gebeine im neuen Gotteshaus zur endgültigen Ruhe bestattet.<br />

Am 15. November 1676 erklärte Erzbischof Max Gandolf den hl. Rupert offiziell<br />

zum Landespatron von Salzburg.<br />

Grasberger, Hymnen Österreichs, a. a. O., 180


337 STEIERMARK<br />

Der 24. September wird in Salzburg als „Herbstruperti" feierlich begangen und gilt<br />

als Salzburger Landesfeiertag. Schulen und Landesbehörden haben frei und auch<br />

viele Geschäfte halten geschlossen. 1<br />

Bekanntheit des Salzburger Landespatrons 1993<br />

hl. Rupert andere weiß nicht<br />

bis 29 35 5 60<br />

bis 49 86 10 5<br />

ab 50 65 15 20<br />

Total 62 10 28<br />

Quelle: Integral-Telephonumfrage Jänner 1993, n = 61<br />

SONSTIGE SYMBOLE SALZBURGS<br />

Es wird nicht weiter verwundern, wenn auf die (offene) Frage nach den Symbolen<br />

Salzburgs die Nennung des Landeswappens (3 Prozent) gegenüber den Schönheiten<br />

der Landschaft (26 Prozent) und der Rolle Mozarts als „Landesgenius" (10 Prozent)<br />

in den Hintergrund tritt (Integral-Umfrage „Symbole für Österreich", 1993,<br />

n= 1.000).<br />

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), der sich 1777 - nach fünf Jahren als Konzertmeister<br />

der Hofkapelle von Erzbischof Colloredo - aus Salzburg zurückzog, ist<br />

und bleibt der kardinale Punkt im Image seiner Vaterstadt und des Landes Salzburg -<br />

selbst wenn er in seiner Bedeutung beinahe schon durch die Mozartkugel übertroffen<br />

worden zu sein scheint.<br />

DIE SYMBOLE DER STEIERMARK<br />

GESCHICHTE DER STEIERMARK<br />

Die ältesten Spuren menschlicher Siedlungen auf dem Gebiet der heutigen Steiermark<br />

reichen in die Ältere Steinzeit zurück. So wurden etwa in der Drachenhöhle bei<br />

Mixnitz neben Hunderten Tonnen Knochen und Zähnen von Höhlenbären auch<br />

Steinwerkzeuge und Feuerstellen von Höhlenbärenjägern gefunden.<br />

Im 4. vorchristlichen Jahrhundert überzogen keltische Stämme das Gebiet der heutigen<br />

Steiermark. Zur Römerzeit gehörten die steirischen Gebiete zum größten Teil zur<br />

Provinz Noricum, einige Landstriche der ehemaligen Untersteiermark (um Pettau/<br />

Ptuj) waren Teil der Provinz Pannonien. Der Schwerpunkt der Provinz Noricum lag<br />

aber in Kärnten (Magdalensberg). Auf dem Boden der heutigen Steiermark entstand<br />

nur eine römische Zivilstadt, nämlich Flavia Solva beim heutigen Leibnitz.<br />

1 Kaufmann, Brauchtum in Österreich, a. a. O., 301 f.<br />

Johannes Neuhardt, Eine neue Epoche der Glaubensverkündigung. Rupert und Virgil. In: Entschluß<br />

12/1987


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 338<br />

Als die Römer Pannonien verloren, war der steirische Raum ungeschütztes Grenzgebiet<br />

gegen aus dem Osten eindringende Völker. Flavia Solva wurde bald nach 400 zerstört.<br />

Unter dem Druck der Awaren drangen alpenslawische Stämme - die Vorfahren<br />

der Slowenen - in die Ostalpentäler ein. Sie errichteten das Fürstentum Karantanien,<br />

das Mitte des 8. Jahrhunderts unter die Oberhoheit der Baiern kam. In dieser Zeit begann<br />

die Christianisierung der Steiermark. Nach seinem Sieg über die Awaren errichtete<br />

Karl der Große die Karolingischen Marken, was eine weitere bairische Siedlungswelle<br />

auslöste. Ausgangspunkte der damit verbundenen christlichen Missionierung<br />

waren im Norden Salzburg und südlich der Drau Aquileia. Nach der Schlacht am<br />

Lechfeld, bei der die Ungarn endgültig besiegt wurden, erstreckten sich die Herzogtümer<br />

Bayern und Kärnten mit den obersteirischen Grafschaften und drei Marken über<br />

steirisches Gebiet: die Mark an der mittleren Mur („Kärntner Mark", das Kerngebiet<br />

der heutigen Steiermark), die Mark an der Drau und die Mark an der Sann.<br />

Als Herrschaftszentrum der Kärntner Mark diente zunächst die Hengistburg, wahrscheinlich<br />

auf dem Wildoner Schloßberg, südlich der Mündung der Kainach in die<br />

Mur gelegen. Die Eppensteiner, Nachfahren des ersten Markgrafen mit dem - zufällig<br />

- passenden Namen Markwart (vor 970 bis ca. 995), hatten ihren Sitz ursprünglich<br />

in Judenburg. Zeitweise sogar Amtsinhaber der Mark Verona, stellten sie auch Kärntner<br />

Herzöge, bis ihr Geschlecht 1122 erlosch.<br />

Graf Otakar I. (Markgraf vor 1056 bis ca. 1075) hatte seinen Hauptbesitz im Traungau<br />

und seine Stammburg in Steyr. So erhielt das werdende Land den Namen „Marchia<br />

Styriae", „Steiermark" bzw. die volkstümlichen Bezeichnungen „Steier" und „Steierland".<br />

(„Traungauer" oder „Otakare" wurden die Markgrafen von Steyr später von<br />

der Geschichtsforschung genannt.) Markgraf Otakar III. (1129-64) gilt als eigentlicher<br />

Begründer des steirischen Landesfürstentums. Er konnte die Mark weit nach<br />

Norden (Gebiet Pitten und späteres Wiener Neustadt) und Süden (Marburg) ausdehnen.<br />

Otakar III. legte die Semmeringstraße an und errichtete 1160 am südlichen Fuß<br />

des Passes ein Hospiz. Er wählte den Panther zum Wappentier der Steiermark und<br />

gründete Fürstenfeld. Unter seiner Herrschaft entwickelte sich Graz zum politischen,<br />

wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum der grünen Mark. Der Name „Graz" kommt<br />

von der slowenischen Bezeichnung für die Burg auf dem Schloßberg „gradec". Die<br />

uns von manchen alten Stichen geläufige Schreibweise „Grätz" stellt übrigens keine<br />

zweite Wortform dar; mit dem Buchstaben „ä" sollte vielmehr nur ausgedrückt werden,<br />

daß das „a" in „Graz" offen und hell zu sprechen sei.<br />

1180 wurde die Mark von Bayern getrennt und von Kaiser Friedrich Barbarossa zum<br />

selbständigen Herzogtum erhoben.<br />

Am 17. August 1186 wurde auf dem St. Georgsberg (heute Georgenberg) bei Enns<br />

zwischen dem kinderlosen, vom unheilbaren Aussatz befallenen Herzog Otakar IV.<br />

und dem Babenberger Leopold V. ein Erbvertrag geschlossen, welcher den Babenbergern<br />

die Nachfolge, den steirischen Ständen aber ihre erworbenen Rechte auf Dauer<br />

sicherte („Georgenberger Handfeste", die „Magna Charta" der steirischen Ministerialen).<br />

1192 fiel dann die Steiermark gemäß dem Vertrag an die Babenberger, behielt<br />

aber ihre Selbständigkeit. Damit ist die Steiermark das erste der heutigen Bundesländer,<br />

das sich mit dem österreichischen Kernland vereinigte.<br />

Die Herrschaft Pfemysl Ottokars II. blieb eine Episode: im Wiener Frieden 1276<br />

mußte er die Steiermark abtreten, die schließlich 1282 an Albrecht I. von Habsburg<br />

gelangte. An der Wende zum 15. Jahrhundert wurde die Steiermark zum Kernland<br />

von Innerösterreich, dem neben der „ehernen Mark" auch Kärnten, Krain und Triest<br />

angehörten. Fast zwei Jahrhunderte - zwischen 1564 und 1748 - spielte der Staat Innerösterreich<br />

politisch und kulturell eine bedeutende Rolle, was auch dadurch zum<br />

Ausdruck kommt, daß Graz bis 1619 Residenzstadt war.


339 STEIERMARK<br />

Unter den Ungarn- und Türkeneinfällen litt besonders der südliche und östliche Teil<br />

der Steiermark. Von Graz aus wurde die sogenannte „Militärgrenze" in Kroatien aufgebaut:<br />

die Ansiedlung von Wehrbauern und der Festungsgürtel zum Schutz gegen<br />

die Türken wurden vor allem mit in der Steiermark aufgebrachten Geldmitteln finanziert.<br />

Die mit der Reformation verbundenen Glaubenskämpfe verschonten auch die Steiermark<br />

nicht. Zusammen mit anderen Glaubensbrüdern mußte etwa Johannes Kepler<br />

1600 Graz verlassen. Unter Maria Theresia verloren die Landstände eines ihrer letzten<br />

Rechte, das der Steuerbewilligung. 1749 wurden Kreisämter geschaffen, womit die<br />

jahrhundertealte Grundherrschaft ausgehöhlt wurde. Unter Joseph IL wurden in der<br />

Steiermark 32 Klöster aufgehoben. Leopold IL machte einige Maßnahmen seines<br />

Bruders wieder rückgängig; so kehrte auch der nach Wien verbrachte steirische Herzogshut<br />

wieder nach Graz zurück.<br />

1797 und 1805 besetzten die Franzosen das Land. Obwohl vom Feind unbesiegt,<br />

mußte nach dem Frieden von Schönbrunn 1809 die Festung auf dem Grazer Schloßberg<br />

geschleift werden. Glocken- und Uhrturm wurden von der Grazer Bürgerschaft<br />

ausgelöst und blieben so erhalten.<br />

Bis zum heutigen Tag mit der Geschichte der Steiermark untrennbar verbunden ist<br />

die Person Erzherzog Johanns (1782-1859). Ursprünglich auf Tirol konzentriert,<br />

wandte sich der Enkel Maria Theresias nach 1809 der Steiermark zu. Er gründete das<br />

Grazer Joanneum, betrieb Musterlandwirtschaften, führte rheinische Reben in der<br />

Südsteiermark ein und baute die Eisenindustrie nach englischen Vorbildern aus. Am<br />

Erzberg, von welchem die Bezeichnung der Steiermark als der „ehernen" oder „eisernen"<br />

Mark stammt, war ja wahrscheinlich schon von Kelten und Römern Eisenabbau<br />

betrieben worden. Daraus hatte sich im Laufe der Jahrhunderte ein wichtiger Wirtschaftszweig<br />

entwickelt, der erst durch den Wegfall der Absatzmärkte der Monarchie<br />

nach dem Ersten Weltkrieg in Schwierigkeiten kam.<br />

Erzherzog Johann förderte auch die steirische Volkskultur, insbesondere Volkslied<br />

und Volkstracht. Nach seiner Heirat mit der Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl<br />

wurde der „steirische Prinz" bereits zu Lebzeiten zu einer verehrten volkstümlichen<br />

Gestalt. Während der Revolution 1848 wurde Johann kurzzeitig Regent in Wien, danach<br />

Reichsverweser in Frankfurt, legte dieses Amt jedoch 1849 nieder und wirkte<br />

noch ein Jahrzehnt in seiner Wahlheimat Steiermark.<br />

Die Jahrzehnte bis zum Ersten Weltkrieg waren die Blütezeit des liberalen und später<br />

deutschnationalen Bürgertums. Der verlorene Krieg bedeutete für die Steiermark<br />

einen empfindlichen Gebietsverlust: die gesamte Untersteiermark ging 1919 an den<br />

neuen jugoslawischen Staat verloren. Damit fiel unter anderem auch die direkte<br />

Bahnverbindung über Marburg/ Maribor nach Klagenfurt weg.<br />

Hunger, Arbeitslosigkeit und Inflation trugen das Ihre zur Radikalisierung der Politik<br />

in der Ersten Republik bei. Die Situation als Grenzland hatte in der Steiermark schon<br />

früh eine relativ starke, autochthone deutschnationale Bewegung hervorgebracht. Unmittelbar<br />

vor dem „Anschluß" führte dies 1938 zu intensiver nationalsozialistischer<br />

Propagandaentfaltung in der Steiermark, was der Stadt Graz den Titel „Stadt der<br />

Volkserhebung" einbrachte. Als „Reichsgau" erhielt die Steiermark unter der NS-<br />

Herrschaft das südliche Burgenland dazu, mußte aber das Ausseerland an „Oberdonau"<br />

abgeben.<br />

1941 wurde die Untersteiermark unter die kommissarische Verwaltung durch den<br />

Gauleiter des „Reichsgaus" Steiermark gestellt. Die darauf einsetzende Germanisierungspolitik<br />

des Deutschen Reiches sollte für die deutschsprachige Minderheit der<br />

Untersteiermark nach Kriegsende furchtbare Folgen haben. In den letzten Wochen<br />

des Zweiten Weltkrieges, der auch in den steirischen Industriegebieten starke Zerstö-


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 340<br />

rungen durch Bombenangriffe mit sich gebracht hatte, wurde die Steiermark im Osten<br />

zum Kampfgebiet zwischen deutschen Truppen und der Roten Armee, um nach dem<br />

8. Mai 1945 auch noch Aufmarschgebiet von Briten, Amerikanern, Bulgaren und<br />

Tito-Partisanen zu sein. Mit dem Zonenvertrag vom 24. Juli 1945 begann die zehnjährige<br />

Besetzung durch britische Truppen.<br />

Die Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit war durch die starke Persönlichkeit von Landeshauptmann<br />

Josef Krainer sen. (im Amt 1948-1971) geprägt, dessen Sohn heute<br />

sein Erbe fortführt. Ähnlich den anderen östlichen Bundesländern, die unter sowjetischer<br />

Besatzung an der toten Grenze lagen, konnte die Steiermark infolge ihrer Randlage<br />

nur mühsam wirtschaftlich aufholen. Als dies schon beinahe gelungen schien, geriet<br />

die gesamte steirische Schwerindustrie in den Sog der großen internationalen<br />

Kräfteverschiebungen auf dem Eisen-, Stahl- und Fahrzeugsektor. Mühsame Umstrukturierungsprozesse<br />

waren die Folge, die bis heute noch nicht ganz bewältigt sind.<br />

Auf dem kulturellen Sektor hingegen konnten sich Graz und die Steiermark mit zahlreichen<br />

literarischen und musikalischen Initiativen sowie mutigen Aktionen auf dem<br />

Gebiet der bildenden Künste einen Spitzenplatz in Österreich sichern.<br />

DEMOGRAPHISCHE DATEN<br />

Räche: 16.388 km 2<br />

Wohnbevölkerung (Volkszählung 1991): 1,154.452<br />

Einwohner Graz: 237.810 = 20,6 Prozent<br />

Ausländeranteil: 30.268 = 2,6 Prozent<br />

Agrarquote: 7,6 Prozent<br />

Prozente Landtagswahl 1991: SPÖ 35, ÖVP 44, FPÖ 15,<br />

GAL 3, Grüne 2<br />

LANDES-VERFASSUNGSGESETZ 1960; PARAGRAPH 6:<br />

(1) Die Farben des Landes sind weiß-grün.<br />

(2) Das Wappen des Landes ist in grünem Schild der rotgehörnte und gewaffnete<br />

silberne Panther, der aus dem Rachen Flammen hervorstößt. Der Wappenschild<br />

trägt den historischen Hut.<br />

(3) Das Recht zur Führung des Landeswappens steht den öffentlichen Behörden<br />

und Ämtern des Landes Steiermark sowie jenen physischen und juristischen Personen<br />

zu, die es bisher auf gesetzmäßigem Weg erworben haben. Neubewilligungen<br />

zur Führung des steirischen Landeswappens können nur von der Steiermärkischen<br />

Landesregierung erteilt werden, die auch nötigenfalls dieses Recht aberkennen<br />

kann.<br />

(4) Das Landessiegel enthält den Wappenschild mit dem historischen Hut und die<br />

Umschrift „Land Steiermark Republik Österreich".<br />

LANDESWAPPEN UND LANDESFARBEN<br />

Das Landeswappen der Steiermark ist in grünem Schild ein silberner, rotgehörnter<br />

und rotbewehrter Panther, der aus dem Rachen Rammen hervorstößt. Der Wappenschild<br />

trägt den steirischen Herzogshut (vgl. Farbabbildung S. XIV).<br />

Das Wappentier der Steiermark ist seit seiner Einführung am Ende des 13. Jahrhunderts<br />

zum quasi lebenden Symbol steirischer Eigenständigkeit geworden. Mit Ausnahme<br />

vielleicht des Tiroler Adlers kommt ihm kein Wappen der österreichischen<br />

Bundesländer an identitätsstiftender Wirkung gleich.


341 STEIERMARK<br />

Bereits im Jahre 1162, Jahrzehnte, bevor die Babenberger den Adler zu ihrem Familienwappen<br />

erwählten und auf ihren langgestreckten, gelappten „Gonfanon" setzten,<br />

erscheint auf einem Siegel des Grafen Philipp von Flandern der flandrische Löwe auf<br />

einer Fahne in Form eines hochgestellten, ungelappten Rechtecks.<br />

Zusammen mit den deutschen Fürsten schuf sich auch Otakar III., Markgraf in Steier,<br />

Siegel, Wappen und Feldzeichen. Ursprünglich führte er ein einfaches Heroldsbild,<br />

einen Schräglinksbalken in mit Ballen belegtem bordiertem Schild. Später jedoch<br />

wählte sich Otakar - nach Ansicht der zuständigen Historiker im vollen Bewußtsein<br />

des Symbolgehalts - den Panther als Wappen- und Siegelbild. Auf Urkunden ist dieser<br />

Siegelabdruck erstmals 1160 belegt. 1180, mit der Erhebung der Steiermark zum<br />

Herzogtum, ging das Traungauer Familienwappen auf das Land über. Otakar war<br />

aber nicht der einzige, der sich für den Panther entschied; auch die aus Rheinfranken<br />

stammenden Spanheimer, zeitweilig Herzöge von Kärnten, führten ursprünglich den<br />

Panther im Wappen, wie wir aus der Geschichte des Kärntner Wappens (s. d.) wissen.<br />

Durch den Übergang ihres Besitzes an die Herzöge von Niederbayern kam der Panther<br />

auch ins bayerische Wappen. Noch heute zeigt das große Staatswappen des Freistaates<br />

Bayern blau in Silber im dritten Feld den heraldischen Panther. Bayern ist unserer<br />

Kenntnis nach das einzige Staatswesen, das neben der Steiermark dieses Fabeltier<br />

im Wappen führt. 1 Es wäre reizvoll, die mannigfachen geistigen, politischen und<br />

auch wirtschaftlichen Bindungen zwischen der Steiermark und Bayern - von der ersten<br />

Christianisierung bis zur Achse Josef Krainer sen./Franz Josef Strauß - näher zu<br />

analysieren oder auch die sehr eigenständige Politik zu reflektieren, die die großen<br />

Bundesländer jeweils im Süden Deutschlands und Österreichs betreiben - nicht immer<br />

zur Freude der Bundespolitik.<br />

Heinrich Purkarthofer geht davon aus, daß Markgraf Otakar III. den mit dem Panther<br />

verbundenen christlichen Symbolgehalt sehr genau kannte, als er sich für dieses Wappentier<br />

entschied. Otakar war mit den geistigen Strömungen seiner Zeit vertraut: ihm<br />

waren religiöse und künstlerische Erwägungen, die im Mittelalter von politischen<br />

nicht zu trennen waren, gewiß nahegebracht worden. Insbesondere muß Otakar das<br />

vielgestaltige ikonographische Programm der Fresken in der Johanneskapelle auf der<br />

Pürgg gekannt haben, war diese erste Pfalz der Traungauer doch eine Stiftung des<br />

Markgrafen.<br />

Was ist nun die Bedeutung des Panthers, und welche Legenden ranken sich um dieses<br />

in unseren Breiten ja nur im Gehege vorkommende Tier?<br />

Zur Jahrhundertwende erschien eine achtunggebietende Monographie über die<br />

Grundzüge der österreichischen Landesheraldik und über das steirische Pantherwappen,<br />

das berühmte Standardwerk von Anthony von Siegenfeld. 2 Wenn auch in einer<br />

seiner grundlegenden Thesen überholt (Siegenfeld führt die europäische Heraldik in<br />

direkter Linie auf orientalische, griechisch-römische und germanische Vorbilder zurück),<br />

bleibt das Buch eine Fundgrube für den heraldisch Interessierten. Von besonderer<br />

Bedeutung ist darin auch die lange und detailreiche Auseinandersetzung mit<br />

dem „Physiologus" („Der Naturkundige"), einem vor 300 im frühchristlichen Alexandrien<br />

entstandenen populärtheologischen Büchlein eines uns unbekannten Verfassers.<br />

In viele Sprachen übersetzt, spielte diese Aneinanderreihung von mystischen<br />

und moralischen Auslegungen realer oder nur in der Fabel existierender Lebewesen<br />

und ihrer Eigenschaften im Mittelalter neben der Bibel eine nicht unbedeutende<br />

1 Heinrich Purkarthofer, Das Wappen der Steiermark, Kulturgeschichtliche und rechtliche Aspekte.<br />

In: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 30/1986, 77 ff. sowie: Der steirische Panther.<br />

Kulturgeschichte und rechtliche Aspekte. In: Der Herold 5/94, 117 ff.<br />

2 Alfred Ritter Anthony von Siegenfeld, Das Landeswappen der Steiermark. Graz 1900. 437 Seiten,<br />

41 Textillustrationen und 51 Tafeln in Mappe


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 342<br />

Rolle. Der „Physiologus" bildete nicht nur die Grundlage für zahllose künstlerische<br />

und architektonische Symboldarstellungen vor allem in Kirchen und Klöstern, sondern<br />

war auch eine beliebte Quelle für Sagen und Legenden. Anfanglich ein Naturkundebuch,<br />

wurde es später durch christliche Deutungen erweitert.<br />

Was hat der „Physiologus" nun über den Panther, der zum steirischen Wappentier erkoren<br />

wurde, zu berichten? Hier der Text nach Siegenfeld: 1<br />

Der Panther ist allen Thieren sehr freund, außer dem Drachen. Er ist bunt (wie<br />

das Kleid des Josef). Er ist still und sehr sanft. Wenn er gefressen und sich gesättigt<br />

hat, legt er sich schlafen in seiner Höhle. Und am dritten Tage erwacht er aus<br />

seinem Schlafe und schreit mit mächtiger Stimme brüllend. Und ferne und nahe<br />

hören die Thiere seine Stimme. Aber aus seiner Stimme dringt aller Wohlgeruch<br />

der Gewürze hervor. Und es folgen die Thiere dem Wohlgeruch des Duftes des<br />

Panthers nahe zu ihm laufend. Ebenso auch Christus, indem er am dritten Tage<br />

erwachte und von den Todten aufstand, wurde uns aller Wohlgeruch, den Friedfertigen<br />

in der Nähe und in der Ferne. Sehr vielfärbig aber ist die verständige<br />

Weisheit Gottes. Also sprach auch der Psalmist: „Hier ist die Königin zu Deiner<br />

Rechten in golddurchwirktes Gewand bunt gekleidet." Diese ist die Kirche. Sehr<br />

bunt ist Christus, er selbst ist Jungfräulichkeit, Enthaltsamkeit, Erbarmen, Treue,<br />

Tapferkeit, Langmuth, Einigkeit, Friede. Schön also sprach der Naturkundige<br />

über den Panther.<br />

Der Panther als Feind des Drachens und als Wohlgeruch verbreitendes friedfertiges<br />

Wesen symbolisiert also den auferstandenen Christus, der Tod und Teufel, Verwesung<br />

und Sünde überwindet und diejenigen, die an ihn glauben, um sich schart. Die frühe<br />

Entstehung dieser Darstellung legt nahe, daß dem Verfasser nicht das Bild des ihm<br />

wohlbekannten Panthers als das eines wilden Raubtieres, sondern jenes eines gezähmten<br />

Geparden vor Augen stand. Der Gepard pflegt in der Tat nach einem ausgiebigen<br />

Mahl drei Tage zu schlafen, um danach friedfertig zu spielen, bis es zur Jagd<br />

geht.<br />

Mag der Physiologus auch ideologisches Vorbild sein, das schließlich heraldisch ausgeformte<br />

steirische Wappentier ist ein reines Produkt menschlicher Phantasie, fernab<br />

jeder Wirklichkeit: der im Wappen der Steiermark und einiger wichtiger Städte (Graz,<br />

Steyr, Enns, Fürstenfeld und Mödling) vorkommende silberne/weiße Panther hat<br />

einen langgestreckten Pferdeschädel, eine Löwenmähne, bezottelte Hinterläufe, einen<br />

(manchmal doppelten) Löwenschwanz, kurze rote Stierhörner, rote Klauen, und -<br />

nicht zu vergessen - er speit Feuer aus seinem Rachen, ja zu bestimmten Zeiten seiner<br />

langen Lebensgeschichte noch aus weiteren Leibesöffnungen, insbesondere aus den<br />

Ohren. Damit sollte der vom „Urpanther" verströmte Wohlgeruch dargestellt werden.<br />

Allerdings seien die Flammen auf einen Schreibfehler zurückzuführen, macht Siegenfeld<br />

aufmerksam: 2 statt „fragrat" wurde im lateinischen Physiologus „flagrat" geschrieben,<br />

was zur Darstellung der Rammen geführt habe. Die Hörner und Hufe lassen<br />

sich nach Siegenfeld - wie er zugibt, mit etwas Mühe - auf Machtsymbole der<br />

Apokalypse zurückfuhren (Lamm mit sieben Hörnern als Symbol für den Sieg über<br />

den Tod und die Fülle der Macht 5,6; Tier mit zehn Hörnern und sieben Köpfen, das<br />

aus dem Meer steigt und einem Panther gleicht, als Symbol für das römische Kaiserreich,<br />

das göttliche Verehrung fordert 13,1 f.)<br />

Im Wappen der Stadt Graz sind übrigens die roten Hörner des Panthers durch eine<br />

goldene Laubkrone (Helmkrone) ersetzt, und auch die Krallen sind golden. Die einfachste<br />

Erklärung hiefür wäre eine Art „Ehrenkränzel", wie es etwa der Tiroler Adler<br />

1 a.a.O., 413<br />

2 a. a. O., 96


343 STEIERMARK<br />

trägt, also eine Aufwertung des Panthermotivs durch die selbstbewußten Bürger der<br />

Landeshauptstadt.<br />

Reiner Puschnig offeriert eine heraldisch interessante andere Deutung: Vor Einführung<br />

der Schraffuren habe man die Tinkturen eines Wappens mit Hilfe kleiner Farbsymbole<br />

ausgedrückt, mit welchen man die Schildfelder bestreute: Lilien für Blau,<br />

Kleeblätter für Grün, Herzen für Rot, den Mond für Silber, die Sonne oder eine<br />

Krone für Gold. Auf die ursymbolischen Konnotationen dieser Zeichen wurde bereits<br />

weiter oben eingangen (vgl. S. 41 ff.). Um nun den Panther im steirischen Wappen als<br />

weiß/silbern zu kennzeichnen, habe man über seinem Haupt einen Halbmond angebracht.<br />

Demgegenüber wurde dem „Stadtpanther" eine Krone beigegeben, womit er<br />

dann in Gold tingiert worden wäre. 1 Ein Beispiel dafür findet sich freilich nicht. Das<br />

Siegel der Stadt Graz von 1261 zeigt jedenfalls nicht einen gehörnten, sondern einen<br />

gekrönten Panther. Später wurden auch die Klauen im Wappen der Stadt Graz golden<br />

gefärbt. Überdies speit der „Hauptstadt-Panther" aus allen Leibesöffnungen<br />

Feuer, während der rot gehörnte und gewaffnete „Landespanther" bekanntlich -<br />

streng nach der Vorschrift des Physiologus - nur seinen Rachen als Flammenwerfer<br />

benutzt.<br />

Der große österreichische Heraldiker Hugo Gerard Ströhl sieht das alles ein wenig<br />

anders, wenn er dem Grazer Panther Krone und Hörner zugesteht, ihm nur Rammen<br />

aus dem Rachen erlaubt und ihm überdies - wie allen anderen lokalen steirischen<br />

Wappenpanthern auch - statt Vorderpfoten Adlerfange wachsen läßt. 2<br />

Spätestens um 1260 entstanden die Landesfarben Weiß und Grün. Über sie erfahren<br />

wir in einem Bericht über die Schlacht von Kroissenbrunn, in welcher die Ungarnherrschaft<br />

über die Steiermark unter Bela rv. abgeschüttelt wurde. Das weiß-grüne<br />

Landesbanner trug damals der Landmarschall Ulrich von Wildon voran. Weiß und<br />

Grün werden von dessen Familienwappen hergeleitet, das drei Kleeblätter unter silbernem<br />

Schildhaupt zeigte. Der Reimchronist Ottokar aus der Gaal beschreibt 1315<br />

die frühen Landessymbole seiner Heimat in bezug auf diese Schlacht mit folgenden<br />

Worten:<br />

... ein banier grüene als ein gras<br />

darin ein pantel 3 swebte<br />

blanc als ob es lebte ...<br />

Die erste Farbdarstellung des steirischen Landeswappens überliefert die Züricher<br />

Wappenrolle (um 1340): in nach unten spitz zulaufendem grünem Schild ein rot gewaffneter<br />

weißer Panther, der aus Rachen und Geschlecht rote Flammen sprüht. In<br />

dieser Abbildung ist das historische Vorbild für die landesgesetzlich festgelegte Zeichnung<br />

des heutigen steirischen Wappens zu suchen.<br />

Gedruckt erscheint das Pantherwappen in der Landhandfeste von 1523. Um diese<br />

Zeit erfolgte eine Neuinterpretation des steirischen Panthersymbols. Im Hinblick auf<br />

die Türkengefahr stand nicht mehr die christliche Friedfertigkeit, sondern die animalische<br />

Verteidigungsbereitschaft des Wappentieres im Mittelpunkt. Der Landeshandfeste<br />

war das folgende elegische Distichon angefügt, welches offenbar die Situation<br />

am „Hofzaun des Reiches" in ein heraldisches Bild bringen wollte:<br />

Nemo Styrorum Pantheram tangere tentet<br />

Ructat ab ore ignem posteriusque cacat.<br />

(Niemand wag' es, den Panther der Steirer zu reizen,<br />

Feuer versprüht sein Maul, Feuer der Hintere auch.)<br />

1 Reiner Puschnig, Unser steirisches Wappentier. In: Blätter für Heimatkunde 50/1976, 52 ff.<br />

2 Hugo Gerard Ströhl, Städte-Wappen von Österreich-Ungarn. Wien 1904<br />

3 Pantel (auch Pantier, Pardel) ist eine Abwandlung des Wortes Panther


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 344<br />

Das steirische Landeswappen ist seit mehr als 750 Jahren in praktisch unveränderter<br />

heraldischer Form in Gebrauch. Zusammen mit dem rot-weiß-roten Bindenschild ist<br />

es eines der ältesten und ehrwürdigsten Staatssymbole Europas.<br />

Die Farben der Steiermark, Weiß und Grün, sind - wie auch der Panther - im europäischen<br />

Wappen- und Raggenwesen nur selten anzutreffen. Grün dient hingegen in<br />

jüngerer Zeit als Farbe des Propheten im mohammedanischen Kulturraum häufiger<br />

als Staatssymbol.<br />

Einmal in seiner vielhundertjährigen Geschichte wurde der steirische Panther furchtbar<br />

mißbraucht, als er nämlich zum Symbol des „Steirischen Heimatbundes", der untersteirischen<br />

Organisation der NSDAP, gemacht wurde. Einem Hakenkreuz aufgelegt,<br />

diente er zwischen 1941 und 1945 der grausamen Assimilierungspolitik Adolf<br />

Hitlers („Macht mir die Untersteiermark deutsch!"). 1<br />

Nahezu zwei Jahrtausende, nachdem der „Naturkundige", der Physiologus, seine Erkenntnisse<br />

über den friedfertigen Panther niedergeschrieben hatte, wurden diese auch<br />

als Mittel der österreichischen Innenpolitik eingesetzt. Und das kam so:<br />

Als die Bundesregierung Anfang 1985 25 Jahre alte schwedische Kampfflugzeuge<br />

vom Typ „Draken" (Drachen!) ankaufte und deren Stationierung am Flughafen Thalerhof<br />

bzw. in Zeltweg ankündigte, griff Landeshauptmann-Stellvertreter Prof. Kurt<br />

Jungwirth - als Landeskulturreferent auch heraldisch gebildet - am 10. 5. 1985 das<br />

Bild des Physiologus auf. Bei einer Rede anläßlich der Eröffnung des Kuppelsaales<br />

des Joanneums unterstrich er damit den Widerstand der Steirer gegen die lärmenden<br />

Düsenjäger- Drachen.<br />

Das steirische Wappen ist nicht nur in Paragraph 6 der steiermärkischen Landesverfassung<br />

aus dem Jahr 1960 beschrieben, sondern auch in Paragraph 1, Abs. 1 des<br />

Landesgesetzes zum Schutz der steirischen Landeswappens, LGB1. 1980/8, gleichlautend<br />

blasoniert. Der Abs. 2 bestimmt, daß die in der Anlage enthaltene Darstellung<br />

einen Bestandteil des Gesetzes bildet. Leider konnte man sich damals nicht dazu entschließen,<br />

der gut reproduzierbaren Schwarzweißzeichnung auch eine Farbabbildung<br />

beizugeben. Zur Zeit stellt die Landesregierung zwar bereitwillig einen Farbdruck zur<br />

Verfügung, doch handelt es sich dabei weder um eine offizielle Gesetzesbeilage noch<br />

entspricht dieses Farbbild der gängigen Praxis. Es stimmt zwar in der Form des gotisierenden<br />

Schildes mit den allenthalben verwendeten landesamtlichen Wappendarstellungen<br />

überein, weicht aber durch einen leicht blaustichigen Grünton von dem in<br />

der Heraldik üblichen Blattgrün ab.<br />

Benötigt man eine heraldisch perfekte, einfache und praxiskonforme Darstellung, verwende<br />

man die Abbildungen in der kleinen Broschüre „Die Grazer Burg" (Steiermärkische<br />

Landesdruckerei, Graz, 2. Aufl. 1993).<br />

LANDESHYMNE<br />

1844 gab die Steiermärkische Landwirtschaftsgesellschaft aus Anlaß ihres 25jährigen<br />

Bestandsjubiläums ein Flugblatt zu Ehren ihres Gründers, Erzherzog Johann, heraus.<br />

Es enthielt als Motto des Festes ein Gedicht, das der Grazer Buchhändler Jakob<br />

Franz Dirnböck (1809-1861) mit dem Titel „Der Steirer Land" verfaßt hatte. Dazu<br />

hatte der Grazer Domorganist und Komponist Ludwig Carl Seydler eine einfache,<br />

aus sechzehn Takten bestehende Melodie in G-Dur für vierstimmigen Chor geschrieben.<br />

Beide Autographe tragen das Datum des 18. Mai 1844; die Uraufführung des<br />

Werkes fand im Grazer Redoutensaal am 16. Oktober 1844 statt.<br />

Ohne obrigkeitliche Anordnung verbreitete sich das ursprünglich aus zehn Strophen<br />

bestehende Lied nicht nur in der Steiermark und im Alpenraum, sondern weit darüber<br />

1 In: Die Steiermark, Brücke und Bollwerk. Katalog zur Landesausstellung 1986, 485


345 STEIERMARK<br />

hinaus im gesamten deutschen Sprachraum. Von Süddeutschland („Von des Rheines<br />

Strand, wo die Rebe blüht .. .") bis nach Preußen („Von der Ostsee Strand, wo die<br />

Möwe zieht...") und von Vorarlberg („Hoch vom Widerstein, wo die Ach entspringt<br />

. ..") bis ins Sudetenland („Hoch vom Erzgebirg, wo der Bergmann haust...") wurde<br />

der Melodie ein landsmannschaftlicher Text unterlegt. So war aus einer Gelegenheitsdichtung<br />

ein Volkslied geworden - ein gar nicht so seltener Fall, wie wir ihn auch schon<br />

bei der Kärntner Landeshymne kennengelernt haben. Und wie in Kärnten sollte es<br />

auch in der Steiermark viele Jahrzehnte dauern, bis das in den Schulen und im Volk<br />

längst geübte steirische Heimatlied auch offiziell zur Landeshymne bestimmt wurde.<br />

Man schrieb das Jahr 1929, als der Steiermärkische Landtag in seiner 41. Sitzung am<br />

3. Juli folgenden Beschluß faßte:<br />

1. Das Lied „Hoch vom Dachstein an", Text von Jakob Dirnböck, Melodie von<br />

Ludwig C. Seydler, wird als steirisches Heimatlied erklärt und bei feierlichen Anlässen<br />

ähnlich wie die Bundeshymne behandelt.<br />

2. Der steiermärkische Landesschulrat wird ersucht, die Einübung dieses Liedes<br />

(1. bis 6. Strophe) für die<br />

Schüler der Volks-, Hauptund<br />

Mittelschulen, sowie der<br />

Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt<br />

anzuordnen.<br />

Es ging nicht ohne heftige Debatten<br />

ab, bis der Beschluß gefaßt<br />

wurde. Dieser wies jedenfalls genügend<br />

steirisches Selbstbewußtsein<br />

auf, vermischt mit jener deutlichen<br />

Betonung des Deutschtums,<br />

die in dieser Zeit nicht nur<br />

in der Steiermark en vogue war<br />

(vgl. die Umstände der Einführung<br />

der Kernstock-Hymne im<br />

Dezember 1929, S. 138 ff.). So<br />

hieß es schließlich im Landtag:<br />

... es gibt kein Steirerlied,<br />

das so sehr von jedem Steirer<br />

gekannt wird, das außerdem<br />

überall, wo Deutsche wohnen,<br />

als das Steirerlied, eben als<br />

die steirische Nationalhymne<br />

bekannt ist wie das Dachsteinlied<br />

1<br />

Notabene klingt „Dachsteinlied"<br />

ein wenig wie „Deutschlandlied"<br />

... Wie dem auch sei, nach<br />

seiner jahrzehntelangen inoffiziellen<br />

Funktion als Landeshymne<br />

wurde „Hoch vom Dachstein an"<br />

nun offiziell anerkannt.<br />

Das Dachsteinlied wurde übrigens<br />

1 Grasberger, a. a. O., 182 ff. In den zugänglichen Liederbüchern sind meist nur drei oder vier Stro­<br />

phen abgedruckt.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 346<br />

am 15. Juni 1904 an der Universität Graz von Otto Nußbaumer in ein Kohlemikrophon<br />

gesungen und mittels eines Lichtbogensenders drahtlos übertragen - zum ersten<br />

Mal in der Geschichte wurde so die menschliche Stimme über Radiowellen gesendet.<br />

1<br />

Das Dachsteinlied erhält durch den 3/4-Takt und die abwechselnden Achtel bzw.<br />

Viertel einen tänzerischen Charakter. Chromatische Verzierungen und relativ große<br />

Intervallsprünge machen den vokalen Vortrag nicht gerade leicht.<br />

LANDESPATRON UND LANDESFEIERTAG<br />

Über Josef, den Schutzheiligen der Steiermark sowie Kärntens und Tirols, den einzigen<br />

biblischen Heiligen unter den Landespatronen Österreichs, haben wir relativ wenige<br />

gesicherte Angaben. Wir müssen uns damit begnügen, daß er aus dem königlichen<br />

Haus Davids stammte und den ehrsamen Beruf des Zimmermanns ausübte. Josef<br />

wurde in große Gewissensqualen gestürzt, als er erkennen mußte, daß seine Verlobte,<br />

die wahrscheinlich noch sehr junge Mirjam (Maria), guter Hoffnung war. Doch<br />

da er ein „gerechter", d. h. gottesfürchtiger Mann war, ging er nicht den einfachen<br />

Weg, Maria zu entlassen, sondern stellte sich demütig in den Dienst der Vorsehung<br />

Gottes und der Fürsorge für Maria und ihr göttliches Kind. Die für die künstlerische<br />

Darstellung des erst seit dem 12. Jahrhundert von der abendländischen Religiösität<br />

erfaßten „Nährvaters" Jesu entscheidenden Legenden stammen nicht aus dem kanonischen<br />

Teil der Bibel, sondern gehen auf die von manchen Autoren als „geschwätzig"<br />

bezeichneten apokryphen Schriften zurück. Nach dem Protoevangelium des Jakobus<br />

habe der Hohepriester Zacharias im Auftrag des Herrn alle Witwer Judäas zu<br />

einer Prüfung zusammengerufen, indem er ihnen auftrug, unter Mitnahme eines Stabes<br />

im Tempel zu erscheinen. Derjenige, an dessen Stab sich ein Zeichen zeigen<br />

werde, sollte die dem Herrn geweihte Jungfrau Maria heimführen und unberührt behüten.<br />

An alle wurde der ihnen vorher abgenommene Stab ausgeteilt, und nichts geschah.<br />

Aus Josefs Stab aber entwich eine Taube und flatterte auf sein Haupt. Gegen<br />

Josefs Protest - er sei zu alt und wolle sich nicht zum Gespött der Kinder Israels machen<br />

- wurde er veranlaßt, Maria heimzuführen, nur um nach einer längeren Abwesenheit<br />

ihre Schwangerschaft feststellen zu müssen. 2 Die Heiligenlegende hat aus diesen<br />

und wahrscheinlich anderen Aufzeichnungen eine davon etwas abweichende<br />

Schilderung entstehen lassen, gemäß welcher Josef bei seinem Erscheinen unter den<br />

Heiratskandidaten seine Rute wegen seines Alters zunächst verborgen gehalten habe.<br />

Als er jedoch dazu veranlaßt wurde, sie dennoch hervorzuziehen, sei sie plötzlich erblüht.<br />

Eine Taube sei vom Himmel auf ihn herabgeschwebt, und die Stimme Gottes<br />

habe ihn dazu auserkoren, die Jungfrau heimzuführen.<br />

Aus dieser Schilderung, deren eindeutig sexuelle Untertöne auch für den Nicht-Freudianer<br />

unüberhörbar sind, hat sich die Lilie als Attribut des Heiligen entwickelt, wobei<br />

die Lilie dann als Symbol von Reinheit und Unschuld gilt.<br />

Die Attribute „Jesuskind" und „Zimmermannswerkzeuge" sind somit kanonisch, „Lilie"<br />

und „Stab" aber apokryph. Fehlende biographische Einzelheiten regten offenbar<br />

die Legendenbildung in dem im 2. Jahrhundert niedergeschriebenen apokryphen Jakobus-Evangelium<br />

oder in der erst nach dem 6. Jahrhundert aufgezeichneten, ebenfalls<br />

nicht kanonischen „Geschichte Josefs, des Zimmermanns" an.<br />

Der hl. Josef wird kraft seiner ihm auferlegten Rolle und seiner praktischen Aufgaben<br />

bei der Menschwerdung Jesu als Stifter ehelichen Friedens, als Helfer bei Obdachlo-<br />

1 Franz Schulhauser, Vater des Rundfunks wurde vergessen. In: Neue Zeit, 19. Jänner 1974, I<br />

Viktor Ergert, 50 Jahre Rundfunk in Österreich. Band 1, 14 ff.<br />

2 Erich Weidinger, Die Apokryphen - verborgene Bücher der Bibel. Augsburg 1990, 436 ff.


347 STEIERMARK<br />

sigkeit und Wohnungsnot verehrt. Vor allem aber gilt er als Fürbitter für eine „gute<br />

Sterbestunde", da angenommen werden kann, daß Jesus bei seinem Tod selbst anwesend<br />

war. Aus seinem Beruf ergibt sich das Patronat für einige einschlägige Formen<br />

des Handwerks, so für Zimmerleute, Tischler, Wagner und Holzhauer.<br />

Sein Namensfest, der 19. März, wird im Abendland zum ersten Mal in martyrologischen<br />

Quellen aus Reichenau um 850 erwähnt. In mittelalterlichen Kunstdarstellungen<br />

bleibt Josef nebensächlich, gelegentlich wird er noch mit dem spitzen Judenhut<br />

dargestellt, so auf einem gotischen Fresko aus der Zeit um 1340 in der Vorhalle des<br />

Gurker Doms. Die Zurückhaltung in der Verehrung des Nährvaters Jesu hängt mit<br />

der Besorgnis zusammen, er könnte als leiblicher Vater Jesu mißverstanden werden.<br />

Gegen eine breite Annahme im Kult der Volksfrömmigkeit wirkte sich aber auch das<br />

Fehlen jeder Reliquien bzw. das Nichtvorhandensein einer Grabstätte aus. 1<br />

Die vereinzelte Verehrung des „Josephus nutritius Domini" mit dem Fest am 19.<br />

März geht in der Steiermark schon auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück<br />

(Missale Nr. 479 des Stiftes Seckau sowie ein Missale aus Vorau aus dem 12. Jahrhundert).<br />

Besondere Verbreitung fand der Kult des hl. Josef durch französische Theologen<br />

und italienische Minoriten sowie den aus Spanien stammenden Karmeliterorden,<br />

dessen Patron er war. Einige Kirchenpatrozinien bis in die ehemalige Untersteiermark<br />

künden von der Verehrung des hl. Josef. Auf Bitten des Kaisers und einzelner Bischöfe<br />

erhob Gregor XV. schließlich 1621 das Fest zum gebotenen Feiertag im katholischen<br />

Kalender.<br />

Für die Entwicklung des hl. Josef zum Landespatron der Steiermark war aber die gezielte<br />

politische Propagierung entscheidend. Diese erfolgte in drei Stufen:<br />

- 1654 dekretierte Kaiser Ferdinand III. den Josefstag als Feiertag in den Salzburger<br />

Diözesanteilen der Herzogtümer Steiermark und Kärnten (somit im Großteil<br />

dieser Gebiete).<br />

- 1675 legte Kaiser Leopold I. den hl. Nährvater Josef als „Schutzherrn aller kaiserlichen<br />

Erbkönigkreiche und Länder" fest und befahl, das Fest feierlich zu begehen.<br />

Damit war der Heilige aber noch nicht formell Landespatron.<br />

- 1771 reduzierte Maria Theresia mit päpstlichem Einverständnis die hohe Zahl<br />

kirchlicher Feiertage und dekretierte als örtlichen Patron für Steiermark, Kärnten<br />

und Tirol den hl. Josef. Für die Steiermark erfolgte die endgültige Einführung<br />

des Festes mit 15. Jänner 1772.<br />

Es ist überliefert, daß Kaiserin Maria Theresia nach der Geburt von drei Töchtern inbrünstig<br />

zum hl. Josef gebetet hatte, ihr doch einen männlichen Erben zu schenken,<br />

der für den Bestand des jungen Hauses Habsburg-Lothringen von großer Bedeutung<br />

war. Als ihr Wunsch 1741 in Erfüllung gegangen war, förderte die Kaiserin die Josefsverehrung<br />

mit allen Mitteln.<br />

1870 wurde der hl. Josef von Papst Pius IX. zum Patron der gesamten Kirche erhoben.<br />

1955 setzte Papst Pius XII. das Fest „Josef, der Arbeiter" auf den 1. Mai, den<br />

Tag der Arbeit, fest. Das Zweite Vatikanische Konzil stellte seine Arbeit unter den besonderen<br />

Schutz des Heiligen.<br />

Der Vorname „Josef wurde in der Steiermark wie auch anderswo vor allem durch<br />

das Vorbild des Kaiserhauses populär. Im bäuerlichen Brauchtum Österreichs gilt der<br />

19. März als wichtiger Lostag: „Ist's am Josefitag schön, wird ein gutes Jahr man<br />

sehn."<br />

1<br />

Franz Leskoschek, Die Geschichte der St. Josef-Verehrung in der Steiermark. In: Blätter für Heimatkunde<br />

22/1948<br />

Leopold Kretzenbacher, Historische Schichten der St. Josephs-Verehrung in der Steiermark. In:<br />

Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 85/1994; vgl. hiezu auch Coreth, Pietas<br />

Austriaca, a. a. O., 70 ff.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 348<br />

Dennoch: Insgesamt tritt der hl. Josef in Österreich nur in einigen wenigen Wallfahrtsorten<br />

in Erscheinung, so etwa in der Wiener Augustinerkirche und am niederösterreichischen<br />

Josefiberg (1699 von Zisterziensern aus Lilienfeld, ebenfalls einer<br />

Stätte der Josefsverehrung, gegründet) und jener im Kärntner Lavanttal (1687). In Tirol<br />

ist es Bichlbach und Gaistal, in Vorarlberg gibt es in Schruns ein Patrozinium, in<br />

der Steiermark ist uns das liebliche Bergkirchlein St. Josef ob Schwanberg (erbaut<br />

1685) bekannt und vertraut. Dort pflegte man am 19. März oft ein altes Josefilied zu<br />

singen:<br />

Den Patriarchen hoch erhoben,<br />

Im Himmelssaal vor Gottes Thron,<br />

Den Vater Joseph laßt uns loben,<br />

Den guten Steiermark-Patron ...<br />

So hat der einfache Zimmermann aus Nazareth manche Herzen der Grünen Mark erobert,<br />

unauffällig und bescheiden, wie es sich für ihn ziemt. Wo würde er auch besser<br />

hinpassen als in das holzreiche Herz Österreichs, dessen Landeshauptmann sogar<br />

schon in der zweiten Generation den Namen des Schutzheiligen trägt?<br />

Bekanntheit des steirischen Landespatrons 1993<br />

hl. Josef andere weiß nicht<br />

bis 29 46 12 44<br />

bis 49 50 10 40<br />

ab 50 68 16 16<br />

Total 55 13 33<br />

Quelle: Integral-Telephonumfrage Jänner 1993, n = 156<br />

SONSTIGE SYMBOLE DER STEIERMARK<br />

In der Integral-Umfrage „Symbole für Österreich" (1993, n = 1.000) wurde auch<br />

nach den Symbolen der Steiermark gefragt. Es stellte sich heraus, daß von den Einwohnern<br />

aller Bundesländer die Steirer die stärkste Beziehung zu ihrem Landeswappen<br />

haben: Mit 19 Prozent erzielt der steirische Panther vor dem Tiroler Adler (12<br />

Prozent) und dem Fünfadlerwappen Niederösterreichs (10 Prozent) die meisten Nennungen.<br />

Während wie in anderen Bundesländern die Landschaft (31 Prozent) und die<br />

Berge (17 Prozent) als wichtige Landessymbole genannt werden, tritt in der Steiermark<br />

der Wald hinzu. Mit 18 Prozent Nennungen nimmt der steirische Wald einen<br />

einsamen Spitzenplatz unter den „Natursymbolen" Österreichs ein - er wird nur<br />

knapp vom Grazer Uhrturm (20 Prozent) geschlagen. Erzherzog Johann und der<br />

nach ihm benannte Jodler, Steireranzug und Steirerhut sind als reine Klischeebilder<br />

vom „grünen Herzen Österreichs" zu werten - ähnlich der immer wieder anzutreffenden<br />

Aussage vom „wilden Bergvolk hinter dem Semmering".<br />

<strong>DAS</strong> ÖSTERREICHISCHE NATIONALHEILIGTUM MARIAZELL<br />

Der steirische Marienwallfahrtsort Mariazeil gilt als das ehemalige österreichische<br />

Reichs- und heutige Nationalheiligtum. Vom Ende des Mittelalters bis in die neueste<br />

Zeit war Mariazeil das bedeutendste Wallfahrtszentrum im östlichen Mitteleuropa.<br />

Die Österreicher beteten hier um göttliche Hilfe gegen die Einfälle der Magyaren;<br />

Ungarn und Kroaten wieder zogen nach Mariazeil, um den Beistand der Gottesmut-


349 <strong>DAS</strong> ÖSTERREICHISCHE NATIONALHEILIGTUM MARIAZELL<br />

ter im Kampf gegen die Türken zu erflehen. Seit dem frühen 17. Jahrhundert schlossen<br />

sich auch die Angehörigen des Herrscherhauses den Pilgern aus den Kronländern<br />

an, um bei der „Magna Mater Austriae" geistige Einkehr zu halten. Maria Theresia<br />

empfing hier ihre Erstkommunion, Kaiser Franz Joseph I. führte 1857 eine Wallfahrt<br />

von 270.000 Pilgern nach Mariazell an. Dadurch ist das steirische Marienheiligtum<br />

zum zentralen Symbol für die „Pietas Austriaca", die besondere österreichische<br />

„Staatsfrömmigkeit", geworden. Noch Julius Raab erinnerte in einer Rede an die Teilnehmer<br />

der Standeswallfahrt der gewerblichen Wirtschaft zur 800-Jahrfeier Mariazells<br />

im Jahre 1957 an den Umstand, daß Österreich als einziges der Donauländer die<br />

volle Freiheit wiedererlangt habe. Der Staatsvertragskanzler schloß mit den Worten:<br />

„Wir bitten die Große Mutter Österreichs, auch in Zukunft den Mantel über unser<br />

Vaterland zu halten. Deshalb sind wir da und gehen wieder freudigen Herzens an unsere<br />

Arbeitsstätten zurück, zu neuer Arbeit für den Aufbau des österreichischen Vaterlandes."<br />

Am 18. Mai 1647 weihte Ferdinand III. sich, seine Familie und sein ganzes Land der<br />

Gottesmutter (Maria als die „Generalissima"). Die Mariensäule auf dem Wiener Platz<br />

Am Hof geht auf diesen stark von der Schweden-, Türken- und Franzosengefahr bestimmten<br />

Akt zurück. Am 8. Dezember 1667 wurde die ursprünglich nach Münchner<br />

Vorbild aus Stein geschaffene Marienstatue auf Anordnung von Leopold I. (1658—<br />

1705) durch eine Bronzeplastik ersetzt. Sie zeigt die Immaculata, das Haupt im Sternenkranz<br />

und auf einem Drachen stehend. Seit damals gilt Maria als die himmlische<br />

Schutzpatronin Österreichs. Leopold I. drückte seine „Pietas Mariana" durch die besondere<br />

Förderung der Gnadenkirche Mariazell aus. Der Wallfahrtsort wurde aber<br />

auch aus wirtschaftlichen Gründen begünstigt: die Pilgerströme sollten vom damaligen<br />

marianischen Zentrum Altötting nach Innerösterreich umgelenkt werden.<br />

Der erste Bau der Kirche geht auf die Zeit um 1200 zurück, doch dürfte sich der Bau<br />

des heutigen Gotteshauses über einen Großteil des 14. Jahrhunderts hingezogen haben.<br />

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgte ein kompletter Umbau, der dem gotischen<br />

Langhaus 24 Kapellen hinzufügen sollte, von denen aber nur zwölf errichtet<br />

wurden. Die Seitenkapellen sind u. a. den wichtigsten österreichischen und ungarischen<br />

Nationalheiligen geweiht und bilden somit so etwas wie ein österreichischungarisches<br />

Pantheon. Der gotische Chor wurde 1653 abgerissen und durch einen<br />

längeren, dreischiffigen Bau gegen Osten so erweitert, daß er durch eine elliptische<br />

Kuppel überwölbt werden konnte.<br />

Von eigenartigem Gepräge ist die dreitürmige Westfront: der gotische Mittelturm ist<br />

über quadratischem Grundriß erbaut und geht oben in die Achteckform über. Er<br />

dürfte einst einen durchbrochenen Steinhelm besessen haben. Die beiden barocken<br />

Seitentürme stammen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Ursprünglich sollte der<br />

Mittelturm barockisiert werden, doch unterblieb dies, wie die oben erwähnten zwölf<br />

Kapellen. (Beides erinnert ein wenig an den Stephansdom, der auch nur einen von<br />

zwei geplanten Türmen angefügt bekam, bzw. an die Neue Hofburg, von der nur ein<br />

Flügel gebaut wurde - in allen diesen Fällen gefällt uns das unvollendete Werk nachträglich<br />

offenbar besser.) In Mariazell tritt die für Österreich so typische Verschmelzung<br />

gotischer und barocker Architektur gut sichtbar hervor.<br />

Von hoher Symbolkraft ist das breite, aus rötlichem Sandstein gehauene gotische<br />

Türzsturzrelief (1438). Es zeigt die Himmelskönigin mit Jesuskind und Zepter, unter<br />

deren Schutzmantel sich Herzog Albrecht V. von Österreich begibt, während der Ungarnkönig<br />

zur Linken der Gottesmutter kniet, das berühmte „Schatzkammerbild" haltend.<br />

Hinter ihm tobt die Türkenschlacht, die er im Vertrauen auf Maria siegreich bestand.<br />

Zur Rechten der Jungfrau steht Herzog Wenzel von Böhmen mit dem knieenden<br />

mährischen Markgrafenpaar. Das politische Programm, das den Wallfahrer be-


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 350<br />

grüßt, ist klar: die sich unter Albrecht V. abzeichnende Trias von Österreich, Ungarn<br />

und Böhmen wird hier bereits als Einheit dargestellt. Unter dem Schutz der Himmelsmutter<br />

steht an zentraler Stelle Österreich. Es wird auch durch den Bindenschild<br />

symbolisiert, der links von den Emblemen Ungarns und Polens flankiert wird, während<br />

rechts von ihm, im Wimpel des hl. Wenzel, der böhmische Löwe auftritt. Diese<br />

leicht faßliche Pilgerdarstellung nimmt<br />

geistig auch schon alle jene Wallfahrten<br />

vorweg, die die österreichischen, ungarischen<br />

und slawischen Völkerschaften in<br />

den Jahrhunderten danach und bis zum<br />

heutigen Tag zu ihrer gnädigen Schirmherrin<br />

machen sollten: zur Magna Mater<br />

Austriae, zur Magna Hungarorum<br />

Das Türsturzrelief der Basilika in Mariazell<br />

Domina und zur Mater Gentium Slavorum.<br />

Mit dem Mariazeller Heiligtum verbinden sich vor allem drei Legenden: Die Gründung<br />

Mariazells im weitgehend ungerodeten Waldland ging vom Benediktinerstift St.<br />

Lambrecht (Obersteiermark, in 1072 Meter Seehöhe bei Murau, gegründet 1096,<br />

größte Kirche der Steiermark) aus. Sie sei durch einen Mönch namens Magnus erfolgt.<br />

Dieser durfte, als er auszog, die von ihm aus Lindenholz geschnitzte Madonna<br />

mitnehmen. Auf seiner beschwerlichen Reise versperrte ihm am Abend des 21. Dezember<br />

1157 ein großer Fels den Weg. Er bat Maria um Hilfe, worauf sich der Fels<br />

spaltete und ihn durchließ. Magnus stellte die mitgebrachte Skulptur auf den im Gnadenaltar<br />

heute noch erhaltenen Baumstrunk und errichtete die erste Kapelle aus Holz<br />

(„cella" = Zelle).<br />

Einen gewissen historischen Hintergrund mag auch der Bericht über Markgraf Heinrich<br />

von Mähren und seine Gemahlin haben: Als beide an schwerer Gicht erkrankt<br />

darniederlagen, gelobten sie eine Wallfahrt nach Mariazell. Nach der wunderbaren<br />

Erlösung von ihren Schmerzen pilgerten sie unter Führung von Herzog Wenzel tatsächlich<br />

zum Heiligtum, wo sie eine steinerne Kapelle errichteten.<br />

König Ludwig I. von Ungarn (1326-1382) erfocht einen Sieg über ein vierfach überlegenes<br />

türkisches Heer, das er, durch einen Traum und ein auf seiner Brust liegendes<br />

Marienbild ermuntert, angriff. Das Bild befindet sich heute in der Schatzkammer der<br />

Basilika an einem Altaraufsatz in der Form eines Türkenzeltes. Es wurde von Andrea<br />

Vanni aus Siena geschaffen. Die darauf dargestellte Madonna ist mit dem Kind durch<br />

eine dreifache Perlenschnur verbunden, ihr mit Edelsteinen besetzter goldener Heiligenschein<br />

fügt sich organisch in die mit goldenen Lilien bestreute blaue Emailplatte,<br />

Emblem des Hauses Anjou, dem ja Ludwig angehörte.<br />

Das eigentliche Heiligtum Mariazells aber ist die nur 48 Zentimeter hohe, aus Lindenholz<br />

geschnitzte Statue der Muttergottes mit dem Kind. Sie stammt aus der zweiten<br />

Hälfte des 13. Jahrhunderts und ist - ausgenommen ein paar Tage vor Weihnachten<br />

- mit dem sogenannten „Liebfrauenkleid", einem reich bestickten und mit goldenen<br />

Fransen versehenen Mantel, bekleidet. Maria trägt wie das Jesuskind eine goldene<br />

Krone mit blauer Weltkugel und Kreuz. Beide Kronen wurden 1821 vom Kardinalprimas<br />

von Ungarn gestiftet, 1908 vom Papst geweiht und anläßlich der Erhebung<br />

zur Basilika sodann durch einen Nuntius nach Mariazell gebracht.<br />

Die spätromanische Madonna trägt ein blaues, rotgefüttertes Überkleid, das Jesuskind<br />

hat ein weißes Hemdchen mit Goldsaum an. Beide haben Früchte in den Händen:<br />

das Kind den Apfel als Sinnbild der Erbsünde, von der es die Menschheit befreit,<br />

die Mutter eine Birne bzw. (rote) Feige. Die letztere soll einst Sinnbild des Leidens<br />

gewesen sein, von dem Christus die Menschheit erlöste. Maria zeigt auf den Ap-


351 TIROL<br />

fel, als wolle sie mit dem Kind die Früchte tauschen. Aufgrund dieser Geste könnte<br />

man auf einen viel tieferen Symbolgehalt schließen, von dem man annehmen kann,<br />

daß er dem mittelalterlichen Statuenschöpfer kaum bewußt war: Gottesmutter und<br />

Sohn tauschen Symbole ihrer Geschlechtlichkeit aus, um ihr jeweiliges volles Sein zu<br />

entwickeln - der männliche Teil seine „Anima", der weibliche seinen „Animus". (Vgl.<br />

hiezu „Maria mit der Birne" von Albrecht Dürer im Wiener Kunsthistorischen Museum<br />

sowie die aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts stammende, eigenwillige<br />

Tympanon-Madonna an einer der ältesten Kirchen von Graz, der Leechkirche.)<br />

Das Gnadenbild ist jedenfalls verehrt worden wie sonst keines in Österreich. Davon<br />

zeugen Tausende Votivbilder und Votivgaben, vom einfachen Dankbrief bis zum<br />

wertvollen Kunstwerk. 1809 wurde die Statue zum Schutz vor den Franzosen nach Temesvar<br />

gebracht, 1827 überstand sie eine Feuersbrunst, der die Turmdächer zum Opfer<br />

fielen.<br />

Zu den zahlreichen Berichten über Besonderheiten des Gnadenbildes gehören Erzählungen<br />

über den außergewöhnlich guten Erhaltungszustand der hölzernen Statue,<br />

darüber, daß sich auf den Gesichtern Marias und des Kindes kein Staub festsetze sowie<br />

über verschiedene Augenbewegungen und Lichterscheinungen. 1<br />

Die trapezförmige Gnadenkapelle in der Kirchenmitte geht ursprünglich auf eine Stiftung<br />

des schon erwähnten Königs Ludwig von Ungarn zurück. Das schwere Silbergitter<br />

hat Maria Theresia gespendet. Es wird von einem mächtigen Doppeladler gekrönt,<br />

ein deutlicher Ausdruck der engen Beziehungen der Habsburger zu diesem Heiligtum.<br />

2<br />

"mitr IHM <strong>DAS</strong> LLAND TTIROL"<br />

DDIE SSYMBOLE TTIROLS<br />

GESCHICHTE TIROLS<br />

Das „Land im Gebirge", wie Tirol ursprünglich genannt wurde, liegt an der breitesten<br />

Stelle der Ostalpen und umfaßt als ihr einziges Land alle drei Hauptgebirgszüge: die<br />

nördlichen Kalkalpen, die Zentralalpen und die südlichen Kalkalpen. Die beiden<br />

Längstalfurchen, das Inntal im Norden und der Verlauf Rienz - Drau im Süden, sind<br />

über den Brennerpaß, mit 1370 Meter der niedrigste Alpenpaß, verbunden. 3 Diese<br />

besondere Lage Tirols als Durchzugs- und Paßland in der Nord-Süd- und der West-<br />

Ost-Richtung hat dem Land während seiner gesamten Geschichte seinen Charakter<br />

gegeben - von den vorrömischen Ureinwohnern, den Rätern, bis zu den Transitabkommen<br />

mit der Europäischen Union zu Ausgang des 20. Jahrhunderts. Schon die<br />

Römer, die Tirol von 15 vor bis 476 nach Christus beherrschten, führten kunstvolle<br />

Straßenbauten nicht nur über den Brenner, sondern auch über den Reschen- und den<br />

Fernpaß sowie über den Paß von Scharnitz.<br />

1<br />

Othmar Wonisch, Die Gnadenbilder Unserer Lieben Frau in Maria-Zeil. St. Lambrecht - Maria<br />

Zell 1916<br />

2<br />

Coreth, Pietas Austriaca, a. a. O., 43 ff.<br />

3<br />

Vgl. Franz-Heinz Hye, Grundzüge der Tiroler Landesgeschichte. Kulturabteilung der Tiroler Lan­<br />

desregierung, Innsbruck o. J.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 352<br />

Die Baiern drangen im 6. Jahrhundert in breiter Front in das Gebiet des heutigen Tirol<br />

ein. Sie konnten die ins Drautal vorstoßenden Alpenslawen zurückdrängen und<br />

die bis nach Bozen vorgerückten Langobarden an die Salurner Klause zurückwerfen.<br />

So wurde die wichtige Brennerstraße Teil des bairischen Herzogtums und damit Teil<br />

des Reiches. Um ihre Krönungs- und Heerstraße nach Italien zu sichern, entzogen die<br />

römisch-deutschen Kaiser nach der Jahrtausendwende das Gebiet dem bairischen<br />

Einfluß, indem sie es als reichsunmittelbares Lehen an die Bischöfe von Trient und<br />

Brixen vergaben. Da geistliche Fürstentümer nicht erblich waren, versprachen sich die<br />

deutschen Kaiser beständigen Einfluß auf diese strategisch-verkehrspolitisch so wichtigen<br />

Gebiete. Weil die Bischöfe aber zur weltlichen Verwaltung (Hohe oder Blutsgerichtsbarkeit<br />

sowie Landesverteidigung) die Hilfe von Vögten („advocati") in Anspruch<br />

nehmen mußten, gelangte das gesamte Gebiet schließlich in den erblichen Besitz<br />

der Grafen von Tirol (1140-1253). Sie nannten sich nach ihrer Burg bei Meran<br />

und gaben damit dem Land Tirol seinen Namen und sein Wappen.<br />

Nach dem Aussterben der Grafen von Tirol erbten die Grafen von Görz das Territorium.<br />

Auf Meinhard II. von Tirol-Görz (1259-1295), den „Schmied des Landes Tirol",<br />

geht eine Neueinteilung von Nord- und Südtirol in Gerichtsbezirke zurück, die<br />

nicht nur die Rechtsprechung, sondern auch die politische Verwaltung auf unterer<br />

Ebene besorgten.<br />

Meinhards jüngster Sohn Heinrich hinterließ nach seinem Tode im Jahre 1335 eine<br />

Tochter, Margarete, mit dem Beinamen „die Maultasche". Nach einer auch politisch<br />

mißglückten Kinderhochzeit (die Zwölfjährige wurde dem achtjährigen Böhmenprinzen<br />

Johann angetraut) ehelichte Margarete Maultasch 1342 Markgraf Ludwig von<br />

Brandenburg aus dem Hause Witteisbach, der zuvor im „Großen Tiroler Freiheitsbrief'<br />

den Untertanen besondere Rechte eingeräumt hatte. Margarete überlebte ihren<br />

zweiten Gemahl und ihren Sohn und übergab schließlich das gesamte Erbe nicht an<br />

die Witteisbacher, sondern an ihren Cousin Rudolf IV., den Stifter. So kam Tirol 1363<br />

an die Habsburger, die sich ihrerseits verpflichteten, die Tiroler Freiheitsrechte zu<br />

wahren. Damit war eines der wichtigsten großräumigen Wegkreuze Europas in österreichischem<br />

Besitz.<br />

Die Tiroler wußten sich weitere Privilegien zu sichern, so auch unter Herzog Friedrich<br />

IV. (1402-1439), der uns unter dem Beinamen „Friedl mit der leeren Tasche" in Erinnerung<br />

geblieben ist. Friedrich war eine der bemerkenswertesten Gestalten in der Tiroler<br />

Geschichte. Er verlor zunächst eine Schlacht gegen aufständische Bauern in der<br />

Schweiz, geleitete dann den Gegenpapst Johannes XXIII. im Jahr 1414 zum Konstanzer<br />

Konzil, verhalf ihm zur Flucht, wurde deshalb geächtet und gefangengesetzt,<br />

entfloh nach einem Jahr Haft verkleidet nach Tirol und baute dort seine Herrschaft<br />

neu auf. Er verlegte 1420 seine Residenz von Schloß Tirol bei Meran nach Innsbruck,<br />

von wo die österreichischen Vorlande besser zu administrieren waren.<br />

Das Zeitalter Sigmund des Münzreichen (1439-1490) und Kaiser Maximilians I.<br />

(1490-1519), der Ausgang des Mittelalters, brachte Tirol durch den Kupfer- und Silberbergbau<br />

eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. An diese Periode erinnern das<br />

von Maximilian I. anläßlich seiner Hochzeit mit Bianca Maria Sforza von Mailand in<br />

Innsbruck in Auftrag gegebene „Goldene Dachl" seines Hofwerkmeisters Nikolaus<br />

Türing ebenso wie der berühmte gotische Rügelaltar von St. Wolfgang des Südtirolers<br />

Michael Pacher und die größte figurale Grabmalanlage des Abendlandes, das vom<br />

Maler Gilg Sesselschreiber u. a. entworfene Maximiliansgrab, für das der Enkel des<br />

Kaisers, Ferdinand I., die Innsbrucker Hofkirche errichten ließ.<br />

Kriege gegen die Schweizer und Venedig sowie gegen Bayern brachten wechselndes<br />

Schlachtenglück, wobei der von Maximilian sehr geförderten Artillerie erstmals größere<br />

Bedeutung zukam. Das Tiroler Schützenwesen, das in der gesamten Neuzeit,


1 „Gold gab ich für Eisen". 1. Weltkrieg 2 Österreich und<br />

Deutschland. 1. Weltkrieg 3 Aufruf im Ständestaat. 1934-1938<br />

(4) Zeichen der Stände. 1934 5 Italienischer Faschismus<br />

6 Gewerbe- und Wirtschaftsbund 1. und 2. Republik 7 Krukkenkreuz-Nadel<br />

8 NS-Parteiabzeichen. 1933 9 Hakenkreuznadel<br />

aus der Zeit des „Anschlusses" 10 Stiefmütterchen, Abzeichen der<br />

Freidenker 11 Anhänger für Spenden zum „ Winterhilfswerk"<br />

12 Armbinde der Widerstandsbewegung 13 Uniformstern der<br />

Sowjetarmee 14 SPÖ-Abzeichen 1. Mai 1948


Oben links: Maiaufmarsch vor dem Parlament<br />

Oben rechts: „Davidstern", 1941. Nach einem Original aus dem KZ Theresienstadt (zur Verfügung<br />

gestellt von der Israelitischen Kultusgemeinde Innsbruck durch Esther Fritsch). Kruckenkreuzflagge. 1936<br />

Unten: „Identitätskarte". 1945-1955


Großes Goldenes Ehrenzeichen<br />

flir Verdienste um die Republik Österreich<br />

XXVII


Oben links: Großes Ehrenzeichen fiir Verdienste um die Republik Österreich<br />

Oben rechts: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst<br />

Unten links: Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs<br />

Unten rechts: Österreichisches Militärverdienstzeichen, 1989<br />

XXVIII


Alltagssymbole: Verkehrszeichen, Piktogramme und Logos<br />

(1) Zivilschutz 2 Feuerwehr (3) Wasserrettung<br />

Links unten: Österreichischer Alpenverein


XXX


XXXI<br />

Symbole von Verbänden<br />

und Unternehmen in Österreich


Europaflagge<br />

Flagge der Vereinten Nationen<br />

Flagge des Internationalen<br />

Olympischen Komitees<br />

Flagge des Roten Kreuzes<br />

XXXII<br />

Symbol<br />

der Paneuropa-Bewegung<br />

Der grüne Stern<br />

der Esperanto-Bewegung<br />

Das alte Symbol<br />

der Pfadfinder Österreichs


353 TIROL<br />

über die napoleonischen Kriege bis in den Ersten Weltkrieg, eine entscheidende Rolle<br />

im Kampf um Tirol spielen sollte, wurde durch das Landlibell von 1511 in seine über<br />

Jahrhunderte gültige Organisationsform gebracht.<br />

Durch die Niederlage Österreichs gegen Frankreich und seine Verbündeten im dritten<br />

Koalitionskrieg geriet Tirol 1805 bis 1814 unter bayerische Herrschaft. Besonders der<br />

Tiroler Freiheitskampf von 1809, in dem sich die Tiroler Schützen unter Andreas Hofer<br />

und seinen Getreuen gegen einen übermächtigen Feind immer wieder durchsetzen<br />

konnten, um am Ende doch der zahlenmäßigen Überlegenheit, der Politik und Diplomatie<br />

weichen zu müssen, hat ihr Andenken unvergeßlich gemacht.<br />

1814 kam Tirol inklusive der italienischen Gebiete Welschtirols wieder an Österreich.<br />

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, dessen Ende an der tirolerisch-italienischen<br />

Front infolge divergierender Auslegungen des Waffenstillstandes für die Tiroler Regimenter<br />

besonders bitter war (Gefangennahme abrückender Truppen), und dem Zusammenbruch<br />

der Monarchie 1918 verlor Tirol das Gebiet südlich des Brenners an<br />

Italien - gegen die Formel des amerikanischen Präsidenten Wilson vom Selbstbestimmungsrecht<br />

der Völker.<br />

Die Italianisierungspolitik Mussolinis und später - 1939/43 - die Umsiedelung von<br />

75.000 deutschsprachigen Südtirolern ins Deutsche Reich Adolf Hitlers stellten<br />

schwere Belastungen für Südtirol dar. Erst Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

sollte sich das Südtirolproblem durch ein wirksames Autonomiestatut in gutnachbarschaftlichem,<br />

europäischem Geist lösen.<br />

Während der Zeit der deutschen Besetzung 1938-1945 waren Nordtirol und Vorarlberg<br />

in einem „Reichsgau" vereinigt, während Osttirol bis 1947 zu Kärnten geschlagen<br />

wurde. Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1955 war Nordtirol von französischen,<br />

Osttirol aber von britischen Truppen besetzt.<br />

Der Wiederaufbau einer Qualitätsindustrie, der Ausbau der Energieversorgung und<br />

die Errichtung eines leistungsfähigen Straßennetzes sowie die Förderung des Fremdenverkehrs<br />

waren die wichtigsten Aufgaben Tirols nach dem Krieg.<br />

1964 wurden die getrennten Diözesen Bozen-Brixen und Innsbruck errichtet, 1969<br />

ein „Paket" von Maßnahmen zur Erlangung einer dauerhaften Autonomie für Südtirol<br />

beschlossen.<br />

Die schönste Auszeichnung für das neu erstandene Tirol war die Abhaltung der<br />

Olympischen Winterspiele, die zweimal, nämlich 1964 und 1976, in der Tiroler Landeshauptstadt<br />

ausgetragen wurden und den Namen des Landes Tirol in aller Welt bekannt<br />

machten.<br />

DEMOGRAPHISCHE DATEN<br />

Räche: 12.648 km 2<br />

Wohnbevölkerung (Volkszählung 1991): 586.352<br />

Einwohner Innsbruck: 118.112 = 20,1 Prozent<br />

Ausländeranteil: 45.058 = 7,1 Prozent<br />

Agrarquote: 4,7 Prozent<br />

Prozente Landtagswahl 1994: SPÖ 20, ÖVP 47, FPÖ 16,<br />

Grüne 11, Liberales <strong>Forum</strong> 3<br />

TIROLER LANDESORDNUNG 1989; ARTIKEL 6:<br />

(1) Das Landeswappen ist im silbernen Schild der golden gekrönte und bewehrte<br />

rote Adler mit goldenen Flügelspangen mit Kleeblattenden und einem grünen<br />

Kranz hinter dem Kopf.<br />

(2) Die Landesfarben sind Weiß-Rot.


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 354<br />

(3) Das Landessiegel weist die Schildfigur des Landeswappens mit der Umschrift<br />

„Land Tirol" auf.<br />

(4) Die Landeshymne wird durch Landesgesetz bestimmt.<br />

LANDESWAPPEN UND LANDESFARBEN<br />

Das Tiroler Wappen zeigt in silbernem Schild einen roten, golden bekrönten, nach<br />

heraldisch rechts blickenden Adler mit goldenen Waffen, mit goldenen Flügelspangen<br />

mit Kleeblattenden und einem nach oben offenen grünen Kranz hinter seinem Haupt<br />

(vgl. Farbabbildung S. XV).<br />

Die älteste überlieferte Darstellung des Tiroler Wappentiers findet sich auf einem Siegelfragment<br />

an einer undatierten Urkunde im Archiv des Klosters Wilten, die im letzten<br />

Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts entstanden sein dürfte. 1<br />

In einem Zürcher Wappengedicht um 1260 wird der in der Folge immer nach heraldisch<br />

rechts gewendete Adler erstmals auch nach seiner Farbe beschrieben: er sei<br />

von „hervorragender Röte" („prestante rubore"). Fast genau sechshundert Jahre später<br />

sollte der Offizier und Tiroler Lyriker Johann Senn (1792-1857), ein Freund Schuberts,<br />

der zwei Gedichte von ihm vertonte, mit einem zum Volkslied gewordenen Gedicht<br />

berühmt werden, von dem die bekannteste Strophe lautet:<br />

Adler, Tiroler Adler,<br />

Warum bist du so rot?<br />

Vom roten Feuerweine,<br />

Vom roten Sonnenscheine,<br />

Vom Feindesblute rot,<br />

Darum bin ich so rot. 2<br />

Nach dem Aussterben der Grafen von Tirol im Mannesstamm übernahmen die Gebrüder<br />

Meinhard und Albert von Görz mit dem Land auch das frühere Familienwappen<br />

der Tiroler Grafen und führten es als Territorialwappen weiter. Ebenso nannten<br />

sie sich auch „Grafen von Görz und Tirol" bzw. Meinhard ab 1271 „Graf von Tirol<br />

und Görz". Er kann als Begründer des Landes Tirol angesehen werden; seither kann<br />

man also von einem Tiroler Landeswappen sprechen.<br />

Die älteste uns überlieferte Farbdarstellung des Tiroler Wappens kann nach den genauen<br />

Ermittlungen von Franz-Heinz Hye unmittelbar in die Zeit nach der Erbteilung<br />

von 1271 datiert werden. Sie befindet sich an der Westwand der Burgkapelle von<br />

Schloß Tirol.<br />

Nach der Erwerbung Tirols durch die Habsburger 1363 hat Rudolf IV. seine Heraldik<br />

den neuen Besitzverhältnissen klug angepaßt: Auf seinem Reitersiegel, im Original erhalten<br />

auf einer Urkunde von 1364 im Stadtarchiv von Hall in Tirol, wurde oberhalb des<br />

rot-weiß-roten Bindenschilds im rechteckigen Lanzenfähnchen der Adler von „DY-<br />

ROL" ergänzt. Am Siegelrand sind die Wappen der übrigen habsburgischen Territorien<br />

sichtbar, darunter Steiermark, Kärnten, die Windische Mark und Krain. Erstmals erscheint<br />

in diesem Siegel das Wappen Tirols mit dem Wappen von Österreich verbunden.<br />

Ein ähnliches Motiv aus ungefähr derselben Zeit findet sich auf einem Glasfenster in<br />

der Wiener Kirche Maria am Gestade, deren Baugeschichte bekanntlich ungemein<br />

wechselvoll ist. Es zeigt das Tiroler Wappen inmitten der Wappen von Österreich,<br />

Kärnten, Krain, Steiermark und Habsburg.<br />

Die älteste Darstellung des Tiroler Adlers in Nordtirol befindet sich auf einem erst<br />

1<br />

Franz-Heinz Hye, Das Tiroler Landeswappen. Entwicklungsgeschichte eines Hoheitszeichens. Bozen<br />

1985<br />

2<br />

Franz Gschnitzer, Tirol - Geschichtliche Einheit. Wien 1958, 43


355 TIROL<br />

1981 stark beschädigt aufgefundenen und ergänzten Sandsteinrelief im Kloster Stams<br />

(aus der Zeit um 1300).<br />

Die Rügelspangen des Adlers erscheinen zum ersten Mal auf Münzen, die Meinhard<br />

II. zwischen 1271 und 1295 in Meran prägen ließ. Unter Herzog Friedrich IV. enden<br />

diese Rügelspangen erstmals in Form von zwei Dreikleeblättern, wie sie auf der Wappenseite<br />

des im Haus-, Hof- und Staatsarchiv aufbewahrten, um 1410 angelegten<br />

Rheinfelder Urbars sehr gut sichtbar sind. In der Regel sind die Rügelspangen in<br />

Gold tingiert. Das Krönlein des Adlers tritt spätestens 1411 auf, ohne daß der Anlaß<br />

für seine Hinzufügung bisher genau geklärt werden konnte. In einigen seltenen Fällen<br />

wird der Adler auch mit dem österreichischen Bindenschild als Herzschild belegt.<br />

An die Stelle der mittelalterlichen Bekrönung des Wappenschilds durch Helm und<br />

Helmzier tritt in der an einfacheren Formen interessierten Neuzeit das jeweils passende<br />

Rangsymbol, also zumeist eine Krone oder ein Fürstenhut. Der Tiroler Wappenschild<br />

wurde zwischen 1477 und 1548 zwar auch gelegentlich mit dem österreichischen<br />

Erzherzogshut bedeckt, erhielt aber immer öfter nach italienischer Mode einen<br />

Lorbeerkranz aufgelegt. Nach der Aufnahme dieses Beizeichens in Tiroler Münzbilder<br />

gelangte dieses sogenannte „Kränzel" im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts<br />

schließlich in einer oben geöffneten Form in den Schild selbst, wo es eine willkommene<br />

Unterscheidung gegenüber dem dem Tiroler Adler sehr ähnlichen brandenburgischen<br />

Adler (roter Adler im silbernen Feld, überliefert seit 1156) bildet.<br />

Eines der ersten Beispiele für den seit dem gleichnamigen Büchlein von Franz Graf<br />

von Brandis (1678) „Ehrenkränzel" genannten Schmuck bildet die vollplastische Darstellung<br />

des Tiroler Wappentiers im Stiegenaufgang des alten Tiroler Landhauses in<br />

Innsbruck aus dem Jahr 1728.<br />

Nachdem während der Zeit der bayerischen Herrschaft das Tiroler Wappen durch<br />

den Rautenschild hatte ersetzt werden müssen, führten die Tiroler Landstände nach<br />

1814 das hinter den Adlerkopf gesetzte Ehrenkränzel als quasi amtlichen Bestandteil<br />

des Wappens ein, obwohl die offizielle Tiroler und, dieser folgend, die österreichische<br />

Staatsheraldik dies erst 1921 festlegte.<br />

Für das große und mittlere österreichische Staatswappen wurde nach Gründung des<br />

österreichischen Kaiserreiches 1804 das Tiroler Wappen erstmals offiziell blasoniert:<br />

Im silbernen Felde ein rechtssehender, rother, gekrönter Adler mit silbernen Kleestängeln<br />

in den Flügeln.<br />

Aufgrund der Stellung Tirols als „gefiirstete Grafschaft" wurde das Wappen - wie das<br />

anderer Fürstentümer im Verband des Kaiserreichs - mit dem Fürstenhut bedeckt,<br />

während allein das Wappen von „Österreich unter der Enns" den Erzherzogshut trug.<br />

Eine genaue Beschreibung des Tiroler Fürstenhutes findet sich im Kapitel über die<br />

Erzherzogshüte (s. S. 170).<br />

Die letzte Wappenänderung der Monarchie fand Ende 1915 statt und brachte, ohne<br />

das Kränzel zu erwähnen, einige kleinere Änderungen in Richtung der heute gebräuchlichen<br />

Form:<br />

In Silber ein golden gekrönter und gewaffneter roter Adler, dessen Flügel mit je<br />

einer kleeblattartigen goldenen Spange belegt sind.<br />

Nun war es nicht mehr weit bis zur ersten republikanischen Landesverfassung. Mit<br />

Datum vom 8. November 1921 bestimmte die Tiroler Landesordnung in Artikel 6:<br />

Das Wappen des Landes Tirol ist im silbernen Schild der golden gekrönte rote<br />

Adler mit goldenen Flügelspangen mit Kleeblattenden und einem grünen Kranze<br />

hinter dem Kopf.<br />

In der Verfassung 1934 ist der Wortlaut praktisch gleich. Franz-Heinz Hye weist darauf<br />

hin, daß die ersten drei Landesverfassungen der republikanischen Zeit (1921,<br />

1934 und 1946) zwar das „immergrüne Ehrenkränzel" einführen, dafür aber die gol-


DIE SYMBOLE DER BUNDESLÄNDER 356<br />

den tingierten Waffen (Schnabel und Fänge) unerwähnt lassen und reklamiert daher<br />

ihre Berücksichtigung im Text der Landesverfassung. Die Tiroler Landesordnung<br />

1989 hat dies erfreulicherweise nachgeholt.<br />

Die Führung und Verwendung des Tiroler Wappens regelt ein kurzes Landesgesetz<br />

vom 2. Juni 1948, dem man anmerkt, daß der Landtag damals andere Sorgen hatte.<br />

Archivdirektor Senatsrat Univ.-Doz. Franz-Heinz Hye, dem wir die genaue Geschichte<br />

des Tiroler Wappens, wie sie hier auszugsweise wiedergegeben ist, verdanken,<br />

vertritt vehement die Auffassung, daß die Kundmachung der bildlichen Darstellung<br />

des Tiroler Adlers im Landesgesetzblatt 13/1949 mangelhaft ist, da dem Wappen<br />

der Schild fehlt. Dieser Meinung ist grundsätzlich zuzustimmen, da es in der Tat<br />

nicht angeht, daß sich eine Wappenzeichnung nicht an den Gesetzestext hält. (Ähnliches<br />

gilt ja auch für das Wappengesetz 1984, BGBl. 159, dessen Anlage den Bundesadler<br />

nicht in Schwarz, sondern blau-schwarz meliert darstellt, was in der Praxis oft zu<br />

durchsichtig-grauen Adlerdarstellungen führt.) Nicht folgen können wir Hye aber in<br />

der Begründung seines Anliegens, daß nämlich ein Wappen ohne Schild kein Wappen<br />

sei. Spätestens seit Gründung des österreichischen Kaiserreiches schweben Doppeladler<br />

und Bundesadler frei in den Lüften - alles keine Wappen?<br />

Am 21.3. 1983 wurde in Ausführung des Autonomiestatuts von 1971 für Südtirol ein<br />

eigenes Wappen dekretiert. Eine Wappenkommission unter Landeshauptmann Magnago<br />

hatte empfohlen, die Abbildung des Tiroler Adlers von ca. 1370, wie sie sich<br />

am Altar der Kapelle von Schloß Tirol befindet, als Wappenbild zu übernehmen. Am<br />

30. Juli 1982 faßte die Südtiroler Landesregierung einstimmig einen diesbezüglichen<br />

Beschluß. Die Beschreibung des Wappens lautet:<br />

Auf Silbergrund alter roter (Tiroler) Adler, goldbewehrt, mit roter Zunge und goldenen<br />

Flügelspangen.<br />

Das gleichzeitig geregelte gemeinsame Wappen der Region Trentino-Südtirol besteht<br />

aus einem viergeteilten Schild, dessen Felder 1 und 4 in Silber den schwarzen, rotgeflammten<br />

Adler von Trient, dessen Felder 2 und 3 den oben beschriebenen Südtiroler<br />

Adler zeigen. Der rotgeflammte, schwarze Adler in Silber bildete ursprünglich das<br />

Wappen des Königreichs Böhmen und seines Schutzpatrons, des hl. Wenzel. Er<br />

wurde dem Fürstbischof von Trient, Nikolaus von Brünn, auf dessen Bitte 1339 von<br />

König Johann von Böhmen, dem ersten Schwiegervater von Margarete Maultasch,<br />

verliehen.<br />

Die älteste erhaltene Tiroler Schützenfahne stammt aus der Wende zum 16. Jahrhundert<br />

und zeigt in ihrer Mitte einen großen, freischwebenden (!) Tiroler Adler, daneben<br />

das königliche Wappen Maximilians I., den österreichischen Bindenschild sowie eine<br />

Darstellung des hl. Georg, der als der ursprüngliche Tiroler Schutzheilige gilt, wie wir<br />

weiter unten sehen werden. Auch am Goldenen Dachl befindet sich ein Fresko mit<br />

dem Landesbanner Tirols in ähnlicher Zeichnung: der Tiroler Adler in Weiß. Aus diesen<br />

historischen Vorbildern scheinen sich also problemlos die Landesfarben Weiß-<br />

Rot ableiten zu lassen, wie sie die Tiroler Landesordnung in Art. 6 Abs. 2 auch vorsieht.<br />

Aber so einfach ist die Geschichte nicht, unter anderem deshalb, weil die Tiroler<br />

Schützen in mehrfachen Abwandlungen die Farben Grün und Weiß als Fahnenfarben<br />

verwenden (ob in Anlehnung an das „Ehrenkränzel" oder den „grünen Rock" des Jägers,<br />

ist ungewiß). Im Landtag 1921 entstand eine längere Debatte darüber, ob nicht<br />

rot-weiß die richtige Reihenfolge der Farben in der Tiroler Landesflagge sei. 1<br />

Für die Beibehaltung von weiß-rot sprach die Tradition, ferner die Ansicht, daß man<br />

Stenographische Berichte des verfassunggebenden Tiroler Landtags. 71. Sitzung am 16. Februar<br />

1921, 1890 ff.

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