Eine Richterin auf der Anklagebank. Welch ein Drama, für die Richterin, für die Gesellschaft. Äußerlich gelassen, beinahe heiter, nimmt sie neben ihrem Anwalt Platz. Auch die Richter des Landgerichts Gera, ihr gegenüber, ließen sich am Montag voriger Woche nichts anmerken; nicht den Verdruss, über eine ehemalige Kollegin zu Gericht sitzen zu müssen.

Bemerkenswert ist die Zeit, die das Gericht benötigt hatte, um die im August 2021 erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft Erfurt überhaupt zuzulassen: 19 Monate, rund 450 Arbeitstage, für einen Dreizeiler – das lässt sich nur mit einem einzigen vernünftigen Grund erklären: Prokrastination, also Angst vor einer Entscheidung. Warum sollte das Gericht auch drängeln, wo es am Ende nur verlieren kann? Spricht es die ehemalige Kollegin frei, wird der Bürger wissend nicken: Natürlich hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus. Verurteilt es die Angeklagte, wird absehbar der größere Teil des Volkes das Gericht der Staatsnähe und Menschenferne zeihen. Ganz abgesehen von der zu erwartenden politischen Urteilsfledderei, mag der Richterspruch juristisch noch so ziseliert begründet werden.