Die Regierung Ungarns versucht nach Kritik an ihrem Krisenmanagement , die verheerende Giftschlamm-Katastrophe im Westen des Landes möglichst zügig zu bewältigen. Ministerpräsident Viktor Orban stellte im Parlament einen Forderungskatalog auf: Die Opfer der Katastrophe müssten Schadenersatz bekommen, die Arbeitsplätze in dem Werk erhalten bleiben. Zudem müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und weitere potenziell gefährliche Standorte erkannt werden. Bis diese vier Punkte erfüllt seien, sei das Vermögen der Firma einzufrieren, sagte der Regierungschef.

Um auf die Fotostrecke zu gelangen, klicken Sie auf das Bild

Orban zufolge wurde bereits ein staatlicher Bevollmächtigter damit beauftragt, die Kontrolle über das für die Katastrophe mutmaßlich verantwortliche Unternehmen, die Ungarische Aluminium-AG (MAL), sowie dessen Vermögenswerte zu erlangen. Das Unternehmen befindet sich im Besitz ungarischer Geschäftsleute, die bei der Privatisierung der Aluminiumindustrie in den neunziger Jahren dank ihrer politischen Beziehungen zum Zug gekommen waren. Wie Orban mitteilte, haben die Behörden den Firmenchef Zoltán Bakonyi – Sohn eines der Mitbesitzer von MAL – bereits festgenommen.

Vor einer Woche war das Abfallbecken eines Werks der MAL im westungarischen Ajka geborsten. Fast eine Million Kubikmeter hochgiftigen Bauxitschlamms waren ausgelaufen und hatten mehrere Nachbardörfer überschwemmt. Am Montag stieg die Zahl der Todesopfer auf acht, als Einsatzkräfte die Leiche einer vermissten Person fanden. 150 weitere Menschen hatten zuvor Verletzungen durch die ätzende Brühe erlitten. Zudem wurde das Ökosystem zweier Flüsse zerstört, rund 40 Quadratkilometer Land sind möglicherweise auf Jahre vergiftet.

Das Parlament könnte ein Gesetz zur Wiederverstaatlichung der MAL schon an diesem Montag billigen. Orbans rechtskonservativer Bund Junger Demokraten (Fidesz) verfügt in der Volksvertretung über eine selbst für Verfassungsänderungen ausreichende Zweidrittelmehrheit.

Die MAL ist sich dagegen keiner Schuld bewusst. Auf seiner Website teilte das Unternehmen mit, dass die Wälle des Rückhaltebeckens den vorgeschriebenen Standards entsprochen hätten. Der Firma droht nach Regierungsangaben eine Geldbuße in Höhe von 73 Millionen Euro, sollte sich herausstellen, dass sie tatsächlich Schuld an dem Unfall ist. Zuvor hatten ungarische Zeitungskommentatoren sowie Umweltschützer allerdings darauf hingewiesen, dass auch die Politik aufgrund laxer Richtlinien und Kontrollen für das Unglück mitverantwortlich sei .

Derweil scheint die Gefahr einer zweiten Schlammlawine vorerst gebannt. Der Bau eines neuen Dammes am Auffangbecken sei fast fertig, sagte der Chef des Katastrophenschutzes, Tibor Dobson. Die Anlage solle bis Montagabend fertiggestellt sein. Die rund 800 Bewohner des evakuierten Dorfes Kolontar könnten also bald wieder in ihre Häuser zurückkehren. Die Behörden hatten die Menschen am Wochenende in Sicherheit gebracht, weil das Auffangbecken mit Giftschlamm der Aluminiumfabrik erneut zu bersten drohte .

Seit Sonntagabend müssen die Bewohner der betroffenen Region Atemmasken und Schutzbrillen tragen. Der hochgiftige Schlamm trockne zusehends, die Staubkonzentration in der Luft gefährde inzwischen die Gesundheit, teilte der ungarische Gesundheitsdienst ANTSZ mit.