Symbolbild Melone
Umfangreiche Vorkehrungen verhindern, dass wahrnehmbare seismische Ereignisse eintreten. Zudem gilt die Haftungspflicht des Betreibers.
Grafik Erdbebenzonen in Deutschland

NATÜRLICHE SEISMIZITÄT

Für seismische Ereignisse spielt die natürliche Vorspannung des Untergrundes eine wichtige Rolle. Der Oberrheingraben (ORG) ist Teil eines ca. 300 Kilometer langen, nord-süd ausgerichteten Rift-Systems, welches vor ungefähr 60 Millionen Jahren entstand. Dieses Grabensystem ist ein tektonisch und seismisch aktives Gebiet mit immer wieder auftretenden natürlichen Erdbeben, die durchaus spürbar und sogar schadensträchtig sein können. Die Magnitude gibt an, wie stark ein seismisches Ereignis ist (siehe auch die nebenstehende Tabelle). Das stärkste historisch belegte Erdbeben im Oberrheingraben war das von 1356 in Basel mit einer geschätzten Erdbebenmagnitude von 6.7 – 7.1. In jüngster Zeit wurden natürliche Erdbeben der Magnitude > 2 bis hin zu Magnitude 4.2 registriert. Erdbeben mit Magnituden zwischen 1 und 2 finden im ORG mehrere Dutzend Male pro Jahr statt. Beben mit Magnituden < 1 noch wesentlich häufiger.

INDUZIERTE SEISMIZITÄT

Neben den natürlichen, tektonisch bedingten Erdbeben gibt es auch „künstliche“, vom Menschen verursachte Erdbeben. Man spricht von induzierter Seismizität. Ursachen dafür sind u. a. der Bergbau, die Förderung von Erdöl bzw. -gas, das Befüllen und Entleeren von Talsperren sowie die Injektion von Fluiden (Flüssigkeiten) in den Untergrund. Dabei erreichen die durch Bergbau ausgelösten Beben Magnituden im Bereich 4 (Steinkohlebergbau im Saarland) bis 5 (Salzbergbau). Durch die Erdgasförderung wurden ebenfalls bereits Beben der Magnitude 4 ausgelöst, so z. B. bei Groningen oder Rotenburg. Fluid-induzierte Beben haben ihre Ursache in sogenannten Porendruckänderungen und können sowohl in der Vorbereitungs­phase als auch während des Betriebs eines Geothermiekraftwerks auftreten. Jedoch ist die weitaus größte Anzahl dieser Beben nicht spürbar, sondern wird nur von speziellen Messinstrumenten erfasst.

GEOTHERMIE UND SEISMIZITÄT

Im Oberrheingraben kam es in den letzten Jahren in der Umgebung von Tiefengeothermiestandorten nur zu sehr wenigen spürbaren, fluid-induzierten Erdbeben. Das stärkste davon war 2006 in Basel mit einer Lokalmagnitude von 3.4. Das stärkste in Deutschland bisher im Rahmen eines Tiefengeothermie­projektes induzierte Erdbeben ereignete sich am 18. August 2009 bei Landau mit einer Magnitude von 2.7. Strukturelle Schäden an Gebäuden konnten nicht belegt werden. Trotzdem wurde als Konsequenz des Ereignisses die Fahrweise des Geothermiekraftwerks geändert, worauf kein Erdbeben ähnlicher oder gar größerer Magnitude mehr auftrat. In Deutschland wird bei neueren Geothermieanlagen im ORG von Beginn an ein dichtes Netzwerk seismischer Stationen installiert und der Betrieb an die seismische Aktivität im geothermischen Reservoir angepasst. So wurden bisher zwar einige Erdbeben verspürt, Schäden, selbst kleinere (z. B. Putzrisse), konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Der weitaus größte Teil induzierter Erdbeben ist nur instrumentell nachweisbar.

Geothermiekraftwerk Landau
Grafik Seismizität

ÜBERWACHUNG RUND UM DIE UHR

Zur Minimierung eines seismischen Risikos wird schon in der Planungsphase eines modernen Geothermiekraftwerks eine seismische Risikobewertung erstellt, um sogenannte „kritisch vorgespannte Störungen“ als Zugang zum geothermischen Reservoir auszuschließen. Die Anlagenbetreiber werden zudem von der Bergbaubehörde verpflichtet, dafür zu sorgen, dass rund um die Uhr ein seismologisches Überwachungsnetz in Betrieb ist, um mögliche induzierte Seismizität aufzuzeichnen, zu verorten und Ereignisse der Bergbehörde mitzuteilen. Darüber hinaus müssen durch induzierte Beben verursachte Gebäudeschwingungen mittels eines zusätzlichen, separaten Netzwerks erfasst werden. Die seismischen Sensoren, dieses sogenannten „Immissionsnetzwerks“, müssen speziell nach den Vorgaben der DIN4150 in Gebäuden aufgestellt werden. Basierend auf einem zuvor mit dem zuständigen Bergamt abgesprochenen Ampelschema wird der Betrieb der Geothermieanlage nach der aufgezeichneten Seismizität geregelt. Bei Überschreitungen bestimmter Schwellwerte muss die Fließrate vermindert und im Extremfall auch die Anlage heruntergefahren werden. Sowohl die Bewertung möglicher kritischer Störungen als auch die seismologische Überwachung wird von spezialisierten Firmen, wie beispielsweise dem Institut für geothermisches Ressourcenmanagement (www.igem-energie.de), vorgenommen. Diese führen geomechanische Simulationen durch, betreiben Messnetze, werten die gewonnenen Daten aus und stellen sie dem Geothermianlagenbetreiber sowie den Behörden zur Verfügung.

IM FALL DES FALLES HAFTET DER BETREIBER

Ein wesentlicher Baustein bei der Versicherung von Geothermieprojekten ist die Haftpflicht, sowohl während der Bohrtätigkeit als auch später im Betrieb. Wie die klassische Privathaftpflicht dient sie dazu, etwaige vom Projekt verursachte Schäden in jedem Fall finanziell absichern zu können. Größter Unterschied ist, dass in der „normalen“ Haftpflicht Schäden nach dem BundesBergGesetz (BBergG) ausgeschlossen sind, während sie in einer Haftpflicht für Geothermieprojekte ausdrücklich inkludiert sind. Die Versicherungssummen liegen üblicherweise zwischen zehn und zwanzig Millionen Euro für Personen-, Sach- und Vermögensschäden.

Das Besondere an Schäden nach dem BBergG sind die Bergschadensvermutung und die Beweislastumkehr, beispielsweise bei seismischen Ereignissen. Liegt ein Riss in einer Hausfassade vor, kann es für den Hauseigentümer sehr schwierig sein, nachzuweisen, dass tatsächlich die unterirdischen Bohrungen dafür verantwortlich waren. Deshalb gilt hier zunächst die Bergschadensvermutung, das heißt, es wird vermutet, dass die geothermische Bohrung den Schaden verursacht hat, und der Betreiber muss nun beweisen, dass dem nicht so ist (Beweislastumkehr). Kann er das nicht, haftet er bzw. seine Versicherung.

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