Dutzende Tote und Verletzte: Putins Schergen starten neue Ukraine-Offensive

Fühlt sich Putin durch Trump-Telefonat gestärkt?

Von: Julian Röpcke

Tote, Verletzte, heftige Gefechte! Es sind die schwersten Kämpfe seit fast zwei Jahren, die Putins pro-russische Kämpfer rund um die ostukrainische Großstadt Donezk vom Zaun gebrochen haben.

In der Ostukraine sind bei schweren Gefechten zwischen pro-russischen Verbänden und Einheiten der ukrainischen Armee nach unterschiedlichen Angaben seit Sonntag zwischen 70 und 200 Menschen getötet und verletzt worden. Laut ukrainischer Armee kamen in nur zwei Tagen 45 ukrainische Soldaten ums Leben oder wurden verletzt, auf der Gegenseite habe es mindestens 30 Todesopfer gegeben.

Die in Donezk herrschenden Prorussen sprechen sogar von mehr als 150 Opfern auf ukrainischer Seite sowie geringen eigenen Verlusten. Diese Angaben werden allerdings weithin als Propaganda bezeichnet. Auch unter der Zivilbevölkerung gab es nach gegensätzlichen Behauptungen zwischen zehn und 20 Opfer (Tote und Verletzte).

Schwerste Kämpfe seit Februar 2015

Laut ukrainischem Außenministerium stellte sich die Lage am Dienstagmittag so dar: „In den letzten Tagen stand die gesamte Kontaktlinie durch die russischen Besatzungstruppen unter Beschuss. Dabei kamen das Raketensystem BM-21 GRAD, Artillerie mit einem Kaliber von 152 und 122 Millimetern, Granatwerfern mit einem Kaliber von 120 und 82 Millimetern, Panzern und Schützenwaffen zum Einsatz, die laut Minsker Vereinbarungen verboten sind.“

Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Ivanna Klympush, sagte BILD: Russland wolle „demonstrieren, dass sie einen schwelenden Konflikt kurzerhand zu einer voll ausgewachsene Militäroperation ausweiten können“.

Zahlreiche Videos untermauerten die Aussagen. Sie zeigen pro-russische Truppen, die am Dienstag nahe Wohngebieten in der Millionenstadt Donezk Mehrfachraketenwerfersysteme vom Typ BM-21 auf die Nachbarstädte unter ukrainischer Kontrolle abfeuerten.

Ein Ziel der Angriffe: die Stadt Awdijiwka, nördlich von Donezk. Hier schlugen bis zu 100 Raketen und unzählige Artilleriegeschosse sein. Als Antwort darauf verhängte der Gouverneur der Region, Pavlo Zhebrivskyi, den Notstand über die Stadt. Man bereite die Evakuierung der 9000 Einwohner vor, sagte Zhebrivskyi in einer Erklärung. Man habe damit begonnen unter schwerem „russischen Beschuss“ körperlich Behinderte und Schwerkranke aus den jeweiligen Einrichtungen der Stadt zu evakuieren.

Zehntausende Menschen in der Region seien durch die andauernden Angriffe ohne Strom, Wasser und Heizung – bei -10 bis -18 Grad Celsius. Die Armee bewege derzeit weitere Feldküchen in die Stadt, um die Bevölkerung zumindest notdürftig mit warmer Nahrung zu versorgen.

Auch pro-russisches Artilleriefeuer inmitten von Hochhaussiedlungen in Donezk wurde am Montag von Bewohnern gefilmt. 

Ziel dieser Strategie sei es, ukrainische Gegenschläge auf die Wohngebiete zu lenken, sagte ein polnischer Militärexperte, der anonym bleiben wollte, zu BILD. Diese Strategie gehe teilweise auf.

Fakt ist, dass es auch in den von Prorussen gehaltenen Städten Mörser- und Granateinschläge gab. Laut „staatlicher“ Nachrichtenagentur der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ seien am Montag bei diesem Beschuss „ukrainischer Bestrafer“ ein Zivilist getötet und drei verletzt worden. Bilder zeigten Einschlagkrater in denen von der russisch-unterstützten „Volksrepublik“ gehaltenen Stadtteilen.

Laut Vize-Ministerpräsidentin Ivanna Klympush achte die ukrainische Armee darauf, „jenen Zivilisten zu helfen, die sich selbst in einer ernsten Situation und nahe an einer humanitären Katastrophe befinden“. Zu BILD sagte sie: Die „wichtigste Aufgabe unserer Streitkräfte ist, dem Aggressor entgegenzutreten und ukrainischen Boden vor dessen Angriffen zu schützen, und das werden sie auch weiterhin tun.“

Außenminister kommen nicht zur Front

Aufgrund der heftigen Kämpfe musste auch ein geplanter Besuch des dänischen und ukrainischen Außenministers an der Kontaktlinie in der Ostukraine abgebrochen werden: „Wegen des Beschusses kamen wir nicht nach Schyrokyne. Wir haben Einschläge von 152-Millimeter-Artillerie gehört, als wir am östlichen Stadtrand Mariupols waren. Weiter ging es dann nicht“, sagte Oleksii Makeiev, politischer Direktor im ukrainischen Außenministerium, der die beiden Minister begleitete, zu BILD.

Der dänische Außenminister Anders Samuelsen veröffentlichte ein Video von dem Ort, an dem der geplante Frontbesuch zum Stillstand kam. Darin sind schweren Artillerieeinschläge im Hintergrund klar zu hören.

Fühlt sich Putin durch Trump-Telefonat  gestärkt?

Brisant ist der Zeitpunkt, den Putins Schergen für ihre Angriffe im Osten der Ukraine wählten. Die Offensive auf die Stadt Awdijiwka und der schwere Beschuss entlang der Front begann am Sonntagmorgen Ortszeit. Nur Stunden nach dem ersten Telefongespräch von Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Allein in der ersten Angriffswelle der „russischen Terrorverbände“, sagte ein Armeesprecher, seien am Sonntagmorgen fünf ukrainische Soldaten getötet und 13 verwundet worden.

Ein ukrainischer Offizieller, der offiziell nicht über das Thema sprechen darf, sagte zu BILD: „Putin testet Trumps Reaktion. Außerdem sendet er eine Nachricht an Angela Merkel, um sie zu erinnern, wer im Donbas das Sagen hat, während unser Präsident Berlin besucht.“

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach sich am Montag gemeinsam mit Kanzlerin Merkel für eine Umsetzung des Minsker Abkommens in Berlin aus. Beide betonten, dass dies bislang nicht ansatzweise geschehen sei.

Poroschenko reiste aufgrund der Kämpfe im Osten seines Landes vorzeitig nach Kiew zurück. Zwar konnte er alle offiziellen Termine wahrnehmen, „der Präsident konnte aber einige Termine außerhalb des offiziellen Aufenthaltsprogramms gestern nicht wahrnehmen“, sagte eine Botschaftssprecherin zu BILD.

Scharfe Worte des ukrainischen Botschafters

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, machte gegenüber BILD seiner Empörung über die Angriffe russisch-unterstützter Truppen Luft. Bei den Bombardierungen des Stadt Awdijiwka handele es sich um „Kriegsverbrechen Putins im Donbas“, sagte Melnyk.

Der Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk

Der Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk

Foto: Peter Müller BILD

Melnyk weiter: „Die gezielten Bombardierungen der Zivilisten in diesem verheerenden Ausmaß sind ein weiterer Schlag ins Gesicht unserer deutschen Partner und all jener, die sich um den Frieden in der Ostukraine tatkräftig bemühen.“

Kiew erwarte von der deutschen Bundesregierung, „diesen erneuten Akt der russischen Barbarei auf das Schärfste zu verurteilen und die Ausweitung der Sanktionen gegen das Kreml-Regime“ zu fordern.

Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Klympush sagte BILD: „Wir hoffen, dass diese Taten der Russischen Föderation eine klare Reaktion unserer Partner bekommen, die sich sowohl in politischen Erklärungen als auch einem anhaltenden Zusammenhalt vor dem inakzeptablen Verhalten zeigen.“

Russland verletze in der Ukraine „internationale Normen, Werte und Prinzipien“, auf die die europäische Nachkriegsordnung gebaut sei.

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