Katar-Beben: Jetzt schalten sich Trump und Putin ein

Mehr als 10 000 US-Soldaten sind in dem Emirat stationiert ++ Katar sagte Treffen mit DFB-Boss nach BILD-Informationen kurzfristig ab 

Es ist ein Streit um Terror, Öl und Religion! Gestern kündigten fünf arabische Staaten sämtliche Beziehungen zum Golf-Emirat Katar: Saudi-Arabien, Bahrain, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und der Jemen stoppten alle wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zu Katar. Es ist die schwerste diplomatische Krise in der Region seit Jahren.

Offizielle Begründung: Katar unterstütze Terror-Gruppen, unterlaufe damit die Anti-ISIS-Koalition der Golfstaaten. Das Außenministerium des Staates sprach von ungerechtfertigten Vorwürfen und Maßnahmen, die auf falschen Behauptungen basierten. Die Europäische Union und der Iran zeigten sich besorgt über die Entwicklungen.

Trump und Putin schalten sich ein

Die USA sind um Deeskalation bemüht. Präsident Donald Trump werde mit allen Beteiligten sprechen, um die Situation zu beruhigen, sagte eine Sprecherin des Weißen Hauses am Montag (Ortszeit) in Washington.

Katar – nur etwa halb so groß wie Hessen – ist wie etwa Saudi-Arabien und Ägypten ein Verbündeter der USA. Das Emirat ist Teil der internationalen Anti-ISIS-Koalition. In Katar befindet sich der größte Militärstützpunkt der USA in der Region. Auf der Luftwaffenbasis Al-Udeid sind mehr als 10 000 US-Soldaten stationiert.

►Das amerikanische Militär sieht die Einsätze im Nahen Osten aber nicht durch die Krise gefährdet. „Wir führen weiterhin Missionen zur Unterstützung der Operationen in der gesamten Region aus“, erklärte ein Sprecher des US-Zentralkommandos (Centcom) in Tampa am Montag. Das gelte sowohl für den Kampf gegen ISIS als auch die Trainingsmission in Afghanistan. „Jede Art von Kursänderung wäre verfrüht und würde zu diesem Zeitpunkt nur Spekulation bedeuten.“

Ein Sprecher des Pentagons erklärte ebenfalls, dass es keinerlei Pläne gebe, etwas an der Präsenz in Katar zu ändern. Die USA und die Anti-ISIS-Koalition seien dem Land dankbar für die Unterstützung. „Wir ermutigen alle unsere Partner in der Region, Spannungen zu reduzieren und auf gemeinsame Lösungen hinzuarbeiten, die Sicherheit in der Region schaffen.“

Die US-Regierung sieht Katar aber auch kritisch. Viele Handlungen des Emirats seien „einigermaßen besorgniserregend“, nicht nur in den Augen der anderen Staaten der Region sondern auch aus US-Sicht.

Der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan riefen nach einem Telefonat zu einem Dialog zwischen den Konfliktparteien auf. Es müsse einen Kompromiss geben „im Interesse der Bewahrung von Frieden und Stabilität in der Golf-Region“, erklärte das russische Präsidialamt am Montagabend.

►Kuwaits Emir Sabah al-Salim al-Sabah bemühte sich um Vermittlung in dem Streit. Er telefonierte am Montagabend mit seinem katarischen Kollegen Tamim bin Hamad Al Thani und forderte diesen nach Angaben der Agentur Kuna auf, den Bemühungen um Entspannung „zwischen Brüdern“ eine Chance zu geben.

Infolge der Krise sagten Saudi-Arabien, Bahrain, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate Flüge nach Doha, Katars Hauptstadt, ab. Saudi-Arabien schloss die Landesgrenze zu dem Emirat. Bürger Katars müssen die betroffenen Länder binnen zwei Wochen verlassen. Auch die Malediven und Mauritius schlossen sich gestern dem Boykott an. In Katar reagierten die Menschen mit Hamsterkäufen.

Warum eskaliert der Streit gerade jetzt?

Ende Mai hatte Katars Regierung offiziell dem iranischen Staatsführer Rohani zur Wiederwahl gratuliert – sehr zum Ärger der Saudis.

Dazu kam der Besuch von US-Präsident Trump in Riad (21. Mai), der von den Golfstaaten deutlich mehr Engagement im Kampf gegen Terror forderte – und gleichzeitig milliardenteure Rüstungslieferungen versprach.

UND: Seit Wochen verbreiteten Internet-Blogs aus Katar pro-iranische Kommentare des Emir aus Doha – angeblich verursacht durch ausländische Hacker.

Eine weitere Spekulation: Katar soll Ende April Millionen Dollar Lösegeld an eine Terrorgruppe gezahlt haben, die – vom Iran gesteuert – Geiseln im Irak genommen hatten. Auch diese Terror-Subvention könnte Auslöser des Boykotts gewesen sein, glaubt der Nahost-Experte David Weinberg vom US-Institut „Foundation for Defense of Democracies“.

„Es ist verständlich, dass Katar eine direkte Konfrontation mit Iran vermeiden will, weil Katars Reichtum darauf beruht, dass es sich das weltgrößte Erdgasfeld mit dem Iran teilt. Aber Katar wird darüberhinaus beschuldigt, eine mutmaßlich enorme Lösegeld-Summe an Kataib Hezbollah überwiesen zu haben, um Geiseln im Irak zu befreien, die Staatsbürger Katars waren – darunter auch Mitglieder der königlichen Familie“, sagte Weinberg zu BILD.

Kataib Hezbollah ist eine Terrorgruppe im Irak, die berüchtigt ist für Terroranschläge auf US-Soldaten und Koalitionstruppen. Sie wird vom Iran unterstützt und untersteht den iranischen Revolutionsgarden. 

„Wenn diese Lösegeld-Anschuldigungen stimmen, könnte das sicherlich einen Teil der Wut der arabischen Nachbarstaaten der vergangenen Monate erklären. So wie auch die Vorwürfe, dass Katars Außenminister sich angeblich Mitte/Ende Mai mit Qassem Soleimani getroffen haben soll, dem Chef von Irans Einheit für Terrorsponsoring, der Quds Force der Revolutionsgarden“, sagt der Experte.

Ob Katars staatliche Nachrichtenagentur tatsächlich am 24. Mai gehackt wurde, sei nicht klar. Doch das Land verfolge schon lange eine andere Außenpolitik als seine Nachbarn: „Die aktuelle Krise ist deutlich signifikanter als die Krise von 2014, weil dieses Mal Saudi-Arabien Katars einzige Landgrenze abschneidet, was wichtig ist für den Import von Nahrung nach Katar, sowie den Zugang zum saudischen Luftraum, der für Katars Staats-Airline, Katar Airways, wichtig ist für Flüge in den Westen.“

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Jonathan Schanzer, früherer Anti-Terror-Berater der US-Regierung, sagte zu BILD: „Die saudischen Anschuldigungen gegen Katar, im Jemen mit den Houthis zu kooperieren, sind zwar außerordentlich schwerwiegend, letztlich aber schwer zu beweisen und lenken vom eigentlichen Konflikt ab: Katar unterstützt seit langem massiv die Muslimbruderschaft und ihren Ableger Hamas, was Saudi-Arabien und Ägypten ein Dorn im Auge ist und mehrfach zu Verstimmungen zwischen diesen Ländern geführt hat.“

Dazu käme Katars unklares Verhältnis zum iranischen Regime. Während die anderen GCC-Staaten die iranischen Einmischungen auf der arabischen Halbinsel als Bedrohung wahrnehmen, verhält sich Katar laut Schanzer eher freundlich gegenüber Teheran und trägt die Linie Saudi-Arabiens nicht mit.

Die Krise könnte sich noch weiter zuspitzen, warnt der Experte. „Sollte Katar sich jetzt weiter auf Iran zu bewegen, wäre das ein gewaltiger Fehler, denn dann würden sie alle gegen sie erhobenen Anschuldigungen bestätigen“, sagt Jonathan Schanzer.

Was sagt der DFB zur Wüsten-Fußball-WM 2022?

2008 vergab die Fifa die Fußball-WM 2022 an Katar, kämpft seitdem mit dem Vorwurf, die sieben geplanten Stadien (Kosten: 10 Milliarden Euro) würden unter sklavenähnlichen Bedingungen gebaut. Zudem findet das Turnier wegen glühender Hitze im Wüstenstaat erst im Dezember statt.

Und wie reagieren die Fußball-Bosse jetzt auf den Katar-Boykott der Nachbarstaaten? Die Fifa schweigt offiziell. DFB-Präsident und Fifa-Council-Mitglied Reinhard Grindel (55): „Wir werden uns über die neue politische Lage eng innerhalb der Uefa und auch mit der Bundesregierung abstimmen. Es sind noch fünf Jahre Zeit, in der politische Lösungen vor Boykott-Drohungen den Vorrang haben müssen. Ganz grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen.“

Nach BILD-Informationen haben Katars WM-Organisatoren vor drei Wochen ein Treffen mit Grindel kurzfristig abgesagt, was den DFB „irritiert“ hat. Grindel wollte sich vor Ort über die WM-Vorbereitungen informieren, hatte bereits Kontakt zu „Reporter ohne Grenzen“ und „Amnesty International“.

Was steckt hinter dem Katar-Boykott?

Politisch und religiös sitzt Katar seit Jahren in der Klemme. Das islamische Land, eine Halbinsel Saudi-Arabiens (halb so groß wie Hessen), hat sich dank ungeheuren Öl- und Gas-Reichtums an die Weltspitze der reichsten Nationen vorgearbeitet (Pro-Kopf-Einkommen: 130 000 Dollar/Jahr).

Das Problem: Das Emirat finanziert auch terroristische Gruppen wie die Muslimbrüder (Ägypten), al-Qaida (u. a. Syrien) und die Hamas (Gaza-Streifen). Als ersten Schritt zur Deeskalation hat Katar gestern die Hamas aufgefordert, ihr Hauptquartier im Land zu räumen.

► Darüber hinaus bekundet Katar offen seine Sympathie mit dem Iran.

Genau diese Iran-Verbindung bringt Katar ins Schussfeld des Nachbarn Saudi-Arabien und seiner Verbündeten. Denn der Iran sieht sich als Heimat der Schiiten, Saudi-Arabien gibt sich dagegen als Kernland „reiner Lehre“ der Sunniten.

ABER: Auch aus dem Königreich Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten fließen jedes Jahr Milliarden in den Terrorkampf radikal-islamistischer Gruppen!

Wie mächtig ist Katar in Deutschland?

Katar ist über Beteiligungen und Kooperationen mit zahlreichen deutschen und europäischen Konzernen verbandelt.

Über Staatsfonds hält Katars Emir, Scheich Hamad al-Thani (37), milliardenschwere Anteile an Autokonzernen (VW, Porsche), Banken (Deutsche Bank), Baufirmen (Hochtief). Zudem fördert der Golfstaat Fußball-Vereine wie Bayern München. Hinweise, dass der Emir Anteile oder Verträge aufkündigt, gibt es nicht.

Was wird aus deutschen Panzern für Katar?

Die Bundesregierung hat 2013 erstmals die Lieferung von mehr als 60 Leopard-2-Panzern an Katar genehmigt. Rund die Hälfte des 2-Milliarden-Euro-Deals steht noch aus, meldete der Branchendienst „Jane’s“ im Oktober 2016.

Was geschieht jetzt mit den restlichen Panzern? Auf BILD-Anfrage verweigert das Bundeswirtschaftsministerium konkrete Infos, verweist auf den „Rüstungsexportbericht für das Gesamtjahr 2016“, der „noch vor der Sommerpause veröffentlicht“ werde.

Geht Katar auf die Länder zu?

Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani zur Verständigung aufgerufen. In einer am Dienstag im Fernsehsender Al-Dschasira ausgestrahlten Erklärung forderte Al-Thani einen „offenen und ehrlichen“ Dialog, um die Krise beizulegen.

Al-Thani bekräftigte, dass es von Seiten Katars „keine Eskalation“ geben werde. Zugleich bezeichnete er die Beziehungen Katars zu den USA als „strategisch“. „Es gibt Dinge, bei denen wir nicht zustimmen, aber die Bereiche, in denen wir kooperieren, sind zahlreicher als diejenigen, in denen wir Auseinandersetzungen haben“, sagte der Außenminister. 

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