148 Lebensmittel-Rückrufe 2016: Jede zweite Produktwarnung kommt zu spät!

148 Lebensmittel-Rückrufe in 2016: Jede zweite Produkt-Warnung kommt zu spät

Ehe der Rückruf die Verbraucher erreicht, ist das Problem oft schon gegessen

Foto: Moment/Getty Images

Warnungen vor möglicherweise gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln erreichen die Menschen in Deutschland aus Sicht von Verbraucherschützern oftmals zu spät oder gar nicht.

Fast jeder zweite Rückruf auf dem staatlichen Portal lebensmittelwarnung.de erscheint mit Verzögerung, heißt es in einem Report der Organisation Foodwatch.

Dabei geht es um Tage oder gar Wochen Verspätung!

Der Report

Foodwatch hat für seinen Report „Um Rückruf wird gebeten“ gut 90 Rückrufaktionen ausgewertet. Die Ergebnisse werfen kein gutes Licht auf den Punkt Verbrauchersicherheit in Deutschland.

Die Kritik ist hart: Wichtige Lebensmittelwarnungen kommen bei den Verbrauchern oft nicht an. 

In etlichen Fällen entscheiden sich Unternehmen und Behörden zu spät, manchmal auch gar nicht für eine erforderliche Rückrufaktion und die Information der Öffentlichkeit.

Zudem werden dabei die gesundheitlichen Risiken der Lebensmittel immer wieder verharmlost.

Die Verbraucherorganisation hält auch das staatliche Internetportal lebensmittelwarnung.de für gescheitert.

Eine Auswertung der Rückrufaktionen ergab: Die verantwortlichen Behörden stellen fast jede zweite Warnung (47 Prozent) verspätet auf die Seite.

Die betroffenen Lebensmittelunternehmen nutzen praktisch nie alle verfügbaren Kommunikationskanäle, um vor unsicheren Produkten zu warnen.

Beispiele

Ohne die konkreten Hersteller und Produkte zu nennen, führt Foodwatch Beispiele auf, bei denen die Information für die Verbraucher zu spät kommt:

► Eine Warnung vor potenziell listerienbelasteten Pilzen erschien erst drei Tage nach der Herstellerwarnung auf der staatlichen Website – weil dazwischen Silvester und der Neujahrstag lagen und die zuständige Behörden an Feiertagen wie an Wochenenden grundsätzlich keine Informationen auf lebensmittelwarnung.de einstellt.

► Erst vier Tage nach dem Rückruf eines Bio-Säuglingstees durch den Hersteller erfuhren davon die Leser über lebensmittelwarnung.de – weil die zuständige Überwachungsbehörde zwei Tage benötigte, um die Information an ihre obere Landesbehörde weiterzureichen, die für die Einstellung von Meldungen aus ihrem Bundesland in das Portal zuständig ist. Dafür brauchte sie aufgrund weiterer „Ermittlungen“ abermals zwei Tage.

► Bei einem Nahrungsergänzungsmittel, das nicht zugelassene pharmakologische Substanzen enthielt und dessen Konsum in seltenen Fällen zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen konnte, vergingen sogar 20 Tage, bis die Behörde warnte. Sie begründete den Verzug mit der Notwendigkeit, den niederländischen Hersteller zunächst anzuhören. Dieser war jedoch nicht erreichbar.

Was fordert Foodwatch?

„Hersteller rufen heute viel häufiger ihre Produkte zurück als noch vor ein paar Jahren – dennoch können die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sicher sein, dass im Fall der Fälle wirklich ein Rückruf gestartet wird, und vor allem, dass sie davon auch erfahren“, sagte Foodwatch-Deutschland-Geschäftsführer Martin Rücker.

Der Handel spielt eine besonders wichtige Rolle bei der Information von Kundinnen und Kunden über unsichere Lebensmittel. Es wird höchste Zeit, dass Supermärkte an zentraler Stelle über alle Rückrufaktionen aus ihrem Sortiment informieren – dazu sind sie bisher nicht verpflichtet, und die wenigsten Handelsunternehmen leisten hier ihren Beitrag.“

Mit einer heute unter warn-mich.foodwatch.de gestarteten E-Mail-Aktion fordert Foodwatch die großen Handelsketten auf, in Zukunft

✔ mit Aushängen in den Märkten

✔ mit Newslettern

✔ und auf Social-Media-Kanälen

über Lebensmittelwarnungen zu informieren.

Wie häufig werden Lebensmittel zurückgerufen?

Im Schnitt der vergangenen Jahre gab es nach Foodwatch-Berechnungen zwei Rückrufe pro Woche.

Die Anzahl hat allerdings über die Jahre zugenommen, von 83 Rückrufen im Jahr 2012 auf 148 im vergangenen Jahr. Meist ging es um Verunreinigungen mit Bakterien wie Salmonellen.

Aus Sicht von Experten hängt die Zunahme mit einer gestiegenen Bereitschaft der Unternehmen zusammen, fehlerhafte Produkte auch tatsächlich zu melden.

Wie läuft ein Rückruf ab?

Betroffene Chargen werden nicht weiter ausgeliefert und der Verkauf wird gestoppt, die Ware wird aus den Regalen und Lagern von Händlern geräumt, Kunden werden informiert und zur Rückgabe gekaufter Ware aufgerufen.

So sollte es sein. Die öffentliche Warnung kommt aber nicht immer, berichtet Foodwatch – es komme „immer wieder zum Rechtsbruch“. Genaue Zahlen liefert die Organisation dazu aber nicht, sie beruft sich auf Angaben anonymer Branchenexperten.

Info: Je nach Fall kann es auch reichen, wenn ein Unternehmen nur Verzehrhinweise herausgibt – zum Beispiel, dass belastetes Hackfleisch gut durchgegart werden sollte.

Achtung: Unternehmen legen dem Report zufolge weitgehend selbst fest, wie und in welchem Umfang sie warnen.

Fazit

Auf die staatliche Website lebenmittelwarnung.de sollten Verbraucher nach diesem Report nicht allein setzen, um schnell genug informiert zu sein!

Informieren Sie sich deshalb individuell zu Ihrer Sicherheit und der Ihrer Familie und Angehörigen.

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