Neuer Armutsbericht :
Ärmere Menschen gehen seltener wählen

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Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) während der Trauerfeier des SPD-Politikers Horst Ehmke am 18. März.
„Dieser Befund ist echt krass“, sagt Arbeitsministerin Andrea Nahles. Der neue Regierungsbericht über Armut und Reichtum in Deutschland hat es in sich. Und dann sind da noch gestrichene Passagen.

Die Kluft zwischen armen und reichen Menschen droht nach Einschätzung der Bundesregierung das Vertrauen vieler Bundesbürger in die Demokratie in Deutschland zu untergraben. Es gebe eine „verfestigte Ungleichheit bei den Vermögen“, sagte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) an diesem Donnerstag in Berlin unter Berufung auf ihren neuen Armuts- und Reichtumsbericht. „Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens, die untere Hälfte nur ein Prozent.“

Großer Reichtum beruhe oft nicht auf eigener Leistung. So basiere bei zwei von drei Reichen das Vermögen auf Erbschaften oder Schenkungen. „Je weniger aber Reichtum mit eigener Leistung zu tun hat, umso mehr stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit.“

Alarmiert zeigte sich Nahles von der starken Abnahme der Wahlbeteiligung ärmerer Menschen in den vergangenen Jahren. „Dieser Befund ist echt krass.“

Ärmere gehen seltener zur Wahl

Laut dem Bericht betrug die Wahlbeteiligung während der Bundestagswahl im Jahr 2013 bei Beziehern von hohen Einkommen rund 85 Prozent. Bei Geringverdienern waren es nur 71 Prozent. Zehn Jahre zuvor war diese Kluft mit einem Unterschied von 3 Prozentpunkten deutlich geringer.

„Sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu groß und wird erworbener Reichtum als überwiegend leistungslos empfunden, so kann dies die Akzeptanz der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verringern“, heißt es in dem Bericht. „Die politische Beteiligung bis hin zur Teilnahme an Wahlen ist bei Menschen mit geringem Einkommen deutlich geringer und hat in den vergangenen Jahrzehnten stärker abgenommen als bei Personen mit höherem Einkommen und der Mittelschicht.“

In einer früheren Fassung des Berichts waren nach der Abstimmung mit dem Kanzleramt Passagen gestrichen worden. In diesen hieß es, dass Menschen mit mehr Geld mehr Einfluss auf politische Entscheidungen haben als Einkommensschwache.

Die obersten 60 Prozent der Beschäftigten hatten seit Mitte der neunziger Jahre laut dem Bericht einen realen Anstieg ihres Bruttolohns. Die Löhne der unteren 40 Prozent der Beschäftigten dagegen sind heute real geringer. So gebe es ganze Branchen wie Transport oder Einzelhandel, in denen die Löhne auf niedrigem Niveau stagnierten.

Zwei Millionen Kinder sind dem Bericht zufolge von Armut gefährdet, weil kein Elternteil erwerbstätig ist oder ein Alleinverdiener nur in Teilzeit arbeitet. Das Armutsrisiko von Kindern beträgt 64 Prozent, wenn kein Elternteil arbeitet. Trotz Rekordbeschäftigung hat sich der Anteil der von Armut bedrohten Menschen in den vergangenen Jahren nicht verringert.