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Kriselnde Fluggesellschaft : Italien will Alitalia wohl doch retten

Die Piloten von Alitalia haben 120 Ruhetage im Jahr – jenseits des normalen Urlaubs. Bild: Reuters

Die akut konkursgefährdete Alitalia darf wieder einmal auf Geld vom italienischen Staat hoffen. Der Grund diesmal: „Weil wir sonst für einen großen Teil des Landes keine Flugverbindungen mehr hätten.“

          3 Min.

          Neue staatliche Hilfen für die marode italienische Fluglinie Alitalia rücken immer näher. Der ehemalige Ministerpräsident Matteo Renzi, der am Sonntag mit großer Mehrheit zum Parteivorsitzenden der wichtigsten Regierungspartei, der Demokraten, gewählt wurde, hat schon während der vergangenen Tage verlauten lassen, dass Alitalia irgendwie weiterleben müsse.

          Tobias Piller
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Eigentlich ist die Fluglinie akut konkursgefährdet: Die Liquidität reicht nach übereinstimmenden Medienberichten in Italien nur noch bis zur zweiten Maihälfte. Die nötige Kapitalerhöhung von 2 Milliarden Euro durch die arabische Fluglinie Etihad und den italienischen Aktionären wurde jedoch abgesagt, weil die Mitarbeiter vor einer Woche zu zwei Dritteln gegen den Sanierungsplan gestimmt hatten. Für diesen Dienstag ist die Hauptversammlung angekündigt, mit der die bisherigen Aktionäre – 49 Prozent Etihad, zu 51 Prozent eine italienische Holding mit Staatspost, Unicredit, Banca Intesa Sanpaolo und kleinen Anteilen italienischer Unternehmer – ihre Selbstaufgabe beschließen und alle Geschäftsführungsbefugnisse abgeben wollen. Die italienische Regierung soll gebeten werden, die Geschäftsführung einem staatlichen Kommissar zu übertragen und damit automatisch auch alle Ansprüche der Gläubiger vorläufig einzufrieren. Weil Alitalia aber bisher täglich 1 bis 2 Millionen Euro an Verlusten einfliegt, ist damit das Überleben der italienischen Fluglinie längst noch nicht gesichert.

          Regierungschef Paolo Gentiloni und der zuständige Minister Carlo Calenda hatten zwar ausdrücklich den Weiterbetrieb von Alitalia auf Staatskosten ausgeschlossen, nachdem das Unternehmen den Staat bisher 7,4 Milliarden Euro gekostet hat. Doch diese Position bröckelt langsam. Minister Calenda, zuständig für wirtschaftliche Entwicklung und damit auch für die Regulierung der Passagierflugbranche, hatte von vorneherein angekündigt, dass die Alitalia-Flieger nicht einfach auf dem Boden bleiben dürften. Er kündigte einen Übergangskredit der Regierung an, der 300 bis 400 Millionen Euro betragen sollte und einem Staatskommissar die Gelegenheit geben solle, in Ruhe die Zukunftsperspektiven zu prüfen: Verkauf als Ganzes, in Teilen oder Liquidation.

          Brüssel hat wohl keine Einwände

          Binnen weniger Tage ist diese Position jedoch modifiziert worden: Die Laufzeit des Kredits soll eventuell von sechs auf neun Monate verlängert werden – damit die Schwierigkeiten von Alitalia dann erst nach der kommenden Parlamentswahl im Februar 2018 gelöst werden müssen. Nun ist auch die Rede von einer Kreditsumme, die 500 Millionen Euro betragen soll. In Italien wird berichtet, dass die Wettbewerbsaufseher der Brüsseler Kommission keine Einwände gegen einen solchen Kredit hätten. Dabei war 2008 ein ähnlicher Übergangskredit von 300 Millionen Euro, vergeben von der damaligen Regierung des Ministerpräsidenten Romano Prodi an das damals konkursreife Staatsunternehmen Alitalia, in Brüssel als unerlaubte Staatshilfe kritisiert worden.

          Doch Matteo Renzi hat schon während der vergangenen Tage eine Linie vorgegeben, mit der er sich wenig um europäische Wettbewerbsvorschriften schert und vor allem als tatkräftiger Kämpfer für die Arbeitsplätze der Alitalia-Mitarbeiter dastehen will. Renzi hat am Freitag beim Flug in einem Alitalia-Flugzeug mit der Sprechanlage der Flugbegleiter eine Ansage gemacht, die in den Medien viel beachtet wurde: „Alitalia funktioniert und widerlegt alle, die der Linie Böses wollen.“

          Nur 24 Flugzeuge für die Langstrecke geeignet

          Den Wünschen des ehemaligen und neuen Parteichefs Matteo Renzi können sich weder der Regierungschef Gentiloni noch Minister Calenda entgegenstellen. Calenda hatte noch während der Abstimmung der Belegschaft gedroht, dass es für Alitalia bei Ablehnung des Sanierungsplans keine Zukunftsaussichten mehr gebe. Doch nun hat auch er keine Wahl: „Alitalia darf nicht von heute auf morgen in Konkurs gehen, weil wir sonst für einen großen Teil des Landes keine Flugverbindungen mehr hätten. Das wäre ein Schock für das Bruttoinlandsprodukt“. Renzi ist zwar ohne Staatsamt, hat aber den Minister nun darauf festgelegt, nicht einen Konkursverwalter als Staatskommissar für Alitalia zu bestellen, sondern einen ehrgeizigen Manager.

          Dazu gibt es nun viele Vorschläge für staatliches Engagement, zum Beispiel eine Kapitalerhöhung durch die staatlich kontrollierte Kasse für die Verwaltung von Geldern der Postsparbücher und Kommunalkredite, Cassa Depositi e Prestiti, oder die Übernahme durch die Eisenbahn oder andere Staatskonzerne.

          Gewerkschaftsführer wie der Vorsitzende der UIL, Carmelo Barbagallo sagen nun, die Schuld für den Niedergang von Alitalia sei alleine bei den Managern zu suchen, die zu viel für Benzin und Leasing bezahlten oder Knebelverträge mit dem Verzicht auf Nordamerikaflüge geschlossen hätten. Während andere Linien mit Langstreckenflügen verdienten, hätten sich die Alitalia-Manager auf der Kurz- und Mittelstrecke in Konkurrenz zu Billigfliegern begeben. Nur 24 der 122 Flugzeuge von Alitalia seien für die Langstrecke geeignet. Es geht um neun Gewerkschaften für 12.500 Mitarbeiter und um die Privilegien der Piloten – 16 je Flugzeug – mit 120 Ruhetagen im Jahr jenseits des normalen Urlaubs. Dafür, dass die Fluglinie bisher mit drei Sanierungsversuchen nicht gerettet werden konnte, gibt es für den Mailänder Branchenfachmann und Wirtschaftsprofessor Marco Ponti vor allem einen Grund: „Das Gift besteht einfach darin, dass die Mitarbeiter immer weiter glauben, dass sie vom Staat gerettet werden“.

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