Beitragssätze :
Sozial kurzsichtig

Heike Göbel
Ein Kommentar von Heike Göbel
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Die Politik hätte die unerwartet erzielten zusätzlichen Einnahmen nutzen können, um den Beitragssatz für die Rentenversicherung zu senken.
Die Sozialabgaben steigen weiter, die Arbeitslosenkasse häuft Reserven an. Warum gibt sie das Geld nicht an die zurück, die es erarbeitet haben?

Was der Finanzminister zum neuen Jahr gibt, nimmt der Gesundheitsminister. Die leichte Steuersenkung wird zumindest teilweise aufgezehrt durch den höheren Beitragssatz zur Pflegeversicherung und den höheren Zusatzbeitrag, den jetzt so manche Krankenkasse erbittet. Ein großes Thema sind die steigenden Sozialabgaben bislang nicht, auch weil die große Koalition ihr Vorgehen geschickt tarnt. Minister Gröhe hat den Beitragssprung um ein halbes Prozent, den die Ausweitung der Pflegeleistungen um ein sattes Viertel mit sich bringt, in zwei Schritte aufgeteilt. Ins Wahljahr fällt mit 0,2 Prozentpunkten nur noch der kleinere. Und den kräftigeren Anstieg der Zusatzbeiträge haben Union und SPD verhindert, indem sie den Kassen kurzerhand aus der Reserve des Gesundheitsfonds 1,5 Milliarden Euro zuschusterten. Dass der Beitragssatz der Renten- und Arbeitslosenversicherung stabil bleibt, ist kein Trost.

Die Arbeitslosenkasse häuft Reserven an, allein 2016 hat sie den Beschäftigten und ihren Unternehmen 4,9 Milliarden Euro zu viel abgeknöpft. Statt das Geld an die zurückzugeben, die es erarbeitet haben, denkt die Politik über neue Leistungen nach. Auch in der Rentenkasse läge der Beitragssatz niedriger, hätte die Koalition die dank guter Konjunktur unerwartet erzielten Zusatzeinnahmen nicht in Mütterrente und Rente mit 63 gesteckt.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen interessiert kaum

Für ihre Politik, die kollektiven Sozialleistungen mit Hilfe der Beitragszahler beherzt auszuweiten, bekommt die Regierung in Umfragen viel Lob. Beifall finden auch jene, die immer noch neue Lücken im Sozialsystem ausmachen. Ein Wahlkampf um höhere Renten zeichnet sich ab. Hingegen hat der Ökonomenrat beim Wirtschaftsministerium nur ein Achselzucken kassiert für seine eindringliche Warnung, dass die Sozialbeiträge nach 2030 von heute rund 40 Prozent auf mehr als 50 Prozent des Bruttolohns schießen werden. Da auch die steuerfinanzierten Sozialausgaben zulegen, bliebe dann von dem, was Bürger und Unternehmen verdienen, nicht mehr viel zur privaten Verfügung, ob für Konsum oder Investition. Was das für die Motivation der Arbeitnehmer und die Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bedeutet, interessiert kaum.

Politische Weitsicht und frühes Gegensteuern verlangt eine Mehrheit der Bürger bloß im Klimaschutz, nicht zum Schutz der Sozialen Marktwirtschaft. Das Bewusstsein, dass es finanzieller Freiheit bedarf, um im Wettbewerb erfolgreich etwas zu wagen, fehlt zunehmend. Doch sozial bleibt die Marktwirtschaft nur, wenn die Sozialpolitik die Ansprüche zu zügeln lernt.