Hormonbehandlung :
Krebsfalle unerfüllter Kinderwunsch?

Von Martina Lenzen-Schulte
Lesezeit: 4 Min.
Erhöht die Hormonbehandlung das Krebsrisiko?
Der Verdacht ist nicht neu, aber jetzt mehren sich die Indizien. Die hormonelle Behandlung, die bei der künstlichen Befruchtung angewendet wird, erhöht anscheindend das Risiko an Brust- und Gebärmutterkrebs zu erkranken.

Medikamente und Hormone, die die Reifung der Eizellen in den Eierstöcken forcieren, verbuchen mit die höchsten Zuwachsraten auf dem Arzneimarkt. Sie werden hauptsächlich bei der Kinderwunschbehandlung verwendet, um Funktionsausfälle der Eierstöcke zu behandeln oder möglichst viele Eizellen für eine künstliche Befruchtung zu gewinnen. Anfang der neunziger Jahre deuteten einige Untersuchungen darauf hin, dass eine solche Behandlung das Risiko, einen Eierstockkrebs oder andere Tumoren wie Brust- und Gebärmutterkrebs zu entwickeln, deutlich erhöht. Aus später nachfolgenden Studien zog man jedoch den Schluss, dass der Verdacht vermutlich unbegründet ist. Eine jetzt von Louise Brinton vom National Cancer Institute in Rockville in der Zeitschrift „Reproductive Bio Medicine“ online veröffentlichte Zusammenschau neuerer Beobachtungen kommt zu dem Ergebnis, dass noch immer nicht alle Zweifel an der Sicherheit der Präparate ausgeräumt sind.

Wenn die Eierstöcke nicht mehr vollkommen funktionstüchtig sind, gibt es mehrere Substanzen, die sie zu stimulieren vermögen. Clomifenzitrat fördert die Ausschüttung von zwei Gonadotropinen, nämlich dem luteinisierenden Hormon (LH) und dem follikelstimulierenden Hormon (FSH). Diese beiden Hormone aus der Hypophyse steuern den weiblichen Monatszyklus und lassen etwa alle vier Wochen einmal im rechten und einmal im linken Eierstock je eine Eizelle heranreifen. Die Gonadotropine gehorchen auch einem natürlichen Hormon, dem Gonadotropin-Releasing-Hormon oder GnRH aus dem übergeordneten Hirnzentrum im Hypothalamus. Schließlich kann man LH und FSH auch direkt zur Stimulation verwenden.

Bestehende Krebszellen angeregt

Die Behandlungsprotokolle für die Kinderwunschtherapie sind nicht einheitlich. Ziel ist es jedoch, den natürlichen Zyklus zu unterlaufen. Je nach Hormondosis werden bis zu zehn, mitunter dreißig Eizellen für eine künstliche Befruchtung zum Reifen gebracht. Clomifenzitrat wird meist im Vorfeld eingesetzt, um der natürlichen Zeugung noch eine Chance zu geben.

Je häufiger die oberflächliche Epithelschicht der Eierstöcke im Zuge eines Eisprungs verletzt und gereizt wird, desto größer ist das Risiko, dass sich hier ein Tumor entwickelt. Daher sind Eierstockstumore bei Frauen, deren Eierstöcke während ihrer Schwangerschaften längere Zeit zur Ruhe kamen, deutlich seltener als bei jenen, die nie Kinder geboren hatten. Eine Schutzwirkung entfaltet aber auch die Pille, wenn zur Verhütung der Eisprung unterdrückt wird.

An den Oberflächenzellen der Eierstöcke befinden sich Bindungsstellen für Gonadotropine. Sind bereits entartete Krebszellen vorhanden, so werden sie durch die Hormone zur weiteren Expansion angetrieben. Das bietet eine Erklärung für die Beobachtung, dass sich mitunter rasch nach einer künstlichen Befruchtung ein Ovarialtumor entwickelt. Daher empfehlen manche Experten, vor einer Behandlung nach Anzeichen für bereits bestehende Tumorherde zu fahnden.

Auch höheres Brustkrebsrisiko

Israelische Forscher haben Eierstockzellen, die von Patientinnen stammten, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen, im Labor den stimulierenden Gonadotropinen ausgesetzt. Sie konnten zeigen, dass dadurch beispielsweise Krebswachstumsfaktoren, etwa das Epiregulin, dramatisch angekurbelt werden.

Wenngleich die meisten Beobachtungen keine übermäßig erhöhten Risiken erkennen ließen, stimmen doch zwei Aspekte bedenklich. Denn sowohl dann, wenn die Frauen länger beobachtet wurden, oder dann, wenn sie größeren Mengen an stimulierenden Substanzen ausgesetzt waren, wurde eine Zunahme der Krebsrate beobachtet. Das gilt auch für Tumoren der Gebärmutter. Das Risiko für die Entwicklung eines Brustkrebses infolge einer künstlichen Befruchtung erhöht sich nur dann, wenn zusätzlich Progesteron bei der Stimulation verwendet wird.

Nichtmedizinische Motive

Da die Generation derjenigen Frauen, von denen erstmals viele mit sehr hohen Hormondosen behandelt wurden, erst allmählich in das kritische Alter kommt, in dem diese Krebsarten ausbrechen, mahnen diese Erkenntnisse nach Ansicht von Louise Brinton zur Vorsicht. Diese Frauen sollten künftig sorgfältig beobachtet werden. Allerdings finden bisher die gleichzeitig immer häufiger erhobenen Aufrufe, auch bei der künstlichen Befruchtung nur die in einem natürlichen Zyklus herangereiften Zellen zu nutzen und auf starke Hormonanreize zu verzichten, kaum Gehör. Es gibt inzwischen Belege, dass die Qualität der ohne Hormonstimulation herangereiften Eizellen deutlich besser ist. Es zeigte sich außerdem, dass die Hormongabe dem Embryo die Einnistung verwehrt. Das molekulargenetische Muster der Schleimhautzellen ist dann nämlich nicht wie bei der natürlichen Empfängnis für einen freundlichen Empfang zusammengesetzt, sondern eher ungünstig, so wie in der unfruchtbaren Periode des Zyklus.

Für die Stimulation sprechen eigentlich eher nichtmedizinische Gründe, meint Boon Chin Heng von der Nationaluniversität in Singapur in einem Begleitartikel. Zunächst sei der Profit der Reproduktionsmediziner geringer. Außerdem stünden weniger überzählige Eizellen zur Verfügung, die nach Einfrieren zur Wiederverwendung, aber auch zum Spenden an andere Frauen genutzt werden können. Schließlich trügen auch die Krankenkassen hierfür Verantwortung. Da sie die Zuzahlung auf eine bestimmte Anzahl von Versuchen beschränkten, trieben sie Ärzte und Paare dazu, gleich zu Beginn der Behandlung so viele Eizellen wie möglich gewinnen zu wollen.