was:
Fichtenwalde

300 Menschen demonstrieren gegen Insektizid-Einsatz

Kamen aus Brück zur Demo: Vincent, Tobi und Laura sind in einer Gemeinschaft selbst Waldbesitzer und bauen ihren Forts in einen Mischwald um.

Fichtenwalde. Rund 300 Menschen haben am Freitagnachmittag in Fichtenwalde gegen den geplanten Insektizid-Einsatz in den umliegenden Waldgebieten demonstriert. Bei der zeitgleichen Debatte am blauen Robur-Bus des RBB, der sich Vertreter des Landesforstbetriebes stellten, gab es keine Annäherung beider Seiten. Hubertus Kraut, Direktor des Landesforstbetriebes, bekräftige die Absicht, Wälder in der dortigen Region wegen eines starken Nonnenbefalls mit dem Insektizid „Karate Forst“ zu besprühen. Derzeit laufe noch das Genehmigungsverfahren für den Einsatz, deshalb könnten noch keine Aussagen über den genauen Zeitpunkt gemacht werden. Zwar soll die zu besprühende Waldfläche noch etwas reduziert werden, das von den Demonstranten gewünschte Signal, auf den Insektizid-Einsatz zu verzichten, gaben die Landesförster aber nicht. Begründet wird die geplante Sprühaktion per Hubschrauber mit einem massiven Befall der betroffenen Wälder durch die Nonne, einem Kiefernschädling. Kraut sprach von einer Gefährdungslage, bei der Kahlfraß und ein Totalverlust dieser Kiefernwälder drohe.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Der Nonnenbefall ist regional unterschiedlich. Diese Aufnahme hat ein Revierförster am 25. April in einem Wald bei Brück gemacht. Er hat mehrere 100 Larven pro Baum festgestellt. Die kleinen Nonnenräupchen sind auf dem Weg in die Krone dieser Kiefer.

Der Kleinmachnower Biologe Axel Mueller hat Zweifel daran, dass wirklich Kahlfraß droht. Er sei selbst in einem der betroffenen Wälder gewesen und habe nur wenige Eiergelege feststellen können. Ein Förster sagte am Rande der Demonstration indes, er habe in einem Wald bei Borkwalde und Borkheide an manchen Bäumen 20 bis 30 Nonnen-Gelege gefunden. „Wenn wir 2017 hätten mit einem Jahresniederschlag von 600 Liter pro Quadratmeter, würden wir heute nicht hier stehen. Wir hatten 2018 ein Dürrejahr, die Bäume sind so geschwächt, dass Totalverlust droht“, sagte er.

„Natur zerstören, um Wald zu schützen, ist ein Widerspruch in sich“

„Die Natur zu zerstören, um den Wald zu schützen, ist ein Widerspruch ins sich“, sagte Vincent Zegveld. Er war aus Brück nach Fichtenwalde gereist und meint die massiven Nebenwirkungen von „Karate Forst“. Dagegen richtete sich vor allem der Protest, dass mit diesem Insektizid nicht nur Schädlinge getötet werden, sondern auch andere Insekten, was in der Brutzeit die Nahrungsgrundlage von Vögeln beschädigt. „Wir sind selbst Waldbesitzer aus Brück und sind mitten im Umbau zu einem Mischwald. Wir glauben, es ist nachhaltiger, ein funktionierendes Ökosystem zu schaffen“, sagte Laura von Bloh. Sie ist dafür, private Waldbesitzer gesetzlich zu verpflichten, Waldumbau zu betreiben.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Dass gegen Massenvermehrungen von Schädlingen perspektivisch nur ein Umbau der Kiefernmonokulturen in ökologisch funktionierende Mischwälder hilft, darüber waren sich Demonstranten und Vertreter des Landesforstbetriebes einig. Fichtenwaldes Ortsvorsteher Tilo Köhn, auch Mitstreiter der Initiative „Naturwald“, rief dazu auf, private Waldbesitzer gesetzlich zum Waldumbau zu verpflichten. „Man kann private Waldbesitzer zwingen, ihre Wälder mit Insektiziden besprühen zu lassen, aber nicht dazu, Waldumbau zu betreiben. Das ist doch verrückt“, sagte er.

55 000 Menschen haben Petition unterschrieben

Die Fichtenwalder Initiative fordert in dem Zusammenhang auch ein Maßnahmekonzept zur Stärkung der natürlichen Feinde der Schädlinge, auf die Waldbesitzer Karl Tempel baut, der sich gegen den Insektizid-Einsatz in seinem Wald wehrt. Seine Petition zum Stopp des geplanten Einsatzes haben bis Freitagabend 55 000 Menschen unterschrieben.

Laut Friedhelm Schmitz-Jersch, Landesvorsitzender des NABU in Brandenburg, ist die Zulassung des Insektizides „Karate Forst“ bereits abgelaufen. Es gibt aber eine Verbrauchsfrist bis 30. Juni 2020. Rechtlich sei es zulässig, das Mittel noch einzusetzen. „Man sollte es aber nicht tun, schon gar nicht gegen den breiten Widerstand der Bevölkerung hier. Man sollte es jetzt auf die Sondermülldeponie schaffen“, sagte er.

Von Jens Steglich

MAZ

Mehr aus Beelitz

 
 
 
 
Anzeige
Anzeige