Rüstungskonzern Rheinmetall will Panzer in der Türkei bauen: "Das ist der absolute Wahnsinn"

Ein Prototyp des türkischen Kampfpanzers Altay: Rheinmetall will beim Bau dabei sein
© Burhan Ozbilici/AP
Geschickt und auf Umwegen: Recherchen des stern zeigen, wie der Rüstungskonzern Rheinmetall die Türkei aufrüsten will. Die Bundesregierung ist angeblich informiert, dementiert das aber halbherzig.

Auf Fragen zu dem Thema reagiert die Bundesregierung überaus verdruckst. Ihr sei "der Vorgang gar nicht bekannt", behauptete Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer noch am Freitag - zwei Tage, nachdem der stern zusammen mit Correctiv und der türkischen Exilredaktion Özgürüz die Geschichte enthüllt hatte. Sie wurde viel zitiert, denn es geht um keine Kleinigkeit. Der Rüstungskonzern Rheinmetall will in der Türkei des Recep Tayyip Erdogan mit einheimischen Partnern Panzer produzieren und treibt gerade jetzt die Vorbereitungen voran.

Panzer für den Präsidenten Erdogan? Die Meldung schockierte viele. Soll man wirklich einen Präsident aufrüsten, der reihenweise Journalisten verhaften lässt und die Deutschen als Nazis beschimpft? Am Freitag meldete sich dann auch noch der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Jordanier Seid al-Hussein. Seine Behörde beklagte die "exzessive Gewalt", mit der die türkische Armee in den kurdischen Gebieten in der südöstlichen Türkei vorgehe. Und die UN prangerte ausdrücklich Panzerattacken in dicht besiedelten Gebieten an. Selbst das Auswärtige Amt in Berlin hat nach eigenen Angaben "keine Zweifel", dass der Bericht die Fakten "zutreffend" darstellt.

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Moderne deutsche Panzertechnologie für Erdogan?

Nun also dennoch moderne deutsche Panzertechnologie für solche Gewaltexzesse und für den Autokraten Erdogan? "Das ist der absolute Wahnsinn", findet der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour. Selbst der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold hatte schon im Dezember für weniger solche Ausfuhren plädiert. Und so verspricht jetzt auch das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministeriums eine scharfe Prüfung: "Wenn Anträge auf den Export von Gütern, Blaupausen oder Ähnlichem in die Türkei gestellt werden, dann wird das selbstverständlich mit derselben Akribie und mit einer sehr restriktiven Haltung geprüft, die die Bundesregierung ganz generell immer in solchen Fällen anlegt", versicherte der Sprecher.

Das sollte beruhigen. Aber es führt womöglich dennoch in die Irre. Denn bei Rheinmetall glaubt man einen Weg gefunden zu haben, wie man der lästigen Genehmigungspflicht entkommt: Man lässt die nötige Technologie in der Türkei neu entwickeln, mit Hilfe von dorthin entsandten Experten.

Der für das geplante Gemeinschaftsunternehmen zuständige Rheinmetall-Manager Andreas Schwer hatte sich bereits im Sommer 2016 in einem Interview mit einem in der Türkei erscheinenden Branchendienst ausführlich zu dem geplanten Geschäft geäußert. Schwer klagte über die "zunehmend rigiden Exportkontrollregimes", die in Ländern wie Deutschland greifen. Rheinmetall-Produkte ließen sich daher kaum noch aus Deutschland "in strategische Wachstumsregionen wie den Nahen Osten exportieren".

Weil das Unternehmen dennoch "das volle Spektrum der Fähigkeiten und Technologien" der Rheinmetall-Gruppe anbieten wolle, beschreite man einen anderen Weg: Das, was man nicht exportieren könne, entwickle man einfach vor Ort neu. Rheinmetall sei dafür bereit, in die Schaffung "neuester Technologie" auch in der Türkei zu investieren.

Rheinmetall will "Gesetze vollständig einhalten"

Rheinmetall bestätigt, dass sich ihr Manager im Sommer 2016 so geäußert habe und versichert zugleich, dass man die Gesetze vollständig einhalte: "Rheinmetall wird einen möglichen Technologie-Transfer in die Türkei, gleich in welcher Form er vorgenommen wird, stets unter strikter Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben und insbesondere unter Beachtung des deutschen und europäischen Außenwirtschaftsrechts durchführen."

Einsprüche der deutschen Politik befürchten die Rheinmetall-Oberen offensichtlich nicht. Es sei immer die Politik von Rheinmetall gewesen, "die deutsche Regierung über unsere strategischen Pläne zu informieren", versicherte Rheinmetall-Manager Schwer in dem Interview im Sommer 2016: "Wir tun nichts hinter ihrem Rücken."

Ähnlich war Rheinmetall-Chef Armin Papperger von Teilnehmern bereits im vergangenen Mai auf der damaligen Hauptversammlung der Aktiengesellschaft von Teilnehmern verstanden worden. Damals ging es um ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen, das der Konzern gerade trotz aller deutsch-türkischen Streitigkeiten mit dem staatlichen türkischen Rüstungsunternehmen MKEK auf den Weg bringt. Sobald die endgültige Freigabe der Regierung in Ankara vorliegt, soll es vor Ort Munition produzieren. Auch dieses Geschäft habe man in "Absprache" mit der Bundesregierung vorbereitet, protokollierten Teilnehmer Pappergers Aussagen auf der Hauptversammlung. Das Unternehmen bestätigte jetzt dem stern, "dass der Vorstand sich sinngemäß so geäußert hat".

Stimmt das? Ist die Bundesregierung stets über alles informiert? Im Februar stellte es Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) noch etwas anders dar. Auf die Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen nach der in der Türkei geplanten Panzerfabrik beteuerte der Staatssekretär: "Der Bundesregierung liegen hierzu über presseöffentliche Informationen hinaus keine Erkenntnisse vor." Rheinmetall beruft sich hingegen auch hier darauf, dass man ganz auf einer Linie mit der Regierung liege. "In der Bewertung der Situation in Kundenländern folgt Rheinmetall - wie auch andere Unternehmen - der Beurteilung der Bundesregierung", erklärte das Unternehmen zu dem Panzerprojekt.

Bundesregierung: "Keine Gespräche bekannt"

Also unterstützt die Bundesregierung die geplante Gemeinschaftsproduktion von Panzern in der Türkei, für die Rheinmetall gerade Manager und Ingenieure sucht? Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums beteuerte am Montag erneut, ihm seien dazu "keine Gespräche bekannt". Unter allen denkbaren Arten eines Dementis war das kein sehr hartes. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie bei Rheinmetall nicht mit der Bundesregierung geredet haben", sagt der Grünen-Abgeordnete Nouripour.
Wer wiederum den Regierungssprecher am Montag nach der Haltung von Kanzlerin Merkel zu dem Vorhaben fragte, wurde erneut vertröstet. Er müsse das "nachreichen".

Dabei hat die Kanzlerin selbst gute Gründe, sich für das Vorhaben und die Akteure zu interessieren. BMC, die Rheinmetall-Partnerfirma für den Panzerbau vor Ort gehört nämlich dem glühenden Erdogan-Bewunderer Ethem Sancak. Der kontrolliert auch eine Reihe regierungsfreundlicher Zeitungen. Es sind Blätter, die gerade jetzt den Konflikt mit Deutschland und anderen EU-Ländern kräftig anheizen. Eines von ihnen namens "Star" verunglimpfte den inhaftierten "Welt"-Reporter Deniz Yücel als Handlanger der PKK und prangerte am Wochenende ein angeblich "faschistisches Europa" an. Passend dazu zeigte die Zeitung "Günes", die Sancak ebenfalls gehört, Kanzlerin Angela Merkel mit Hitlerbärtchen.

Also ganz auf der Linie von Präsident Erdogan.

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