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Der Fiskus schlägt zu: Auch das Finanzamt ist Follower
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Cora Daur auf ihrer Facebook-Seite
www.facebook.com/coradaur Cora Daur auf ihrer Facebook-Seite

Luxusreisen, Designerklamotten und viel Bling-Bling: In der Welt der Influencer gibt es Ärger. Nicht nur Abmahnvereine gehen gegen Schleichwerbung vor – auch Steuerfahnder lesen die Blogs.

Bekleidet mit einem weißen Bademantel, Goldschmuck und einem Hauch Make-up sitzt sie am Fenster ihres Hotelzimmers in Paris. Ihre Bärchenaugen lächeln lieb. In der manikürten Hand hält sie wie zufällig den Flakon eines Parfüms. „Getting ready for tonight’s big @eliesaabworld aftershow party and of course putting on the new fragrance #advertisement#anzeige“ steht neben diesem Foto.

Das ist Caro Daur, 22, aus der Nähe von Hamburg. Mehr als eine Millionen Menschen sehen das Bild in ihrem Instagram-Feed. Ihre Follower folgen ihrem Leben wie einer Soap-Opera, nur ohne Drama. Sie sind dabei, wenn sie in Italien für Dolce & Gabbana auf dem Laufsteg ist, wenn sie ihre Mutter zum Urlaub ins 5-Sterne-Hotel am reinweißen Strand einlädt, wenn sie Werbefotos für eine Strumpfhose macht oder wenn sie einfach ihr Frühstück anlächelt und den Löffel so hält, dass man die Uhr gut sieht.

www.facebook.com/coradaur

Geschätztes Jahreseinkommen: Gut eine Million Euro

Daur hat 2014 ihren Blog begonnen, als das Wort Influencer, wie man sie und ihre Kolleginnen nennt, noch nicht so omnipräsent war. Sie hatte gerade ihr BWL-Studium begonnen. Was sie über Mode wusste, hat sie von ihrer Mama gelernt, die schon mit 24 die „Vogue“ las, sagt Daur. Mittlerweile verdient Caro Daur schätzungsweise über eine Million Euro im Jahr. Und das ist weitaus mehr als jede Redakteurin der „Vogue“. Ihre Fans lieben Bilder vom Luxus und Blog-Einträge wie diesen: „Da war ich mal überpünktlich am Bahnhof in Hamburg (7:29), sah dann aber erstmal an der Tafel, dass mein ICE 15 Minuten später abfahren wird. Na toll. Egal.“ Ein Text von 2015 über ein Wochenende, das sie mit Nike in Berlin verbringt.

Werbung wird verschleiert

Obwohl davon auszugehen ist, dass der Aufenthalt von dem Unternehmen bezahlt wurde und obwohl der Firmenname bereits in der Überschrift auftaucht, ist der Beitrag nicht als Werbung gekennzeichnet, und das ist für Caro Daur zum Problem geworden. In einem Interview mit dem „Manager Magazin“ stellte man ihr kürzlich Fragen über ihr Einkommen, eine angebliche Abmahnung und eine angebliche Steuerprüfung.

Diese Fragen wollte sie nicht beantworten, und seitdem macht sich sogar Elyas M’Barek über sie lustig. In der schönen Bloggerwelt ziehen ein paar Regenwolken auf. Sie werben für Boote, Babykleidung oder Küchengeräte. Ihr Wert wird in Glaubwürdigkeit berechnet. Dass Influencer die neuen Turnschuhe meist tragen, weil sie sie gratis oder sogar noch Geld dafür bekommen, weiß fast jeder, aber ihren Fans ist das egal. Und dass sie das teure Zeug bei Basars oder auf Ebay verhökern, stört höchstens das Finanzamt. Wegen geldwerter Vorteile und so.

Youtuber Flying Uwe soll 10 000 Euro Bußgeld zahlen

Trotzdem war es in den letzten Jahren eher unüblich, Werbung auch als solche zu kennzeichnen. Auch wenn dies gegen das Telemediengesetz, gegen den Rundfunkstaatsvertrag und gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstößt. Nun droht Ärger. Anfang Juni veröffentlichte der Medienrat der Medienanstalt Hamburg und Schleswig-Holstein eine Pressemitteilung, in dem bekannt gegeben wurde, YouTuber Flying Uwe müsse ein Bußgeld in Höhe von 10 500 Euro zahlen: „Dieser hatte es trotz mehrfacher Hinweise der MA HSH unterlassen, drei YouTube-Videos, in denen er Produkte ausgiebig positiv darstellt, im Bewegtbild als Dauerwerbesendung zu kennzeichnen.“ Angeblich geht der YouTuber nun dagegen vor.

Es ist ein Leichtes, sich über Influencer lustig zu machen, zu anspruchslos scheint der Beruf. Doch es wäre zu einfach. Aber auch wenn man der Branche unvoreingenommen begegnet, die Verschwiegenheit macht stutzig: Caro Daur lässt ein Interview absagen, zu viele Termine. Eine Agentur, die mehrere Gutverdiener der Branche vertritt, findet es „sehr interessant, wie viel Aufmerksamkeit dieses Thema gewinnt, leider ist es nur so, dass die Personen, die das Interview machen, so voll mit Terminen sind, dass sie dieses Interview leider nicht wahrnehmen können“.

website von Haeberer & Mauerer
https://www.haebmau.de/start Website von Haeberlein & Mauerer

Zwei weitere Blogger antworten nicht auf Anfragen, eine andere will antworten, meldet sich dann aber nie wieder. Eine ihrer Kolleginnen schreibt: „Sorry, aber bei solchen Themen möchte ich mich lieber zurückhalten, das ist ja doch ein komplexes Thema.“ Agenturen wie Haeberlein & Mauerer, die mit Unternehmen und Influencern zusammenarbeiten, möchten nicht öffentlich über Kennzeichnung reden. Auch der Verband der Influencer, der sich gerade gründet, will sich im Moment nicht äußern. Inoffiziell sagen Experten der Digital-Wirtschaft, das läge daran, dass hier bewusst in einer Grauzone operiert werde.

Ein Instagram-Bild bringt Tausende Euro

Also Anruf bei der Gegenseite: Der Verband sozialer Wettbewerb e.V. sitzt in Berlin, und ist unter Juristen für seine Abmahnungen bekannt. Geschäftsführerin Angelika Lange darf zu Einzelfällen nichts sagen, aber man geht davon aus, dass ihr Verband auch Daur angeschrieben hat. „Wir haben in den letzten Monaten eine ganze Reihe von Influencern abgemahnt“, von einer Welle will sie nicht sprechen, „es sind keine 30.“

Seit einem Jahr würden sich die Beschwerden wegen unlauteren Wettbewerbs mehren. Etwa 180 Euro sind für so eine Abmahnung fällig. Dann muss eine Unterlassungserklärung unterzeichnet werden, reagiert der Beschuldigte nicht, wird der Verband klagen. Wer sich an die Erklärung nicht hält, muss mit einer Vertragsstrafe rechnen, die laut Lange zwischen 3000 und 5000 Euro betragen kann. Auf Caro Daurs Blog steht nun über den neueren Artikeln groß „Advertisement“. Laut Lange laufen gerade einige Verfahren.

Vreni Frost: „Ich bin eine der wenigen, die die Hosen runterlässt“

Vreni fRost auf Instagram
https://www.instagram.com/vrenifrost/?hl=de Vreni Frost auf Instagram

Eine, die über das Thema sprechen möchte, ist Vreni Frost. Die Bloggerin ist 35, hat rund 65 000 Follower bei Instagram und arbeitet in Berlin. Sie hat sich auch schon ehrlich zu einem anderen Tabu der Branche geäußert: dass sie ihre Reichweite früher gern erhöht hat, indem sie Follower, also Bots gekauft hat, um mehr Geld für ihre Posts verlangen zu können. Frost sagt: „Ich bin eine der wenigen, die die Hosen runterlässt.“

Sie erzählt zum Beispiel auch, was sie für ein Bild bei Instagram bekommt – 300 bis 500 Euro – und dass ihre Kunden ihr für einen Artikel auf ihrem Blog knapp 1000 Euro zahlen, von denen ein Drittel allerdings an ihre Fotografen geht. Sie sagt, dass ihre Kollegen pro 10 000 Follower etwa 100 Euro aufrufen können.

Für Frost ist die Kennzeichnung von Werbung, die sie Kooperationen nennt, Pflicht. „Sobald ich für etwas bezahlt werde, kennzeichne ich das. Auch wenn ich zum Beispiel ein Auto zur Verfügung gestellt bekomme.“

Etwas, das sie von ihren Kollegen und Kolleginnen unterscheidet. Wenn Caro Daur nach einer Fashion Show in Paris zu einem Lunch mit einem Online-Händler geht und sowohl den Designer als auch den Händler verlinkt, ist es für sie keine Werbung. Sie steht hier für Hunderte, Tausende andere.

Juristen sind sich nicht einig

Juristen bewerten diese Fälle unterschiedlich. Sebastian Graalfs von der Berliner Kanzlei Schertz Bergmann vertritt verschiedene Social-Media-Persönlichkeiten. Er sagt: „Es gibt Fälle, wo ich eine bloße Verlinkung für zulässig erachte, auch wenn es nicht als Werbung gekennzeichnet ist, beispielsweise bei sachlichen Produktbesprechungen beziehungsweise -tests.“ Er empfiehlt deshalb die Richtlinien, die die Landesmedienanstalten als FAQs zu „Antworten auf Werbefragen in sozialen Medien“ herausgegeben haben.

Dort heißt es etwa, wenn es keine Vorgabe gegeben hat, positiv über ein Produkt zu schreiben, ist es auch keine Werbung. Wenn Vreni Frost mit größeren Kunden arbeitet, ist dafür oft ein Vertrag die Grundlage. „Die Kunden legen darin gern auch fettgedruckt fest, dass der Post als Werbung gekennzeichnet sein muss.“ Bitten, den Hinweis wegzulassen, erhält sie kaum noch. Wohl auch, weil ebenso die Kunden für Verstöße haften. Warum kennzeichnen ihre Kolleginnen Werbung nicht immer?

Oft sei es Unkenntnis, sagt Frost. „Ich höre aber auch oft: ,Das sieht nicht gut aus.‘ Oder: ,Das ist nicht authentisch.‘“ Sie beobachtet allerdings ebenso, dass in den letzten Wochen besonders einige bekanntere Blogger anfangen zu kennzeichnen. „Viele sprechen von einer Abmahnwelle, aber keiner weiß wirklich Bescheid.“ Unklar ist weiterhin, wie die Werbung in den sozialen Medien gekennzeichnet werden muss. Frost hält es so: „Wenn ich auf Englisch schreibe, benutze ich ,*ad‘ oder ,*advertorial‘. Wenn ich einen Post in Deutsch verfasse, schreibe ich ,Werbung‘ darunter.“

Landesmedienanstalten geben Tipps zur Kennzeichnung

Die Landesmedienanstalten raten, „mit den Kennzeichnungen WERBUNG oder ANZEIGE“ sei man auf der sicheren Seite. Allerdings solle man den Hinweis nicht verstecken. Fragen wir Jessica Weiß, vom Blog Journelles. An ihr kann man die Entwicklung der Bedeutung der Branche gut beobachten. Sie war eine der Ersten in Deutschland, die auf ihrer eigenen Website ganz unbedarft über Mode geschrieben haben. Das war 2007.

Paris Fashion Week - Chanel
dpa/Etienne Laurent Abgestimmte Muster im Teppichfransenlook für Körper und Clutch von Karl Lagefeld für Chanel.

Heute lädt Chanel sie ein, wenn eine neue Handtasche vorgestellt wird, damit sie Bilder davon postet. Angefangen hat sie mit Selbstporträts vor dem Spiegel, die nicht unbedingt auf ein großes Modeverständnis hindeuteten. Irgendwann meldeten sich die ersten Firmen bei ihr, weil sie merkten, dass die jungen Frauen authentischer ankommen als manche Berichte in den Modemagazinen. Weiß betrieb mit einer Partnerin den Blog, der dann später von Hubert Burda Media gekauft und auch wieder geschlossen wurde. Anschließend machte sie Ausflüge in den Journalismus. Aber nicht nur finanziell ist das unattraktiver, auch die Geschäftsbeziehungen, die sie vorher mit Agenturen und Unternehmen aufgebaut hatte, hätte sie dort weniger nutzen können.

Jetzt ist sie selbstständig mit ihrem eigenen Blog, einem Modelabel. Und seit sie ein Baby hat, gibt es auch einen Baby-Blog. Weiß ist selbstbewusst: „Wir kennzeichnen auf ,Journelles. de‘ jede Kooperation, bei der Geld geflossen ist.“ Und das sind erstaunlich wenige. 95 Prozent des Blog-Inhalts seien redaktionelle Posts, sagt Weiß. Sie verdiene ihr Geld weniger auf Instagram, sondern eher mit wenigen ausgesuchten Kooperationen oder Affiliate-Links – das sind Links zu Online-Shops, bei denen Weiß an dem durch ihre Seite generierten Umsatz beteiligt wird. Wenn sie auf Instagram Rabatt für einen Online-Händler anbietet, ist das keine Werbung.

Weiß sagt: „Leider gibt es noch keine offiziell geltenden Richtlinien. Es ist schlichtweg ein ganz neues Berufsfeld, das in kurzer Zeit entstanden ist und das erst seit wenigen Jahren ernsthaft monetarisiert werden konnte. Daher gab es zu Beginn noch Unklarheiten oder die sogenannte Grauzone bezüglich der Kennzeichnung. Instagram beispielsweise führt gerade testweise die Kennzeichnung von gesponserten Beiträgen ein, was ich begrüße.“ Weiß vergleicht Blogs und klassische Modemagazine: „Wir kennzeichnen mit bestem Gewissen und sind wesentlich transparenter.“ Toll oder Täuschung?

Susan Fengler auf Facebook
https://www.facebook.com/susan.fengler Susan Fengler auf Facebook

Susan Fengler kennzeichnet Anzeigen

Auch Susan Fengler ist als Bloggerin zur eigenen Marke geworden. Sie ist 29, wohnt in Hamburg und betreibt die Seite Suelovesnyc.com, 20 000 Follower bei Instagram. Sie will sich nur per Mail äußern: „Ich nutze den Tag ,Anzeige‘ über dem Artikel.“ Sie hat sich Rat bei einer Anwältin geholt. „Ich habe das Gefühl, dass sich besonders im letzten Jahr ein neues Bewusstsein geschaffen hat.“

Aber auch in ihrem Instagram-Feed finden sich Grauzonen: Eine Kooperation mit einer Restaurantkette, die eine Verlosung beinhaltet, postet sie zweimal als Bild, aber nur bei einem schreibt sie dazu, dass es eine Werbung ist. Ihre einfache Erklärung: „Der Kunde hatte bei mir einen Artikel und ein Instagram-Posting gebucht. Das bezahlte Bild ist auch gekennzeichnet. Ich fand das andere Bild aber auch noch schön und habe dann noch ein weiteres Mal auf Instagram gepostet, ohne zusätzliche Bezahlung. Deshalb hatte ich das nicht noch einmal gekennzeichnet.“

Martin Schirmbacher ist promovierter Jurist und gibt Seminare zur rechtlichen Situation des Influencer-Marketings, die auf großes Interesse stoßen. Er geht davon aus, dass es in diesem Jahr noch Gerichtsurteile geben wird. Er sagt: „Selbst wenn ein Influencer ein Produkt kauft und es mit Affiliate-Link bespricht, muss das als Werbung gekennzeichnet werden.“ Und auch Posts mit Rabattangeboten sind für ihn zu kennzeichnen.

Ein Hotelzimmer für 9100 Euro

Sicher ist: Im Falle eines Rechtsstreits besteht bei Influencern eher keine Fluchtgefahr. Selbst wenn sie sich in der Ferne befinden, posten sie ein Foto ihres Aufenthaltsorts. Jessica Weiß war ein Wochenende im sonnigen Venedig und machte da das andere vermeintliche Problem von Caro Daur sichtbar. Auf Instagram sah man ihre Unterkunft. Ein „Tag“ verrät den Namen des Hotels. Weiß schreibt dazu, dass sie ein Upgrade bekommen hat. Der Preis für das Zimmer, in dem sie jetzt wohnen kann: 9100 Euro.

Würde sie das nicht bei der Steuer angeben, hätte sie ein Problem. Auch Geschenke müssen als Einkommen beziehungsweise Betriebseinnahme versteuert werden. Die bekannteren Gesichter bekommen nicht selten Waren im vierstelligen Wert zur Verfügung gestellt.

Einer dieser Blogger, er möchte lieber anonym bleiben, sagt, er würde diese nicht bei der Steuer angeben, und auch seine Kollegen und Kolleginnen würden das sicher nicht tun. Neid ist eine gute Erklärung für die Häme, der Caro Daur zuletzt ausgesetzt war. Doch damit wird sie – in Gucci, Fendi, Prada gekleidet – ganz gut leben können.

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