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Leidet selbst unter Langzeitschäden: Long Covid "unterschätzt und fehlinterpretiert": Ärztin über Folgen nach Corona-Infektion
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Getty Images/EyeEm Nach einer Covid-19-Ekrankung leiden viele unter Spätfolgen.
  • FOCUS-online-Gastautorin

Gilt eine Corona-Infektion als überstanden, heißt das noch lange nicht, dass Betroffene auch gesund sind. Gefäßchirurgin Claudia Ellert erkrankte selbst an Covid-19, leidet bis heute an den Spätfolgen, an Long Covid. Sie musste zur Reha - und will jetzt aufklären. Ein Gastbeitrag.

Die Zahlen Covid-Erkrankter steigen. Mit ihnen steigt die Zahl derer, die nach einer durchgemachten Infektion unter langfristigen gesundheitlichen Einschränkungen leiden. Mittlerweile wird das Krankheitsbild einheitlich als "Long Covid" bezeichnet. Dahinter versteckt sich eine ganze Fülle von Symptomen, die nicht unterschiedlicher sein könnten.

Die Berichte über das Krankheitsbild mehren sich, das breite Verständnis in der Bevölkerung aber auch in Fachkreisen wächst hingegen sehr langsam.Inwieweit aktuell publizierte Zahlen zur Häufigkeit von Long Covid belastbar sind, wird sich zeigen. Egal, ob sie exakt stimmen oder in der Nachbetrachtung nur die Hälfte oder ein Viertel betragen, wir haben es nicht mit Einzelfällen zu tun!

Zur Person

Claudia Ellert ist Fachärztin für Chirurgie und Gefäßchirurgie. Im November 2020 erkrankte sie an Covid-19. Nach ihrer Erkrankung litt sie unter Spätfolgen und musste eine stationäre Reha in Anspruch nehmen. Heute will sie über Long Covid aufklären.

Gefäßchirurgin Claudia Ellert
Ellert Gefäßchirurgin Claudia Ellert

Wir reden von Menschen im erwerbsfähigen Alter! Anhand der vorliegenden Untersuchungen sind Frauen zwischen 30 und 50 Jahren bevorzugt betroffen. In circa 60 Prozent ist vorherrschendes Symptom die postvirale Fatigue, ein durch die Viruserkrankung ausgelöstes Erschöpfungssyndrom. Dies ist häufig verbunden mit kognitiven Störungen. Also Störungen der Aufmerksamkeit, Konzentration und des Gedächtnisses.

Es gibt Untersuchungen, die bei knapp 50 Prozent der von Long Covid betroffenen Patienten von einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit, bei jedem Fünften von einer Arbeitsunfähigkeit ausgehen. Dies über Monate.

Wie also soll man diesen Patienten gerecht werden?

Zu diffus, zu wenig fassbar erscheinen die geschilderten Beschwerden. Das ist aus Sicht der Nichtbetroffenen sogar nachvollziehbar. So gibt es häufig keinerlei oder nur wenige objektivierbare Untersuchungsbefunde. Die Aussage: „Ich kann nicht so wie früher“ ist aus schulmedizinischer Sicht nicht einzuordnen.

Aus eigener Erfahrung ist es nahezu unmöglich, dieses „Ich kann nicht“ zu beschreiben. Es ist mit nichts zuvor Erlebtem vergleichbar. Es überfällt einem aus dem Nichts. Oft kann man die Verbindung zum auslösenden Ereignis nicht mehr herstellen.

Wie erklärt man Long Covid, postvirale Fatigue, ME/CFS?

Die Diagnose Long Covid wird gestellt, wenn Symptome länger als zwölf Wochen anhalten und mit keiner anderen Erkrankung in Zusammenhang gebracht werden können. Häufigstes Beschwerdebild bildet die postvirale Fatigue, die ein Chronisches Fatiguesyndrom übergehen kann (ME/CFS - Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom). Kennzeichnend ist die "post-exertional malaise". Die ausgeprägte Zustandverschlechterung nach leichter körperlicher oder geistiger Beanspruchung.

Die Ursachen vermutet man in unterschiedlichen Mechanismen. Diese treten zeitlich unabhängig zur eigentlichen Viruserkrankung auf. Typischerweise kommt es nach ein bis vier Monaten zu einem plötzlichen Leistungseinbruch. Ursächlich wird einerseits eine Viruspersistenz angenommen, andererseits geht man von autoimmunologischen Prozessen aus.

Diese führen durch Störungen im Bereich des autonomen Nervensystems zur Fehlsteuerung der Gefäßweite und damit zur Sauerstoffminderversorgung verschiedener Gewebe. Auf diesem Weg entstehen zum Beispiel die verminderte muskuläre Belastbarkeit und Kopfschmerzen. Eine weitere Rolle scheint eine Störung der mitochondrialen Energiesynthese zu spielen. Genauso gut kann es aber auch verzögert zur Affektion verschiedener Organe kommen (zum Beispiel an Herz, Nieren und Nervensystem).

Aus Rennrad und Laufschuhen wurden Nordic Walking Stöcke

Ich persönlich bin Mitte November positiv getestet worden. Die Ansteckung war im Rahmen eines Ausbruchsgeschehens im Krankenhaus erfolgt. Zu Beginn litt ich lediglich unter Symptomen eines grippalen Infektes: bronchiales Kratzen, unproduktives Hüsteln, Kopf- und Gliederschmerzen, ein wenig gastro-intestinal, nach neun bis zehn Tagen kompletter Geruchsverlust bei erhaltenem Geschmack.

Insgesamt schlapp wie bei einem normalen Infekt. Als ambitionierte Breitensportlerin (Triathlon) an wöchentliche Trainingsumfänge von sieben bis zehn Stunden gewöhnt, habe ich von Beginn an versucht, in „Bewegung“ zu bleiben. Aus Rennrad und Laufschuhen wurden Nordic Walking Stöcke. Ein Arbeitsversuch nach drei Wochen verlief frustran. Nach weiteren zwei Wochen Ruhe zu Hause kam es zum körperlichen Einbruch und der persönlichen Erkenntnis, eine stationäre Reha in Anspruch nehmen zu müssen.

Möglichkeiten der stationären Rehabilitation

Diese habe ich für vier Wochen bei Prof. Koczulla in Berchtesgaden genossen. Das Konzept beruhte auf einer Kombination aus Atemtherapie, Entspannungstherapien und körperlicher Bewegung. Es diente somit nicht nur der Wiederherstellung körperlicher Leistungsfähigkeit sondern auch der Krankheitsbewältigung. In meinen Augen ist das Entscheidende die Anleitung der Betroffenen zum Stress- und Ermüdungsmanagement.

Das als #pacing und coping in der Fatigueforschung beschriebene Konzept beruht auf der Anleitung der Erkrankten zum Erkennen und Respektieren der eigenen Grenzen. Der Erkenntnis, dass das Überschreiten dieser ganz persönlichen Grenzen zum erneuten Einbruch „crash“ führt. Insbesondere für ehemals sportlich ambitionierte Menschen ist das ein forderndes Unterfangen.

Andererseits motiviert aber die Erkenntnis, dass der intelligente Umgang mit den aktuellen Energiereserven zur Beschwerdebesserung führt. Nicht vergessen sollte man die Tatsache, dass wiederholte Grenzüberschreitungen eine Chronifizierung der Erkrankung begünstigen.

Betroffene brauchen eine Anlaufstelle

Aus der eigenen Betroffenheit und den überaus positiven Erfahrungen während der Rehabilitation entstand der Gedanke, eine Anlaufstelle für Long Covid Betroffene zu schaffen. Dies ist in einem so starren, KV-regularien unterliegendem System wie dem unsrigen eine echte Herausforderung.

In Zusammenarbeit mit dem Rehazentrum unseres Hauses, einer internistischen Praxis (Kardiologie, Pulmonologie), kooperierenden Neurologen, Ergotherapeuten und Psychotherapeuten werden wir im Rahmen eines ambulanten Konzeptes kurzfristig eine Gruppentherapie anbieten können. Diese wird neben körperlicher Bewegung, Atemtherapien und Entspannungstherapien Raum zum Austausch persönlicher Erfahrungen geben.

Ich denke, das Entscheidende in den kommenden Wochen und Monaten wird es sein, Anlaufstellen für Betroffene zu schaffen. Sie ernst zu nehmen, sie zu betreuen, sie zu beraten. Ihnen den Rückweg in einen funktionierenden Alltag zu ebnen. Dazu gehört Sachverstand in einem wenig erforschten Gebiet. Das macht es anspruchsvoll.

Wir müssen Kostenträger dazu bewegen, Therapiekonzepte zu etablieren und bis dahin die aktuell gegebenen Möglichkeiten nutzen. Wir benötigen Schilderungen Betroffener, um Akzeptanz für das Erkrankungsbild zu schaffen. Als Ärzte und Therapeuten sind wir auf die Erfahrungen anderer angewiesen, um optimale Therapien entwickeln und anbieten zu können.

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