1. Nachrichten
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Generalbundesanwaltschaft "prüft pflichtgemäß": 400 Strafanzeigen gegen Merkel! Was ist dran am Vorwurf des Hochverrats?

Generalbundesanwaltschaft "prüft pflichtgemäß": 400 Strafanzeigen gegen Merkel! Was ist dran am Vorwurf des Hochverrats?
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Im Scheinwerferlicht
dpa/Alexander Heinl Bei der Bundesanwaltschaft gingen rund 400 Strafanzeigen gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel ein
  • FOCUS-online-Redakteurin

Rund 400 Strafanzeigen sind beim Generalbundesanwalt gegen Angela Merkel eingegangen. Einer der Vorwürfe: Hochverrat, weil die Flüchtlingspolitik die verfassungsmäßige Ordnung gefährde. Die Wut ist groß – doch die Klagen haben laut Strafrechtsexperten keine Aussicht auf Erfolg.

Die mit einem Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision - ohne Mehrkosten für Sie! Mehr Infos
  • Zahlreiche Klagen gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen "Hochverrats"
  • Generalbundesanwaltschaft "prüft pflichtgemäß"
  • Strafrechtsexperte: "Derartige Anzeigen sind substanzlos."

In der Flüchtlingskrise steht Bundeskanzlerin Angela Merkel unter Druck. Einige Bürger sind dabei nicht nur unzufrieden, sondern vertreten sogar die Auffassung, dass die Kanzlerin sich mit ihrem Handeln strafbar macht.

Die Bundesanwaltschaft teilte FOCUS Online auf Anfrage mit, dass knapp 400 Strafanzeigen gegen Angela Merkel eingegangen seien, die in den Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwalts fallen. Dieser befasst sich mit schwerwiegenden Staatsschutzstrafsachen, die die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße berühren.

Den richtigen Rat zur rechten Zeit

Unser PDF-Ratgeber stellt Ihnen 528 Top-Juristen aus den unterschiedlichsten Rechtsgebieten und 286 Wirtschaftskanzleien vor.

"Pflichtgemäße Prüfung"

„Die Strafanzeigen werden nun pflichtgemäß geprüft“, sagte die Sprecherin des Generalbundesanwalts, Frauke Köhler, FOCUS Online. Zum Inhalt der Vorwürfe äußerte sich die Bundesanwaltschaft nicht.

Jedoch finden sich im Internet einige Beispiele von Anzeigen, die gegen Merkel. Darin wird der Kanzlerin Hochverrat vorgeworfen.

Paragraph 81 des Strafgesetzbuchs legt fest: „Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt

1. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder

2. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,

wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft."

Auch Alexander Heumann zeigte Merkel wegen des Verdachts auf Hochverrat an. Der Rechtsanwalt ist Mitglied der AfD. Auf seinem Blog mit dem Namen „Die letzten Tage der BRD“ veröffentlichte er ein Schreiben, das er am 16.Oktober an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe adressierte.

Merkel wird vorgeworfen, die Deutschen zu gefährden

Die Begründungen in den Strafanzeigen sagen viel aus über das Weltbild der Verfasser. Heumann nimmt Bezug auf die Entscheidung der Bundeskanzlerin, in Ungarn festsitzende Flüchtlinge ins Land zu lassen, und schreibt: Die „verfassungsmäßige Ordnung“ könne durch „den historisch beispiellosen, massenhaften Zustrom kulturfremder Flüchtlinge aus der dritten Welt ‚verändert‘, wenn nicht sogar vollständig untergraben und aufgehoben werden.“ Er behauptet sogar, dass Merkel die Deutschen „unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“. 

Video: Wegen Flüchtlingspolitik: Union verliert in Umfragen weiterhin Wählerstimmen

Wegen Flüchtlingspolitik: Union verliert in Umfragen weiterhin Wählerstimmen

Wegen Flüchtlingspolitik: Union verliert in Umfragen weiterhin Wählerstimmen
 

Auch René Schneider hat Anzeige wegen „sogenannten Verfassungshochverrats“ erstattet. Er ist Direktor eines Instituts, das sich „Institut für Völkerrecht“ nennt und seine „Hauptaufgabe“ darin sieht, „die Kriegs- und Staatsverbrecher, die sich 1999 an dem NATO-Überfall auf die souveräne Bundesrepublik Jugoslawien beteiligt haben, genauso vor Gericht zu bringen, wie schon 1945 eine andere Regierung für ihren Überfall auf Jugoslawien vor das Nürnberger Tribunal gebracht wurde“.

Fragwürdige Rhetorik

Schneiders Anzeige richtet sich nicht nur gegen Merkel, sondern auch gegen Vizekanzler Sigmar Gabriel, Innenminister Thomas de Maizière und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Schneider schrieb am 24. Oktober an den Generalbundesanwalt über die angeblich „immer weiter eskalierende Invasion durch sogenannte Flüchtlinge“: „Die Beschuldigten haben ihre Amtspflichten nicht nur durch Unterlassen verletzt, sondern sie haben auch aktiv und aggressiv eine ebenso widernatürliche wie widerrechtliche ‚Willkommenskultur‘ erfunden“ und damit „selbsternannte ‚Flüchtlinge‘ (…) zur illegalen Einreise nach Deutschland“ gelockt.

Strafrechtsprofessor erklärt: Keine Aussicht auf Erfolg

Von der höchst fragwürdigen Rhetorik gegen Flüchtlinge einmal abgesehen, scheinen die Vorwürfe sehr weit hergeholt. Aber wie sind sie aus strafrechtlicher Perspektive zu bewerten?

Strafrechtsprofessor Holm Putzke von der Universität Passau kommentierte sie gegenüber FOCUS Online so: "Kurz gesagt: Derartige Anzeigen sind substanzlos und werden keinen Erfolg haben.“ Weder die Voraussetzungen von § 81 StGB noch von § 105 StGB (Nötigung von Verfassungsorganen) seien nach den ihm vorliegenden Informationen gegeben.

Video: Wassermangel und Frustration: Flüchtlinge kollabieren im Grenzchaos

Wassermangel und Frustration: Flüchtlinge kollabieren im Grenzchaos

FOCUS Online Wassermangel und Frustration: Flüchtlinge kollabieren im Grenzchaos
 

Denn laut Gesetz liegt „Hochverrat“ nur dann vor, wenn der Täter „mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt handelt“. Putzke erklärt: „Bei den Staatsschutzvorschriften ist Gewalt nicht identisch mit dem Gewaltbegriff, der in Straftatbeständen zu finden ist, die Individualrechtsgüter schützen. Die Schwelle liegt bei Staatsschutzdelikten deutlich höher. Aufgrund ihrer besonderen Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit darf von Verfassungsorganen erwartet werden, dass sie auch bei turbulenten politischen Auseinandersetzungen Drucksituationen Stand halten.“ Außerdem vermöge er „nicht zu erkennen, dass durch bisherige Migrationsbewegungen der Bestand der Bundesrepublik beeinträchtigt wäre“.

Weitere Vorwurf: Schleuserei

Strafrechtler Putzke hatte in diesem Monat selbst mit einer strafrechtlichen Betrachtung von Merkels Flüchtlingspolitik Aufsehen erregt. Darin ging es jedoch um einen anderen Vorwurf – nämlich darum, ob die Kanzlerin sich mit ihrer Flüchtlingspolitik als Schleuserin betätige. Er kam zu dem Schluss: „Solange Ausländer sich strafbar machen, wenn sie unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, ist die Strafbarkeit auch bei all jenen gegeben, die dazu Hilfe leisten.“

Dazu gehöre auch die deutsche Bundeskanzlerin, „die mit ihrem Verhalten jedenfalls ab dem 5. September 2015 die unerlaubte Einreise aktiv gefördert hat und es aktuell unterlässt, die zu unterbinden“.

Rechtspopulistische Internetseite bietet Mustertext für Anzeige gegen Merkel

Der Professor stellte in seinem Beitrag jedoch klar, dass es ihm nur darum gehe, auf die widersprüchliche Rechtsanwendung hinzuweisen – von Strafanzeigen gegen die Bundeskanzlerin hält er nichts. Notfalls müsse deshalb das Recht geändert werden, um Flüchtlingen zu helfen.

Zuvor hatte die AfD wegen der „Einschleusung von Ausländern“ Strafanzeige gegen Merkel erstattet. Dieser Vorwurf fällt jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwalts.

In Karlsruhe muss man davon ausgehen, dass bald noch mehr Anzeigen gegen die Bundeskanzlerin eingehen. Das rechtspopulistische Magazin „Compact“ hat auf seiner Internetseite ein Mustertext für eine Strafanzeige gegen Merkel veröffentlicht.

Video: Animation zeigt Flüchtlingsstrom in Europa seit den letzten drei Jahren

Animation zeigt Flüchtlingsstrom in Europa seit den letzten drei Jahren

Animation zeigt Flüchtlingsstrom in Europa seit den letzten drei Jahren
Zum Thema
Lambsdorff will Solidarität in Flüchtlingsfrage erzwingen: „Klage vor EuGH möglich“

Interview mit EU-Vizeparlamentspräsident

Lambsdorff will Solidarität in Flüchtlingsfrage erzwingen: „Klage vor EuGH möglich“

Mit Trippelschritten gegen den Flüchtlingsstrom: Europa steht auf der Kippe

Nach dem Balkan-Gipfel

Mit Trippelschritten gegen den Flüchtlingsstrom: Europa steht auf der Kippe

Grenzstreit zwischen Österreich und Deutschland droht zu eskalieren

"Deutschland übernimmt zu wenig Flüchtlinge"

Grenzstreit zwischen Österreich und Deutschland droht zu eskalieren

Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch
Kinderarmut, Bildung und Zuwachs der AfD bereiten ihm Sorge: Darum will sich Julian F.M. Stoeckel politisch engagieren!

Kinderarmut, Bildung und Zuwachs der AfD bereiten ihm Sorge: Darum will sich Julian F.M. Stoeckel politisch engagieren!

Jetzt fliegt uns die „Laber-Republik“ Deutschland um die Ohren

Kolumne von Susanne Nickel

Jetzt fliegt uns die „Laber-Republik“ Deutschland um die Ohren