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Eklat um DFB-Duo Sané und Gündogan

Cacau: Rassismus bekämpfen, aber nicht groß machen
Samstag, 18.01.2020 | 01:47
Imago/Fotor Cacau (r.) äußert sich zum Rassismus-Eklat um Leory Sané und Ilkay Gündogan

Nach dem Rassismus-Eklat beim Länderspiel in Wolfsburg spricht FOCUS Online mit Ex-Stuttgart-Profi Cacau. Der heutige DFB-Integrationsbeauftragter beschreibt die Probleme, gibt Lösungsansätze und hat einen emotionalen Appell.

Das Sportliche ging schon beinahe unter. Beim Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Serbien haben offenbar drei Zuschauer Leroy Sané und Ilkay Gündogan rassistisch beleidigt. Der Basketball-Kommentator André Voigt war privat im Stadion und stellte die pöbelnden Fans zur Rede. In einem Video schildert Voigt die Geschehnisse und löst damit eine Rassismus-Debatte in Deutschland aus.

FOCUS Online hat mit dem ehemaligen Nationalspieler Cacau, heute Integrationsbeauftragter des DFB, über den Vorfall und Diskriminierung in Deutschland gesprochen.

imago/Jan Huebner Oliver Bierhoff mit Cacau (v.l.)
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FOCUS Online: Nach dem Länderspiel gegen Serbien veröffentlichte der Basketball-Kommentator André Voigt ein Video, in dem er von einer kleinen Gruppe erzählt, die auf den Rängen rassistische Äußerungen gegen Leroy Sané und Ilkay Gündogan tätigt. Haben Sie das Video gesehen? Und wenn ja, was haben Sie dabei gedacht?

Cacau: Ich habe das Video ehrlicherweise nicht gesehen, aber mit Absicht. Die Reaktionen von beispielsweise Leon Goretzka und anderen Spielern aber schon. Das ist genau der richtige Umgang. 

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Es ist wichtig, sich gegen solche Aktionen zu wehren. Soweit ich weiß, wurde auch schon ein Verfahren eingeleitet und ich hoffe, dass diese Personen am Ende dafür bestraft werden.

Im Video: Goretzka mit klarem Statement gegen Rassismus

Emotionaler Appell: Nationalspieler Goretzka ruft gegen Rassismus auf

Omnisport Emotionaler Appell: Nationalspieler Goretzka ruft gegen Rassismus auf

FOCUS Online: Sind solche Szenen Einzelfälle oder passiert das leider öfters als man denkt?

Cacau: Nein, ich würde sagen, dass es Einzelfälle sind. Die müssen punktuell bekämpft werden. Aber es ist keine Normalität und das ist auch gut so.

FOCUS Online: Ist Ihnen so etwas auch in ihrer Karriere passiert oder geschieht das heute noch?

Cacau: Ich habe so etwas selbst nie erlebt. Eher im Gegenteil. Ich habe immer sehr viel Zuspruch erfahren. Schon zu Beginn meiner Karriere in der fünften Liga erlebte ich größtenteils nur Freundlichkeit. Später, wenn man beim Gegner im Stadion war, hat man natürlich eine gewisse Rivalität gespürt, aber diskriminierende oder rassistische Dinge habe ich nur ein einziges Mal wahrgenommen. Das habe ich dann weggelächelt, zwei Tore geschossen und wir haben gewonnen.

FOCUS Online: Sollte man solche Menschen überhaupt beachten oder darf man ihnen überhaupt eine Plattform geben?

Cacau: Das ist eine gute Frage. Dass solche Dinge nicht ins Stadion gehören, da sind wir uns alle einig. Ob man aber Einzelfälle so groß aufziehen muss, finde ich fragwürdig. Aber es ist immer ein schmaler Grat, inwieweit man darüber berichten sollte. Wäre es wirklich ein flächendeckendes Problem, muss man dagegen angehen. Einzelfällen sollte man nicht so eine große Beachtung schenken.

Im Video: Sané rassistisch beleidigt - Kommentator schildert Szene mit Tränen in den Augen

Sané rassistisch beleidigt - Kommentator schildert Szene mit Tränen in den Augen

FOCUS online Sané rassistisch beleidigt - Kommentator schildert Szene mit Tränen in den Augen

FOCUS Online: Ist es nicht besorgniserregend, dass rassistische Äußerungen schon fast wieder salonfähig geworden sind? Dass man in aller Öffentlichkeit jemanden offen beleidigen kann?

Cacau: Ist es denn so? Ist es salonfähig? Ich weiß es nicht. Ja, im Netz ist es schon gang und gäbe. Da verstecken sich Menschen hinter einer Anonymität. Im normalen Leben aber passiert es eher selten, dass da jemand seine diskriminierenden Vorstellungen aggressiv nach außen trägt.

Es ist ja im Fußball nicht so, dass dort der Rassismus größer ist als in der Gesellschaft. Der Fußball ist kein Feld, wo Rassismus mehr gelebt wird als in der Gesellschaft. Und jeder Einzelfall muss bekämpft werden.

Ich habe vor Kurzem einen Spruch gehört und merke jeden Tag, wie sehr er stimmt. 'Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald der wächst.' Also ein negativer Einzelfall wirkt größer als die vielen guten Dinge, die wir erreichen, die wir jeden Tag mit dem Fußball schaffen und erleben, die Vielfalt, die wir schaffen.

Rassismus nicht größer machen als er ist

FOCUS Online: André Voigt ist aufgestanden, andere nicht. Sollte das aber nicht eine gesellschaftliche Pflicht sein? Zu zeigen, dass man mehr ist?

Cacau: Ja, absolut. Man sollte sich dem entgegenstellen, gleichzeitig aber nicht zu viel Beachtung schenken. Also ich muss nicht immer ein Video drehen, es groß machen. Ich will André Voigt damit nicht kritisieren. Aber wenn ich jetzt gleich mit meinem Sohn auf dem Sportplatz so etwas erleben würde, würde ich mich dagegen wehren, denjenigen konfrontieren. Aber das war es dann. Ich muss es nicht größer machen, als es ist. 

FOCUS Online: Was kann der DFB bei solch speziellen Einzelfällen tun?

Cacau: Im Amateurfußball wird schon sehr viel gegen Diskriminierung und Rassismus getan. Der Julius-Hirsch- Preis ehrt zum Beispiel Menschen oder Vereine, die sich stark gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzen. Es werden Maßnahmen geschaffen, die dieses Thema angehen – mit Erfolg!

Im Profifußball ist es schwierig. Man kann nicht jeden Menschen vorm Stadion in den Kopf sehen. Wichtig ist dann aber die Reaktion bei Fällen wie diesen.

imago/Pressefoto Baumann Ex-VfB-Kicker Cacau

FOCUS Online: Leon Goretzka hat sich auf der Pressekonferenz klar zum Thema geäußert und sich positioniert.  Sollten Fußballer, insbesondere Spieler der deutschen Nationalmannschaft sich nicht öfters klar zu gesellschaftlichen Themen äußern?

Cacau: Die Spieler sind Vorbilder und es wäre wünschenswert wenn sie sich klar äußern würden, man kann aber niemandem vorgeben, was er zu tun hat. Jetzt haben sich ja schon sehr viele klar dazu geäußert.

Goretzka hat, wie ich finde, alles gesagt. Da gibt es nichts hinzuzufügen. Und es ist auch gut so und richtig. Das finde ich klasse. Aber nicht jeder kann sich auch so gut ausdrücken wie er. Das sollte man jedem selbst überlassen.

FOCUS Online: Ist es nicht traurig, dass wir im Jahr 2019 noch über dieses Thema sprechen müssen?

Cacau: Ja, dass man bei der Vorgeschichte, die Deutschland hat, immer wieder damit konfrontiert wird, ist traurig. Aber es wird in Deutschland auch sehr viel dagegen getan, viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich und positionieren sich.

Es ist immer die Frage: Ist das ein flächendeckendes Problem oder sind es Einzelfälle? Wäre es flächendeckend, wäre es sehr schlimm. Aber das ist nicht der Fall, Einzelfälle kann man nicht komplett verhindern. Es ist aber immer wichtig, sich dem entgegen zu stellen.

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