„Clean meat“Microsoft-Gründer Bill Gates investiert in Fleisch aus dem Labor

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Bill Gates clean meat

Milliardär Bill Gates bei einer Veranstaltung an der Technischen Universität München.

Berlin – Schnitzel aus der Petrischale, Steaks aus dem Labor, Entenbrust aus der Retorte: Das klingt ein wenig nach Raumschiff Enterprise und nicht unbedingt lecker. Ungeachtet dessen hat sich das kalifornische Unternehmen Memphis Meats der Idee verschrieben, in kommerziellem Maßstab Fleisch zu erzeugen, das nicht von lebendigen Tieren stammt. 

Die Erzeugnisse firmieren unter „clean meat“ und entstehen durch Zellteilung in einer Nährlösung: Aus einer Hühnerbrustzelle wird Hühnerbrustfleisch. Bisher konnte Memphis Meats 22 Millionen Dollar Startkapital von Investoren einsammeln. 17 Millionen kamen allein in dieser Woche dazu, wie das in Silicon Valley residierende Unternehmen bekannt gab.

Dabei beeindruckt weniger die Summe, als der illustre Kreis der Anleger: Der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg nennt unter anderem Bill Gates, den Virgin-Records-Gründer und Milliardär Richard Branson, den amerikanischen Agrarhandelsgiganten Cargill und den Investmentfond Atomico mit Sitz in London, der sich auf Hochtechnologie-Unternehmen spezialisiert hat.

2047 müsse kein Tier mehr getötet werden

Welch enormes Wachstumspotenzial die zahlungskräftigen Prominenten dem „clean meat“  zumessen, erschließt sich aus ihren Stellungnahmen. Richard Branson, der auch mit Erstüberquerungen von Atlantik und Pazifik im Heißluftballon bekannt wurde, äußerte gegenüber Bloomberg die Erwartung, das bereits in 30 Jahren kein Tier geschlachtet werden müsse, um die Nachfrage nach Fleisch zu decken.

Atomico führt vor allem die ökologischen Vorteile tierfreier Fleischernährung an. Die herkömmliche Fleischproduktion sei für ein Fünftel der weltweit emittierten Treibhausgase verantwortlich und verbrauche gigantische Mengen Süßwasser und Land.  Angesichts eines prognostizierten Anstiegs der globalen Fleischnachfrage um 70 Prozent bis zum Jahr 2050, werde Memphis Meats eine Vorreiterrolle zukommen, um das Ernährungsproblem zu lösen.

Mit dem Investment wolle man das Unternehmen dabei unterstützen, „Produkte auf den weltweit größten Märkten“ zu platzieren. Auch der  Agrarkonzern Cargill verweist auf globale Notwendigkeiten, um die Beteiligung an Memphis Meat zu adeln: Das Unternehmen  eröffne den Verbrauchern eine neue Möglichkeit, sich mit tierischen Proteinen zu versorgen, und passe damit zu Cargills „Mission, die Welt auf sicherem, verantwortlichem und nachhaltigem Wege zu ernähren“.

Große Skepsis in Deutschland und Europa

Auch Tierschützer in Deutschland  können dem Fleisch aus der Retorte etwas abgewinnen:  „In moralischer Hinsicht ist In-vitro-Fleisch positiver zu bewerten als das Abschlachten von Milliarden von Tieren, die zuvor in Enge und Gestank leben mussten, um dann oft bei vollem Bewusstsein die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen“, teilte die Tierrechtsorganisation Peta  im Februar 2016 mit. Damals hatte der niederländische  Bio-Foscher Mark Post in Masstricht bereits einen In-vitro-Burger präsentiert, allerdings zu noch viel zu hohen Kosten.

Auch wenn clean meat bald erschwinglich werden sollte,  dürfte sich der Appetit in Grenzen halten, zumindest in Deutschland und Europa. Die Skepsis gegenüber „künstlich“ erzeugten Lebensmitteln ist viel verbreiteter als in den USA. So lehnen drei von vier Deutschen laut Naturbewusstseinsstudie des Bundesumweltministeriums gentechnische Veränderungen an Tieren und Pflanzen grundsätzlich ab. Umfragen zeigen, dass auch in anderen  EU-Ländern breite Mehrheiten Genfood ablehnen. „Im Labor erzeugtes Fleisch hat aus Umwelt- und Tierschutzsicht  sicher manche Vorteile, dennoch ist es eine unappetitliche Vorstellung“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Ohnehin sei bisher nicht absehbar, ob clean meat eines Tages auch in europäischen Supermarktregalen landet. Der grüne Bundestagsabgeordnete Friedrich  Ostendorff hofft,  dieser Tag möge nie kommen: „Es mag technisch möglich sein, tierische Proteine im Labor herzustellen, aber wollen wir uns so ernähren? Ich will das nicht“, sagt Ostendorff, der selbst einen Landwirtschaftsbetrieb unterhält. „Essen und Natur gehören für mich zusammen.“

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