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"The Morning Show" bei Apple TV Wie man einen #MeToo-Skandal meistert

Jennifer Aniston (r.) fungiert als "Morning Show"-Moderatorin Alex Levy.

Jennifer Aniston (r.) fungiert als "Morning Show"-Moderatorin Alex Levy.

(Foto: Apple)

Es ist die richtige Serie zur richtigen Zeit und das hat sich Apple natürlich ganz genau so gedacht. Zum Start seines neuen Streaming-Services trumpft das Unternehmen mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon groß auf. Es geht ums Showgeschäft und um #MeToo.

Amazon und Netflix bekommen Konkurrenz. Apple startet seinen neuen Streaming-Service. Am 1. November geht der in über 100 Ländern und Regionen gleich mit mehreren Original-Formaten an den Start. Die Serie, die bislang für den größten Wirbel gesorgt hat, ist "The Morning Show". Darin beackern einige von Hollywoods größten Namen ein Thema, das zeitgeistiger kaum sein könnte. Jennifer Aniston, Reese Witherspoon und Steve Carell finden sich mitten in einen #MeToo-Skandal verwickelt.

Aniston spielt Alex Levy, Moderatorin der landesweiten "Morning Show", die der Serie ihren Titel gab, Carell ihren geschassten Co-Host Mitch Kessler. Wegen sexuellen Fehlverhaltens am Arbeitsplatz ist der seinen Job los. Seine Kollegin Alex, die mit ihm gemeinsam 15 Jahre lang Amerikas Tag einleitete, muss nun ihrerseits um ihre Position fürchten. Die junge Reporterin Bradley Jackson, gespielt von Witherspoon, droht ihr den Rang abzulaufen.

Hinter den Kulissen? Abgründe!

Es ist ein spannender Mikrokosmos, diese Nachrichten-Unterhaltung des Frühstücksfernsehens. Das hat man so noch nicht gesehen. Jay Carson, der Erfinder der Show, hat sich dazu von Brian Shelters nicht-fiktionalem Buch "Top of the Morning: Inside the Cutthroat World of Morning TV" inspirieren lassen. Hinter der Kulisse familienfreundlicher Anmoderationen tun sich Abgründe auf - ein reizvolles Spannungsfeld, vor dessen Hintergrund sich klassische Konflikte um Macht und Einfluss erzählen, aber eben auch unmittelbar relevante Fragen der heutigen Zeit aufwerfen lassen.

Es ist die Aufgabe einer Generation geworden, mit toxischem Machtgefälle innerhalb der Gesellschaft aufzuräumen. Insbesondere die Unterhaltungsindustrie steht mit ihrer Aufarbeitung aufgrund von Skandalen wie die um Harvey Weinstein oder Bill Cosby unter besonderer Beobachtung. Es ist clever, dass die Filmbranche das Thema mit "The Morning Show" quasi im eigenen Wohnzimmer verhandelt, statt es in andere Sektoren des Arbeitsmarkts auszulagern.

Nicht dass bestimmte Schulen, Anwaltskanzleien oder Drogeriemärkte nicht vergleichbar abscheuliche Arbeitsbedingungen bieten würden. Sicherlich halten die Figuren von "The Morning Show" auch mal pathosgeladene Reden - vielleicht ist das auch einfach sehr US-amerikanisch. Aber im Kern hat Carson hier vor allem herrlich ambivalente Charaktere geschaffen, mit deren Hilfe sich eine Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählen lässt, die eine Haltung zum Thema fördern, ohne sie vorzukauen.

Alles scheint möglich

Gibt die junge Reporterin Bradley Jackson: Reese Witherspoon.

Gibt die junge Reporterin Bradley Jackson: Reese Witherspoon.

(Foto: Apple)

Anistons Alex ist den Erfolg gewöhnt, aber ist sie nicht auch bereit, sich die Hände schmutzig zu machen? Wird sie nach der jungen Konkurrenz schnappen oder sie fördern, weil die viel zitierte Stutenbissigkeit eben vornehmlich in patriarchalen Strukturen wurzelt, die es rauszureißen gilt? Wird sich Witherspoons Bradley benutzen lassen oder wird sie das Männer-Ensemble der Fernsehführungsriege das Fürchten lehren? Und wird Carells Mitch einsehen, dass er etwas falsch gemacht hat? Wird er das Richtige tun? Position beziehen und sich abgrenzen gegen die, die Fehler leugnen und vertuschen wollen? Nach den ersten drei Episoden von "The Morning Show" scheint alles möglich.

Seit sich die #MeToo-Bewegung vor rund zwei Jahren verselbstständigt hat, wird viel über sexuelle Gewalt gesprochen. Einiges ist seitdem passiert. Hollywoods Frauen etwa setzten mit schwarzen Roben und "Time's Up" ein Zeichen. Für die meisten Überlebenden sexueller Gewalt ist die Welt in dieser Zeit keine andere geworden.

Heilung verspricht "The Morning Show" nicht, das wäre gar nicht möglich. Aber es ist wohltuend, eine Repräsentation der Charaktere zu sehen, von denen immer wieder zu lesen war. Von den Frauen, die nichts gemerkt haben wollen, den Männern, die sich nicht ganz so schuldig fühlen, wie sie in der öffentlichen Wahrnehmung dastehen und den Firmen, die sowieso nie irgendetwas wussten. "The Morning Show" ist furchtlos, relevant witzig, in jeder Hinsicht hervorragend umgesetzt und eine echte Bereicherung für die Serienlandschaft.

"The Morning Show" ist abrufbar über Apple TV.

Quelle: ntv.de

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