Politik

Ohne Test und lange Ausbildung Scheuer will Autofahrer aufs Motorrad lassen

Der B-Klasse-Führerschein soll künftig nicht nur für Pkw, sondern auch für leichte Motorräder gelten - ohne dass Fahrer eine extra Prüfung machen müssen. Dies sieht offenbar ein Entwurf des Verkehrsministeriums vor. Experten graut vor den Plänen.

Wer einen Autoführerschein hat, soll bald auch leichte Motorräder fahren dürfen - ohne die bisher notwendige zusätzliche Ausbildung und Prüfung. Das berichtet der "Spiegel" und zitiert aus einem Entwurf des Verkehrsministeriums, der die Fahrererlaubnis-Verordnung ändern soll. Demnach würden wenige Übungsstunden reichen, um sogenannte Leichtkrafträder zu fahren.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat äußerte sich gegenüber dem "Spiegel" entsetzt über den Vorschlag: Man sehe "keine hinreichenden Gründe, den Zugang zur zweitgefährlichsten Fahrzeugklasse auf deutschen Straßen zu lockern". Gefährlicher als die leichten Motorräder seien nur solche einer höheren Hubraumklasse, die noch schneller fahren könnten. Unfallexperten sind sich einig: Durch die Lockerung würden mehr Menschen bei Motorradunfällen verletzt oder gar getötet.

Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) warnt vor den Plänen. Das Forschungsinstitut des Bundesverkehrsministeriums schreibt in einer Analyse, die dem "Spiegel" vorliegt, dies sei "aus wissenschaftlicher Sicht nicht empfohlen". Durch die Neuregelung würden die Verunglücktenzahlen insgesamt steigen. Dies sehe man am Beispiel Österreichs, wo die Regeln bereits aufgeweicht wurden. Die dortige Liberalisierung habe "zu einer deutlich erkennbaren Verschlechterung der Verkehrssicherheit beigetragen".

Scheuer ignoriert seine Experten

CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer äußerte sich laut "Spiegel" bisher nicht zu dem Vorschlag.

CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer äußerte sich laut "Spiegel" bisher nicht zu dem Vorschlag.

(Foto: picture alliance/dpa)

CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer scheint die Kritik seiner eigenen Experten jedoch zu ignorieren. Bisher äußerte er sich nicht dazu. In dem Entwurf, aus dem der "Spiegel" zitiert, heißt es, dass Autofahrer, die über 25 Jahre alt sind und ihren B-Klasse-Führerschein seit mindestens fünf Jahren besitzen, diesen um eine sogenannte Schlüsselzahl 195 erweitern können. Damit dürften sie Leichtmotorräder fahren. Hersteller solcher Fahrzeuge sind beispielsweise Piaggio, Yamaha und KTM. Diese Fahrzeuge haben zwar maximal 15 PS, können aber über 100 Stundenkilometer (km/h) schnell fahren.

Dafür war bislang der separate Führerschein A1 notwendig. Nur wer seinen Auto-Führerschein vor dem 1. April 1980 erhalten hat, kann jetzt schon Leichtkrafträder fahren. Künftig soll auch für alle anderen weder eine spezielle Prüfung noch eine umfassende Ausbildung mehr nötig sein. Lediglich eine 90-minütige Theorieeinheit und sechs praktische Fahrstunden - möglich auch auf Verkehrsübungsplätzen - bräuchte es.

Laut "Spiegel" begründet Scheuer in dem Entwurf nicht, warum er die bisherigen Regeln lockern will. Darin stehe lediglich, es gehe jedoch darum, die Gestaltungsmöglichkeiten des EU-Rechts zu nutzen. Profitieren könnten von den Änderungen nicht nur Motorradhersteller, sondern auch Sharinganbieter, die dadurch auch schnellere als die derzeit üblichen 45 km/h Motorroller verleihen könnten.

Zahl tödlicher Motorradunfälle könnte steigen

Bereits zuvor waren andere Pläne von Scheuer auf heftigen Widerstand gestoßen. So etwa sein Vorschlag, E-Tretroller auf Gehwegen zuzulassen. Anfang des Jahres lehnte der CSU-Politiker ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen kategorisch ab - trotz deutlicher Hinweise, dass dadurch die Zahl der Unfalltoten reduziert werden könnte.

Die Unfallforschung der deutschen Versicherer kritisiert nun laut "Spiegel", dass der Eindruck entstehe, "dass erneut die Schaffung von Mobilitätsoptionen höher priorisiert wird als deren Konsequenzen für die Verkehrssicherheit". Der Vorschlag widerspreche dem Ziel der Bundesregierung, für weniger tödliche Motorradunfälle zu sorgen.

Für wen die jetzt vorgeschlagene Neuregelung besonders gefährlich werden könnte, benennt der Verkehrssicherheitsrat laut "Spiegel". Als Risikogruppe sieht der Rat demnach sogenannte "Neu- und Wiedereinsteiger" im Alter zwischen 45 und 55 Jahren sowie sehr junge Fahrer. Die neuen Regeln würden "zu einer geradezu unverantwortlichen Exposition dieser Menschen" führen, ohne sie entsprechend vorzubereiten.

Quelle: ntv.de, aeh

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