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So ist die Rechtslage Welche Regeln gelten für Ausweisungen?

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(Foto: picture alliance / dpa)

Nach den Übergriffen von Köln überbieten sich die Parteien in Forderungen dazu, wie man kriminelle Ausländer leichter loswerden kann. Doch welche Regeln gelten schon? Und welche Spielräume gibt es für Verschärfungen?

Nach den Übergriffen von Köln überbieten sich die Parteien in Forderungen dazu, wie man kriminelle Ausländer leichter loswerden kann. Welche Regeln gelten? Und welche Spielräume gibt es für Verschärfungen? n-tv.de ist diesen Fragen gemeinsam mit dem Bielefelder Asylrechtsexperten Prof. Dr. Holger Hoffmann nachgegangen.

Welche Regeln gelten für ausländische Straftäter?

Entgegen vieler Medienberichte und Politikeraussagen bedeutet eine dreijährige Haftstrafe nicht mehr automatisch die Ausweisung eines kriminellen Ausländers. Als Reaktion auf mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist im Ausweisungsrecht nach dem zum 1. Januar 2016 geänderten Aufenthaltsgesetz eine Ermessensabwägung erforderlich. Dabei wird grundsätzlich das Interesse der Bundesrepublik, den Ausländer loszuwerden, mit dessen sogenanntem Bleibeinteresse abgewogen. Die Höhe einer verhängten Haftstrafe zum Beispiel ist dabei nur noch ein Richtwert.

Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen: Um als anerkannter Flüchtling nach den Genfer Flüchtlingskonventionen ausgewiesen zu werden, muss eine sehr schwere Straftat vorliegen. Es mag manch einer in der derzeitigen Debatte als schmerzhaft empfinden, aber ob sexuelle Nötigung, Diebstähle und Raub wie in Köln reichen, ist eine Ermessensfrage und kann (insbesondere bei jugendlichen oder heranwachsenden Tätern zwischen 14 und 21 Jahren) auch negativ beschieden werden.

Unter welchen Umständen kommt es nach einer Ausweisung auch zur Abschiebung?

Abgeschoben wird, wer keine Gründe vorbringen kann, die ein zwangsweises Verlassen Deutschlands verhindern. Oft können Ausländer als Geduldete in Deutschland bleiben. "Diese Menschen sind dann schon nicht mehr rechtmäßig hier", erklärt Hoffmann.

Oft sprechen ganz banale Gründe dagegen, Menschen abzuschieben: In Länder wie Afghanistan, Syrien oder den Irak gibt es keinen regulären zivilen Flugverkehr. Auf dem Landweg können Menschen aus diesen Ländern nicht abgeschoben werden. "Dann müssten diese Menschen ja durch verschiedene andere Staaten geschoben werden - das funktioniert nicht", sagt Hoffmann. Oft sind Menschen auch zu krank, um ihnen die Reise und das Leben in ihrer Heimat zuzumuten. Sehr häufig wird die Abschiebung ausgesetzt, weil gültige Ausweisdokumente fehlen. "Und schließlich können Sie niemanden in ein Land abschieben, in dem Tod oder schwerste Verletzungen drohen", sagt Hoffmann.

Diese Hinderungsgründe bieten keinen Spielraum zur Verschärfung des Ausweisungs- und Abschieberechts. Dass sie die Kölner Täter am Ende ihres juristischen Verfahrens geltend machen, ist denkbar.

Was ist der Unterschied zwischen einer Ausweisung und einer Abschiebung?

Aus Deutschland ausgewiesen wird ein Ausländer, wenn er sein Aufenthaltsrecht verloren hat. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass die Person sofort das Land verlassen muss. Zunächst ist mit einer Ausweisung die Aufforderung verbunden, innerhalb einer Frist freiwillig auszureisen. Verstreicht diese Frist ohne Ausreise, kann die Abschiebung erfolgen.

Wer wird ausgewiesen?

Die meisten Ausweisungen basieren darauf, dass eine Person erfolglos Asyl beantragt hat. Vorangegangen ist damit also ein oft jahrelanges Verfahren. Dass Ausländer aufgrund von Straftaten ausgewiesen werden, ist vergleichsweise seltener, aber durchaus vorgesehen. Gesicherte Angaben über die Zahl der Ausweisung straffälliger Ausländer liegen beim Bundesinnenministerium nicht vor.

Wenn es doch möglich ist, wie lange dauert es, bis ein ausländischer Straftäter wirklich abgeschoben wird?

Bis dahin vergehen mitunter Jahre. Am Beispiel Köln: Zunächst müssen die Täter gefasst werden. Dann müssen sie in einem Strafverfahren für ihre Tat verurteilt werden. Bleibt unklar, ob den Personen ihre Taten zweifelsfrei nachgewiesen werden können, sind sie freizusprechen. Wie alle Menschen in Deutschland haben auch die Kölner Täter das Recht, durch mehrere Instanzen zu gehen. Sollte es dann zu einer Verurteilung kommen, schließt sich ein Ausweisungsverfahren durch die Ausländerbehörde an - inklusive zweier gerichtlicher Instanzen. Ausgewiesen wird in der Regel auch nur eine Person, deren asyl- oder ausländerrechtliche Verfahren abgeschlossen sind. Ist das Asylverfahren also noch im Gange, ist in aller Regel nichts zu machen. Nur ausnahmsweise sieht das Aufenthaltsgesetz vor, dass einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, die Abschiebung angedroht und diese auch vollzogen werden kann, ohne dass der Verfahrensausgang abzuwarten ist. Er muss dafür aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sein oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten, weil er wegen eines Verbrechens oder besonderes schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde.

Müssen ausländische Straftäter vor ihrer Abschiebung ihre Haft zunächst in Deutschland absitzen?

Zumindest zum Teil. Laut Asylrechtsexperte Hoffmann gilt ein Richtwert von zwei Dritteln der Strafe. "In manchen Fällen wollen die Menschen aber schon früher in ihre Heimatländer zurück, dann wird zum Zeitpunkt der Hälfte der Strafverbüßung unterbrochen."

SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert, dass Täter ihre Haftstrafen in ihren Heimatländern absitzen müssen. Ist das juristisch denkbar?

Solche Regelungen gibt es mit einzelnen Ländern tatsächlich - etwa mit der Türkei. Allerdings sind dazu bilaterale Abkommen beziehungsweise Vereinbarungen mit der EU notwendig. Im Fall der typischen Flüchtlingsherkunftsländer Syrien oder Afghanistan gibt es diese jedoch nicht. Es ist schwer vorstellbar, dass die Bundesregierung etwa mit dem Assad-Regime eine solche Vereinbarung für verurteilte Straftäter trifft - zumal sie in Syrien nicht vor Folter oder Tod sicher wären.

Die CDU fordert, die Schwelle für Ausweisungen so weit zu senken, dass auch nur zu Bewährungsstrafen verurteilte Ausländer das Land verlassen müssten. Ist das juristisch machbar?

Grundsätzlich kann jeder Staat selbst festlegen, was ausreicht, um einen Flüchtling des Landes zu verweisen. Den Rahmen gibt aber die Genfer Flüchtlingskonvention vor. Darin sind für Ausweisungen nur lapidar "Gründe der Sicherheit und Ordnung" genannt. Ob Sicherheit und Ordnung durch Delikte gefährdet sind, für die es nur Bewährungsstrafen gibt, ist laut Hoffmann zumindest fraglich.

Quelle: ntv.de

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