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Moschee-Gründerin Seyran Ates mit Besucher Cem Özdemir von Bündnis 90/Die Grünen

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Gründerin der liberale Moschee in Berlin-Moabit: „Ich traue mich nicht mehr allein aus dem Haus“

Die Anwältin und Moschee-Gründerin Seyran Ates steht in Berlin unter permanentem Polizeischutz. Jetzt äußert sich der Religionsverband Ditib zu den Anfeindungen.

Von Sabine Beikler

Drei Tage nach Gründung ihrer liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee wurde Seyran Ates auf der Straße von drei Männern angesprochen, was sie für eine „Moschee für Perverse“ eröffnet habe. Am Ende der Auseinandersetzung sagte einer der Männer zu ihr: „Du stirbst.“ Das war für Ates ein „Flashback.

Lebensgefährlich verletzt überlebte sie 1984 ein Attentat in einem Kreuzberger Treff- und Informationsort für Frauen aus der Türkei, ihre Klientin starb. Mehrfach wurde die Frauenrechtlerin und Anwältin wegen ihres Engagements schon bedroht. Nach Gründung der Moschee vor drei Wochen erhielt sie, wie berichtet, mehr als 100 Morddrohungen und steht nun rund um die Uhr unter Polizeischutz.

Türkische Zeitungen verleumden Ates

Seyran Ates machte am Dienstag während eines Solidaritätsbesuchs des Grünen-Parteichefs und Spitzenkandidaten Cem Özdemir die Berichterstattung in den regierungsnahen Zeitungen der Türkei mitverantwortlich für die Morddrohungen. „In den Zeitungen berichten sie über uns und sagen, wir sind Gülen-Anhänger. Damit entsteht die Gedankenkette Gülen, Terroristen – vogelfrei“, sagte Ates. Ein Paket wurde ihr zugestellt. Inhalt: eine Moschee in Miniaturausführung und eine Spielzeugpistole. „Ich traue mich nicht mehr allein aus dem Haus“, sagte Ates.

Auch die Mitbegründer der Moschee würden von Drohungen aus der Türkei oder aus der arabischen Welt nicht verschont. „Viele sind ganz normale Bürger, die uns weismachen wollen, sie seien liberal.“ Aber sie erhalte viel Zuspruch. Vertreter von anderen Moscheen hätten die liberale Moschee besucht. „Manche haben auch gefordert, ich solle mit der liberalen Moschee aufhören“, erzählte Ates. Sie habe den Anspruch, mit Moscheevereinen ins Gespräch zu kommen.

Liberales Konzept stößt auf Kritik

In der von Ates gegründeten Moschee beten Männer und Frauen gemeinsam, sie steht Schiiten, Sunniten, Aleviten offen, Homosexuelle sind ebenso eingeladen wie Vertreter anderer Religionen. Die türkische Religionsbehörde Diyanet, die Imame in deutsche Gemeinden entsendet und diese auch bezahlt, hatte verkündet, die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gehöre zur Gülen-Bewegung und sei mit den „grundlegenden Quellen des Islam“ unvereinbar. Ates, aber auch der Vertreter der Gülen-Bewegung in Berlin, Ercan Karakoyu, hatten das dementiert.

Bekir Alboga, Generalsekretär im Bundesverband Ditib, sagte auf Anfrage, Auseinandersetzungen müssten „sachlich und vernünftig geführt werden. Hetzerische Diffamierungen und Gewaltbereitschaft sind keine legitimen Mittel, um in einer demokratischen Gesellschaft Konflikte und Meinungsverschiedenheiten auszutragen“. Meinungsverschiedenheiten dürften nicht „zu Hass führen, der uns verblendet und zur Gewalt verleitet. Das ist die bestimmende Handlungsanweisung für eine Religionsgemeinschaft und ihre Mitglieder, und nicht gesellschaftliche Anfeindung und Gewalt“. Ditib verurteile „jeden Aufruf zu Hass und Gewalt. Die Ethik des Islam, sie lehrt uns Liebe, Toleranz, Vertrauenswürdigkeit, sie lehrt uns Frieden und Eintracht für die Gesellschaft, in der wir leben“. Eine Kategorisierung in Liberale und Konservative werde jedoch dem Beitrag muslimischer Religionsgemeinschaften für das Zusammenleben „nicht gerecht“.

Grünen-Politiker Özdemir forderte von der Bundesregierung, mit dem „Wattebäuschen-Weitwurf Richtung Ankara“ aufzuhören und klarzumachen, dass in Deutschland Religionsfreiheit herrsche. „Die Einmischung muss ein Ende haben“, sagte Özdemir.

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