WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Kultur
  3. Medien
  4. Olympia 2016: Christoph Harting und die Rache der Medien

Meinung Eklat, kein Eklat?

Die Rache der Medien an Christoph Harting

Medienredakteur
Das sagen Verantwortliche und Kollegen zur Harting-Show

Christoph Harting steht nach seiner Show bei der Siegerehrung in der Kritik. Das sagen Bronze-Gewinner Daniel Jasinski und der Chef de Mission, Michael Vesper, zum Auftritt.

Quelle: Die Welt/Sport

Autoplay
Der Olympiasieger Christoph Harting hat die Spielregeln von Medien und Leistungssport verletzt. Dafür bekommt er kräftig Prügel. Aber nicht Hartings Alberei war würdelos, sondern der Shitstorm danach.

Respekt- und würdelos, dieser Flegel. Nein, nicht Gary Lineker ist gemeint, der am Wochenende nur mit Shorts bekleidet in der BBC-Sendung „Match of the Day“ auftrat. In der BBC, Ladies and Gentlemen! Aber nein, Christoph Harting heißt der Wicht, der als Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele auf dem Siegerpodest rumhopste und komisch grinste. Während Lineker für das Einlösen einer Wette gefeiert wurde, gab es für Harting Prügel. Klar, eine Siegerehrung mit Nationalhymne ist etwas anderes als eine Moderation im TV-Studio.

„Eklat bei Siegerehrung“, meinte „Spiegel Online“. „So peinlich benahm sich Christoph Harting“, berichtete die „Berliner Morgenpost“. Der TV-Sender Sport1 fand: „Unsportlich“. „Die Welt“ sah einen Wandel vom Diskus-Helden zum „schlechten Clown“. Und so weiter und so fort.

Christoph Harting hat die Spielregeln verletzt

Befand man sich am Wochenende im selbst gewählten Olympia-Exil, also nicht vor dem Fernseher und auch nicht im Internet, dann war die Neugier am Sonntagabend entsprechend groß. Hui, was hat sich der Typ da bloß geleistet? Also reingeschaut. Und nicht annähernd so schockiert, wie es nach den Schlagzeilen zu erwarten gewesen wäre.

Harting nach Auftritt bei der Siegerehrung in der Kritik

Christoph Harting ist ein etwas anderer Sportler. Immer wieder eckt der Leichtathlet an. So auch nach seinem sensationellen Sieg im Diskus-Finale von Rio 2016. Sein Verhalten bei der Siegerehrung sorgte damals für einen Eklat.

Quelle: Die Welt/Sport

Hätte man die Szene live im Fernsehen gesehen, dann wäre da sicherlich ein Befremden über das theatralische Verhalten des 25-Jährigen zu spüren gewesen. Man selber, klar, hätte still gestanden, vielleicht eine Träne vergossen. Bekäme dafür die anrührende Titelseite verehrt: „So still feiert der Held von Rio seinen Triumph“.

Ganz anders nun der „kleine Harting“, dessen Bruder Robert vier Jahre zuvor in London Gold gewonnen hatte. Er hat die Spielregeln verletzt und bekommt dafür die entsprechenden Kopfnoten. Von Medien, auf sozialen Netzwerken, von anderen Sportlern, von Funktionären. Ein Weitspringer gab zu Protokoll, er habe sich für das Verhalten geschämt.

Exzentrisch vielleicht, würdelos nicht

Fürs Protokoll: Harting hat dem drittplatzierten Deutschen applaudiert. Er hat dem zweitplatzierten Polen applaudiert. Er hat sich bei den Offiziellen bedankt, die zur Medaillenübergabe und zum Händeschütteln vorbeikamen. Dann hat er die beiden sportlichen Kontrahenten noch einmal umarmt. Die Hände mit einem Lachen hochgerissen. Zur Hymne wiegte er sich zu den Seiten, spitzte kurz den Mund, als pfeife er mit, drehte sich einmal um, schüttelte danach ungläubig-versonnen den Kopf.

Man mag das Verhalten exzentrisch nennen, würdelos war es nicht. Der „Eklat“, eines der Lieblingsworte der medialen Erregungsmaschinerie, fand nicht statt. Beziehungsweise: nicht auf dem Podest.

Die Härte, mit der unmittelbar gegen Harting kommentiert wurde, erklärt sich seitens der Medien auch aus dessen Verhalten nach dem Sieg und bei einer Pressekonferenz. Erst habe Harting dem ZDF-Reporter Norbert König „den Handschlag verweigert“, dann sagte er gegenüber der versammelten Presse: „Ich bin nicht der Medienhengst, ich suche nicht nach Öffentlichkeit.“

Medienverweigerung bei Olympia rächt sich

Sicher, genau diese Haltung hat Harting erst recht zu einer Person des öffentlichen Interesses gemacht. Medienverweigerung oder zumindest Medienstörrigkeit führt unweigerlich zu einer Art allergischen Reaktion bei einigen Multiplikatoren.

Anzeige

Die wie selbstverständlich davon ausgehen, dass ein Sieg bei Olympia zwingend zur Allverfügbarkeit des glücklichen Gewinners führt. Bei eher schüchternen Persönlichkeiten ist immerhin eine verlegene Freundlichkeit akzeptiert, aus der sich wiederum Geschichten über die charmante Unprofessionalität eines Menschen im Licht der Aufmerksamkeit stricken lässt.

Selbst Medien, die der strammen Haltung beim Abspielen der Hymne prinzipiell skeptisch gegenüberstehen, wollten aus Hartings kleiner Einlage Kapital schlagen. Die „taz“ titelte mit einem Foto Hartings und der Zeile „Pfeif auf die Hymne“. Wollte damit also andeuten, dem Sportler wäre die patriotische Begleitmusik, die ein Olympiasieg mit sich bringt, völlig wurscht. Und so lässt sich alles Mögliche in die paar Minuten hineininterpretieren, die Christoph Harting zu einem Anti-Medienstar machten.

Eine Reihe von Journalisten kritisierte, Harting sei bei seinem Auftritt völlig unauthentisch gewesen. Christoph Hartings Vater sagte der „Bild“-Zeitung: „Er war in diesem Moment total authentisch.“ Der Rest ist Pfeifen im Walde.

Hier finden Sie den Zeitplan zu Olympia 2016 in Rio de Janeiro.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema