WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Debatte
  3. Kommentare
  4. Politische Korrektheit: Wenn "Zehn kleine Negerlein" einfach verschwinden

Meinung Politische Korrektheit

Wenn "Zehn kleine Negerlein" einfach verschwinden

Tim und Struppi im Kongo Tim und Struppi im Kongo
Noch einmal der politischen Korrektur entkommen: Der belgische Comic "Tim und Struppi im Kongo" war wegen "Kolonialismus und weißer Überheblichkeit" angeklagt
Quelle: picture-alliance / maxppp/picture-alliance / /MAXPPP
Bücher können eine gefährliche, aber auch eine gefährdete Ware sein. Dann nämlich, wenn politische Korrektheit alte Bücher und Begriffe nachträglich "bereinigen" will.

Tim und Struppi sind noch einmal davongekommen. Ihnen blieb erspart, was Huckleberry Finn und Pippi Langstrumpf über sich ergehen lassen mussten: dass man ihre kessen Reden nachträglich politisch korrekt synchronisierte.

Dem Comic-Band „Tintin au Congo“ war sogar Schlimmeres angedroht. Er sollte, forderte der in Belgien heimische Kongolese Bienvenu Mbutu Mondondo seit 2007, wegen der „Rechtfertigung von Kolonialismus und weißer Überheblichkeit“ verboten oder zumindest durch einen unübersehbaren Aufkleber als „rassistisch“ gekennzeichnet werden.

Das hat jüngst ein Gericht in Brüssel abgelehnt. Zwar sei dieser Comic, der zuerst 1930/31 erschien, dem damaligen Zeitgeist gehorchend, kräftig von der Kolonialideologie geprägt, wonach allein die Herren aus dem fernen Belgien das Glück der Eingeborenen zu garantieren vermögen. Aber daraus ließe sich nicht, um dem heutigen Zeitgeist dienstbar zu sein, ein Verbot ableiten.

Wenn politische Korrektheit die Vergangenheit ummodeln will

Bücher können eine gefährliche, aber auch eine gefährdete Ware sein. Immer wieder erheben sich Stimmen, die fordern, ein Buch zu verbrennen, ein Buch zu verbieten. Gemeinhin gilt das als Ausdruck einer rechts-reaktionären Gesinnung. Linkem Denken, so ein gängiger Gemeinplatz, seien solche Anwandlungen fremd.

Doch nicht nur „Tim und Struppi“ mussten erfahren, was geschehen kann, wenn politische Korrektheit die Vergangenheit nach gegenwärtigen Spielregeln umzumodeln trachtet. In Großbritannien wie den USA ist dieser „Tintin“-Band längst – ohne Gerichtsurteil – aus den Kinderbuchabteilungen verbannt worden. Genauso gilt Harriet Beecher Stowes „Onkel Toms Hütte“, 1852 ein Fanal für die Befreiung der Sklaven, inzwischen als paternalistisch und darum für Kinder verderblich.

Und noch schlimmer ergeht es Tom Sawyer und Huckleberry Finn. 219 Mal fällt da das Wort „Nigger“. D eshalb wurde es in den neuesten Twain-Ausgaben durch „Sklave“ ersetzt . Nur rettet das Hucks abschließendes Lob des Negers Jim: „Ich wusste immer, dass er innerlich weiß ist, also ist das in Ordnung“?

Wo „Mohr“ allein schon verpönt ist

Deutschland sollte sich trotzdem nicht aufs hohe Ross setzen. Auch hier gibt es solche politisch korrekten Korrekturen. Joseph Conrads „Nigger von der Narzissus“ findet man nur noch im Antiquariat. Auch Agatha Christies Krimi „Zehn kleine Negerlein“ wurde umgetauft. Selbst Pippi Langstrumpf darf in den neuesten Auflagen keine „Negerprinzessin“, ihr Vater kein „Negerkönig“ mehr sein. „Südseekönig“ ist er neuerdings.

Nicht weniger gefährdet ist der „Struwwelpeter“ wegen der drei Tintenbuben. Die sind zum Schluss zwar „viel schwärzer als das Mohrenkind“, aber zuvor heißt es: „Was kann denn dieser Mohr dafür, dass er so weiß nicht ist wie ihr?“ – wo „Mohr“ allein schon verpönt ist. Sollte es ihm besser als den „Zehn kleinen Negerlein“ gehen, zu denen das Verzeichnis der lieferbaren Bücher wissen lässt: „Leider wurde zu Ihrer Suchanfrage kein Ergebnis gefunden“. Nur ganz versteckt kann man die zehn noch entdecken: unter den „Vielen schönen Kinderversen“ in dem Dauerbrenner „Allerleirauh“ – gesammelt von Hans Magnus Enzensberger.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema