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  4. Streit um Puigdemont: Stellen wir uns den Katalanen als Bayern vor

Meinung Kampf um Unabhängigkeit

Stellen wir uns den Katalanen kurz als separatistischen Söder vor

Staatsanwaltschaft beantragt Auslieferungshaftbefehl gegen Puigdemont

Die Generalstaatsanwaltschaft hat einen Auslieferungshaftbefehl gegen den katalanischen Ex-Regionalpräsidenten Puigdemont beantragt. Über den Antrag muss nun das Oberlandesgericht von Schleswig-Holstein entscheiden.

Quelle: WELT/Jens Reupert

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Wenn die Bayern das machen würden, was Separatistenchef Carles Puigdemont tat, dann würde Deutschland streiten, Karlsruhe würde rügen. Es gäbe keine Rebellionsvorwürfe - und keine Auslieferung per juristischer Verrenkung.

Man stelle sich vor, Bayern würde eine Volksabstimmung ansetzen, um aus der Bundesrepublik auszuscheiden – Begründung: Bayern zahlt zu viel in den Länderfinanzausgleich. Würde Berlin mit dem Einsatz der Bundespolizei vor den Wahllokalen antworten und dem nach Österreich geflüchteten Markus Söder mit einem EU-Haftbefehl nachstellen? Kaum. Es käme stattdessen zu vielen Gesprächen über die Länderfinanzen.

Vielleicht gäbe es einen Prozess in Karlsruhe wegen bayerischer Nötigung staatlicher Organe. Das wäre alles ganz aufregend, Deutschland würde darüber streiten, wie föderalistisch und bayerisch es eigentlich sein sollte. Aber am Ende stünden keine Rebellionsvorwürfe und kein Polizeieinsatz, sondern die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Markus Söder würde sich als König von Bayern feiern lassen und sagen, er habe auch Deutschland gerettet.

Carles Puigdemont wirft Madrid hauptsächlich vor, Katalonien über den Finanzausgleich auszubeuten. Er ist ein politischer Wichtigtuer, aber kein Hochverräter im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches, obwohl die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holsteins das jetzt so behauptet. Hochverrat im Sinn des StGB ist der gewaltsame, nicht der friedliche Versuch, die staatliche Ordnung zu ändern. „Mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt“ sind die entscheidenden Wörter.

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Der Hochverratsparagraf entstand 1871 ausdrücklich mit Bezug auf mögliche Attentate auf Bundesfürsten oder eine bewaffnete Sezession. Wladimir Putins Krim-Votum war eine solche Sezession, ein Referendum mit Gewaltandrohung gegen Kiew. Puigdemonts Abstimmung war ein Rechtsbruch, aber keine „Gewaltanwendung“ im Sinne deutschen Hochverrats. Wenn Bayern per Volksabstimmung aus dem Bund austreten wollte, wäre das keine gewaltsame Änderung der deutschen Staatsordnung.

In Demokratien redet man miteinander

Spanien hätte den Katalanen längst in Gewahrsam haben können, wenn es ihn als Terroristen einstufen würde. Als Terrorist müsste er mit dem EU-Haftbefehl automatisch überstellt werden. Aber davor scheut Spanien zurück. Puigdemont hat ja nicht mit Anschlägen gedroht. Auch „Sabotage“, „Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme“ oder „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ hängt Madrid ihm nicht an. Im EU-Haftbefehlskatalog sind das Auslieferungskriterien. „Rebellion“ ist im Katalog nicht enthalten. Pech für Madrid.

Spanien soll sich erst einmal beruhigen. Demokratien funktionieren, wenn man miteinander redet, und wenn die Justiz politische Leidenschaften nicht noch verstärkt. Die katalanischen Vorwürfe an Spaniens Regierung sind ein Grund zu reden – in Spanien und auf EU-Ebene. Sie sind kein Grund für eine deutsche Auslieferung per juristischer Verrenkung. Carles Puigdemont ist es nicht wert, dass Volksabstimmungen im deutschen Recht plötzlich Hochverrat sein können. So wichtig ist der Katalane nicht.

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