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Immobilien Straßennamen

Wer wohnt im „Strullerweg“ oder „Auf dem Jochen“?

Die skurrilsten Straßenschilder in Hamburg: Nicht immer ist klar, was sich die Namensgeber dabei gedacht haben Die skurrilsten Straßenschilder in Hamburg: Nicht immer ist klar, was sich die Namensgeber dabei gedacht haben
Die skurrilsten Straßenschilder in Hamburg: Nicht immer ist klar, was sich die Namensgeber dabei gedacht haben
Quelle: dpa
Straßen und Neubauten bekommen in Deutschland inzwischen oft belanglose Namen. Dabei kann eine gute Adresse das Image und den Preis der Immobilien heben – oder zumindest für einen Lacher sorgen.

Wenn es um die Namensfindung von Straßen und Immobilien geht, regiert häufig die Einfallslosigkeit. Kommunalpolitiker und Bauherren machen es sich oft zu einfach. Dabei kann die Namensgebung entscheidend zum Wert von Immobilien beitragen.

Spätestens seit dem Monopoly-Spiel weiß nämlich jedes Kind, welche Straßen am erfolgreichsten sind. „Parkstraße“ und „Schlossallee“ versprechen dem Spieler einen erfolgreichen Spielverlauf und gehören deshalb zu den besonders beliebten Straßen des Kultspiels. Was im Spiel so einfach ist, ist in der Realität zwischen Flensburg und Garmisch allerdings inflationär. „Gartenstraße“, „Birkenweg“ oder „Goethestraße“ sind fast in jeder deutschen Kommune zu finden.

Mit den lokalen Besonderheiten hätte der Name oftmals rein gar nichts zu tun, kritisieren Experten des Beratungsunternehmens Catella. Straßennamen mit Massencharakter würden das Image verschlechtern. Dabei wird der Charme eines Viertels durch den klangvollen Namen bestimmt, ganz gleich, in welchem baulichen Zustand es ist.

Die Bezeichnungen von Straßen sind oft belanglos, mitunter aber auch sehr skurril
Die Bezeichnungen von Straßen sind oft belanglos, mitunter aber auch sehr skurril
Quelle: Infografik Die Welt

Mit „Prügelweg“, „Knochenmühle“, „Spannerweg“, „Mausegatt“, „Tangabucht“ oder gar „Promilleweg“ – das gibt es alles – ist jedenfalls nicht viel Staat zu machen. Abgeleitet sind solche Namen meist von lokalen Gegebenheiten, die Ortsfremde überhaupt nicht verstehen. Die meisten Straßennamen lassen sich auf historische und geografische Aspekte zurückführen. Nicht selten verweisen sie auf Flurnamen. Der häufig vorzufindende Mühlweg oder Mühlenweg mag hier wohl symptomatisch sein.

Straßennamen sind Spiegel der Politik

Straßennamen sind natürlich auch ein Spiegelbild der Politik. Dies konnte man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erleben, als bei der Namensgebung vielerorts Kaiser Wilhelm von Hindenburg oder Rosa Luxemburg abgelöst wurde. Um einen anderen, sehr belasteten Namen, Adolf Hitler, von den Straßenschildern zu eliminieren, erlebte im Mai 1945 in vielen Kommunen die alte, unverdächtige „Hauptstraße“ oder auch mal die „Großstraße“ eine Renaissance.

In den 50er- und 60er-Jahren gewannen in Neubaugebieten dann die Danziger, Breslauer, Allensteiner oder Tilsiter Straße an Beliebtheit – gerade im Westen Deutschlands. Im Osten gab es dagegen eine Inflation der Partei- und Gewerkschaftsführer auf den Straßenschildern.

Fast jeder größere Ort hatte eine Karl-Marx-, Wilhelm-Pieck- oder Lenin-Straße. Nur mit Stalin wollte man plötzlich nichts mehr zu tun haben. Die Stalin-Allee wurde in Ost-Berlin kurzerhand in eine Karl-Marx-Allee umgewandelt, und so heißt der Prachtboulevard mit der prägnanten Architektur der verblichenen DDR noch heute. Zudem gibt es im früher eingemauerten Westen der Stadt auch noch eine Karl-Marx-Straße.

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Erstaunlicherweise sind viele kommunistische Politiker heute noch immer auf Straßenschildern ostdeutscher Städte und Dörfer zu finden. In manchen Kommunen gab es aber auch eilige Umbenennungen. So wurde in einer brandenburgischen Kleinstadt aus einer Max-Reimann-Straße schnell mal eine Bismarck-Straße. Max Reimann war übrigens ein westdeutscher Politiker – Chef der KPD.

Die 70er- bis 90er-Jahre waren städtebaulich die Zeit der großen Entwicklungen außerhalb der Stadtzentren. In diese Zeit fällt die Entstehung von „Vierteln“ als Überbegriff: Dichter-, Maler-, Musiker-, oder Weinviertel bildeten schon mal die Klammer für den Goethe-, Mozart-, Spitzweg- oder Traubenweg, heben die Catella-Experten hervor.

Namen sollen der Orientierung dienen

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In Gewerbegebieten dominierten wiederum die Bosch-, Daimler-, Otto-, Koch-, Siemens- oder Dornier-Straße. Das waren immerhin technisch herausragende Persönlichkeiten, Männer, politisch eher unverdächtig – und vor allem tot, was immer eine Voraussetzung für die Verewigung eines Namens auf einem Straßenschild ist.

Wurden Straßen lange überwiegend nach männlicher Prominenz benannt, haben in den letzten zehn Jahren zunehmend Frauen auch eine Chance. Grund ist die Absicht, die Dominanz männlicher Straßennamen „auszugleichen“. 2015 kommen laut Catella-Analyse auf einen weiblichen Straßennamen 14 Männernamen. Um einem Gleichgewicht näher zu kommen, verbieten manche Städte per Verordnung heute sogar die weitere Namensvergabe nach Männern.

Seit dem Jahr 1990 gibt es jedoch noch einen anderen Trend: Die Straßenforscherin Marion Werner hat herausgefunden, dass von 1990 bis 1997 mehr als ein Viertel aller neuer Straßennamen aus der Welt der Wirtschaft kamen.

Urheber der Straßennamen sind die Ratsversammlungen der Städte und Gemeinden. Grundlage ist die jeweilige Landeskommunalordnung. Großer Wert wird dabei auf die Mitwirkung der Bürger gelegt. Die Hauptkriterien: Straßennamen sollen vor allem der Orientierung dienen, auf Dauer angelegt sein und in einer Kommune auch nur einmal vergeben worden sein. Und sie sollen im Idealfall identitätsstiftend für die Bewohner sein.

Dass Straßen einen Namen bekommen, ist übrigens nicht zwingend. So wurden in New York die von Norden nach Süden führenden Avenues einfach nummeriert. Und auch in Deutschland gibt es eine bekannte Ausnahme – Mannheim. Dort sind die Blöcke in der Innenstadt mit Nummern versehen, also A1, B2 oder C3. Und selbst in einer Großstadt wie Berlin gibt es in Außenbezirken ebenfalls nummerierte Straßen, wie etwa die Straßen 545, 546 oder 574 im Ortsteil Rahnsdorf.

Kein Zusammenhang mit den Bodenwerten

Durch die Namensgebung lässt sich der Charakter einer Straße oder einer ganzen Gegend prägen – und damit auch das ökonomische Potenzial von Neubauprojekten. Klassische Marketingfaktoren sind dabei Lage, stimmiger Preis, einprägsamer Name, Optik sowie die Ausstattung. Über die gezielte Namensgebung wird der Straße oder dem Viertel eine persönliche Identität gegeben, die den Wert der Bauten heben kann.

Ein genereller Zusammenhang zwischen Straßennamen und deren aktuellen Bodenwerten, also dem Niveau der Immobilienpreise vor Ort, lässt sich nach der Untersuchung der Catella-Analysten allerdings nicht nachweisen. „Ein guter Name ist immer derjenige, welcher in Taxifahrerkreisen (positiv) oder in Polizei/Krankenfahrerkreisen (negativ) als Eigenname mit der Zeit eine Bedeutung erfahren hat“, bringt es Catella-Chefanalyst Thomas Beyerle jedoch auf den Punkt.

Bei neuen Wohnprojekten lassen sich Bauherren nicht viel einfallen
Bei neuen Wohnprojekten lassen sich Bauherren nicht viel einfallen
Quelle: Infografik Die Welt
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In den letzten Jahren gibt es jedenfalls eine Schwemme von prunkvollen Namen bei neuen Wohnprojekten, wie „Palais“, „Terrassen“, „Höfe“ oder „Gärten“. Sie sollen den Anschein von Wohnlichkeit und Lebensqualität assoziieren – und nehmen damit zugleich eine Preispositionierung vor.

Mit rund 102 Mal „Palais“ ist diese klangvolle Betitelung derzeit Spitzenreiter unter den aktuellen Projektentwicklungen, davon eine Vielzahl in Berlin. Und auch in kleineren Städten sind solche Bezeichnungen nicht mehr selten. 58 Mal ist bundesweit bei Neubauten der „Garten“ und 38 Mal die „Terrasse“ zu finden. Das alles zeugt nicht gerade von großer Kreativität

Wenn dann aber eine 90-jährige Eiche in einem Hinterhof in Berlin als Basis für ein „Gärten“-Projekt herhalten muss, ist die Spitze erreicht. Auch Makler sind erfindungsreich, wenn Seitenflügel oder Quergebäude in manchem Berliner Hinterhof schon mal als Gartenhaus angeboten werden. Spätestens bei der Besichtigung der Immobilie werden Käufer oder Mieter erkennen, was sie sich da gerade antun.

Fehlende Kreativität bei Neubauten

Dabei ist eigentlich das Ziel, durch harmonische Assoziationen einen Neubau gut zu vermarkten. Wer möchte schließlich nicht im „Französischen Palais“, am „Sonnenweg“, oder „An den Sieben Bäumen“ wohnen?

In ihrer Analyse bemängeln die Catella-Analysten die fehlende Kreativität bei der Namensfindung von Neubauprojekten in Deutschland. Das „Naming“ in der Immobilienwirtschaft sei noch im Entwicklungsstadium. Markenstrategie, Markenfindung und eine Positionierung einer Projektentwicklung seien wichtig und preissteigernd, betont Catella-Analyst Beyerle. Doch es werde zu wenig getan.

Da Straßen-, Wohnviertel- und Objektnamen genauso wertprägend und preisbestimmend wirken wie Nussbaumboden und High-Tech-Küche in einer Luxuswohnung, sollten Namensaspekte schon früh bei der Planung der Neubauten eine Rolle spielen, raten die Catella-Experten.

Das oft skizzierte „High-end Urban Premium Luxury Tower Konzept“ ist dabei allerdings ein totaler Schwachsinn der Planer. Es führt eher in die Irre.

Es gibt jedoch auch sehr gelungene Beispiele, wie den Marco-Polo-Tower im Hamburger Hafenviertel. Der Entdecker Marco Polo steht für Wagemut und Tatendrang. Und auch das Wohnprojekt Prima Colonia in Köln hat eine gelungene Bezeichnung.

Völlig aus dem Ruder gelaufen ist dagegen die Bezeichnung für das Büro- und Hotelprojekt Squaire am Frankfurter Flughafen. Darunter kann man sich eigentlich gar nichts vorstellen.

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