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Geschichte DDR-Aufarbeitung

So viel SED steckt in der Linkspartei

Die Geschichtszeitschrift „Horch und Guck“ kehrt in neuer Trägerschaft zurück. Gleich das erste neue Heft ist erfrischend streitbar und konsequent – und zeigt, wie unverzichtbar das Blatt ist.
Leitender Redakteur Geschichte
„,Die ‚Linke‘ ist rechtsidentisch mit der ,Die Linkspartei.PDS‘“: Das Credo, das nach der Wahl ihres Spitzenkandidaten zum thüringischen Ministerpräsidenten Ende 2014 auf das Büro der Linken in Gera geschmiert wurde, hat der Schatzmeister der Partei beizeiten an Eides statt erklärt „,Die ‚Linke‘ ist rechtsidentisch mit der ,Die Linkspartei.PDS‘“: Das Credo, das nach der Wahl ihres Spitzenkandidaten zum thüringischen Ministerpräsidenten Ende 2014 auf das Büro der Linken in Gera geschmiert wurde, hat der Schatzmeister der Partei beizeiten an Eides statt erklärt
„,Die ‚Linke‘ ist rechtsidentisch mit der ,Die Linkspartei.PDS‘“: Das Credo, das nach der Wahl ihres Spitzenkandidaten zum thüringischen Ministerpräsidenten Ende 2014 auf das Büro ...der Linken in Gera geschmiert wurde, hat der Schatzmeister der Partei beizeiten an Eides statt erklärt
Quelle: picture-alliance / dpa

Schon in zweiter Auflage erschien 1981 in Ost-Berlin der „Wissensspeicher Wehrausbildung“, ein Begleitbuch zur vormilitärischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen im vermeintlichen „Friedensstaat“ DDR. Auf Seite 99 in diesem Buch findet sich eine Grafik, die „Varianten des In-Deckung-Gehens“ visualisiert. Bei besonders vielen Schüler sind die Botschaften des Wehrkundeunterrichts seinerzeit nicht angekommen. Die SED allerdings, Urheber dieses Lehrplangegenstandes, hat sich als gelehrig erwiesen.

„Wie viel SED steckt in der Linkspartei?“, lautet das Schwerpunktthema der neuesten Ausgabe der Aufarbeitungszeitschrift „Horch und Guck“. Benannt nach dem zynischen Spitznamen der Staatssicherheit in der DDR-Bevölkerung, treibt das seit einigen Jahren sehr modern und magazinartig gestaltete Heft, was alte SED-Kader, Stasi-Veteranen und nicht zuletzt Politiker der Linkspartei am liebsten zu verdecken suchen – die weitgehende Identität der früheren Staatspartei Ost mit der heutigen Berufsopposition im Bundestag und Regierungspartei in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.

Bürgerkomitee Leipzig e. V. (Hrsg.): „Horch und Guck“. (Heft 80, Leipzig 2015. 88 S., 5,90 Euro, Jahresabonnement 20 Euro)
Bürgerkomitee Leipzig e. V. (Hrsg.): „Horch und Guck“. (Heft 80, Leipzig 2015. 88 S., 5,90 Euro, Jahresabonnement 20 Euro)
Quelle: Bürgerkomitee Leipzig e. V.

In der neuesten Nummer 80 von „Horch und Guck“ wird das unter anderem anhand einer eidesstattlichen Versicherung des Bundesschatzmeisters der Linkspartei, Karl Holluba, belegt. In diesem bemerkenswerten, als Faksimile abgedruckten Dokument „zur Vorlage bei Gericht“ erklärte der Parteifunktionär, übrigens seit 1967 Mitglied der SED, am 28. April 2009 wörtlich: „,Die Linke‘ ist rechtsidentisch mit der ,Die Linkspartei.PDS‘, die es seit 2005 gab, und der PDS, die es vorher gab, und der SED, die es vorher gab.“ Zum Abschluss fügte er noch an, niemand sei „je auf die Idee gekommen“, Die Linke sei „nicht identisch mit der PDS“, also mit der SED.

Nun ist es kein Geheimnis, dass die Mitglieder der heutigen Linkspartei zum größeren Teil bis 1990 entweder zur SED gehörten oder zu früheren westdeutschen Tarnorganisationen der ostdeutschen Staatspartei. Aber in so erfrischender Deutlichkeit wie Holluba es in seiner Erklärung bekennt, fehlte eine solche Festlegung bisher in der öffentlichen Diskussion.

Mit dem Schwerpunkt des aktuellen Heftes zeigt „Horch und Guck“, dass die zivilgesellschaftliche Aufarbeitung im vereinten Deutschland funktioniert. Seit 1992 hatte das Berliner Bürgerkomitee 15. Januar, benannt nach dem Datum des weitgehend friedlichen Sturms auf die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg Anfang 1990, die Zeitschrift herausgegeben – doch aus personellen Problemen sah sich dieser Verein „nicht mehr in der Lage, das weitere Erscheinen der Zeitschrift auf dem bisherigen Niveau zu gewährleisten“.

Um die ohne Zweifel wichtigste regelmäßige Publikation zur DDR-Aufarbeitung zu erhalten, übernahm das Bürgerkomitee Leipzig e. V. die Herausgabe; das aktuelle Heft ist das erste in dieser neuen Trägerschaft. Und es ist gleich ein deutliches Statement, dass auch ein Vierteljahrhundert nach der Einheit die laut Holluba eben „rechtsidentische“ SED-PDS-Linkspartei aus ihrer historischen Verantwortung für die zweite Diktatur auf deutschem Boden nicht entlassen werden darf.

Das Bürgerkomitee Leipzig gründete sich unmittelbar nach der gewaltfreien Besetzung der Bezirks-Stasi-Zentrale in der Stadt der Friedlichen Revolution. Nur Stunden nach der ersten Sicherstellung in Erfurt hatten sich Oppositionsmitglieder getraut, die konsternierten SED-Geheimpolizisten von ihren Schreibtischen zu verjagen.

Ob die Linkspartei nun eine Partei ,neuen Typs’ oder ,mit eigenem Typus’ sein mag – es ist jedenfalls eine Partei, in der immer noch viel zu viel SED steckt
Konrad Weiß, DDR-Bürgerrechtler

Weil, im Gegensatz zu vielen anderen ähnlichen Bürgerkomitees, die Leipziger auch stets konsequent aktiv blieben, so sehr wie sonst wohl nur noch die Antistalinistische Aktion in Berlin, sind etwa die Akten der Leipziger Filiale des DDR-Auslandsnachrichtendienstes Hauptverwaltung Aufklärung der einzige einigermaßen komplett erhaltene Bestand von Markus Wolfs Truppe. Praktisch überall sonst konnten alte Kader die unerfahrenen Bürgerrechtler beschwatzen, die HVA habe auch nichts anderes getan als westliche Nachrichtendienste; sie müssten deshalb ihre Akten vernichten dürfen, um nicht in die Finger von CIA, MI6 oder BND (über die NSA redete seinerzeit noch niemand) zu geraten.

Die Leipziger sind damit die perfekten neuen Träger für „Horch und Guck“, und gleich ihre erste Nummer zeigt, dass sie ihren Schneid bewahrt haben. Die Redaktion hat kein Problem damit, prononcierte Meinungen zu veröffentlichen.

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Etwa von Konrad Weiß, Regisseur, ehemals DDR-Bürgerrechtler und 1990 bis 1994 Parlamentarier in der einzigen frei gewählten Volkskammer und im Bundestag. Sein Einleitungsaufsatz schließt mit der Feststellung: „Ob die Linkspartei nun eine Partei ,neuen Typs‘ oder ,mit eigenem Typus‘ sein mag – es ist jedenfalls eine Partei, in der immer noch viel zu viel SED steckt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Erhellend ist auch der Beitrag des Historikers Manfred Wilke über die außenpolitische Programmatik der heutigen Linkspartei, speziell in der Ukraine-Krise. Hier positionieren sich Sahra Wagenknecht, Gregor Gysi und andere als fünfte Kolonne Wladimir Putins. Wilke kleidet sein zutreffendes Urteil in eine Frage: Ist die Linkspartei noch koalitionsfähig? Die Antwort kann nur lauten: Nein.

Bis zurück zum Hitler-Stalin-Pakt

Für die Souveränität der neu besetzten Redaktion spricht, dass sie auch den Chefredakteur der faktischen Parteizeitung „Neues Deutschland“, Tim Strohschneider, zu einem Beitrag eingeladen hat. Das intellektuell klägliche Ergebnis wirkt indirekt wie eine Bestätigung von Konrad Weiß.

Schon seit Jahren predigt Rainer Eppelmann, einst Honeckers „Staatsfeind Nr. 1“ und heute ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Aufarbeitung, dass die Aufarbeitung der Stasi zu kurz greife. Er fragt nach „Ross und Reiter“ in der DDR, mit klarem Ergebnis: Die Geheimpolizei hat im Auftrag der SED gearbeitet.

Für die heutige Linkspartei sind die unangenehmen Wahrheiten im aktuellen Heft von „Horch und Guck“ bei weitem schmerzhafter als jede formalistische Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Für die nächste Nummer ist ein weiteres brisantes Thema angekündigt: die Zusammenarbeit von Links- und Rechtsextremisten, von Kommunisten und Nazis im Kampf gegen Demokratie und Rechtsstaat.

Denn was man von der aktuellen griechischen Regierung kennt, deren Chef Alexis Tsipras von der Linkspartei bei fast jeder Gelegenheit bejubelt wird, geht zurück bis zum Hitler-Stalin-Pakt 1939. Für die totalitäre Herausforderung der offenen Gesellschaft Bundesrepublik durch die Linkspartei sensibel zu machen, ist der Verdienst der runderneuerten Zeitschrift „Horch und Guck“. Die Aufarbeitung in Deutschland kann auf dieses Magazin nicht verzichten.

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