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Geschichte 50. Jahrestag

Als Amerikas Schwarze ihr Wahlrecht erkämpften

Am 7. März 1965 knüppelten weiße Polizisten in Selma im Bundesstaat Alabama schwarze Demonstranten nieder, die ihr Wahlrecht einforderten. Der „Blutige Sonntag“ veränderte die Vereinigten Staaten.

Sie hatten ihre besten Kleider angezogen an jenem Sonntagmorgen im Jahr 1965. Alle sollten sehen, dass Schwarze, die ihre Bürgerrechte einfordern, kein gewalttätiger Mob sind. Die etwa 600 Demonstranten wollten am 7. März von der Stadt Selma ins 80 Kilometer entfernte Montgomery, die Hauptstadt des US-Bundesstaates Alabama, marschieren. Doch ihre Demonstration für Gleichberechtigung wurde von der weißen Südstaatenpolizei an der Edmund-Pettus-Brücke gestoppt und brutal niedergeschlagen.

Das Fernsehen übertrug die Bilder von Menschen, die mit Schlagstöcken und Tränengas malträtiert und sogar von Pferden niedergetrampelt wurden. Weiße standen am Straßenrand, sie beschimpften und bespuckten ihre schwarzen Mitbürger. Aber die Sieger des Tages sollten sich irren. Der Bloody Sunday (Blutiger Sonntag) löste Empörung und weitere Proteste in vielen Teilen der USA aus. Fünf Monate später wurde das neue Wahlrechtsgesetz verabschiedet, das den Afroamerikanern die volle Gleichberechtigung garantierte.

Der Terror des Ku-Klux-Klan

50 Jahre später besucht der erste afroamerikanische US-Präsident die Stadt Selma. Politiker, Aktivisten und Tausende Bürger erinnern am Samstag an den Marsch und seine Niederschlagung, darunter Barack Obama und Ex-Präsident George W. Bush. Für viele Afroamerikaner markiert Obamas Wahl einen entscheidenden Schritt auf dem Weg, den die Bürgerrechtsbewegung seit Selma zurückgelegt hat.

Alabama war nicht von ungefähr Schauplatz der blutigen Auseinandersetzungen. In dem Bundesstaat im tiefen Süden der USA hatten auch 100 Jahre nach Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs Schwarze noch immer nicht die Rechte, die ihnen nach dem Ende der Sklaverei formal zuerkannt worden waren. Ihre von Bürgerrechtlern betriebene Einschreibung in das Wählerregister versuchten die Behörden mit aller Macht zu verhindern, die Umtriebe des Ku-Klux-Klan und anderer weißer Terrorgruppen erzeugten ein Klima des Hasses und der Gewalt.

Zwar hatte US-Präsident Lyndon B. Johnson mit dem Civil Rights Act von 1964 die Rassentrennung für illegal erklärt. Aber Verwaltung und Justiz in Alabama erschwerten mit formalen und juristischen Tricksereien die Arbeit der Bürgerrechtler. Nachdem die Polizei im Februar 1965 einen schwarzen Demonstranten erschossen hatte, reagierten jene mit dem Aufruf zum Marsch von Selma nach Montgomery am 7. März 1965.

„Selma“ - Die Geschichte von Martin Luther King

„Selma“ erzählt die Geschichte von Martin Luther King und seinen historischen Kampf für die gleichen Wahlrechte für alle. Er ruft nach dem Mord an einem Schwarzen zum Protestmarsch von der Stadt Selma nach Montgomery auf.

Quelle: Studiocanal

Nach dessen Scheitern folgten Tausende Aktivisten, Studenten, Vertreter aller Kirchen und Hautfarben dem Aufruf zu einem zweiten Marsch am 9. März. Auch der prominente Bürgerrechtler Martin Luther King hatte sich angesagt, brach seine Teilnahme aber ab, um eine Eskalation zu verhindern. Erst der dritte Marsch am 21. März schaffte es unter dem Schutz der Nationalgarde bis nach Montgomery, wo Sänger wie Sammy Davis jr. und Harry Belafonte mit dem Konzert „Stars for Freedom“ den spektakulären Schlusspunkt setzten.

Präsident Johnson hatte sich zunächst gegen weitere Reformen gewandt, weil er nach dem heftigen Ringen um den Civil Rights Act ein Scheitern befürchtete. Aber bereits nach dem zweiten Marsch und den heftigen Reaktionen in der Öffentlichkeit änderte er seine Meinung.

In einer seiner bekanntesten Reden vor dem Kongress gebrauchte Johnson für seine afroamerikanischen Mitbürger zwar noch einen Begriff, den mittlerweile die politische Correctness eliminiert hat. Aber der Inhalt war revolutionär: „Was in Selma geschah, ist Teil einer weit größeren Bewegung, die bis in den letzten Winkel jedes amerikanischen Bundesstaates reicht. Es ist das Bemühen amerikanischer Neger, sich alle Segnungen des amerikanischen Lebens zu sichern … Ihr Anliegen muss auch unser Anliegen sein. Weil es nicht nur Neger, sondern wir alle sind, die die verkrüppelnde Hinterlassenschaft von Bigotterie und Ungerechtigkeit überwinden müssen. Und wir werden sie überwinden.“

„Es war ein bestimmender Augenblick“

Johnson bezog in seiner Rede die Hispanics übrigens ein, deren Diskriminierungen er in seiner Zeit als Lehrer an der mexikanischen Grenze hautnah kennengelernt hatte. „Es war ein bestimmender Augenblick für Johnson und die mexikanischstämmigen Amerikaner“, sagt die Historikerin Julie Leininger. „Und trotzdem ist es ein Moment, der fast völlig in Vergessenheit geraten ist.“

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Mit der öffentlichen Unterstützung seit Selma im Rücken konnte Johnson sein Voting Rights Act durch den Kongress bringen und am 6. August 1965 durch seine Unterschrift in Kraft setzen. Schreibtests und andere formale Hürden, mit denen Afroamerikaner bislang in vielen Bundesstaaten am Einschreiben in die Wählerlisten gehindert wurden, gehörten der Vergangenheit an.

Doch die gesellschaftlichen Schranken blieben. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Narben und der Schandfleck des Rassismus noch tief in der amerikanischen Gesellschaft nachwirken“, sagt der Bürgerrechtler John Lewis, der am 7. März 1965 in der ersten Reihe der Demonstranten stand. „Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht.“ Der 75-Jährige ist heute Kongressabgeordneter der Demokraten.

Martin Luther King jr. (David Oyelowo, M.) und seine Mitstreiter in dem Film „Selma“ (2014)
Martin Luther King jr. (David Oyelowo, M.) und seine Mitstreiter in dem Film „Selma“ (2014)
Quelle: dpa

Von den insgesamt 535 Abgeordneten waren 2014 nur 46 schwarz. Seit 2010 haben einige von den Republikanern regierte Bundesstaaten neue Wahlgesetze eingeführt, die nach Meinung von Kritikern ethnischen Minderheiten, Studenten oder Armen – die meistens die Demokraten wählen – den Gang zur Urne erschweren. 2013 kippte der Oberste Gerichtshof Teile des Wahlrechtsgesetzes, das Diskriminierung in bestimmten US-Staaten verhindern sollte.

Noch immer erleben viele diese Diskriminierung täglich. 2014 etwa kochte die Wut der schwarzen Bevölkerung nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen schwarzen Teenager in Ferguson (Missouri) über. Es war kein Einzelfall, so die Meinung vieler Afroamerikaner.

„Selma ist jetzt“, sagte der Sänger John Legend bei der Oscar-Verleihung im Februar. Er hatte den Preis für den „Selma“-Song „Glory“ gewonnen und erinnerte an die immer noch präsente Ungleichheit: Das Voting Rights Act, für das die Bürgerrechtler damals gekämpft hatten, sei heute in Gefahr. „Selma ist jetzt, weil der Kampf für Gerechtigkeit jetzt ist“, sagte Legend. „Marschiert weiter!“

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