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Gesundheit Medizinische Katastrophe

Auf Madagaskar grassiert die Lungenpest

Chefkorrespondent Wissenschaft
Face masks are placed on children in Antananarivo, Madagascar, Tuesday, Oct. 3, 2017. Authorities in Madagascar are struggling to contain an outbreak of plague that has killed at least two dozen people, and the government has begun a campaign to disinfect school classrooms in the city.(AP Photo/Alexander JOE) Face masks are placed on children in Antananarivo, Madagascar, Tuesday, Oct. 3, 2017. Authorities in Madagascar are struggling to contain an outbreak of plague that has killed at least two dozen people, and the government has begun a campaign to disinfect school classrooms in the city.(AP Photo/Alexander JOE)
In der Hauptstadt von Madagaskar erhalten Kinder Schutzmasken, damit sie keine Pesterreger einatmen
Quelle: AP
Auf Madagaskar kommt es immer wieder zu Pest-Erkrankungen. Meist sind es Einzelfälle und Mücken die Überträger. Doch jetzt grassiert die Lungenpest. Sie verbreitet sich schnell von Mensch zu Mensch.

Seit Jahrzehnten meldet kein anderes Land so viele Fälle von Pesterkrankungen wie Madagaskar. Dort ist das Bakterium Yersinia pestis endemisch. Es überdauert in Nagetieren, insbesondere Ratten. Und Mücken können den Erreger der Pest auf Menschen übertragen. Das kommt immer wieder mal vor, und die Behörden haben gelernt, damit umzugehen und eine weitere Ausbreitung der tödlichen Erkrankung zu verhindern. Eine Meldung sind diese Einzelfälle den Medien nicht wert.

Doch im Moment ist es anders. Madagaskar wird von der weltweit schwersten Pestepidemie seit mehr als 20 Jahren heimgesucht. Mehr als 450 Menschen sind bereits erkrankt und rund 50 gestorben. Die Zahl der Infektionsfälle steigt rasant. Verantwortlich dafür ist ein anderer Übertragungsweg des Erregers als üblich.

Die Lungenpest verbreitet sich rasend schnell

Bei der akuten Epidemie wird das Pestbakterium, anders als sonst, direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Die Mediziner sprechen von der Lungenpest, weil es der Erreger in diesem Fall geschafft hat, in die Lungen der Betroffenen einzudringen.

Sind die Erreger bei einem sogenannten Patienten null über die Atemwege in die Lunge gelangt, treten bald darauf Symptome einer Bronchitis und etwas später blutiger Husten auf. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, per Tröpfcheninfektion andere Menschen anzustecken. Genau das geschieht derzeit in Madagaskar. Der Krankheitsverlauf ist rasend schnell, und der Patient stirbt meist an einer Herzmuskelschwäche oder an Kreislaufversagen.

A cuncil worker sprays disinfectant during the clean-up of the market of Anosibe in the Anosibe district, one of the most unsalubrious districts of Antananarivo on October 10, 2017. The World Health Organization has warned that a deadly outbreak of the plague, which began in late August, has claimed more than 20 lives in Madagascar and is swiftly spreading in cities across the country. Rats are porters of fleas which spread the bubonic plague and are attracted by garbages and unsalubrity. Pneumonic plague, which is passed through person-to-person transmission, has also been recorded. / AFP PHOTO / RIJASOLO
Durch Versprühen von Desinfektionsmitteln soll die Ausbreitung der Pesterreger gestoppt werden
Quelle: AFP

Aufgrund der schnellen Verbreitung der Lungenpest, ähnlich wie bei einer Grippe, ist die aktuelle Lage in Madagaskar auch im Zeitalter der Antibiotika noch immer ein Katastrophenfall. Insbesondere deshalb, weil der Erreger inzwischen auch dicht besiedelte Städte erreicht hat. Ein aus Madagaskar zurückgekehrter Urlauber hat die Krankheit sogar auf die Seychellen eingeschleppt.

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Zwar lässt sich eine Pesterkrankung problemlos heilen, wenn man sie rechtzeitig erkennt. Und auch eine vorsorgliche Einnahme ist möglich, damit bei einer Infektion die Krankheit erst gar nicht ausbrechen kann.

Nach Bekanntwerden der ersten Lungenpestfälle in der vergangenen Woche bildeten sich sofort lange Menschenschlangen vor den Apotheken der Hauptstadt Antananarivo. Nicht allen gelang es, Antibiotika zur Pestprophylaxe zu kaufen. Schnell waren die Vorräte verbraucht.

Da half es auch nicht viel, dass die Regierung die Bevölkerung zu Besonnenheit aufrief. Seitdem geht in Madagaskar die Angst um. Am Flughafen und in Banken tragen die Angestellten Atemmasken, Versammlungen aller Art wurden verboten, die Schulen sind geschlossen, an der Universität fällt der Unterricht aus, und der Präsident Hery Rajaonarimampianina spricht von „Krieg“.

SMS: „Lungenpest. Schneller Tod“

Das Gesundheitsministerium schickte an alle in Madagaskar registrierten Mobiltelefone per SMS die folgende Nachricht: „Lungenpest: schneller Tod. Wenn Sie husten und eines der Symptome haben – Fieber, Halsweh, Atemlosigkeit, blutiger Auswurf –, dann gehen Sie ins Krankenhaus.“

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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat inzwischen knapp 1,5 Millionen Dosen Antibiotika nach Madagaskar geschickt. Das reicht für die Behandlung von bis zu 5000 Erkrankten und zur Prophylaxe von 100.000 Menschen.

Jetzt ist alles eine Frage der Zeit. „Je schneller wir handeln, desto mehr Leben retten wir“, erklärte die WHO-Chefin in Madagaskar, Charlotte Ndiaye. Ein Albtraum wäre das Übergreifen der Krankheit auf eine Großstadt in Afrika. Es gibt direkte Flugverbindungen nach Addis Abeba, Nairobi und Johannesburg.

Ben Payton, Afrika-Experte bei der Risikoberatung Verisk Maplecroft, befürchtet, dass es in diesen Städten „schwierig wäre, die Krankheit unter Kontrolle zu bringen“. Zuletzt hatte es eine Pestepidemie des Ausmaßes wie aktuell in Madagaskar 1994 im indischen Surat gegeben.

Die Beulenpest ist in vielen Ländern endemisch

Die durch Flöhe übertragene Beulenpest tritt in vielen Regionen der Welt immer wieder auf – in Zentralafrika, Russland, Südamerika und sogar in den USA. Wird ein Mensch von einem infizierten Floh gebissen, zeigen sich nach zwei bis sieben Tagen die Symptome einer schweren Grippe.

Überdies schwellen die Lymphknoten zu dicken Beulen an – daher der Name Beulenpest. Da Mücken häufig in die Beine von Menschen stechen, treten diese bis zu zehn Zentimeter großen Beulen meist in der Leistengegend auf.

Neben Kopfschmerzen, Fieber und Schwächegefühl beginnt das Herz zu rasen, die Erkrankten beginnen zu stottern und zeigen Anzeichen von geistiger Verwirrtheit. Die Infektion führt überdies zu einer Störung der Blutgerinnung, sodass es überall auf der Haut des Betroffenen zu kleinen Blutungen kommt.

Warum die Pest auch „Schwarzer Tod“ heißt

Nach dem Absterben des Gewebes bleibt eine Schwarzfärbung. Dies ist wohl der Grund dafür, dass im Mittelalter auch die Bezeichnung „Schwarzer Tod“ für die Pest verwendet wurde. Die Lungenpest hat indes nur eine Inkubationszeit von 24 Stunden und führt noch schneller zum Tod.

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Hierzulande muss man sich keine Sorgen darüber machen, dass ein aus Madagaskar eingereister Pestpatient eine Epidemie verursachen könnte. Dafür ist das Gesundheitssystem in Deutschland zu gut organisiert und die Behandlung ja mit Antibiotika sehr gut möglich.

Ein Risiko besteht in zivilisierten Ländern immer dann, wenn eine der sehr seltenen Pesterkrankungen nicht rechtzeitig als solche erkannt wird und eine Therapie unterbleibt. Leider kommt so etwas immer wieder mal vor.

Auch in den USA gibt es Pest-Tote

Dokumentiert ist etwa der Fall des 31-jährigen Amerikaners Jeff Brown, der einen Kurztrip in die Rocky Mountains unternommen hatte und nach seiner Rückkehr nach Tucson unter Fieber und Durchfall litt. Der Arzt diagnostizierte eine harmlose Lebensmittelvergiftung. 24 Stunden später war der Mann tot.

Es stellte sich heraus, dass er an der Pest gestorben war. Eine Rekonstruktion des Übertragungsweges ergab, dass ihn eine Katze infiziert hatte, die den Erreger wiederum von Eichhörnchen übernommen hatte.

In den Rocky Mountains ist der Pesterreger endemisch. Unter anderem sind Eichhörnchen Träger des Bakteriums Yersinia pestis, das nach seinem Entdecker, dem französischen Arzt Alexandre Yersin, benannt ist.

Keine andere Seuche hat in der Geschichte der Menschheit so viel Angst und Schrecken verbreitet wie der Schwarze Tod, der zwischen 1347 und 1353 in Europa rund 25 Millionen Menschen dahingerafft hat. Das war ein Drittel der damaligen Bevölkerung.

„Wir lagen vor Madagaskar und ...“

Die Seuchenzüge der Pest durch Europa hatten aus heutiger Sicht, zumindest für die Nachkommen der Überlebenden, auch etwas Gutes. Es gibt eine genetische Disposition, die Infizierte vor einem Tod durch die Pest bewahrt. Diese hatten natürlich in den Zeiten der Seuchenzüge einen Überlebensvorteil. Die gleiche Mutation schützt aber auch vor Aids. Diese Menschen erkranken nicht oder nur sehr viel milder an der Immunschwächekrankheit.

Madagaskar mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern ist seit Langem das Land mit den weltweit meisten gemeldeten Pesterkrankungen. Bereits 1934 wurde das deutsche Volks- oder Seemannslied „Wir lagen vor Madagaskar“ getextet. Jeder weiß, wie das Lied weitergeht: „und hatten die Pest an Bord“.

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