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Wer zu viel jammert, verspielt die Zuwendung

Keiner mag mich - Jammern ist nur manchmal die Lösung. Keiner mag mich - Jammern ist nur manchmal die Lösung.
Keiner mag mich - Jammern ist nur manchmal die Lösung.
Quelle: dpa
"Immer ich!", "Draußen ist es zu kalt!", "Niemand liebt mich!" Gejammert wird immer. Doch was versprechen sich Menschen davon? Wissenschaftler behaupten, dass Jammern und Selbstmitleid der Psychohygiene dienen können. Doch wer pausenlos klagt, schadet sich.

„Es gibt verschiedene Jammertechniken“, sagt Rolf Haubl vom Institut für Soziologie und Psychoanalytische Sozialpsychologie der Universität Frankfurt. Da gibt es zum Beispiel das Jammern, wenn Schmerzen oder andere Unannehmlichkeiten erwartet werden. Manche Menschen jammern wegen der kleinsten Kleinigkeit. Damit wollen sie eigentlich nur sagen: "Ich brauche Zuwendung.“

Manche Menschen benutzen das Jammern wegen des Gemeinschaftsgefühls, für andere ist es Selbstschutz. Wer zum Beispiel um sein gutes Gehalt beneidet wird, erwähnt schnell die viele Arbeit. So soll der Neid in Grenzen gehalten und unangenehme Reaktionen vermieden werden.

In Deutschland wird zwar gerne gejammert, jedoch meist nicht laut geklagt. Denn das ist nicht gut angesehen. Anders ist das in Südeuropa. „Wenn zum Beispiel in der Türkei jemand stirbt, ist das Klagen laut und theatralisch“, sagt der Psychologe Michael Schellberg aus Hamburg. Dieses laute Klagen hat Vorteile, denn es entlastet.

Dagegen bringt das leise Herumjammern fast nur Nachteile. Das Problem wird nicht gelöst, der Jammerer zieht sich selbst immer weiter nach unten. Und wer ständig nur jammert, aber nichts ändert, bekommt irgendwann auch keine Zusatzportion Zuwendung mehr.

In Beziehungen sind Jammereien meistens verschlüsselte Botschaften. So kann zum Beispiel ihr Satz „Immer musst du ständig unterwegs sein“ auch heißen „Ich möchte mit dir alleine Zeit verbringen“. Weil sie das aber nicht so sagt, versteht er es nicht, sondern reagiert unwirsch. Und schon hat sie noch mehr Grund zum Jammern.


Doch die Jammerer haben meist eine Gemeinsamkeit: Eigentlich wollen sie gar nichts ändern. „Wer sich gemütlich festjammert, braucht nichts zu ändern und vermeidet die Selbstkonfrontation“, sagt die ehemalige Studienrätin Ute Lauterbach aus Altenkirchen.


Sie hat ein humorvolles Buch zum Thema geschrieben. Ihr Anti-Jammer-Rezept: Selbstmitleid und Jammeranlass völlig unverhältnismäßig übertreiben, bis beides nicht mehr richtig ernst genommen werden kann. Die Perspektive wechseln, das Geschehen leichter nehmen und den Vor- im vermeintlichen Nachteil sehen.


Dass Frauen mehr jammern als Männer hat einen Grund: „Sie haben eine größere Selbstenthüllungsbereitschaft“, sagt Haubl. Männer jammern höchstens bei ihrer Mutter oder bei ihrer Frau.

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Doch wenn das Jammern nicht uferlos wird, kann es sogar nützlich sein. Es kann Wünsche aufdecken und Grenzen bewusst machen. Schellberg rät, sich einen festen Zeitrahmen für das Klagen zu setzen. Dann wird sich alles von der Seele geredet und schließlich überlegt, wie sich das Problem lösen lässt. So kann Jammern auch ein Weg zur Selbsterkenntnis sein.

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