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Kultur „A a a a a Very Good Song“

Warum ein Lied ohne Ton jetzt die Charts erobert

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Die Kunst des Nichts: die Partitur von "A a a a a Very Good Song"
Quelle: Getty Images GEtty images
„A a a a a Very Good Song“ besteht aus zehn Minuten Stille. Und trotzdem schaffte es das Lied in die iTunes-Charts. Was nur als technische Lösung gedacht war, steht in der Tradition großer Kunst.

Was würden Sie dafür zahlen, endlich Ihre Ruhe zu haben? „A a a a a Very Good Song“ von Samir Mezrahi kostet 99 Cent und besteht aus zehn Minuten Stille. Ein verlockendes Angebot, wie viele Menschen finden. Mezrahis Lied schaffte es zeitweise bis auf den 35. Platz der iTunes-Charts, einer Rangliste, die darüber Auskunft gibt, welche Songs sich auf Apples Musikplattform am besten verkaufen. Eine zufriedener Kunde schreibt darüber: „Samirs Debüt ist echtes ein Meisterwerk, das jeden Tag wahrhaft wunderbar werden lässt.“

„A a a a a Very Good Song“ ist ein Musikvermeidungslied. Es ist der Triumph der Kunst über die Technik. Denn Mezrahi hat das Stück als Reaktion auf einen Fehler beim iPhone, äh, komponiert. Sobald das Gerät nämlich mit einem Autoradio oder eine Hi-Fi-Anlage verbunden wird, startet automatisch das alphabetisch erste Lied in der iTunes-Liste. Zumindest bei einigen Geräten.

Auf der Diskussionsplattform Reddit hatten sich vor der Veröffentlichung von „A a a a a Very Good Song“ bereits Selbsthilfegruppen gegründet, in denen sich Leidtragende darüber austauschen konnten, was es in einem Menschen auslöst, wenn er ständig „A Team“ von Ed Sheeran hören muss, sobald sein Telefon mit einem Radio verbunden wird. All jene, die den Titelsong der Serie „A-Team“ auf ihrem Telefon gespeichert hatten, waren da besserer Dinge.

Avantgarde aus Versehen

Samir Mezrahi, ein Social-Media-Experte aus New York mit mehr als 30.000 Followern auf Twitter, hat sich mit seiner Komposition in die musikalische Avantgarde eingeschrieben. Ob er es weiß oder nicht. Schon der böhmische Komponist Erwin Schulhoff schrieb mit „In Futurum“ aus dem Klavierzyklus „Fünf Pittoresken“ von 1919 ein Stück, das nur aus Pausen bestand. Eine dadaistische Hommage an George Grosz, die allerdings nur anderthalb Minuten lang ist. Dieter Schnebels „Nostalgie“ aus den Sechzigern war als „Solo für einen Dirigenten“ konzipiert und besteht aus einer 20-minütigen Bewegungsübung am Pult.

Und dann ist da natürlich noch immer John Cage, der amerikanische Komponist der Extreme. Der die Pause fast schon zur popkulturellen Kunstform erhoben hat. Sein „4’33’’“ ist Stille in radiotauglicher Länge. Anmachen und abschalten. Den Klassiker der langen Pause gibt es übrigens auch bei iTunes für 99 Cent.

Allerdings hat Cages Komposition den Mangel, dass sie in Apples Musikordnungssystem fast am Ende, nämlich bei den Zahlen und Sonderzeichen steht und damit den iPhone-Fehler nicht beheben kann. Offensichtlich konnte selbst der Visionär der Neuen Musik in den Fünfzigern noch nicht ahnen, vor welchen Problemen wir im 21. Jahrhundert einmal stehen würden.

Alles ist Musik: Cages "4'33''"

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Mezrahi, der sich beruflich mit der kunstvollen Zusammenstellung von 140 Zeichen auf Twitter beschäftigt, hatte es sich mit „A a a a a Very Good Song“ zur Aufgabe gemacht, einen Nummer-eins-Hit zu schreiben. Daran wird er wahrscheinlich scheitern, da sein Lied die ersten 100 Plätze der iTunes-Charts schon wieder verlassen hat. Aber wie bei seinen Vorgängern hallt auch Mezrahis Stille nicht im leeren Raum. Sie ist eine Reaktion auf ein Problem, das nicht allzu wenige Menschen in den Wahnsinn zu treiben scheint.

Allerdings sollte man es mit der Stille auch nicht übertreiben: In Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota haben die Orfield Laboratories einen Raum konstruiert, in dem ein Geräuschpegel von minus neun Dezibel herrscht. Der ruhigste Ort der Welt, wie das „Guinnessbuch der Rekorde“ befand. Laut Wissenschaftlern hält es dort niemand länger als 45 Minuten aus. Die Stille ist zu beängstigend. Was würden Sie dafür zahlen, endlich Ihre Ruhe zu haben?

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