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Geschichte Kaiser Maximilian I.

Der Frauenheld, der Habsburg zur Weltmacht führte

Er inszenierte sich als Ritter, war ständig in Geldnot und zeugte 30 illegitime Kinder. Über allem aber betrieb Kaiser Maximilian I. eine fruchtbare Heiratspolitik, wie eine Wiener Schau zeigt.

Kein ästhetisch ansprechendes, aber ein unvergesslich markantes Profil: dank der Hakennase, einem wahren Zinken, und dem vorstehenden Kinn samt redensartlich gewordener „Habsburgerlippe“ – das über Generationen hinweg sichtbare Merkmal der Angehörigen des Erzhauses.

Doch Schönheit ist hier keine gewichtige Kategorie gewesen, im Vordergrund standen Glanz und Gloria, Ruhm und Ehre eines Mannes, der den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie zur europäischen, zur Weltmacht der „Casa d’ Austria“ legte. Mit berechtigtem Stolz durfte sein Enkel Karl V. behaupten, in diesem Reich gehe die Sonne niemals unter.

Man stelle sich vor: Da wollte jemand nicht nur Kaiser sein, sondern zugleich auch Papst. Da führte einer in genealogischem Größenwahn seinen Stammbaum bis zu Karl dem Großen, dem Sagen-König Artus und zu Caesar zurück, obendrein zum trojanischen Hektor und zum Noah des Alten Testamentes.

Mittlerweile wäre eine Irrenanstalt für solche Phantastereien eines Mythomanen der rechte Ort, damals jedoch ist derlei gang und gäbe gewesen, wenn auch nicht in solch gigantischem Ausmaß. Kaiser Maximilian I. (1459-1519) beschäftigte zur Untermauerung seines Anspruchs, der mächtigste, der vornehmste Monarch der Christenheit zu sein, die besten Künstler und Humanisten der deutschen Frührenaissance.

Der erste Herrscher der Neuzeit

Der „letzte Ritter“, wie er sich nannte und wie er bis heute genannt wird, war – wenn man so möchte – der erste Herrscher und Politiker der Neuzeit, nicht zuletzt indem er die modernsten Medien seiner Epoche, Buchdruck und Holzschnitt, zur Propaganda benützte. Dass sich hier Namen wie Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer, Bernhard Strigel und Hans Burgkmair d. Ä., der „Erzhumanist“ Konrad Celtis und Willibald Pirckheimer finden, beweist bloß: Der banale Zweck vermag edle Mittel nicht in den Dreck zu ziehen, im Gegenteil. Diese scheinen jenen wenn nicht zu heiligen, so zumindest zu nobilitieren.

Die hehren Tugenden des burgundischen Rittertums, auch in des begeisterten Turnierkämpfers Maximilian sich selbst feiernden Buchprojekten vom Abenteuerepos „Theuerdank“ bis zur Familienchronik „Weißkunig“ überliefert, waren Teil der Stilisierung, seiner Inszenierung: blanke Ideologie in Versen und Vignetten. In der militärischen Praxis schlug Maximilian, der dem Wandel der Kriegstechnik sofort Tribut zollte, seine Schlachten vor allem mit Infanterie, Artillerie und seinen Landsknechten, focht – keiner konnte ihm je Mut absprechen – in vorderster Reihe mit.

Was die Wiener Albertina in der unterirdischen Basteihalle unter dem Titel „Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürer-Zeit“ zeigt, ist ein Glanzpunkt in der Ausstellungsgeschichte dieser Institution. Niemand wird da von der Fülle der Exponate erdrückt, es sind nicht mehr als 135 Prunkstücke, von den Kuratorinnen Marie Luise Sternath und Eva Michel klug ausgewählt und kombiniert und vom Architekten Martin Kohlbauer elegant ins beste schummrige Licht gerückt. Die Objekte in den Vitrinen und an den Wänden nehmen die Besucher an der Hand und geleiten sie durch die Schau, sie sprechen gleichsam für sich.

Riesencomic aus lauter Miniaturen

Die Attraktion, ja die Sensation ist ohne Zweifel der vor einem halben Jahrtausend entstandene „Triumphzug“ von Albrecht Altdorfer, dem Regensburger Meister der Donauschule, und seiner Werkstatt. Die 54 erhaltenen, so noch nie präsentierten Laufmeter dieses bunten Bilderfrieses auf edlem Pergament ziehen sich jetzt, nach jahrelanger Restaurierung, erstmals in kompletter Folge durch den Hauptraum: ein formidabler historischer Riesencomic aus lauter Miniaturen, in seiner Bedeutung und nach künstlerischem Rang einzig und allein dem Teppich von Bayeux vergleichbar.

Mit geschichtlicher Realität hatten die Abbildungen freilich nicht das Geringste zu tun: Sie sind eine imaginäre, vom Auftraggeber bis in Details bestimmte Parade zu Ehren des Imperators. Ein Huldigungsfestzug der Superlative, mit echten und erträumten Vorfahren Maximilians, mit Trophäen triumphaler Siege, die tatsächlich oft Niederlagen waren; mit aufgetürmten Schätzen des fast bankrotten Kaisers, der nur dank der Kredite des Augsburger Bankiers Jakob Fugger ökonomisch überlebte.

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Auch seine – nach der bald verstorbenen, schönen Maria von Burgund – zweite Gemahlin, Bianca Maria aus dem nicht ganz ebenbürtigen Mailänder Geschlecht der Sforza, wurde aus finanziellen Erwägungen auserkoren, brachte sie doch nicht weniger als 400.000 Golddukaten Mitgift in die leeren habsburgischen Kassen. Von ihrem Gatten völlig vernachlässigt, starb sie „aus Lebensüberdruss“ in der Innsbrucker Residenz. Mit Wien, wo er in seiner Kindheit durch Belagerungen dem Hunger ausgesetzt war, wollte Maximilian kaum etwas zu tun haben: Er unterhielt einen ambulanten Hofstaat, befand sich entweder auf Reisen oder auf Kriegszügen. Immerhin an die 30 illegitime Sprösslinge werden dem frommen Fürsten nachgesagt.

Der Kreuzzug, der niemals stattfand

Die geflügelten Worte aus dem späten 15. Jahrhundert „Bella gerant allii / tu felix Austria nube“ („Andere mögen Kriege führen, / du, glückliches Österreich, heirate“) hat Maximilian einerseits nichts erfüllt, andererseits übererfüllt: Er führte jede Menge Kriege und betrieb eine ungemein erfolgreiche Heirats- und Erbvertragspolitik. Als Ehestifter seiner Nachkommen sicherte er dem Hause Habsburg Spanien mitsamt den südamerikanischen Kolonien, Ungarn und Böhmen, die Niederlande waren bereits ihm selbst durch die Heirat mit Maria von Burgund in den Schoß gefallen.

Den Ansturm der Osmanen auf Europa hat er allerdings nicht zurück gedrängt, auch den von ihm propagierten Kreuzzug zur Wiedereroberung Jerusalems schaffte er – wahrscheinlich zu seinem Glück – keineswegs, obwohl er wunschgemäß des Öfteren als hl. Georg, Schutzpatron der Kreuzritter, porträtiert wurde. Über seine Hausmachtbestrebungen hinaus, also für das „Heilige Römische Reich“, als dessen „Erwählter Kaiser“ er (seit 1486 in Aachen gekrönter Römischer König) sich anno 1508 proklamieren ließ, leistete er vor allem zweierlei: Er verordnete eine reichsweite Steuer, den „Gemeinen Pfennig“, und schuf mit dem Reichskammergericht die Grundlagen einer Justiz jenseits des mittelalterlichen Fehde- und Femewesens.

Die Glückgöttin in fataler Doppelbedeutung

Tafelbilder und Rüstungen, Schilde, Büsten, Reliefs und Pokale, Zeichnungen, Kupferstiche und Aquarelle (Dürer ist mit nicht weniger als 40 Arbeiten vertreten!) erzählen Geschichte und deren Hintergründe, vermitteln die Atmosphäre dieser Epoche im Umbruch. Manches bekommt im Kontext einen anderen Stellenwert: Selten leuchtete Dürers berühmte „Fortuna“, die Glücksgöttin, die er mit „Nemesis“, der Göttin der Rache und Vergeltung, gleich setzte, in ihrer fatalen Doppelbedeutung derart ein.

Am Ende des Rundgangs stoßen wir auf den drei Meter hohen Triumphbogen „Ehrenpforte“, den monumentalsten, aus mehreren Teilen zusammengesetzten Holzschnitt der Dürer-Zeit. Links daneben, sehr unscheinbar, hängt eine verhältnismäßig kleine Variante des Totenbildnisses Maximilians, angefertigt 1519 von einem Anonymus. Ob die Anordnungen des Kaisers, seinem Leichnam die Haare abzurasieren und die Zähne auszuschlagen, befolgt wurden, wissen wir nicht. Aber was wir hier sehen, ist ein Memento Mori, wie es vordem keins gegeben hatte: Die irdische Majestät wich der des Todes, aller Tand ist abgefallen, nichts blieb außer der Vergänglichkeit. In einer Schlichtheit und Radikalität, die ergreifen.

Albertina, Wien, bis 6. Januar 2013

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