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  4. Der C-HR zeigt Toyotas seltsames Verhältnis zum Design

Modelle SUV oder wie?

Toyotas Crossover-Auto wirkt wie ein gefaltetes Sakko

Das Auge fährt mit: Stefan Anker mit dem Toyota C-HR und einem Buch über gutes Automobildesign Das Auge fährt mit: Stefan Anker mit dem Toyota C-HR und einem Buch über gutes Automobildesign
Der 4,35 Meter lange Toyota C-HR ist ein Crossover aus Kompaktwagen, SUV und Coupé
Quelle: Jakob Hoff
Eine gängige Kritik an Toyota lautet: zu wenig Mut beim Design. Für den CH-R haben sie sich das zu Herzen genommen – und trotzdem einiges falsch gemacht. Trotzdem überrascht der Wagen im Test.

Du merkst, dass du alt wirst, wenn du die Jungen nicht mehr verstehst. Wenn sie ihr Auto „Coupé High Rider“ nennen, um damit „den Flow der Stadt“ zu spüren. Aber so sprechen die Jungen vielleicht gar nicht wirklich. So werden sie nur angesprochen, von Toyota nämlich.

Und wenn ich mir das Auto so anschaue, habe ich für den leicht überkandidelten Werbewortschatz auch ein gewisses Verständnis. Jahrzehntelang mussten die Texter gesichtsloses Nicht-Design schönreden – kam ein Toyota vorbei, hatte man gleich vergessen, wie er aussah. Das kann beim C-HR nicht passieren, und deshalb muss man hier wohl von gelungenem Design sprechen.

der neue Toyota C-HR getestet von Stefan Anker
Lange Leuchten für LED-Tagfahrlicht (unten) und Blinker umrahmen die Scheinwerfer des Toyota C-HR
Quelle: Jakob Hoff

Na ja. Mir fällt da eine Geschichte von der IAA in Frankfurt ein, ich besuchte die Messe 2013 gemeinsam mit Paolo Tumminelli, Professor an der Köln International School for Design. Tumminelli ist nicht nur ein ausgewiesener Experte für Gestaltungsfragen, sondern auch ein echter Car-Guy.

Und er hat Bücher geschrieben, die für mich Standardwerke sind: „Car Design Europe“ (2011), „Car Design America“ (2013) und „Car Design Asia“ (2014). Wer immer etwas über die Gestaltung von Automobilen wissen will, schaue in diese Bücher (alle bei teNeues, je 49 Euro) – sie versammeln die wichtigsten Modelle im Bild und erklären prägnant die Idee dahinter und die historischen Zusammenhänge.

Das Auge findet keinen Raum zum Ruhen

Als Tumminelli und ich über die IAA streiften, widmeten wir uns auch dem Stand von Toyotas Edelmarke Lexus. Dort stand die Studie des inzwischen erhältlichen SUVs NX, zu der Tumminelli ein schöner Satz einfiel: „Das Auto wirkt wie ein gefaltetes Sakko, du erwartest keine Substanz mehr.“

Ich empfinde das beim Toyota C-HR ganz genauso. Viele Formen und Linien lassen wenig Spielraum zur eigenen Interpretation, der Wagen gibt dem Auge keinen Raum zum Ruhen, weil er weder klar noch einfach gestaltet ist, nicht mal an den Scheinwerfern. Ich fürchte, man wird nach drei, vier Jahren nicht mehr gern auf den C-HR schauen. Das ist schade, weil Autos bis zu 20 Jahre die Straßen möblieren.

der neue Toyota C-HR getestet von Stefan Anker
Extrem unruhige Formensprache am Heck des C-HR
Quelle: Jakob Hoff

Vielleicht denken Sie jetzt, ich wäre gemein und hätte kein Herz für Toyota. Aber dieser Eindruck ist falsch. Ich bewundere die Marke dafür, die Welt mit ganz normalen Autos geflutet zu haben, die alle ganz normal ihren Dienst tun und zumindest früher sehr robust waren. Autos für Leute, die eben keine Car-Guys sind, muss man erst einmal mit so viel Leidenschaft machen, wie die Toyota-Entwickler das tun.

Auch das Beharren auf der Hybridtechnik, die ich für unattraktiv halte, nötigt mir Respekt ab. Wenn ich mal das Pech habe, in einem Toyota-Prius-Taxi zu sitzen (für denselben Preis könnte ich Mercedes fahren), dann frage ich immer den Chauffeur, wie zufrieden er ist. Und die Antwort ist immer die gleiche: Verbraucht wenig, hält ewig.

Einen Dieselmotor bietet Toyota nicht an

Trotzdem bin ich froh, dass der Testwagen vom C-HR nicht mit Hybridantrieb ausgestattet ist, obwohl Toyota hier 70 Prozent Verkaufsanteil erwartet. Was unter anderem daran liegt, dass es neben dem 122 PS starken Hybrid keinen Dieselmotor gibt, sondern nur noch einen Basis-Benziner mit 116 PS. Den fahre ich und bin beeindruckt.

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Wie kann das sein, dass ein schnöder 1,2-Liter-Vierzylinder so gut am Gas hängt? Ein Blick ins Datenblatt hilft: Der Motor stellt 185 Newtonmeter Drehmoment bereit – nicht die Welt, aber diese Kraft liegt dank Turbolader und sorgfältiger Abstimmung stabil zwischen 1500 und 4000 Umdrehungen an, zudem passt das Sechsganggetriebe perfekt zum Motor. Testverbrauch: 7,3 Liter (Norm: 5,9). Es gibt den C-HR auch mit stufenlosem Automatikgetriebe (CVT) – aber diese 1300 Euro teure Technik ist nur etwas für Leute, denen die Kraftentfaltung ihrer Maschine völlig egal ist. CVT bremst Autos ein, Punkt.

der neue Toyota C-HR getestet von Stefan Anker
Serienmäßig bekommt man ab der mittleren Ausstattungsstufe den acht Zoll großen Farbmonitor, das Navigationssystem darauf kostet aber immer 790 Euro extra
Quelle: Jakob Hoff

Übrig gebliebenes Geld würde ich lieber in eine höhere Ausstattungsstufe investieren, obwohl der C-HR schon in der Basisversion für 21.990 Euro viel mitbringt: Zur Klimaanlage und dem CD-Radio gesellen sich ein Kollisionswarnsystem mit Notbremsassistent und Fußgänger-Erkennung und sogar ein Abstandsregeltempomat. Die nächste Ausstattungsstufe (ab 24.390 Euro) enthält 17-Zoll-Leichtmetallräder, Regensensor, Verkehrsschilderkennung, Rückfahrkamera, Acht-Zoll-Touchscreen und Nebelscheinwerfer.

Unser Testwagen war das Topmodell Style Selection (27.940 Euro), zusätzlich mit 18-Zoll-Rädern, farblich abgesetztem Dach, schlüssellosem Zugang und einigen optischen Verbesserungen – die mittlere Variante bietet insgesamt das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Nur fürs Navigationssystem würde ich in jedem Fall noch einmal weitere 790 Euro ausgeben.

Das Fahrwerk könnte auch mehr PS vertragen

So modern und sportlich, wie der Toyota C-HR daherkommt, fährt er sich auch. Der Auftritt von Fahrwerk und Lenkung ist überraschend souverän, wirkt komfortabel und sicher, und das Auto bietet sogar einen Hauch von Fahrspaß. Ich könnte mir sogar ein paar PS mehr vorstellen, die Abstimmung gäbe das jedenfalls her.

der neue Toyota C-HR getestet von Stefan Anker
Die so hoch wie möglich angebrachten hinteren Türgriffe sind unpraktisch, nicht nur für kleine Kinder
Quelle: Jakob Hoff

Alles in allem hinterlässt der jüngste Toyota einen zwiespältigen Eindruck. Technisch gefällt er mir gut, optisch orientiert er sich aber am ebenso hyperaktiven Nissan Juke (auch wenn der Toyota mit 4,35 Metern eine Klasse höher rangiert), Alltagsnachteile inklusive.

Der 377 Liter große Kofferraum ist eigentümlich flach geraten, der Zustieg nach hinten ist dank unergonomischer Türgriffe und eines knappen Innenraums kein Vergnügen. Auf der Rückbank sitzt man zudem sehr tief, und dank des Karosseriedesigns kann ich als Fahrer das Verkehrsgeschehen hinter mir mehr ahnen als sehen. Dafür aber befinde ich mich im Flow der Stadt.

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