Bei einem Angriff auf die Silvesterfeier in einem der größten Nachtklubs im Zentrum Istanbuls sind mindestens 39 Menschen getötet worden. Unter den bislang 20 identifizierten Opfern seien 15 Ausländer und 5 Türken, teilte der türkische Innenminister Süleyman Soylu mit.
Der türkische Familienminister teilte am Sonntagmittag mit, unter den Toten seien Staatsbürger aus Marokko, dem Libanon, Israel, Libyen und Saudi-Arabien. Ob es deutsche Opfer gibt, ist laut dem Auswärtigen Amt noch nicht bekannt. 65 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Nach ersten Informationen des französischen Außenministers Jean-Marc Ayrault wurden auch drei Franzosen verletzt.
Die Polizei fahnde weiter nach dem „Terroristen“, der kurz nach Mitternacht den Anschlag auf den Nachtklub „Reina“ am Ufer des Bosporus begangen habe. Soylu sagte, Ermittlungen der Sicherheitskräfte deuteten darauf hin, dass es sich nur um einen Schützen gehandelt habe. Medienberichten zufolge könnten es auch mehrere Angreifer gewesen sein.
„Das ist ein Terrorangriff“, sagte der Istanbuler Gouverneur Vasip Sahin. Nach seinen Angaben erschoss mindestens ein Angreifer am frühen Sonntagmorgen gegen 01.15 Uhr einen Polizisten und einen Zivilisten vor dem Eingang des Nachtklubs, bevor er im Innern wahllos um sich schoss.
Der Angreifer benutzte offenbar ein Sturmgewehr. Sahin sprach von einer Waffe mit großer Reichweite. Damit sei „brutal und grausam“ in die Menge gefeuert worden. Der Attentäter habe „auf die gnadenloseste Weise auf unschuldige Menschen gezielt, die nur hergekommen waren, um Silvester zu feiern und Spaß zu haben“, sagte Sahin.
Täter trug doch keine Weihnachtsmannmütze
Der Angreifer war zunächst flüchtig. Nach dem „Terroristen“ werde in einer groß angelegten Suchaktion gefahndet, sagte Innenminister Soylu. Er werde hoffentlich „bald gefasst“. Die Nachrichtenagentur Dogan berichtete von zwei Angreifern in Weihnachtsmannkostümen, dafür gab es zunächst jedoch keine Bestätigung.
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirm dementierte Berichte, wonach der Angreifer ein Weihnachtsmannkostüm getragen haben soll. Solche Aussagen seien falsch, sagte Yildirim in Istanbul. „Wir wissen von einem bewaffneten Terroristen.“
Die Behörden arbeiteten mit Hochdruck daran, die Identität des Täters festzustellen, nachdem noch gefahndet werde. Es könne sein, dass der Angreifer seine Waffe im Club gelassen und sich im Tumult unter die Flüchtenden gemischt habe. Alle Möglichkeiten würden in Betracht gezogen.
„Der Terror kann uns nicht einschüchtern, er kann unsere Brüderlichkeit, unsere Geschlossenheit und Einheit nicht zerstören“, sagte Yildirim weiter.
Der Clubbesitzer, Mehmet Kocarslan, sagte der privaten Nachrichtenagentur Dogan, die Polizei habe in dem Viertel Oktaköy die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt gehabt, in dem sich das Reina befindet. Die Polizei sei rund um die Uhr im Einsatz gewesen und an zentralen Punkten seien Zelte errichtet worden. Die Küstenwache habe von See her zusätzlich Wache geschoben. „Trotz all dieser Vorkehrungen ist leider dieses schmerzhafte Ereignis eingetreten“, sagte er. „Uns fehlen die Worte.“
Der Club befindet sich auf der europäischen Seite von Istanbul im weltoffenen Stadtviertel Ortaköy. Er ist dort eine bekannte Ausgeh-Adresse inmitten anderer Nachtclubs, Restaurants und Kunstgalerien.
Opposition wirft Regierung Versagen vor
Der Leiter des türkischen Amts für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), Mehmet Görmez, verurteilte die Tat. Sie sei „barbarisch und abscheulich“, schrieb er auf Twitter. Terror könne niemals hingenommen werden – ganz egal, von wem er ausgehe oder gegen wen er sich richte. „Ich verurteile die Terroristen aufs Schärfste, die für dieses Massaker verantwortlich sind“, so Görmez. Kein muslimisches Gewissen könne etwas Derartiges akzeptieren.
Justizminister Bekir Bozdag teilte auf Twitter mit: „Das ist ein hinterhältiger und verräterischer Terroranschlag gegen unsere Türkei, unseren Frieden, unsere Einheit, unsere Brüderlichkeit und gegen uns alle.“ Der Kampf gegen den Terror werde „entschlossen“ weitergeführt.
Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu warf der Regierung Versagen vor. Die Regierung der islamisch-konservativen AKP sei nicht in der Lage, Terroranschläge zu verhindern, erklärte Kilicdaroglu auf der Website der Mitte-Links-Partei CHP. Vielmehr schöpften die „Terrororganisationen“ nach jedem Anschlag geradezu neuen Mut für den nächsten.
„Der Grund für diese Situation ist, dass es der Regierung an einer rationalen, wissenschaftlichen, nachhaltigen und nationalen Anti-Terror-Politik fehlt“, erklärte Kilicdaroglu. Der Anschlag sei ein Angriff auf die Lebensgewohnheiten der Türken. Die Täter würden damit jedoch nicht erfolgreich sein.
Extra 17.000 Polizisten im Einsatz
Aus Angst vor möglichen Anschlägen waren in der Silvesternacht Medienberichten zufolge 17.000 Polizisten in Istanbul im Einsatz. An der zentralen Ausgehmeile Istiklal Caddesi kontrollierten Sicherheitskräfte die Zugänge und durchsuchten Taschen.
Dogan zufolge feierten und tanzten zum Zeitpunkt des Angriffs rund 700 Menschen in dem berühmten Nachtklub am Ufer des Bosporus. Augenzeugen berichteten demnach, die Angreifer hätten Arabisch gesprochen. Gouverneur Sahin sprach am Anschlagsort von einem „Terroranschlag“. Zunächst bekannte sich jedoch niemand dazu.
Zu dem Angriff bekannte sich zunächst niemand. Die Behörden sprachen von einem terroristischen Akt. Die Türkei, die einer US-geführten Allianz im Kampf gegen die Islamisten-Miliz angehört, wurde im abgelaufenen Jahr von mehreren schweren Anschlägen erschüttert.
So starben am 10. Dezember ebenfalls in Istanbul vor einem Fußballstadion 44 Menschen bei Bombenattentaten, zu denen sich radikale Kurden bekannten. Im Juni kamen etwa 45 Menschen ums Leben, als mutmaßliche IS-Mitglieder den Flughafen der Metropole angriffen. Hinzu kommt der versuchte Militärputsch im Juli, bei dem in Istanbul ebenfalls zahlreiche Menschen starben.
Die türkische Regierung hat für einige der Angriffe die Bewegung von Fethullah Gülen verantwortlich gemacht, einem Rivalen von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Gülen hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Andere Anschläge gehen auf das Konto radikaler Kurdengruppen und der Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS).