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Ausland Emmanuel Macron

Jung, smart, ruhelos - und bald Frankreichs Präsident?

Ein-Mann-Bewegung: Emmanuel Macron nimmt in Paris ein Bad in der Menge Ein-Mann-Bewegung: Emmanuel Macron nimmt in Paris ein Bad in der Menge
Ein-Mann-Bewegung: Emmanuel Macron nimmt in Paris ein Bad in der Menge
Quelle: AFP
Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat eigentlich kaum eine Chance, im nächsten Jahr französischer Staatschef zu werden. Deshalb nutzt er sie – und macht dem Establishment Angst.

Wenn er eines nicht mag, dann ist es Stillstand. Immobilismus ist der Begriff, den er gebraucht. Emmanuel Macron hat es nicht so mit einfachen Worten. Aber Immobilismus meint ja viel mehr als nur Stillstand. Es ist eine geistige Haltung. Macron ist noch keine vierzig, aber er hat schon mehrere Leben hinter sich: Philosoph, hoher Beamter, Investmentbanker, Politiker.

Die nächste Etappe könnte sein: Präsident. „Und was, wenn er es wäre?“, fragt diese Woche ein Wirtschaftsmagazin. Auf dem Cover der gut aussehende Macron und die Unterzeile. „Hat er das Zeug dazu?“

Für Macron geht es jetzt darum, eine Flasche Bier zu bekommen. Er steht in der Schlange vor der Bordbar des TGV 6674, der ihn am diesem Abend von Lyon nach Paris bringt. Er kommt von einem Gipfel europäischer Reformer zurück. In der Warteschlange zeigt sich, dass er Stillstand nicht erträgt. Seine Knie schwingen hin und her, als würde er auf der Stelle Rad fahren. Er ist 38 Jahre alt. Er war der beliebteste Minister der Regierung. Er könnte nächstes Jahr Präsident werden. Aber selbst im Jahr 2022 wäre er noch immer der jüngste Präsident aller Zeiten.

Die Teilnahme an dem Reformerkongress wurde für französische Sozialisten zur Gewissensfrage. Reihenweise sagten sie ab. Seit Macron nicht mehr Minister ist, meiden sie ihn wie einen Aussätzigen. Andere schließen sich ihm demonstrativ an. Der Grüne Daniel Cohn-Bendit zum Beispiel. Oder der konservative Renaud Dutreil, ein ehemaliger Minister unter Jacques Chirac. Auch ein Sarkozist ist darunter.

Vor zwei Jahren kannte noch keiner sein Gesicht

Macron zieht die unterschiedlichsten Leute an, weil er das soziale Gewissen eines Linken, aber die wirtschaftlichen Liberalisierungsideale eines Konservativen hat. Er könnte der Schröder Frankreichs sein, wenn er das Parteiensystem nicht für so schrecklich gestrig halten würde. Er betreibt Politik wie ein Start-up und will über die Parteigrenzen hinaus einen. Das macht ihn so attraktiv für die Wähler und so gefährlich für die Sozialisten. Rechts und links sind überholte Kategorien für ihn: „Es gibt nur noch den Unterschied zwischen Fort- und Rückschritt“, sagt er und klingt dabei wie Schröder.

Unmöglich, sagen seine Gegner, dass einer, dessen Gesicht vor zwei Jahren noch niemand kannte, Präsident werden kann. Allein schon weil es ohne Partei, ohne Apparat nicht geht; weil Frankreich ein verknöchertes politisches System ist, das keinen Seiteneinsteiger ganz nach oben lässt. So raunt es durch die Pariser Flure der Macht, wo die dicken Teppiche alles verschlucken, nur nicht Gerüchte und Gehässigkeit.

Das Establishment hat Angst: Macron bringt die alten Regeln durcheinander, und er macht es mit spielerischer Eleganz. In den zwei Jahren, die er Wirtschaftsminister war, hat er nie ein Blatt vor den Mund genommen. Er kritisierte die 35-Stunden-Woche, den Beamtenstatus, und als François Hollande den Höchststeuersatz auf 75 Prozent anheben wollte, verglich er Frankreich mit „Kuba, nur ohne Sonne“.

Sein Rücktritt Ende August war der Vatermord, den alle erwarteten. Nur Hollande hielt seinen hochbegabten, smarten Zögling lange für seinen größten Joker. Noch im März sagte er: „Macron, das ist ein netter Typ, immer fröhlich, der weder schlechte Absichten noch störenden Ehrgeiz hegt.“ Inzwischen muss er einräumen: „Macron hat mich mit Methode verraten.“

Rücktritt - Wirtschaftsminister Macron will nicht mehr

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat seinen Rücktritt angekündigt. Acht Monate vor den Präsidentschaftswahlen will er nicht mehr. Es gibt Spekulationen, dass er selbst Präsident werden will.

Quelle: Die Welt

Aus dem Schützling ist sein Feind geworden. Nach jüngsten Umfragen würde Macron bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im Mai auf dem dritten Platz landen, hinter dem konservativen Kandidaten und der Rechtspopulistin Marine Le Pen, aber weit vor Hollande.

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Im März hatte Hollande ihm sogar die Gründung seiner eigenen politischen Bewegung durchgehen lassen. „En Marche“ heißt sie, also: Vorwärts, los geht’s! „EM“ sind natürlich auch die Initialen von Emmanuel Macron. Er will nicht, dass man seine Bewegung als Partei bezeichnet. Partei, das war gestern. Macron ist morgen.

Wer sich ihm anschließen will, dem droht die sozialistische Partei jetzt mit Ausschluss. „Kasernensozialismus“ nennt das Macron. Jean-Christophe Cambadélis, der Vorsitzende der PS (Parti socialiste), warnt: Wenn Macron zur Wahl antrete, werde er die Schuld daran tragen, dass die Linke in der ersten Runde ausscheide. Macron lächelt, inzwischen hat er sein Bier, und sagt: „Wenn ich mir die Umfragewerte ansehe, dann bin nicht ich es, der Hollande auf dem Gewissen hat.“ Darauf stößt er an mit einer Flasche Grimbergen. Zwischen seinen Schneidezähnen klafft eine kleine Lücke, „les dents du bonheur“ nennen das die Franzosen, ein Zeichen des Glücks.

Frankreich steckt in einer tiefen Krise. Aber Macron ist Optimist: „Wir sind Fakire, wir richten uns wieder auf, der Schmerz stimuliert uns nur“, sagt er. Ansonsten gilt: „Sky is the limit.“ Er sagt es genau so.

Er heiratete seine 24 Jahre ältere Französischlehrerin

Es ist viel über Macron geschrieben worden. Bei der Lektüre der zahllosen Artikel und Bücher über ihn hat man das Gefühl, es mit einem überirdischen Wesen zu tun zu haben: „Das kleine Genie im Elysée“, titelte „Libération“ schon 2012. „Mozart der Finanzen“ nannten ihn andere, weil er offensichtlich Milliarden-Deals zwischen Nestlé und Pfizer mit ebensolcher Leichtigkeit einfädelte wie er, der auch noch Pianist ist, Klaviersonaten spielt. Von „erlesener Höflichkeit und seltener Freundlichkeit“, urteilte der jüngst verstorbene Sozialist Michel Rocard, politischer Ziehvater Macrons.

Dass er mit seiner ehemaligen Französischlehrerin verheiratet ist, gibt seiner ohnehin romanhaften Gestalt einen romantischen Twist. Man schickte ihn damals weit weg von Amiens nach Paris. Aber Macron sagte seiner Lehrerin: „Was auch immer Sie tun, ich werde Sie heiraten.“ Brigitte Macron ist 24 Jahre älter als er. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe und sieben Enkelkinder. Ihr zweites Kind, eine Tochter, ist 1977 geboren – im selben Jahr wie ihr Mann. Wer das in einem gutbürgerlichen Provinzmilieu durchgestanden hat, muss ein dickes Fell haben.

„Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, mein Leben mit Jeanne d’Arc zu teilen“, sagte Brigitte Macron jüngst in einem Interview. Auch Macron spielt mit dieser Figur, als könne es eine historische Parallele geben. Will er Frankreich retten? So würde er das nicht formulieren. Es sei fatal, dass die Franzosen immer noch auf den Erlöser hofften. Sie hätten nicht verdaut, den König geköpft zu haben: „Es gibt eine emotionale, kollektive Leere, weil der Platz des Königs leer ist.“

80.000 Mitglieder hat En Marche jetzt. Tausende haben an der „Grande Marche“ teilgenommen. Von Haus zu Haus sind sie gegangen, haben den Franzosen Fragebogen vorgelegt. „Was funktioniert Ihrer Ansicht nach in Frankreich?“ Der Gesellschaft sollte der Puls genommen werden. 25.000 Fragebogen sind dabei zusammengekommen, die digital ausgewertet wurden. Am Dienstag wird Macron in Straßburg seine Diagnose präsentieren. Vielleicht passiert dann, worauf viele schon lange warten: dass er sich endlich offiziell als Kandidat erklärt. Das ist das Einzige, was er bislang irgendwie vergessen hat.

Hollande will „Dschungel von Calais“ bis Winter schließen

Der „Dschungel von Calais“ ist in Frankreich zum Symbol für die Flüchtlingskrise geworden. Frankreichs Präsident François Hollande kündigte nun die Schließung an.

Quelle: Reuters

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