Eigentlich hatte US-Präsident Donald Trump am Freitag zu seinem Mar-a-Lago-Club in Florida aufbrechen wollen, um dort am Samstag an einer Party zum einjährigen Amtsjubiläum teilzunehmen. Doch statt ein Jubelfest zu feiern, muss er nun eine demütigende Niederlage einstecken.
Seit 0 Uhr Ostküstenzeit und 6 Uhr deutscher Zeit hat seine Regierung kein Geld mehr, um das operative Geschäft zu bezahlen. Die Demokraten haben zusammen mit einer kleinen Gruppe von Republikanern ein Gesetz im US-Senat verhindert, das die Finanzierung der Regierung für einen weiteren Monat hätte sichern sollen.
Die Demokraten haben ihre Sperrminorität im Senat zum Tragen gebracht, weil Trump und die Republikaner sich weiter einem Kompromiss verweigern, der die so genannten Dreamer, als Minderjährige ins Land gekommene illegale Migranten, vor der Deportation schützt. Kurz vor dem Beginn des „Shutdowns“ veröffentlichte das Weiße Haus ein Statement von Pressesprecherin Sarah Sanders.
Darin warf sie den Demokraten vor, Politik über die Interessen der nationalen Sicherheit, von Militärfamilien, verletzlichen Kindern und die Fähigkeit des Landes zu stellen, allen Amerikanern zu dienen. „Das ist das Verhalten von obstruktionspolitischen Verlieren“, sagte Sanders.
Niederlage, die Trump sich auch selbst zuzuschreiben hat
Beide Seiten haben den ganzen Freitag hinweg versucht, dem jeweils anderen Lager den schwarzen Peter zuzuschieben für den „Shutdown“ der Regierung. Trump hatte sich dann am frühen Abend noch selbst eingeschaltet und den demokratischen Minderheitenführer im Senat, Chuck Schumer, zum Gespräch ins Weiße Haus geladen. Beide Seiten gaben hinterher zwar zu Protokoll, man sei ein Stück vorangekommen. Dennoch waren aber zu viele Streitpunkte übrig geblieben für eine Einigung.
Es ist das erste Mal seit vier Jahrzehnten, dass der Regierung das Geld ausgeht, während beide Häuser des US-Kongresses und das Weiße Haus von derselben Partei kontrolliert werden. Allerdings ist es eine Niederlage, die Trump sich in Teilen selbst zuzuschreiben hat. Denn bei der Frage, wie denn nun mit den Dreamern umgegangen werden soll, wenn die von Trump per Dekret aufgehobene Duldung im März ausläuft, hat er nie einen konsistenten Kurs verfolgt.
Als die Regierung Anfang September bekannt gab, die Duldung in einem halben Jahr auslaufen zu lassen, verband Trump das mit der Hoffnung, der US-Kongress möge eine gesetzliche Regelung finden, die den Dreamern den Verbleib in den USA ermöglichen sollte. Nach einem Treffen mit den demokratischen Minderheitenführern im Abgeordnetenhaus und im Senat, Nancy Pelosi und Schumer, Mitte September hatte Trump gar verkündet, man habe sich auf einen Deal geeinigt. Nach Protesten republikanischer Hardliner nahm er das am Tag darauf jedoch wieder zurück.
Ein Zickzackkurs, der sich seitdem öfter wiederholt hat. Im Dezember etwa wurde ein kurzfristiger Finanzierungsbeschluss für die Regierung verknüpft mit dem Versprechen, das Weiße Haus werde einem Kompromiss zustimmen, wenn beide Lager sich darauf einigen können. Anfang Januar hatte Trump das bei einem Treffen im Weißen Haus vor laufenden Kameras noch einmal bekräftigt. Er werde allem zustimmen, worauf sich beide Seiten einigen.
Das Treffen, bei dem Trump der Kragen platzte
Zwei Tage später stellten der Republikaner Lindsey Graham und der Demokrat Dick Durbin dem Präsidenten dann ihren Kompromissvorschlag vor – und wurden von Trump furchtbar abgebügelt. Offenbar war Trump in der Zwischenzeit von seinen einwanderungskritischen Beratern angestachelt worden.
Bei diesem Treffen benutze der wutentbrannte Trump denn auch jene herabwürdigenden Worte von den „Dreckslöchern“ in Afrika und Haiti, die ihre Leute in die USA schicken würden. Es war das letzte Zack zu den vorherigen Zicks, was dann endgültig die Beziehungen zu den Demokraten verbrannte. Zweimal hatten sie einer Übergangsfinanzierung zugestimmt, weil ihnen eine Lösung für die Dreamer in Aussicht gestellt wurde, die dann nicht kam. Ein drittes Mal wollten sie das nicht mehr tun, nachdem der Präsident einen fertigen Deal in die Luft gesprengt hatte.
Trump scheint bei Migration hin- und hergerissen
Inzwischen weiß niemand mehr, was Trump eigentlich genau will in Sachen Dreamer. Er scheint hin- und hergerissen zu sein zwischen den Hardlinern in Einwanderungsfragen, die zu den treusten Trump-Unterstützern gehören, und der Furcht vor herzzerreißenden Bildern, wenn in den USA aufgewachsene Illegale massenhaft deportiert werden sollten.
Und je nachdem, mit wem er zuletzt gesprochen hat oder welche TV-Sender er zuletzt gesehen hat, neigt der Präsident einmal zu der einen und einmal zu der anderen Seite. In den Tagen vor der Entscheidung über eine weitere Übergangsfinanzierung sandte Trump auch abermals kryptische Signale aus, die selbst Vertreter seiner eigenen Partei irritierten.
Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell sagte in einem seltenen Moment der Offenheit, dass es einfacher sein würde, Dinge hinzubekommen, wenn man eine Ahnung hätte, was der Präsident eigentlich will. McConnell hat deshalb auch keine Abstimmung über die Dreamer im Senat zugelassen, obwohl es eine große überparteiliche Mehrheit gibt für den ausgehandelten Kompromiss. Weil niemand weiß, welches Dreamer-Gesetz der Präsident bereit wäre zu unterschreiben.
Vier Republikaner für den Shutdown, fünf Demokraten dagegen
Auch einigen Republikanern wie Lindsey Graham war dann der Geduldsfaden gerissen und er kündigte an, ebenfalls gegen die Übergangsfinanzierung zu stimmen. Der Vertreter eines starken Militärs will sich nicht weiter mit Überbrückungsfinanzierungen von Monat zu Monat hangeln, die alle Ausgaben deckeln und langfristige Zukunftsplanung unmöglich macht.
Insgesamt vier Republikaner haben gegen die Übergangsfinanzierung gestimmt, während auf der anderen Seite fünf Demokraten aus hart umkämpften Wahlkreisen für das Gesetz gestimmt haben. Die Mehrheit der Demokraten wollte aber deutlich machen, dass sie auch über Druckmittel verfügen und nicht vor dem Äußersten zurückschrecken, wenn die andere Seite keine ausreichende Kompromissbereitschaft zeigt. Und so ist diese Regierung in Ermangelung klarer Richtungsvorgaben des Präsidenten wie ein führerloses Schiff auf die Finanzierungsklippe gefahren.
Pentagon stellt Aufklärungsaktivitäten im Ausland ein
Für die Regierung bedeutet das, dass sie ein Notprogramm fahren muss, zumindest falls es im Laufe des Wochenendes nicht doch noch zu einer Einigung kommen sollte. Je nach Wichtigkeit des Ressorts und den dort verbliebenen Finanzressourcen werden zwischen 98 Prozent (Wohnungsbauministerium) und vier Prozent (Veteranenangelegenheiten) der Belegschaft in den Zwangsurlaub geschickt, die dann auch nicht mehr bezahlt werden. Das Verteidigungsministerium hat angekündigt, etwa die Hälfte der Zivilangestellten zu Hause zu lassen und einige Aufklärungsaktivitäten im Ausland einzustellen.
Die letzte Regierungsschließung im Jahr 2013 dauerte 16 Tage. Wie lange es diesmal gehen wird, ist offen. Die Republikaner glauben, dass sie in einer guten Position sind, weil sie das Finanzierungsgesetz verbunden haben mit einer Verlängerung des Krankenversicherungsprogrammes für Kinder (CHIP), von dem neun Millionen Amerikaner betroffen sind. Sie werden die Demokraten nun damit jagen, dass ihnen die 700.000 Dreamer wichtiger sind als Millionen von amerikanischen Bürgern.
Die Demokraten hingegen glauben, dass sie zeigen müssen, dass sie nicht nur Papiertiger sind, die zwar Fauchen, aber Angst haben zuzubeißen. Und dass die Bürger das Scheitern letztlich dem Präsidenten anlasten werden.
Die Black Box in dieser Geschichte ist aber der Präsident selbst, dessen Aufgabe es eigentlich sein müsste, die Richtung für einen Kompromiss vorzugeben. Bisher war Trump offenbar nicht in der Lage, sich zu einer Lösung durchzuringen. Aber man darf zumindest davon ausgehen, dass er es nicht riskieren will, die derzeit herrschende positive Stimmung in der US-Wirtschaft durch einen langen Regierungsausfall zu beschädigen.