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  4. Kriminelle Nordafrikaner: Joachim Stamp kündigt harte Linie an

Deutschland Integrationsminister Stamp

„Keine Akzeptanz für allein reisende, marodierende Männer“

NRW-Minister warnt vor Masseneinwanderung

Der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp, fordert Investitionen in Afrika. Man müsse neue Perspektiven schaffen, sondern würden sich viele Menschen auf den Weg machen.

Quelle: N24

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NRW-Flüchtlingsminister Stamp sagt: Wenn Afrika nicht rasch neue Perspektiven bekommt, könne es sein, „dass wir in den nächsten zehn Jahren regelrecht überrannt werden“. Gegen kriminelle Nordafrikaner will er hart vorgehen.

DIE WELT: Herr Stamp, Sie sind bundesweit der erste Minister mit dem eigenständigen Ressort Flüchtlinge und auch für Abschiebungen zuständig, für die bisher das Innenministerium verantwortlich war. Warum ist dieser Zuschnitt sinnvoll?

Joachim Stamp: Ich glaube, dass wir eine Systematisierung der Flüchtlingspolitik in Deutschland insgesamt brauchen. Da wollen wir in NRW, weil wir als bevölkerungsreichstes Bundesland besonders betroffen sind, eigene Impulse setzen, auch über Initiativen im Bundesrat. Wir müssen eine klarere Struktur bekommen. Diejenigen, die gut integriert sind, müssen bleiben dürfen, und die anderen, die ausreisepflichtig und Integrationsverweigerer sind, konsequenter abgeschoben werden.

DIE WELT: Wird Flüchtlingspolitik eines der maßgeblichen Themen der Zukunft sein?

Stamp: Es wird eines der Megathemen sein. Wenn nicht in Kürze etwas zur Entlastung in Griechenland und Italien passiert, laufen wir Gefahr, dass erneut Hunderttausende von Flüchtlingen kommen werden. Ich halte es für absolut notwendig, dass die EU den viel beschworenen Marshallplan für Afrika ganz nach oben auf die Prioritätenliste setzt. Es muss jetzt Investitionen in Milliardenhöhe geben. Wenn wir in Afrika nicht rasch neue Perspektiven schaffen, kann es sein, dass wir hier in den nächsten zehn Jahren regelrecht überrannt werden.

DIE WELT: Wie ist die Situation für die angekommenen Flüchtlinge in NRW?

Stamp: Es ist hier in der Vergangenheit vieles zu unsystematisch gelaufen. Wir müssen die Verfahren straffen, damit früher klar ist, ob die Personen wieder zurückmüssen oder ob ein Aufenthalt etwa für die Dauer des Krieges oder eine langfristige Integration gerechtfertigt ist. Wir müssen zu schnelleren Entscheidungen kommen, damit es bei denen, die zurückmüssen, nicht zur Teilintegration kommt und die Menschen dann wieder aus ihrem Lebensumfeld gerissen werden.

In der schwarz-gelben Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist Joachim Stamp (FDP) Vizeregierungschef und für die Ressorts Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration zuständig
In der schwarz-gelben Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist Joachim Stamp (FDP) Vizeregierungschef und für die Ressorts Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration zuständig
Quelle: picture alliance / Guido Kirchne

DIE WELT: Wann ist in NRW eine Obergrenze erreicht?

Stamp: Es gibt natürlich de facto immer eine Obergrenze der Aufnahmefähigkeit. Ich halte aber nichts davon, sie an einer konkreten Zahl festzumachen. Es gibt in der Bevölkerung nach wie vor große Aufnahmebereitschaft gerade gegenüber bedrohten Familien, aber keine Akzeptanz für allein reisende, marodierende Männer, die sich hier nicht an die Regeln halten.

DIE WELT: Ist diese Personengruppe, vor allem aus Nordafrika, nach wie vor ein großes Problem?

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Stamp: Das ist nach wie vor ein großes Problem – nicht bei allen Nordafrikanern, aber bei einer spezifischen Gruppe marodierender Männer. Zwar ist die Kleinkriminalität etwas rückläufig, andere Straftaten, wie etwa sexuelle Übergriffe, haben zugenommen. Dagegen müssen wir in aller Härte vorgehen.

DIE WELT: Was kann ein einzelnes Bundesland erreichen, solange es kein bundesweites Einwanderungsgesetz gibt, das NRW über den Bundesrat vorantreiben will?

Stamp: Wir wollen genau dieses Einwanderungsgesetz. Zudem werden wir jetzt die Koordinierung mit den anderen Ländern vorantreiben und Druck auch über den Bundesrat aufbauen. Wir prüfen auch, welche rechtlichen Möglichkeiten wir ausschöpfen können, um eigene Rücknahmeprogramme mit den Maghreb-Staaten vorzunehmen. Wir haben in NRW viele allein reisende Nordafrikaner und es mit einer sehr schwierigen Klientel zu tun. Die meisten dieser jungen Männer sind auf der Straße aufgewachsen ohne moralisches und ethisches Gerüst, wie wir es kennen. Wir müssen diese Szene schnellstmöglich auflösen.

DIE WELT: Kann ein Bundesland konkret mit den Maghreb-Staaten diplomatischen Austausch betreiben?

Stamp: Wir wollen es nicht unversucht lassen, mit einem eigenen Programm die Länder dazu zu bewegen, diese Personen zurückzunehmen. Fakt ist, dass die Rücknahmeabkommen von Herrn de Maizière bis heute nicht funktionieren.

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Quelle: N24 / Christin Brauer

DIE WELT: Gehen Sie davon aus, dass es irgendwann auch in Deutschland Interessenverbände von Syrern, Afghanen und Irakern geben wird?

Stamp: Das kann gut sein und wäre gar nicht schlecht, weil man dann konkrete Ansprechpartner hat. Für uns ist entscheidend, dass nicht die Fehler wie bei der ersten Einwanderergeneration wiederholt werden. Damals haben Konservative gesagt, man sei kein Einwanderungsland und brauche daher keine Integration. Dass umgekehrt die Linke behauptet hat, jeder, der zu uns kommt, ist automatisch eine Bereicherung, war grenzenlos naiv. Integration wurde somit von links und rechts negiert.

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Wir müssen jetzt nachholend auch für die zweite und dritte Generation eine Wertedebatte darüber führen, was unsere Gesellschaft zusammenhält und welche Werte grundlegend sind. Die neu Hinzugekommenen müssen wir stärker an die Hand nehmen. Das klingt für eine liberale Partei vielleicht überraschend: Aber ich bin überzeugt, dass man am Anfang deutlich mehr einfordern, auch zu bestimmten Integrationsleistungen geradezu zwingen muss. Nur so besteht für alle später die Chance, selbstbestimmte freie Mitbürger in unserer Gesellschaft zu werden. Wenn Einwanderer sich nur landsmannschaftlich orientieren, schaffen wir Gettobildung und Spaltung.

DIE WELT: Im Koalitionsvertrag steht eine „stärkere Verbindlichkeit“ in der Integration. Was ist darunter zu verstehen?

Stamp: Rot-Grün hat sich davor weggeduckt, klare Regeln zu definieren. Wir werden etwa die Schulpflicht für Flüchtlinge bis zum 25. Lebensjahr ausdehnen. Das kostet Geld, verlangt aber umgekehrt den Flüchtlingen mehr ab. Wir wollen die Wertedebatte verbinden mit einer Einbürgerungskampagne. Wir werden dabei die Migrantenverbände einbinden. Es ist wichtig, den Einwanderern, die unser Land mit aufgebaut haben, eine größere Wertschätzung entgegenzubringen.

Zugleich werden wir klarmachen, dass wir bei türkischen Verbänden wie der UETD keine Politik akzeptieren, die die Menschen Richtung Ankara orientiert. Es muss klar sein: Die Politik in Düsseldorf und Berlin ist ihre Anlaufstelle – nicht Herr Erdogan. Wir halten auch eine Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts für sinnvoll und wollen verfassungsrechtlich prüfen, wie man Möglichkeiten schafft, dass die erste und zweite Generation bei der Einbürgerung nicht zwingend den Pass des Herkunftslands abgeben muss.

DIE WELT: Sie haben die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib, als Dachverband für mehrere Hundert Moscheegemeinden in Deutschland stark kritisiert und eine Loslösung vom türkischen Staat und von der Erdogan-Politik gefordert. Wie schätzen Sie die Reformbereitschaft von Ditib ein?

Stamp: Wir erleben Ditib sehr heterogen. Wir bekommen großes Lob aus einzelnen Gemeinden, weil wir Kritik an der Funktionärsebene üben. In vielen Gemeinden wird gute integrative und seelsorgerische Arbeit geleistet. Wenn Ditib als Verband beim islamischen Schulunterricht und bei der Seelsorge in Gefängnissen weiter kooperieren will, muss sie sich entscheiden, ob sie politische oder religiöse Organisation sein will. Wenn sie weiter eine politische bleiben will, dann ist sie raus. Wir werden jetzt versuchen, herauszufinden, wie groß die Reformbereitschaft ist. Dann werden wir sehen, ob Ditib sich als Ganzes von Ankara und der Erdogan-Politik löst oder ob sich einzelne Gemeinden von Ditib lösen.

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DIE WELT: Ditib galt über Jahrzehnte als wichtiges Bindeglied bei der Integration von türkischen Migranten in Deutschland. Hat man die Integrationsleistung überschätzt, oder hat sie sich verschlechtert?

Stamp: Das Auftreten von Ditib hat sich fundamental verändert. Früher ist ein sehr säkularer Islam vermittelt worden, weil das auch die Politik Ankaras war. Durch die starke Vermischung mit Erdogans Politik hat das eine andere Schlagseite bekommen. Man hätte frühzeitiger den Dialog mit Ditib führen und auf eine Unabhängigkeit drängen müssen, weil es keine Garantie dafür gegeben hat, dass die Verbindung zu Ankara segensreich bleibt.

DIE WELT: Ein anderer integrationspolitischer Fall sorgt gerade für großes Aufsehen. Es geht um die Abschiebung der 15-jährigen Bivsi aus Duisburg nach Nepal. Hatte die Stadt wirklich keinen anderen Ermessensspielraum?

Stamp: Die Ermessensspielräume sind zumindest nicht klar geregelt. Wir wollen zu anderen Vorgaben kommen und die Integrationsleistung stärker berücksichtigen. In diesem Fall ist so ziemlich alles schiefgelaufen, was nur hätte schieflaufen können. Es sind Fehler von der Familie gemacht worden, aber auch von nahezu allen beteiligten Behörden. Es geht jetzt darum, dass man dem Kind gerecht wird, das hier geboren ist und in ein für es völlig fremdes Land abgeschoben wurde. Deshalb wollen wir in diesem konkreten Einzelfall eine konstruktive Lösung erreichen.

DIE WELT: Wie optimistisch sind Sie, dass eine Rückkehr von Bivsi gelingt?

Stamp: Ich glaube, dass das geht. Ich kann aber nur davor warnen, das zu verallgemeinern. Das ist ein expliziter Einzelfall.

DIE WELT: Wie wollen Sie solche Abschiebungen vermeiden?

Stamp: Wir wollen die Praxis der Kettenduldungen beenden. Wenn etwa Personen seit mehreren Jahren hier leben, straffrei sind und sich selbst ernähren, sollten wir sie mit einem dauerhaften Status ausstatten, nicht nur aus humanitären Gründen. Volkswirtschaftlich wäre es doch irre, solche Leute abzuschieben, die hier Steuerzahler und gut integriert sind. Wir werden jetzt die Erlasslage prüfen, um zu vermeiden, dass nicht ausgerechnet Familien vorrangig abgeschoben werden. Es geht nicht darum, möglichst hohe Abschiebezahlen zu produzieren. Ich möchte, dass wir uns darauf konzentrieren, die problematischen Leute – Integrationsverweigerer und Kriminelle – loszuwerden.

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Quelle: N24/Christin Brauer

DIE WELT: Integrations- und Flüchtlingspolitik sind schwierige Themen. Warum sind Sie optimistisch, dass Sie damit politisch punkten können?

Stamp: In der Bevölkerung gibt es eine gewisse Sehnsucht, solidarisch denen zu helfen, die Schutz brauchen. Andererseits wollen die Bürgerinnen und Bürger auch nicht überfordert werden mit Leuten, die an einer Integration erkennbar nicht interessiert sind. Ich habe in Versammlungen große Zustimmung bekommen, wenn ich gesagt habe: Es kann nicht sein, dass wir gut Integrierte abschieben und Personen wie Anis Amri (islamistischer Attentäter in Berlin, d. Red.) hier behalten. Wenn man das so offen ausspricht, erreicht man große Akzeptanz.

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