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Reise Insel-ABC

Nantucket ist die schönste Essenz Neuenglands

Kleine Fischerorte, Dünen und Strände wie auf Sylt: Auf Nantucket vor der Küste des US-Bundesstaats Massachusetts urlaubt auch gern die amerikanische Prominenz. Vor allem Reiche und Berühmte lassen sich nieder, die hier eher Ruhe als Rampenlicht suchen. Es nur wenige Hotels – die meisten Urlauber mieten Häuser.

Hier und da ragt ein Leuchtturm aus der Landschaft aus Wiesen und Moor. Bäume, Preiselbeersträucher und Blaubeerbüsche sind in die Idylle getupft, hinter den Dünen erstrecken sich Strände, an denen die Besucher sich verlieren. Auf Nantucket ist die Natur nie weit. Aber auch die gepflegte Lebhaftigkeit eines neuenglischen Bilderbuchdorfs ist höchstens eine kurze Radtour entfernt: Restaurants, Galerien und Geschäfte säumen die Straßen von Nantucket Town. An Sommernachmittagen sind hier mehr Flaneure unterwegs als in den Innenstädten der meisten nordamerikanischen Metropolen.


Mit der berühmten Nachbarinsel Martha's Vineyard hat Nantucket wunderschöne Strände, unberührte Natur und eine hohe Prominentendichte gemein. Allerdings lassen sich auf Nantucket vor allem Reiche und Berühmte nieder, die hier eher Ruhe als Rampenlicht suchen - Menschen mit altem Geld, deren Gesichter kaum jemand kennt, oder Menschen mit hohem Bekanntheitsgrad, die aber, getarnt durch Baseball-Kappe, Sonnenbrille und amerikanische Urlaubsuniform aus Shorts und T-Shirt, tatsächlich nicht erkannt werden wollen.

So will es wenigstens die örtliche Selbstwahrnehmung. Schließlich wollen sich die 10.000 Insulaner von der glamourösen Nachbarinsel abheben. Aber ganz ohne Glanz geht es auch hier nicht. Immerhin findet auf Nantucket - was in der Indianersprache "weit entfernte Insel" bedeutet - jedes Jahr ein Filmfestival statt, und auch Hollywood-Prominenz wie Comedy-Superstar Ben Stiller, der schon als Kind mit seinen ebenfalls im Showbusiness tätigen Eltern Urlaub auf der Insel machte, hat sich auf Nantucket eingekauft.

Geprotze in Form auffälliger Limousinen verbietet sich indessen von selbst. Zwar ist die 22 Kilometer lange und fünf Kilometer breite Insel nicht autofrei, aber sie bietet mit ihren anderthalb Ortschaften - außer dem Hauptstädtchen Nantucket Town ist nur der Sprengel Sconset an der Ostküste mit bloßem Auge erkennbar - einfach keinen Platz für die Fahrzeuge von Urlaubern und Ausflüglern. Im Sommer teilen sich bis zu 50.000 Menschen das sonst so entrückte Inselchen, das im Übrigen nicht nur dem Besucheransturm, sondern auch der Erosion durch an der Küste nagende Herbststürme zu trotzen hat. Deshalb raten Hoteliers schon bei der Buchung, das Auto besser auf dem Festland zu lassen. Und deshalb kann man hier schon mal Modedesigner Tommy Hilfiger auf dem Fahrrad sehen. Wenn man ihn denn erkennt.

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Der Hauptort Nantucket Town führt mit seinen kopfsteingepflasterten Straßen direkt in die Vergangenheit. Außer Walfängern und Fischern lebten einstmals Quäker auf der Insel, die hier unbehelligt ihre Religion ausüben durften. Man ließ sie ebenso in Ruhe wie später die Rockefellers oder Kennedys, die hier am Wochenende die Beine hochlegen und bei Bier und Hummersandwich den Alltag vergessen wollen. Letztere schauen allerdings meist nur kurz vorbei. Jackie und ihre Kinder urlaubten am liebsten auf Martha's Vineyard, der traditionelle Sommersitz der Familie ist in Hyannisport auf Cape Cod.

Nantucket Town besitzt mehr als 800 historische Gebäude - manche sind gute hundert Jahre alt, andere stammen aus den Gründertagen des späten 17. Jahrhunderts oder aus der Zeit im 18. Jahrhundert, als Nantucket mit einer Flotte von 100 Booten die Welthauptstadt des Walfischfangs war. Herman Melville, der Autor von "Moby Dick", heuerte 1841 in Nantucket Town auf einem Walfänger an, verließ diesen aber in der Südsee, was zunächst zu einem anderen Buch führte: "Typee". Ein Jahr nach Drucklegung seines unsterblichen "Moby Dicks" 1851 kehrte er nach Nantucket zurück, um Captain George Pollard Jr. zu treffen. Der hatte 30 Jahre zuvor auf der von einem Wal zerschlagenen "Essex" das Kommando geführt und konnte Melvilles Schilderungen nun gewissermaßen nachträglich bestätigen.

Von der Hoch-Zeit Nantuckets als Walfangort erzählt heute neben den schmucken Kapitänsvillen das "Whaling Museum" an der Bond Street, das unter anderem ein riesiges Walskelett zu seinen Exponaten zählt. Auch sonst ist das historische Erbe lebendig geblieben. Als 1997 ein toter Wal an die Küste Nantuckets geschwemmt wurde, holten die Insulaner kurzerhand die im Museum aufbewahrten Werkzeuge hervor und machten sich daran, das Tier zu zerlegen nach ihrer Großväter Art. Die Körbe, die die Walfänger früher während der langen Wintermonate aus Ruten flochten, sind heute ein beliebtes Accessoire in gediegenen Vorgärten. Wer einen als Souvenir kaufen möchte, sollte für ein historisches Stück im Urlaubsbudget um die 10.000 Dollar veranschlagen. Es gibt aber auch preiswertere neue Modelle.

Ruhm und Reichtum, den der Walfang der kleinen, windgepeitschten Insel einbrachte, die von Melville als ein Eiland von Eigenbrötlern beschrieben wurde, währten nicht ewig. 1871 lief der letzte Walfänger aus Nantucket Town aus. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis die Insel sich als Ferienort für gestresste Festlandbewohner profilieren konnte. Dass dabei kaum gebaut wurde, ist womöglich das Beste, was Nantucket nach dem Niedergang des Walfangs passieren konnte.

Bis heute gibt es nur wenige Hotels - die meisten Urlauber mieten Häuser. Wer eines bauen möchte, muss strengen Vorschriften folgen. Backstein oder Holz ist Pflicht. Wer ein Holzhaus anstreichen will, hat die Wahl zwischen zwölf vorgegebenen Farben, darunter "Nantucket Grau" und "Quäker Grau". Diese Töne haben der Insel den Beinamen der "Gray Lady" eingebracht. Alles Neue muss sich unmerklich ins Bestehende fügen: eine unspektakuläre Architektur, die sich allen Einflüssen der Moderne entzieht. Trotzdem und gerade deshalb ist das Inselchen heute einer der teuersten Orte in den Vereinigten Staaten.

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Besucher und Bewohner Nantuckets stehen früh auf und machen nur selten die Nacht zum Tag. Schnell überlassen sich die Gäste dem Inselrhythmus: fischen oder spazieren gehen am frühen Morgen, dann ein paar Stunden am Strand, nachmittags ein Bummel durch die Stadt. Wenn der Tag sich neigt, fährt man per Rad oder Bus an den Madaket Beach im äußersten Inselwesten. Picknickkörbe mit Lobster Rolls und Chardonnay werden ausgepackt. In dramatischen Farben versinkt die Sonne im Meer.

Anreise: Air France fliegt Boston via Paris an. Lufthansa fliegt ab Frankfurt/Main. Von Hyannis stündlich Flüge mit Nantucket Airlines (Dauer 20 Minuten). Fähren verkehren ab Harwich Port auf Cape Cod ( www.nantucketislandferry.com , Fahrzeit 80 Minuten) und ab Hyannis ( www.steamshipauthority.com , Fahrzeit eine Stunde).

Unterkunft : Das Traditionshaus "The White Elephant" ( www.whiteelephanthotel.com ) am Hafen von Nantucket verbindet maritime Eleganz mit kuscheliger Atmosphäre. Nachmittags treffen sich die Gäste zu Portwein und Käse. Im Herbst und Frühling kostet das Doppelzimmer ab 275 Dollar, umgerechnet etwa 188 Euro), im Sommer ab 615 Dollar (circa 422 Euro). Günstiger ist es im Bed & Breakfast-Hotel "76 Main Street Inn" ( www.76main.com ), im Herbst kosten Zimmer ab 125 Dollar (etwa 85 Euro).

Essen gehen : Legendär ist die gehaltvolle Meeresfrüchtesuppe im "The SeaGrille" ( www.theseagrille.com ); im eleganten "Summer House Restaurant" ( www.thesummerhouse.com ) kann man sich bei frischen Austern und Foie gras ein bisschen fühlen wie in F. Scott Fitzgeralds Roman "Der große Gatsby".

Auskunft : Massachusetts Office of Travel & Tourism, c/o Buss Consulting, Telefon 08151/73 97 87, www.massvacation.de , www.nantucket.net

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