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Panorama USA

Der Trick des schwarzen Ku-Klux-Klan-Agenten

Undercover unterwanderte der Polizist Ron Stallworth die Rassistengruppe vom Ku-Klux-Klan. Da er seine dunkle Haut nicht zeigen konnte, griff er zu einem Trick.

Sie trafen sich heimlich und im Schutze der Dunkelheit. Niemand sollte sie erkennen. Dafür trugen die Männer des gefürchteten und rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) lange, weiße Gewänder und versteckten ihr Gesicht unter Kapuzen und Masken.

Gegründet hatte sich der Geheimbund im Dezember 1865, kurz nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges und als Reaktion auf die Abschaffung der Sklaverei. Insbesondere im Süden der USA verbreitete die paramilitärische Gruppe mit Anschlägen und Lynchmorden Angst und Schrecken. Ihre Angriffsziele waren vor allem Schwarze und deren Unterstützer, aber auch Katholiken und Juden wurden immer wieder Opfer des Klan.

Fünf Jahre dauerte die erste Welle der Gewalt. Dann verschwand die rassistische Gruppe erst einmal wieder, um später in den 20er-Jahren umso stärker zurückzukehren. In Spitzenzeiten, so schätzen Historiker, zählte der Ku-Klux-Klan „zwischen drei Millionen und sechs Millionen Mitglieder“. Heute sollen es noch etwa 8000 Männer sein.

Klan-Mitglieder in hohen Stellungen

Und nicht nur in den Südstaaten agierten die Rassisten, auch weiter im Norden des Landes trafen sich die Kapuzenmänner und lehrten Minderheiten durch ihre nächtlichen Zeremonien wie dem Verbrennen weißer Kreuze das Fürchten. Die bis zu sechs Meter großen Kirchensymbole standen dabei für das „Licht Jesu Christi“– der Klan sieht sich selbst als radikale protestantische Organisation.

„Zu den Hochburgen des Klan gehörten damals nicht nur Alabama und Mississippi, sondern überraschenderweise auch Colorado“, sagt Ron Stallworth. „Der Bürgermeister von Denver war Klan-Mitglied, genauso wie viele Abgeordnete des Staatsparlaments. Selbst der Gouverneur von Colorado sowie zwei Senatoren gehörten dem Geheimbund an.“

Stallworth sollte es wissen. Jahrelang hat der Ex-Polizist recherchiert und Ende der 70er-Jahre sogar mehrere Monate als Undercoveragent den Ku-Klux-Klan ausspioniert. Dabei zählt Stallworth aufgrund seiner Hautfarbe zu den Todfeinden des Geheimbundes. Der heute 62-jährige Pensionär ist Afroamerikaner. Wie er sich als Schwarzer dennoch Zutritt verschaffen konnte und was er als „loyales Klan-Mitglied“ erlebt hat, darüber hat er jetzt ein Buch („Black Klansman“) geschrieben. Der „Welt“ gab er als erstem deutschen Medium ein Exklusiv-Interview.

Stallworth gab sich als weißer Rassist aus

„Es begann alles im Oktober 1978 mit einer Anzeige in einer Tageszeitung in Colorado Springs“, erinnert sich Stallworth. Darin hatte der Ku-Klux-Klan neue Mitglieder gesucht. Interessenten sollten einen Brief schicken und ihn an eine Postfach-Adresse senden. Stallworth, seit 1969 Polizist in Colorado Springs, schrieb und erklärte, warum er Klan-Mitglied werden wollte. „Dabei habe ich in jedem Satz das N-Wort (N steht für Nigger, eine Bezeichnung, die als diskriminierend gilt) benutzt und gegen Schwarze gehetzt“, sagt Stallworth. Dass er eine Antwort auf sein Bewerbungsschreiben bekommen sollte, damit rechnete er nicht.

„Eine Woche später rief mich der lokale Anführer des Klan an und erklärte, dass ich genau der Typ sei, den man suche“, erzählt Stallworth. „Ich galt in dessen Augen als reiner Arier mit weißem amerikanischem Blut.“ Begeistert zeigte sich der Klan-Chef, der sich später als ein Soldat der US Army entpuppte, von dem „tiefen Hass von Stallworth auf Schwarze“.

„Ich habe ihm erzählt, dass meine weiße Schwester einen schwarzen Freund hat und ich das nicht ertragen könne“, sagt Stallworth. „Der Klan-Anführer versprach Hilfe, wenn ich dem Bund beitrete. Ich habe ihm dann spontan meinen richtigen Namen gegeben, aber eine falsche Adresse.“ Das einzige Problem: Stallworth sollte sich eine Woche später persönlich vorstellen. „Das war natürlich unmöglich“, sagt der Ex-Polizist. „Ich bin ein Schwarzer.“

Agent „Chuck“ half bei persönlichen Treffen aus

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Sieben Tage später ging „Chuck“ zu dem Geheimtreffen mit dem Klan. „Chuck“ war ebenfalls ein Undercoveragent, allerdings aus dem Drogendezernat und mit weißer Hautfarbe. Er gab sich als Stallworth aus. Der Trick funktionierte. „Chuck“ bestand die Rassistenprüfung, wurde aufgenommen und bekam sogar einen Ausweis auf den Namen seines Freundes Ron Stallworth. „Von da an habe ich mit dem KKK immer am Telefon gesprochen, und ,Chuck‘ ist zu den Geheimtreffen gegangen“, erzählt Polizist Stallworth.

Dass beide völlig verschiedene Stimmen hatten, fiel keinem der KKK-Männer auf. „Als mich einmal jemand danach gefragt hat, habe ich gesagt, dass ich manchmal Probleme mit den Nasennebenhöhlen habe“, erinnert sich Stallworth und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Angst, dass er entdeckt werden würde, hatte er nicht. „Es war ja mein Job. Und wenn sie versucht hätten, Rache an mir zu nehmen und mich zu ermorden, hätte ich mich schon wehren können.“

Es war nicht das einzige Mal, dass Stallworth den Ku-Klux-Klan vorführte. Als er sich immer wieder als „loyales Mitglied“ beweisen konnte, sollte er nicht nur Vorsitzender der Ortsgruppe in Colorado Springs werden. Er bekam auch Kontakt zum Grand Wizard, David Duke, einem Abgeordneten des Parlaments in Louisiana und KKK-Chef von Colorado.

Klan-Anführer wollte Schwarze an ihrer Stimme erkennen

„Ich habe regelmäßig mit ihm telefoniert, manchmal zweimal in der Woche“, sagt Stallworth über seine Erlebnisse mit dem Klan-Anführer. Einmal habe er ihn gefragt, ob er keine Angst habe, dass sich ein Spitzel, vielleicht sogar ein Schwarzer, unter die Gruppe mische. „David Duke sagte mir, dass das ganz unmöglich sei“, erinnert sich Stallworth an das Gespräch. „Er würde Schwarze sofort an ihrer Stimme erkennen. Sie seien dumm und würden kein ordentliches Englisch sprechen. Deshalb wüsste er auch ganz genau, dass ich ein Weißer sei.“

Sieben Monate lang konnte Stallworth so den Ku-Klux-Klan aushorchen. „Wir haben Bombenanschläge auf zwei Schwulenbars verhindern können“, sagt der Polizist. Und mehrere nächtliche Zeremonien, bei denen Kreuze verbrannt werden sollten. „Immer, wenn ich dazu eingeladen wurde, habe ich meine Kollegen angerufen, die am Treffpunkt dann verstärkt Streife fuhren.“ Der Klan sagte daraufhin die Aktionen ab.

Verhaftungen gab es in den Monaten seiner Undercoverarbeit nicht. „Es ging uns darum, die Strukturen der Gruppe auszuspionieren“, sagt Stallworth. „Wir wollten niemanden festnehmen.“ Mehrere Soldaten der US-Armee mussten allerdings ihren Posten räumen, nachdem sie von Stallworth als Klan-Mitglieder geoutet wurden. Das Pentagon leitete damals sogar Untersuchungen ein. Die Polizei wusste dabei nicht nur von den Geheimtreffen, sondern auch von dem Versuch des Klan, sich mit einer Neonazi-Gruppe in Colorado zu verbünden. Ein Zusammenschluss, der am Ende platzte.

David Duke soll Häuser in Österreich haben

Im April 1979 musste die erfolgreiche Aktion dann dennoch abrupt beendet werden. Stallworth drohte aufzufliegen. Er hatte sich geweigert, die Führerschaft der Ortsgruppe von Colorado Springs zu übernehmen. Dadurch machte er sich verdächtig. „Chuck“, der weiße Stallworth, musste verschwinden, genauso wie alle Unterlagen und Kontaktadressen. Stallworth selbst wechselte zur Polizei nach Utah. Den KKK ließen die Beamten wegen ihres Verschwindens verwirrt zurück. Erst im Jahr 2006 wurde öffentlich bekannt, dass der Klan in den 70er-Jahren unterwandert wurde.

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„David Duke leugnete das damals zunächst“, sagt Stallworth. „Erst später musste er die schweren Sicherheitsmängel in seiner Gruppe zugeben.“ Duke wurde später wegen Steuerhinterziehung zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Seit seiner Freilassung lebt er immer wieder für längere Zeit in Österreich. Er soll Häuser in Zell am See und in Salzburg haben.

Ron Stallworth, ein Witwer mit zwei erwachsenen Söhnen, hat mittlerweile seine Karriere als Polizist beendet und lebt in Utah. Angst vor der Rache des Ku-Klux-Klan hat er nicht. Im Internet haben sie einmal seinen Namen auf eine „Abschussliste“ gesetzt. „Die hatten aber die falsche Adresse“, sagt Stallworth und lacht dabei. „Ich habe schon als Undercoveragent keine Angst vor dem Ku-Klux-Klan gehabt. Warum sollte ich mich jetzt fürchten?“

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