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Panorama Schottland

Von dieser Brücke stürzen sich Hunde in den Tod

In 15 Meter Höhe überspannt sie den Bach Spardie Linn, führt zu einem stattlichen Adelsanwesen, dem Overtoun-Haus – die Brücke, auf der sich seit mehr als einem Jahrzehnt Unheimliches zuträgt In 15 Meter Höhe überspannt sie den Bach Spardie Linn, führt zu einem stattlichen Adelsanwesen, dem Overtoun-Haus – die Brücke, auf der sich seit mehr als einem Jahrzehnt Unheimliches zuträgt
In 15 Meter Höhe überspannt sie den Bach Spardie Linn, führt zu einem stattlichen Adelsanwesen, dem Overtoun-Haus – die Brücke, auf der sich seit mehr als einem Jahrzehnt Unheimlic...hes zuträgt
Quelle: Bulls | South West News Service
Über 600 Hunde sind bereits von der Overtoun-Brücke nahe Glasgow gesprungen, 50 starben. Hundeexperten stehen vor einem Rätsel. Sind kleine Pelztiere der Grund – oder zieht etwas anderes die Tiere an?

Können Hunde Selbstmord begehen? Wenn ja, was treibt sie in den Tod? Wie genau stellen sie es an? Und wo fällt Vierbeinern der Suizid am leichtesten?

Wer versucht, diesen Fragen auf den Grund zu gehen – dabei am besten noch einen Briten fragt –, landet zwangsläufig im schottischen Dumberton, einem kleinen Städtchen, keine 30 Kilometer von Glasgow entfernt. Am Rande des Ortes schlängelt sich eine schmale Straße den Berg hinauf zu einer viktorianischen Steinbrücke aus dem 19. Jahrhundert.

In 15 Meter Höhe überspannt sie den Bach Spardie Linn und führt zu einem stattlichen Adelsanwesen, dem Overtoun-Haus. Nichts Ungewöhnliches, könnte man meinen, ein ländlicher Ort wie jeder andere im verregneten Norden Großbritanniens. Wären da nicht die Geschichten, die sich nicht nur Hundehalter über die Brücke erzählen – und die zurückführen zu den eingangs aufgeworfenen Fragen.

Schon beim Betreten der Brücke werden die Tiere nervös

In Schottland nämlich ist die Overtoun-Brücke als „Hunde-Suizid-Brücke“ bekannt. Mehr als 600 Hunde sollen sich in den vergangenen 70 Jahren von ihr in die Tiefe gestürzt haben, rund 50 von ihnen sind Zeitungsberichten zufolge dabei ums Leben gekommen.

Angeblich sprangen die Hunde stets von derselben Stelle. Immer wieder erzählen Hundebesitzer davon, dass ihre Tiere nervös wurden, sobald sie die Brücke betraten. Selbst manch angeleinter Hund riss sich los, wetzte davon und setzte am Rand der Brücke zum Sprung an.

English Cocker Spaniel
Mehr als 700 Hunde sollen sich schon von der Brücke gestürzt haben - auch der Spaniel von Alice Trevorrow. Er überlebte den Sturz. Das Foto zeigt einen jungen englischen Cockerspan...iel
Quelle: picture alliance / Arco Images G/Arco Images GmbH

So berichtet es auch Alice Trevorrow über ihren Spaniel Cassie. „Sobald wir aus dem Auto ausgestiegen waren, stürmte sie los. Auf einmal blieb sie wie festgenagelt stehen, die Augen gen Himmel gerichtet“, sagte Trevorrow vor Kurzem der „Daily Mail“. „Dann rannte sie weiter und sprang über den rechten Rand der Brücke!“ Cassie hatte Glück. Sie überlebte den Sturz, zog sich nur Verletzungen zu.

Viele andere Hunde jedoch starben unterhalb der steinernen Rundbögen. Aber warum?

„Hunde haben keinen Grund, Suizid zu begehen“

Seit Jahren beschäftigt diese Frage sowohl Hundeexperten als auch Geisterjäger. Als logischste Erklärung galt bislang, dass unterhalb der Brücke viele Nerze leben. Diese sollen einen speziellen Geruch verbreiten, der Hunde anzieht. Glaubt man dem Hundeverhaltensexperten Stan Rawlinson, sind es die kleinen Pelztiere, die die Hunde zum Sprung verleiten: „Hunde können nicht an die Zukunft denken, sie haben keinen Grund, Suizid zu begehen. Sie wollen lediglich die Nerze jagen. Dabei denken sie, dass die Brücke nur ein kleines Hindernis ist, über das sie drüberspringen können.“

Ein Mink in Brandenburg. Der harmlose Eindruck trügt – der Mink sei der gefährlichste der drei Kleinräuber, sagen Zoologen
Sind es die Gerüche von Nerzen, die die Hunde nervös machen und zum Sprung treiben?
Quelle: dpa

Zu dieser Theorie passen Berichte, denen zufolge hauptsächlich Jagdhunde mit besonders langer Nase in die Tiefe sprangen. Widersprüchlich erscheint sie hingegen, wenn man dem einheimischen Jäger John Joyce glaubt, der behauptet, in seinem ganzen Leben noch keinen einzigen Nerz in der Gegend gesehen zu haben.

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Nicht zuletzt deshalb ruft die Hunde-Suizid-Brücke auch Gespensterforscher auf den Plan. Die bekanntesten Theorien hat der Glasgower Philosophielehrer Paul Owens jetzt in einem neuen Buch zusammengefasst. Für ihn und manch andere gilt das Anwesen Overtoun, die Brücke eingeschlossen, als verfluchter Ort.

Den Geist einer Frau wollen Spaziergänger immer wieder gesehen haben, übernatürliche Kräfte seien am Werk, behaupten andere. Owen selbst will diese sogar gespürt haben. „Als ich auf der Brücke stand, versuchte mich etwas herunterzuschubsen“, erklärte er der Boulevardzeitung „Mirror“. „Genau wie die Hunde.“

1994 beging ein Geisteskranker dort eine schreckliche Tat

Englandweite Schlagzeilen machte die Brücke vor diesem Hintergrund zuletzt 1994. Damals warf ein Vater seinen zwei Wochen alten Sohn von der Brücke. Nur seine Frau konnte ihn davon abhalten, sich anschließend selbst in den Tod zu stürzen. Vor Gericht behauptete der Mann später, auf der Brücke habe er gespürt, dass das Baby vom Teufel besessen gewesen sei. Er wurde in eine Anstalt für Geisteskranke eingewiesen.

Auch die keltische Mythologie hält eine Antwort für die Hunde-Selbstmord-Brücke bereit. Als sogenannter „thin place“, als dünner Ort, wird die Gegend um Overtoun traditionell beschrieben. Gemeint ist damit ein Platz, wo sich Diesseits und Jenseits besonders nahe sind – ein Phänomen, das Hunde womöglich eher spüren als Menschen, das sie anzieht und Todesgelüste aufkeimen lässt?

Bis vor Kurzem warnte ein Schild die Hundehalter

Hundeexperte Stan Rawlinson ist sich nicht sicher. Er selbst glaubt nicht an Geister oder Ähnliches, gibt aber zu: „Falls es sie doch gibt, würden Hunde sie sicherlich spüren.“

Ob Nerze oder Geister, die Lösung für das Rätsel der Overtoun-Brücke bleibt offen. Fakt ist jedoch, dass die Brücke für Hunde ein gefährlicher Ort ist. Bis vor Kurzem warnte davor auch noch ein Schild, das Hundehalter aufforderte, ihre Tiere anzuleinen. Inzwischen ist es verschwunden.

Weder Gedenktafeln noch Blumenkränze erinnern jetzt an die toten Hunde. Wahrscheinlich wird es deshalb nur eine Frage der Zeit sein, bis der nächste Vierbeiner über die steinerne Brückenwand springt.

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