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Panorama Pathologe legt sich fest

Britin in Griechenland von Wölfen zerfleischt – oder?

Keine Scheu – Wölfe kommen Jägern gefährlich nahe

Immer wieder klagen Schäfer und Landwirte über Wolfsattacken auf ihre Tiere. Zwar sind Wölfe grundsätzlich scheu, trotzdem gab es gerade erst wieder eine tödliche Attacke in Griechenland.

Quelle: N24/Peter Haentjes

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Die Britin Celia Lois Hollingworth wurde beim Wandern in Griechenland von wilden Tieren getötet. Experten zweifeln jetzt an der Aussage des Gerichtsmediziners, sie sei von Wölfen zerfleischt worden.

Im Fall der verschwundenen Engländerin Celia Lois Hollingworth legte sich der zuständige Gerichtsmediziner fest: Die 63-jährige Touristin wurde seiner Meinung nach beim Wandern im Norden Griechenlands von Wölfen angefallen und getötet. „Es waren sicher Wölfe. Das haben wir nach einer mehrstündigen Untersuchung zusammen mit einem Veterinärexperten festgestellt“, sagte Nikolaos Kifnidis.

Hollingworth wanderte nach Angaben der Polizei von Komotini am 21. September in der Nähe der antiken Stätte von Maronia. Wie britische Medien berichten, soll die Frau noch während des Angriffs ihre Verwandten in England angerufen und ihnen erzählt haben, dass sie verletzt sei. Ihr Bruder Matthew rief daraufhin die Polizei, diese verständigte die griechischen Behörden.

Die Wirbelsäule ist verschwunden

Am vergangenen Samstag konnten Rettungstrupps dann einen Hut, einen Schuh und den Pass der Britin finden – und sterbliche Überreste eines Menschen. Mittlerweile besteht kein Zweifel mehr: „Die Knochen, die wir gefunden haben, stammen von der Engländerin“, sagte Gerichtsmediziner Kifnidis.

ARCHIV - Ein Wolf (Canis lupus) ist in seinem Gehege im Wildpark Schorfheide in Groß Schönebeck (Brandenburg) am 05.04.2016 zu sehen. (Zu dpa "Abschuss als letztes Mittel - Einigung zum Umgang mit Wölfen" vom 31.08.2017) Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Ein Wolf (Canis lupus) ist in seinem Gehege im Wildpark Schorfheide im brandenburgischen Groß Schönebeck
Quelle: dpa

Große Teile des Körpers, darunter auch die Wirbelsäule der Frau, sind bislang aber noch verschwunden. „Die Wölfe ziehen ihre Beute in ihr Versteck“, sagt Kifnidis. Und fügt hinzu, so etwas habe er „in seinem Leben noch nicht gesehen“.

In der Nähe von Maronia befindet sich das dicht bewaldete Gebiet von Ismaros. Ein Sprecher der örtlichen Polizei erklärte gegenüber dem britischen „Guardian“, in der Gegend lebten einige Wolfsrudel und wilde Hunde.

Zweifel am Wolfsangriff

Eben diese Version bezweifeln nun Wolfsexperten aus Griechenland und Deutschland. Markus Bathen, 45, ist Leiter des Wolfsbüros des Naturschutzbundes Deutschland. Er arbeitet und forscht seit 2002 zu Wölfen. „Als ich die Nachrichten über den angeblichen Wolfsangriff gehört habe, habe ich erstmal sehr gestutzt“, so Bathen.

Das Gebiet, in dem die Britin zu Tode kam, sei kein bekanntes Wolfsverbreitungsgebiet. Dazu läge es viel zu nahe an der Küste. „An Küstenregionen ist durch zum Beispiel Touristen und Fischer viel zu viel los, als dass die scheuen Wölfe sich dort wohlfühlen könnten“, erklärt der Experte. Zudem hält Bathen das Gebiet für nicht weitläufig genug, als dass dort ein Wolfsrudel leben könnte.

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Außerdem fragt Markus Bathen sich, wie der zuständige Gerichtsmediziner sich so sicher sein könne, dass es sich um Wolfsbisse handle. „Bisspuren von Wölfen lassen sich kaum von denen von verwilderten Hunden unterscheiden“, sagt Bathen. Damit werde er in seiner alltäglichen Arbeit immer wieder konfrontiert, wenn Landwirte ihm gerissene Schafe melden. Ob es sich um Wolfs- oder Hundebisse handle, ist meist kaum festzustellen.

WWF Griechenland vermutet verwilderte Hunde als Täter

Auch der WWF Griechenland ist verwundert darüber, dass in den meisten Presseberichten schon der Wolf als Täter festzustehen scheint. Die Organisation vor Ort hält einen Angriff verwilderter Hunde für weit wahrscheinlicher. In einer Stellungnahme erklärte die Organisation: „Es ist jetzt wichtig, die gründlichen und zuverlässigen Ermittlungen der griechischen Behörden abzuwarten. Gerüchte und unbegründete Vermutungen dürfen keinen Platz haben.“

Zwischenfälle mit verwilderten Hunden sind laut WWF Griechenland im Land keine Seltenheit. Auch in Thrakien, der Region, wo die Britin getötet wurde, seien streunende Hunde weit verbreitet. Die Erfahrung habe gezeigt, dass diese Hunde oft aggressiv seien, so die Organisation.

Die griechische Wolf- und Wildtierorganisation Callisto fordert nun einen DNA-Test, um den Speichel an den Bissspuren zu analysieren. So könnte man eindeutig feststellen, um welche Spezies es sich bei dem Angriff auf Celia Lois Hollingworth gehandelt habe.

Angriffe auf Menschen sehr selten

Wolfsexperte Markus Bathen unterstützt die Forderung nach einem DNA-Test. Es sei dann zwar noch nicht sicher feststellbar, ob die DNA auch zu den Tieren gehörte, die die Britin tatsächlich totgebissen hätten. Aber es sei wichtig, keine Gerüchte über Wolfsangriffe zu verbreiten.

Angriffe von Wölfen auf Menschen seien sehr selten. Der letzte Angriff mit Todesfolge war im Jahr 2000 in Litauen, so der Experte. Auch seit es in Deutschland wieder freilebende Wölfe gibt, hat es noch keine Situation gegeben, in der sich die Tiere aggressiv gegenüber dem Menschen verhalten hätten.

Der Wolf in Deutschland

Deutschland ist seit dem Jahr 2000 wieder Wolfsland. Laut dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) befanden sich im April 2017 rund 61 Wolfsrudel auf deutschem Gebiet, die meisten leben in Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen. Zu einem Wolfsrudel gehören etwa acht Wölfe.

ARCHIV - Der verhaltensauffällige Wolf Kurti (l) steht am 07.03.2016 auf einem Feld. Zum ersten Mal haben sich mehrere Verbände in Berlin auf eine gemeinsame Strategie zum Umgang mit Wölfen geeinigt. (zu dpa "Bundesweite Eckpunkte zum Umgang mit Wölfen stoßen auf Kritik" vom 31.08.2017) Foto: Konstantin Knorr/Hannoversche Allgemeine Zeitung/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Eie gemeinsame Strategie zum Umgang mit Wölfen ist heftig umstritten
Quelle: dpa
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Gesunde Wölfe, die nicht provoziert oder angefüttert werden, stellen laut der Organisation für den Menschen in der Regel keine Gefahr dar. Wildschweine, die sich verteidigen wollen, sind statisch betrachtet gefährlicher als Wölfe, so der Naturschutzbund Deutschland.

Wer einen Wolf sieht, sollte dies melden

Die letzte europaweite Studie zu Wolfangriffen stammt aus dem Jahr 2001. Zwischen 1950 und 2000 wurden in Europa neun Menschen von Wölfen getötet. Bei fünf dieser Fälle waren Wölfe an Tollwut erkrankt. Deutschland gilt seit 2008 zum Glück als tollwutfrei.

Wer beim Spazierengehen einmal einem Wolf begegnet, dem rät der Naturschutzbund Deutschland, ruhig zu bleiben und dem Tier die Möglichkeit geben, sich zurück zu ziehen. Wer sich unwohl fühlt, kann laut klatschen oder rufen – das vertreibt den Wolf. Wer einen Wolf sieht, sollte diesen aber auf jeden Fall die zuständige Behörde im Landratsamt melden.

Wer mehr über Wölfe in Deutschland wissen will, für den hat der Naturschutzbund Deutschland eine umfangreiche Fragen-und Antwortliste erstellt.

tpf

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