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Wissenschaft Zwergwuchs

Dackel-Gen macht auch Menschen kurzbeinig

Eine Gruppe US-amerikanischer Genforscher hat herausgefunden, warum der Dackel kurze Beine hat: Ursache ist eine einzige Genmutation, die jedoch große Auswirkung auf die Evolution der Tiere hatte. Eine solche Genveränderung führt auch beim Menschen zu verschiedenen Formen von Zwergwuchs.

Der Dackel sei ein Tier, halb so hoch wie ein Hund und doppelt so lang, heißt es im Volksmund. Auch als „Wurst auf Beinen“ wird er gelegentlich verlacht. Doch der arme Dackel kann nichts für seine kurzen Dackelbeine: Die sind ihm schließlich vom Menschen angezüchtet worden.


Den ersten Schritt in diesem Prozess hat allerdings die Natur gemacht, berichtet ein amerikanisches Forscherteam im Magazin „Science“. Die Wissenschaftler haben untersucht, wie der Dackel und andere kurzbeinige Rassen zu ihren Stummelbeinchen kamen. Sie konnten zeigen, dass diese Rassen ein bestimmtes Gen gemeinsam haben, das offenbar kurz nach der Domestikation des Hundes verdoppelt und an neuer Stelle ins Genom eingebaut wurde. Durch diese Verdoppelung entstanden die ersten kurzbeinigen Hunde – die der Mensch dann zur Züchtung verschiedener Rassen heranzog.


Die Wissenschaftler um Elaine Ostrander vom „National Human Genome Research Institute“ in Bethesda, Maryland, hatten DNA-Proben von insgesamt 835 lang- und kurzbeinigen Hunden untersucht. Sie verglichen 40.000 genetische Marker auf den Hundegenomen – und fanden schließlich einen, den alle Kurzbeiner gemeinsam hatten. Dabei handelt es sich um die Kopie eines Gens für den Wachstumsfaktor FGF4: Ein Protein, dass für die Regulation von Wachstums- und Differenzierungsprozesse in Zellen zuständig ist.


Diese Genkopie ist ein so genanntes Retrogen. Es entsteht, wenn die Boten-RNA des ursprünglichen Gens – also die Blaupause für die Übersetzung in ein Protein – wieder in DNA übersetzt wird. Zu diesem Trick sind zum Beispiel einige Viren in der Lage, die ein bestimmtes Enzym für die Rückübersetzung besitzen. Das neu generierte Stück DNA wird dann unter Umständen wieder ins Genom eingebaut – allerdings an ganz anderer Stelle als das Original.

In den meisten Fällen sind Retrogene nicht mehr funktionstüchtig, denn die Fehlerquote beim Rückwärts-Übersetzen und beim Wiedereinbau ist zu hoch. Doch wenn die Genkopie den Prozess unbeschadet übersteht, kann sie einiges durcheinander bringen: Sie untersteht plötzlich anderen Kontrollmechanismen und wird in anderen Mengen oder einem anderen Rhythmus abgelesen als das Original-Gen.


Genau das scheint den kurzbeinigen Hunden passiert zu sein, glauben die Forscher: „Wir nehmen an, dass die atypische Expression der FGF4-Kopie in den Knorpelzellen eine unpassende Aktivierung eines oder mehrerer FGF-Rezeptoren verursacht“, schreiben sie in der Studie. Eine solche Aktivierung führe bei Menschen zu verschiedenen Formen von Zwergwuchs.


Tatsächlich sind die kurzen Beine des Dackels eine tierische Form von Kleinwüchsigkeit. Der Fachbegriff für diese Art der Fehlbildung lautet Chondrodysplasie oder auch Achondroplasie. Bei Dackeln, Corgies, Bassetts und anderen kurzbeinigen Hunden gehört sie zum Rassestandard. Sie entsteht, weil während der Embryonalentwicklung die Wachstumsfugen der Knochen zu früh verhärten.


Damit sind die Dackel nicht nur an sich ein interessantes Studienobjekt, sondern auch ein gutes Modell für menschliche Leiden. „Unsere Studie zeigt ein neues Gen auf, das auf seine mögliche Rolle bei menschlichen Skelettdysplasien hin untersucht werden sollte“, meint Ostrander.

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Außerdem liefert die Studie auch wichtige Erkenntnisse über die Evolution der Hunde. Obwohl die kurzbeinigen Rassen in verschiedenen Ländern und zu den verschiedensten Zwecken gezüchtet wurden, halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass die Kurzbeinigkeit nur ein einziges Mal entstand - und zwar vor der Aufspaltung der frühen Hunde in die modernen Rassen. „Wir waren überrascht, dass ein einziges Retrogen, an irgendeinem Punkt während der Evolution entstanden, ein derart dramatisches physisches Merkmal hervorbringen konnte“, sagt Ostranders Kollegin Heidi Parker.


Neben der Kurzbeinigkeit zeichnet den Dackel übrigens auch sein Eigensinn aus. Auch der ist ihm angezüchtet, weil er auf der Jagd in Dachs- oder Fuchsbauten schließlich selbst entscheiden muss, was er tut.


Eines allerdings weiß kaum jemand über die angebliche „Wurst auf Beinen“: Der Dackel sei, verrät Schöler, im Verhältnis zu seiner Körpergröße der schnellste aller Hunde – trotz der kurzen Beine. „Er zieht sich beim Laufen zusammen und streckt sich wieder, so ähnlich wie eine Raupe.“ Wer hätte es geahnt: Da bekommt der Begriff „dackeln“ gleich eine ganz neue Bedeutung.

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