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Die lange Tradition des grünen Antizionismus

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Sind die Vorschläge der Grünen, eine Produktkennzeichnung israelischer Waren einzuführen, ein Beleg für eine antizionistische Tradition? Sind die Vorschläge der Grünen, eine Produktkennzeichnung israelischer Waren einzuführen, ein Beleg für eine antizionistische Tradition?
Sind die Vorschläge der Grünen, eine Produktkennzeichnung israelischer Waren einzuführen, ein Beleg für eine antizionistische Tradition?
Quelle: dpa
Die Grünen haben nicht nur pädophile Leichen im Keller, sie werden auch regelmäßig von ihrer antizionistischen Geschichte eingeholt. Das beweist ihr neuer Kennzeichnungs-Vorstoß israelischer Produkte.

Im Dezember 1984 brach eine Gruppe grüner MdBs zu einer Fact-Finding-Mission in den Nahen Osten auf. Auf dem Reiseplan standen der Libanon, Syrien, Jordanien, Israel und die von Israel besetzte Westbank.

Mit von der Partie war auch ein junger Abgeordneter namens Jürgen Reents, der auf dem Weg von den Jungdemokraten und dem Kommunistischen Bund zu den Grünen gestoßen war und 1983 über die Hamburger Grün-Alternative Liste (GAL) in den Bundestag gewählt wurde. 1991 verließ Reents die Grünen, um Pressesprecher der PDS-Bundestagsgruppe zu werden. 1999 übernahm er die Chefredaktion des „Neuen Deutschland“, dem er heute noch als „Redakteur mit besonderen Aufgaben“ verbunden ist.

Im Juni 2011 veröffentlichte Reents im ND einen längeren Artikel zum Thema „Die LINKE, der Antisemitismus und der Nahostkonflikt“, in dem er auch die Nahost-Reise im Jahre 1984 rekapitulierte. Das Einzige freilich, woran sich Reents erinnern konnte, war eine feindselige Karikatur in der israelischen Tageszeitung „Ma’ariv“, mit der die grüne Gruppe empfangen wurde.

Was Reents vollkommen verdrängt hatte, war der Skandal, mit dem die Reise endete, nachdem bekannt wurde, dass die Delegation, noch bevor sie losgefahren war, bereits eine „Abschlusserklärung“ verfasst hatte, in der festgestellt wurde, die israelische Regierung trage die "volle Verantwortung für das sich abzeichnende Blutbad im Nahen Osten, wenn sie ihre Politik nicht entscheidend ändert".

Nicht nur pädophile Leichen im Keller

Sieben Jahre später, Anfang 1991, machte sich der damalige Vorstandssprecher der Grünen, Hans-Christian Ströbele, auf den Weg in den Nahen Osten, derweil schlugen in Israel irakische Scud-Raketen ein. Das sei, so Ströbele kurz vor dem Abflug, "die logische, fast zwingende Konsequenz der israelischen Politik den Palästinensern und den arabischen Staaten gegenüber". Ströbele sprach sich sogar gegen die Lieferung von „Patriot“-Abwehrraketen an Israel aus, weil dies zu einer Eskalation des Konflikts führen könnte. Auch diese Reise geriet zum Debakel. Noch bevor er zur Persona non grata erklärt wurde, zog Ströbele die Notbremse, flog heim und trat von seinem Amt als Vorstandssprecher der Grünen zurück.

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Die Grünen haben nicht nur ein paar pädophile Leichen im Keller, die in unregelmäßigen Abständen auf sich aufmerksam machen, sie werden auch immer wieder von ihrer „antizionistischen“ Geschichte eingeholt. Was einem Schreber sein Garten, das ist den Grünen der Nahe Osten. Jetzt will die Öko- und Friedenspartei erreichen, dass israelische Produkte, die in den besetzten Gebieten hergestellt wurden, nicht unter „Made in Israel“ vermarktet, sondern gesondert gekennzeichnet werden.

Das sei kein Aufruf zum Boykott, versichern sie, und habe nichts mit dem alten Kampfruf „Deutsche wehrt Euch, kauft nicht bei Juden“ zu tun, es gehe nur um die „Ermöglichung von informierten Kaufentscheidungen“. Es ist also eine Maßnahme zum Wohle der Konsumenten, nicht zum Nachteil Israels, das freilich nicht nur Blumen, Früchte und Gemüse nach Deutschland exportiert, die möglicherweise in einer der Siedlungen in der Westbank angebaut und geerntet werden. Die Situation ist ein wenig komplizierter, als sie von den grünen Gutmenschen wahrgenommen wird.

Nicht überall, wo Israel drin steckt, steht Israel drauf

Israel ist ein Kleinstaat, etwa so groß wie Hessen, aber eine High-Tech-Großmacht. In fast jedem Computer stecken Teile, die in Israel entwickelt oder produziert wurden. Nicht nur die Cherry-Tomate, auch der USB-Stick ist eine israelische Erfindung. Das Gleiche gilt für zahllose Pharma-Produkte. Wären die Grünen konsequent, müssten sie auf den Gebrauch ihrer Laptops verzichten und beim Einkauf von Kopfschmerztabletten mehr als nur den Beipackzettel studieren. Denn nicht überall, wo Israel drin steckt, steht Israel drauf. Die Herkunft von Bananen und Avocados lässt sich mühelos feststellen, der Produktionsprozess von Mikrochips ist aufwendiger und arbeitsteiliger.

Hinzu kommt: Viele israelische High-Tech-Unternehmen arbeiten mit palästinensischen Firmen zusammen. In der binären Sprache der IT-Experten gibt es für „Besatzung“ und „Krieg“ keinen Ausdruck. Man kommuniziert miteinander über alle Grenzen hinweg, völlig unabhängig davon, was in der Politik passiert.

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Ginge es also um die „Ermöglichung von informierten Kaufentscheidungen“, müssten mehrere Herkunfts-bezeichnungen eingeführt werden: Made in Israel, Made in the Occupied Territories, Made in Israeli-Palestinian Cooperation, Developed in Israel-Made in Palestina…

Antizionismus ist Kern der grünen Initiative

Wenn wir also zugunsten der Grünen annehmen, dass sie nicht von „antizionistischen“ Motiven getrieben werden, dann sind sie ahnungslose Schaumschläger, die mitnichten „informierte Kaufentscheidungen“ ermöglichen, sondern Politik über Bande spielen wollen. Wobei sie vermutlich den Willen der Verbraucher, vor dem Kauf informiert werden zu wollen, maßlos überschätzen. Wenn der gemeine Aldi-Kunde lieber neuseeländische als deutsche Äpfel kauft, weil die ersten billiger sind und besser aussehen, dann wird er sich auch nicht darum scheren, auf welcher Seite der „grünen Linie“ die Erdbeeren gepflückt wurden, so lange sie frisch und preiswert sind.

Aber es bleibt ein Restverdacht. Bis jetzt gibt es keine Initiative der Grünen, chinesische Produkte, die in Tibet hergestellt wurden, besonders zu kennzeichnen. Dabei sind die Chinesen schon viel länger Besatzungsmacht als die Israelis. Es gibt auch keine Überlegungen, Importe aus Nordzypern, das von der Türkei 1974 besetzt wurde, anders als „Made in Turkey“ zu etikettieren. Man könnte auch auf die Idee kommen, auf Textilien aus Bangladesch einen Sticker zu nähen, auf dem ein ausgemergeltes Kind zu sehen ist. Alles im Dienste „informierter Kaufentscheidungen“.

Aber so etwas steht nicht auf der grünen Agenda. Wenn Antisemitismus die Sonderbehandlung von Juden ist, dann ist Antizionismus die Sonderbehandlung von Israel. Und genau das ist der Kern der grünen Initiative, die sich als Dienst am Kunden geriert. Sie ist nur ein weiteres Kapitel in einer langen Geschichte, die Ende 1969 mit einem „Brief aus Amman“ begann, in dem Dieter Kunzelmann an seine Freunde und Weggenossen appellierte, endlich ihren „Judenknax“ zu überwinden und sich mit der Fatah zu solidarisieren, „die im Nahen Osten den Kampf gegen das Dritte Reich von Gestern und Heute und seine Folgen aufgenommen hat.“

Früher nannte man das revolutionäre Geduld

Was die Alternative Liste nicht davon abhielt, Kunzelmann bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Jahre 1983 als Kandidaten aufzustellen. Zwei Jahre später wurde er von Hans-Christian Ströbele in seiner Anwaltskanzlei als Archivar eingestellt.

Von Kunzelmann hat man lange nichts mehr gehört. Ströbele, ein Mitbegründer der Alternativen Liste, sitzt für die Grünen im Bundestag. Früher nannte man so etwas revolutionäre Geduld. Heute ist es nachhaltige Politik.

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