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Meinung Weblog: Böss in Berlin

Ein Arbeitsplatz, schlimmer als der Holocaust

Sedika Weingärtner ist Siemens-Überlebende. Zwei Jahre lang wurde sie in dieser Firma zur Arbeit gezwungen. Es war eine schreckliche Zeit. „Kein Jude in diesem Land musste jemals solche seelischen Qualen erleiden wie ich“ , erklärt sie. Und die Parallelen zwischen ihrem Schicksal und dem der sechs Millionen ermordeten Juden sind wirklich erschreckend.

Weingärtner berichtet davon , dass sie „mit einem alten PC abgespeist“ wurde, außerdem musste sie mit einem kleinen Büro zufrieden sein. Das ist schlimm, also richtig schlimm. Eliminatorischer Antiweingärtnerismus, keine Frage. So hat es doch schon einmal angefangen. Die Juden bekamen damals auch nur die alten sperrigen PCs, während die Arier die neuen Apple-Notebooks nutzen durften. Wie es endete, ist bekannt.

Nun hat Weingärtner Siemens verklagt, es geht um viel Geld, zwei Millionen Euro will sie haben. Wobei natürlich die Frage ist, ob es nicht eine Relativierung von Weingärtners Leid darstellt, ihren Arbeitsplatzärger mit Auschwitz zu vergleichen. Wenn sie konsequent ist, wird sie zumindest noch etwas mehr nachlegen. Der Weg vom Parkplatz ins viel zu kleine Büro war doch im Prinzip auch nichts anderes, als ein Todesmarsch. Nur mit dem Unterschied, dass dieser zwei Jahre dauerte, während der von den KZ-Häftlingen 1945 schon nach ein paar kurzen Wochen vorbei war. Und wurde Frau Weingärtners Arbeit nicht auch bewertet? Was im Klartext heißt, dass es da andere Leute gab, die in Herrenmenschenmanier über sie richteten? Schließlich folgte auch noch die Endlösung, also das Mobbing. Und wo findet der Prozess statt? In Nürnberg (Stichwort: Rassengesetze)! Kann das ein Zufall sein? Im Grunde steht uns ein Holocaustprozess der postmodernen Art bevor. Der Werterelativismus macht es möglich. Holocaust ist, was dich ärgert.

Aber warum sollte Frau Weingärtner denn nicht glauben, ein schwereres Los zu haben als die von den Nazis ermordeten Juden? Immerhin darf der Gazastreifen deutsche Bischöfe auch an das Warschauer Ghetto erinnern, ohne dass es jemanden stört. Wenn aber der Gazastreifen das Warschauer Ghetto ist, kann ein Siemensarbeitsplatz allemal schlimmer als der Mord an sechs Millionen Juden sein. Dann geht alles. Weil dann alles egal ist.

Der Prozess der Siemens-Überlebenden hat noch gar nicht angefangen. Man wird sehen, wie er ausgeht und ob es zur Zahlung einer Wiedergutmachung kommt. Spannend bleibt es auf alle Fälle. Sollte dieser Prozess erfolgreich sein, könnte es in Zukunft regelmäßiger dazu kommen, dass vor dem Arbeitsgericht auf Nazivergleiche gesetzt wird.

Unklar ist noch, ob Weingärtner die einzige Überlebende aus ihrer Familie ist oder ob noch andere dem Terror entkommen sind...

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