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Geschichte Steinmeier-Villa

Das NS-Opfer Hugo Heymann bekommt sein Gesicht zurück

Die Dienstvilla des Bundespräsidenten wurde 1933 von ihrem jüdischen Eigentümer unter Druck verkauft. Jetzt ist erstmals ein Foto des Vor-Eigentümers aufgetaucht.
Leitender Redakteur Geschichte
Kombo Villa Hugo heymann Kombo Villa Hugo heymann
Erst jetzt ist ein Foto von Hugo Heymann aufgetaucht, dem bis 1933 die heutige Dienstvilla des Bundespräsidenten gehörte
Quelle: picture-alliance / Berliner Zeitung/ Mittenzwei Karl; Familie Kaps Privatarchiv

Der Kaufpreis war ausgesprochen günstig. Für 86.000 Reichsmark, umgerechnet etwa 56 durchschnittliche Jahresgehälter, kaufte am 7. Februar 1933 der deutschnationale Verleger Waldemar Gerber, Eigentümer der „Potsdamer Tageszeitung“, die Villa in der Pücklerstraße 14 im Berliner Nobelviertel Dahlem. Der Verkäufer Hugo Heymann, ein 51-jähriger Fabrikant, hatte das 1912 errichtete Haus wenige Jahre zuvor für 150.000 Reichsmark, umgerechnet etwa 90 durchschnittliche Jahresgehälter, gekauft und zusätzlich 20.000 Reichsmark investiert.

Der günstige Preis hing natürlich damit zusammen, dass Heymann ein jüdischer Deutscher war, während Gerber gute Kontakte zu dem Berliner Nationalsozialisten Kurt Daluege pflegte, einem engen Vertrauten von Heinrich Himmler, der 1946 wegen Kriegsverbrechen hingerichtet wurde. Zwar erfolgte der Verkauf vor Beginn der eigentlichen Arisierungen, also der unter Druck erfolgenden Veräußerung oder auch einfach Enteignung jüdischen Eigentums. Doch auch von Heymann ist überliefert, dass er in den Verkaufsverhandlungen angegangen wurde.

Hugo Heymann Villa Pücklerstraße, in der heute der Bundespräsident wohnt.
Heymann steckte zusätzlich zum Kaufpreis 20.000 Reichsmark in das Haus
Quelle: Familie Kaps Privatarchiv

Geschichten wie diese gibt es in Deutschland zu Tausenden, wenn nicht zu Zehntausenden. Besonders brisant allerdings ist die Vorgeschichte des Hauses in der Pücklerstraße, nach ihrem Bauherren oft auch Villa Wurmbach genannt, weil die Immobilie heute im Eigentum der Bundesrepublik ist und als Dienstwohnung des Staatsoberhauptes dient, gegenwärtig Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Nach einigen Verwirrungen deckten Historiker, darunter vor allem Julien Reitzenstein, in enger Absprache mit dem Präsidialamt 2017/18 die Vorgeschichte der Villa auf; sie wird inzwischen mit einer Erinnerungsstele auf der Straße und einer Tafel am Haus selbst angemessen dokumentiert. Doch bisher wusste man nicht, wie Hugo Heymann aussah – es gab schlicht kein erhaltenes Foto von ihm, ebenso wenig Bilder der Villa aus der Zeit seiner Eigentümerschaft.

17.06.1999, Berlin / Zehlendorf: Die Villa von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Pücklerstraße 14 in Berlin-Dahlem. | Verwendung weltweit
Die Dienstwohnung des Bundespräsidenten liegt in der Pücklerstraße 14 in Berlin-Dahlem
Quelle: picture-alliance / Berliner_Zeit

Das hat sich jetzt geändert. Kürzlich kam im Bundespräsidialamt ein Umschlag aus Münster an. Darin befanden sich unter anderem vier Fotos, die aus dem Nachlass des unlängst verstorbenen Peter Kaps stammen. Er war der Sohn aus der zweiten Ehe von Maria Heymann, deren Ehemann 1938 wohl mit nur 56 Jahren an den Folgen von Misshandlungen durch die Gestapo gestorben war. In dem Umschlag befand sich ein Porträt Hugo Heymanns in Uniform. Es wurde, wie die Details der Uniformmütze zeigen, im Ersten Weltkrieg aufgenommen, an dem er wie etwa 85.000 weitere jüdische Deutsche teilgenommen hatte. Ferner liegen jetzt drei Schwarzweißaufnahmen der Villa aus der Zeit vor, in der die Heymanns hier wohnten.

„Das ist ein großartiger Fund, der die Aufarbeitung der Geschichte der Dienstvilla enorm bereichert“, sagt der Bundespräsident zu der überraschenden Entdeckung: „Die Bilder geben vor allem dem jüdischen Vorbesitzer endlich ein Gesicht. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Hugo Heymann im Ersten Weltkrieg
Hugo Heymann in Uniform während des Ersten Weltkrieges
Quelle: Familie Kaps Privatarchiv

Es geht bei dieser Immobilie nicht um offene Vermögensfragen oder gar eine Rückübertragung. Aber die Vorgeschichte gerade der Dienstwohnung des deutschen Staatsoberhauptes sollte so vollständig wie möglich aufgeklärt sein. Das ist, dank des Engagements Steinmeiers, seit 2017 geschehen. Mit den nun aufgetauchten Fotos Hugo Heymanns wird diese deutsch-jüdische Geschichte, die pars pro toto für viele ähnliche Schicksale in Deutschland steht, vervollständigt.

Der Fund belegt, wie wichtig die Durchsicht von privaten Nachlässen sein kann. Jetzt, gut ein Dreivierteljahrhundert nach dem Dritten Reich, endet das Leben der Kinder jener Menschen, die in den 1930er- und 1940er-Jahren von der menschenverachtenden Politik der Nationalsozialisten oft existenziell bedroht worden waren. Oft haben sich in ihrem Besitz Unterlagen oder Fotos erhalten, die Auskunft über offene Fragen geben können. Oder schlicht, wie bei Hugo Heymann, einem NS-Geschädigten sein Gesicht wiedergeben.

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